Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6738 Entscheidungen

Zuneigung zu den „Ratten der Lüfte“

Eine bundeslandeigene Zeitung veröffentlicht gedruckt und online den Beitrag „Irre Zuneigung zu den Ratten der Lüfte“. Darin heißt es, das Thema Taubenplage kocht durch eine „fundamentalistische Tierschützerin“ erneut hoch. Die Frau – zum Teil mit vollständigem, zum Teil mit abgekürzten Nachnamen genannt – füttere seit zwölf Jahren illegal Tauben und habe dafür zwei Bußgeldbescheide kassiert. Doch sie füttere die Tiere nicht nur. Sie sei als Tierschützerin auch politisch aktiv und übe Kritik am Umgang mit Tauben. Dem Printbeitrag ist ein Porträtfoto der Frau beigefügt. Es zeigt diese mit Glatze. Im Bildtext steht dieser Hinweis: „In (…) bekannt als schräger Vogel: Taubenmutter (es folgt der komplette Name)“. Die Tierschützerin wendet sich wegen des Beitrages mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie macht Verstöße gegen mehrere Ziffern des Pressekodex geltend. Kern ihrer Beschwerde ist zum einen das Bild, das sie während ihrer Straßentheaterzeiten vor 17 Jahren zeigt. Nach Bearbeitung sei von dem damaligen Bild nur ein Kopf mit Glatze übriggeblieben, was mit der Verleumdung „fundamentalistisch“ verbunden werde. Auf einen ersten flüchtigen Blick könnte man an ein Verbrecherfoto glauben. Ihre weltanschauliche und sittliche Überzeugung, dass Tiere ähnlich unveräußerliche Rechte hätten wie Menschen, werde mit dem Wort „irre“ in den Bereich der Psychopathie gerückt. Mit dem Begriff „Ratten der Lüfte“ würden Tauben dämonisiert und zu Ekelobjekten herabgestuft. Für die Zeitung nimmt deren Chefredakteur Stellung. Er habe den entsprechenden Artikel aus dem Internetangebot genommen. Mit einer Mail an die Beschwerdeführerin habe er sich dafür entschuldigt, dass die sonst üblichen Kontrollmechanismen in diesem Fall versagt hätten.

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Computerspiele mit eindeutigem Rechtsdrall

Eine Zeitschrift mit dem Themenschwerpunkt Computerspiele veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Rassismus, Islamhass, Transphobie: Das Studio Destructive Creations und die rechte Szene“. Es geht dabei um ein aktuelles Dossier der Initiative „Keine Pixel für Faschisten!“ Dieses sei in Zusammenarbeit mit dem Verein „Gesicht zeigen: Für ein weltoffenes Deutschland!“ erstellt worden. Im Dossier werde aufgedeckt, dass der namentlich genannte Geschäftsführer und verschiedene Entwickler, die ebenfalls namentlich genannt werden, über ihre Spiele rechtsextremes Gedankengut verbreiteten und mit Neonazi-Gruppierungen sympathisierten. Die Redaktion zitiert mehrfach aus dem Dossier. Ein Leser sieht durch die Berichterstattung mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Er nennt die Kodexziffern 2, 4, 8, 9, und 13. (In der Vorprüfung wurde das Verfahren auf mögliche Verstöße gegen die Ziffern 2, 8 und 9 des Pressekodex beschränkt. Verstöße gegen die übrigen Ziffern waren nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer wirft der Redaktion vor, der Artikel greife ein „Dossier“ eines anonymen Internetprangers („Kein Pixel für Nazis!“) auf. Dieses Dossier nenne keine Autoren. In ihm wird behauptet, einzelne Mitarbeiter eines genannten polnischen Spieleentwicklers hätten Verbindungen in die rechte Szene. Die Betroffenen würden mit vollem Namen genannt. Sehe man das Dossier durch, sei die Faktenlage doch eher dünn. Einzelne Mitarbeiter des Studios würden in Wort und Bild identifizierbar dargestellt. In geradezu obszöner Weise werde aus dem „Dossier“ zitiert. Jede noch so steile These werde weitgehend im Wortlaut übernommen. Fazit: Die Zeitschrift gebe anonym verfasste Vorwürfe wieder. Die Redaktion hinterfrage ihre Quellen nicht und schaffe ein für alle Zeit verleumderisches Google-Suchergebnis auf den Spieleentwickler. Der Autor bezeichne die Spieleentwickler einfach als Neonazis. Der Chefredakteur der Zeitschrift nimmt Stellung. Die Redaktion habe vor der Veröffentlichung des Beitrages die Quelle auf Korrektheit und Plausibilität geprüft, Kontakt zu den Betreibern aufgenommen, um konkrete Informationen zu den Verfassern des Dossiers zu erhalten und das Entwicklerstudio mit den Vorwürfen konfrontiert und dieses um eine Stellungnahme gebeten.

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Feiner Unterscheid zwischen Luftraum und „ADIZ“

Die Online-Version eines Nachrichtenmagazins veröffentlicht einen Beitrag, in dem die Redaktion über das Eindringen von 38 chinesischen Kampfflugzeugen in Taiwans Lufttraum berichtet. Dass chinesische Flugzeuge in den sogenannten taiwanesischen Verteidigungsluftraum ADIZ („Air Defense Identification Zone“) eindringen, passiere fast täglich. Die Redaktion erläutert in einem gesonderten Beitrag den Begriff ADIZ. Darin heißt es, die Zone umfasse nicht nur den eigentlichen Luftraum über der Insel Taiwan, sondern auch Teile der chinesischen Luftüberwachungsgebiete und sogar Teile von Festland-China. Man könne sie als eine Art Pufferzone verstehen, in der einfliegende Militärmaschinen gehalten seien, sich zu identifizieren und ihre Koordinaten fortlaufend zu melden. Ein Leser des Magazins stellt fest, die Überschrift „China dringt mit 38 Kampffliegern in Taiwans Luftraum ein“ sei schlicht falsch. Nicht der Luftraum von Taiwan sei verletzt worden. Vielmehr hätten die Flugzeuge die ADIZ durchflogen. Diese werde aber von China verständlicherweise nicht anerkannt, weil sie sich über chinesisches Territorium erstrecke. Die Rechtsvertretung des Nachrichtenmagazins teilt mit, der Beschwerdeführer kritisiere nur die Überschrift des Beitrages. Diese stamme von einer Nachrichtenagentur und sei für sich genommen falsch. Die Redaktion habe die Überschrift mittlerweile korrigiert. Die Redaktion verwahre sich jedoch entschieden gegen den vom Beschwerdeführer erhobenen Vorwurf der Lüge, um Stimmungsmache und Propaganda zu betreiben.

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Verkehrsunfall: Drei beste Freunde tot

Eine Regionalzeitung berichtet über einen Prozess wegen eines Verkehrsunfalls. Die Überschrift lautet: „Das war doch meine Familie!“. Die Unterzeile: „Prozess gegen jungen Mann, der mit einem Unfall bei (…) seine drei besten Freunde tötete“. Ein Leser der Zeitung wirft dem Autor vor, er vorverurteile in unverantwortlicher Weise den jugendlichen Fahrer. Er nehme Wertungen vor, die erst im beschriebenen Gerichtsprozess zu klären seien. Der Autor – so der Beschwerdeführer – beschreibe genau die soziale Ächtung, die der jugendliche Fahrer und einzige Überlebende des Unfalls im letzten Jahr erlebt habe. Umso unverständlicher und unverantwortlicher seien die Wertungen, die in diesem Artikel vorgenommen würden. Der Chefredakteur antwortet auf die Beschwerde. Er widerspricht dem Vorwurf der Vorverurteilung. Auch wenn die Redaktion die Auffassung vertrete, dass die entsprechende Formulierung zulässig sei, habe man diese in der Online-Fassung dennoch geändert, um jedes Missverständnis zu vermeiden. Die Änderung sei mit einem Transparenzhinweis versehen worden.

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Jugendamt entzieht einer Familie fünf Kinder

„Kinder morgens mit der Polizei geholt: Familie kämpft um Sorgerecht“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung über eine Familie, der das Jugendamt ihre fünf Kinder entzogen hat. Die Redaktion berichtet von vielen Ungereimtheiten bei diesem Fall von „Kindesinobhutnahme“, wie der Vorgang im Beamtendeutsch genannt wird. In der Berichterstattung werden die Eltern mit dem Vornamen und dem abgekürzten Nachnamen genannt. Sie werden im Bild gezeigt. Auch die Vornamen der Kinder werden genannt. Ein Foto zeigt das Haus der Familie. Eine Leserin der Zeitung kritisiert die Personenfotos und den bildlichen Hinweis auf das Wohnhaus. In Kombination mit den sehr persönlichen Inhalten könnte der Artikel für die Kinder gravierende soziale Konsequenzen haben. Die Redaktion habe nicht hinreichend darauf geachtet, die Kinder zu schützen. Zwar hätten, so die Beschwerdeführerin, die Eltern selbst sehr persönliche Familiendetails der Zeitung geschildert, doch greife die Redaktion erheblich in die Privatsphäre der Kinder ein. Vor allem stört sich die Leserin an dieser Passage des Berichts: „Aber eine Sache treibt den Vater zur Verzweiflung: Beim einzigen Treffen mit seinen Kindern am (…) berichtete seine Tochter Maymouna, dass sie nicht schlafen könne, weil ihre jüngere Schwester Mary, vier Jahre alt, nachts „Stöhngeräusche mache und sich in der ´Privatsphäre´ anfasse.“ Für die Beschwerdeführerin erschließt es sich nicht, dass diese Schilderungen von einem öffentlichen Interesse gedeckt sein könnten. Die Redaktion schildere, dass ein Kind angeblich masturbatorische Handlungen an sich vornehme. In einem Städtchen mit 15.000 Einwohnern führe eine solche Schilderung geradezu zwangsläufig zu Gerede. Der Chefredakteur der Zeitung vertritt die Auffassung, dass die Autorin des Beitrages die Vorwürfe mit äußerster Diskretion beschrieben habe. Dies sei erforderlich, um die Dringlichkeit und auch die persönliche Betroffenheit zu dokumentieren. Nach dem Erscheinen des Beitrages hätten sich zahlreiche weitere Eltern gemeldet, die ähnliche Erlebnisse und leider auch ähnliche Folgen berichtet hätten. Die Chefredaktion vermag in der Berichterstattung keinen Verstoß gegen presseethische Grundsätze zu erkennen.

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Erst abwarten und dann impfen

„Kimmich nicht geimpft“ - unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung online über den Impfstatus des Bayern- und DFB-Nationalspielers Joshua Kimmich. Im Bildtext heißt es: „FCB-Profi Joshua Kimmich gründete mit Mannschaftskollege Leon Goretzka die Initiative ´#We Kick Corona´. Selber ist der Mittelfeldspieler nicht geimpft.“ Die Zeitung schreibt, der Cheftrainer des FC Bayern sei positiv auf Covid 19 getestet worden und befinde sich in Quarantäne. Der Cheftrainer wird mit einem Plädoyer für die Impfung zitiert. Joshua Kimmich kämpfe öffentlich auf vorbildliche Weise wie kaum ein anderer gegen das Virus und die Folgen. Er habe mit einem Mannschaftskameraden die Initiative gegründet, die Geld sammele, um Menschen und karitativen Einrichtungen zu helfen, die unter den direkten und indirekten Folgen von Corona leiden. Beide hätten bereits eine Million Euro gespendet. Es sei – so die Zeitung – überraschend, dass Kimmich selbst nicht geimpft sei. Wieso unterstütze Kimmich Impfungen bei anderen und lasse sich selbst nicht impfen? Aus dem Umfeld des Nationalspielers sei zu hören, dass er Langzeitstudien zu möglichen Impf-Folgen abwarten wolle. Ein Leser der Zeitung sieht einen Verstoß gegen die Ziffern 8 (Schutz der Persönlichkeit) und 9 (Schutz der Ehre). Die Gesundheitsdaten eines Menschen unterlägen der höchsten Datenschutzstufe. Dies schließe auch das Vorhandensein von Schutzimpfungen mit ein. Die Preisgabe von personenbezogen Daten bedürfe grundsätzlich der Zustimmung des Betroffenen. Aus dem Artikel gehe nicht hervor, dass Kimmich seine Zustimmung zur Veröffentlichung dieser Information gegeben habe. Die Sportredaktion der Zeitung teilt mit, sie habe über den Fall berichtet, weil das Impfverhalten des bekannten Sportlers im Widerspruch zu seiner Rolle als Co-Gründer der Initiative „#We Kick Corona“ stehe. Im Übrigen habe Joshua Kimmich im Nachhinein sowieso in die öffentliche Erörterung seines Falles eingewilligt, wie diverse und auch eigene öffentliche Stellungnahmen zeige.

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„…dann ist es nicht die eigene Altersvorsorge“

Eine Regionalzeitung berichtet gedruckt und online über sogenannte „Siegfriedtaler“, die von einem Edelmetallhändler im Internet angeboten werden und sich in Kreisen von Verschwörungstheoretikern großer Beliebtheit erfreuen. Die Münzen würden unter anderem von Attila Hildmann und anderen Verschwörungstheoretikern ihren Anhängern angepriesen. Manch ein Käufer habe sein gesamtes Vermögen investiert und stehe nun vor dem Nichts. Hildmann glaube , dass Geld „nach dem Zusammenbruch des BRD-Besatzer-Konstrukts“ nichts mehr wert sei. Er behauptet, „nur Edelmetalle sind echtes Geld“. In einem Video biete Hildmann an, Interessenten mit seinem „persönlichen Broker“ zu vernetzen. Die Sache mit den „Siegfriedtalern“ habe aber einen Haken. Die Medaillen wögen etwas weniger als zwei Unzen Silber. Der Marktpreis dafür liege bei knapp 40 Euro. Bei der „Deutschen Edelmetallkasse“, einem Goldhändler, der die Marke Siegfriedtaler“ eingetragen habe, würden sie allerdings für rund 185 Euro gehandelt. Die Zeitung zitiert einen namentlich genannten Münzhändler mit der Äußerung, dass die Münzen wertlos seien, weil es sich nicht um ehemalige Zahlungsmittel handele. Die Münzen hätten keinen Sammlerwert und würden wegen der großen Auflage auch keinen entwickeln. Attila Hildmann habe eine Anfrage unbeantwortet gelassen. Eines sei aber klar: Wenn man mit „Siegfriedtalern“ eine Altersvorsorge absichere, dann sei es nicht die eigene. Beschwerdeführer in diesem Fall ist das anwaltlich vertretene Unternehmen, das auf der Internetseite des im Beitrag erwähnten Edelmetallhändlers dessen deutscher Vertriebspartner ist. Laut Homepage der Beschwerdeführerin ist der sie vertretende Rechtsanwalt zugleich Vorsitzender ihres Aufsichtsrates. Der Beschwerdeführer wirft der Zeitung vor, dass die Berichterstattung gegen den Pressekodex verstoße. Schon die Überschrift ziele darauf ab, sämtliche im Goldverkauf involvierten Personen in ein gemeinsames Lager der „Verschwörungserzähler“ zu stellen. Der Beschwerdeführer bemängelt auch, dass die Zeitung ihn vor der Veröffentlichung nicht zur Sache angehört habe. Die Zeitung teilt mit, die angesprochene Unterstellung des Beschwerdeführers finde sich so im kritisierten Artikel nicht. Der Autor habe dort lediglich geschrieben, dass Herr Hildmann versucht habe, die erwähnten „Siegfriedtaler“ zu verkaufen. Auch, dass sein Video mittlerweile gelöscht sei, werde im Artikel erwähnt. Der Beschwerdeführer kritisiert weitere Passagen des Beitrages als unkorrekt bis unwahr.

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Wer hat Anspruch auf FFP2-Masken?

Eine Regionalzeitung veröffentlicht gedruckt und online eine Agenturmeldung. Unter der Überschrift „Gericht urteilt: Hartz-IV-Empfänger haben Recht auf 20 FFP2-Maken pro Woche“ und der Unterzeile“ Arbeitsloser hatte mit seinem Eilantrag Erfolg“ wird über einen Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Karlsruhe berichtet. Im Beitrag heißt es, Jobcenter müssten Arbeitssuchenden kostenlose FFP2-Masken zur Verfügung stellen. Nach einem Beschluss des Sozialgerichts stünden Hartz-IV-Empfängern zusätzlich zum Regelsatz wöchentlich 20 FFP2-Masken zu oder als Geldleistung monatlich 129 Euro. Damit habe ein Arbeitsloser mit seinem Eilantrag Erfolg gehabt. Der Kammerbeschluss sei rechtskräftig. Der Beschwerdeführer sieht in der Schlagzeile sowie im Text eine Falschmeldung. Nach dem Karlsruher Urteil habe nur der Kläger seinen Antrag auf Masken bzw. die Geldleistung durchgesetzt. Es habe damit aber nicht jeder ALG-II-Bezieher einen Anspruch darauf. Der Artikel mit dieser Schlagzeile und Falschinformation habe für viele Hass-Kommentare gesorgt. Die Agentur teilt mit, dass die beanstandete Meldung nicht gegenpresseethische Grundsätze verstoße. Entgegen der Einordnung durch den Beschwerdeführer entfalte die rechtskräftige Karlsruher Entscheidung nicht nur gegenüber dem dortigen Antragsteller Wirkung, sondern enthalte allgemeinverbindliche Aussagen für vergleichbare Fälle.

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Eine Routine-Operation mit gravierenden Folgen

Eine Großstadtzeitung berichtet gedruckt und online über einen angeblichen Fall von „Ärztepfusch“ in einem Klinikum. Die Redaktion berichtet über einen Routine-Eingriff bei einer 57 Jahre alten Frau. Bei dem Eingriff sei die Rückenmarkhaut (Dura) verletzt worden. Durch die Öffnung seien Gehirnwasser und blutiges Serum ausgetreten. Im operierten Bereich habe ein knöchernes Teil geschwebt. Durch einen falsch gesetzten Katheter sei eine schwere Blasen- und Harnwegsinfektion ausgelöst worden. Die Patientin sei nach der OP dauerhaft inkontinent und müsse Windeln tragen. Die Zeitung berichtet weiter, dass die Patientin über die Komplikationen nach der OP nicht aufgeklärt worden sei. Auch im Entlassungsbericht sei davon nichts gestanden. Vielmehr habe es dort geheißen, dass der Verlauf komplikationslos gewesen sei. Die Zeitung will herausbekommen haben, dass sich in der Krankenakte Hinweise auf eine Manipulation gefunden hätten. Der OP-Bericht, der nun erstmals in einem Halbsatz die Dura-Verletzung erwähne, sei vier Tage nach der Operation geschrieben worden. Zu diesem Zeitpunkt sei in einem anderen Klinikum der Fehler festgestellt worden. Das in der Berichterstattung erwähnte Klinikum widerspricht der Darstellung der Zeitung. Es lässt sich von einem Anwalt vertreten. Die Zeitung habe eine Reihe von Unwahrheiten verbreitet, die in erheblicher Weise rufschädigend seien. Der Anwalt teilt mit, das Klinikum habe die Zeitung bereits außergerichtlich zur Unterlassung und zum Widerruf aufgefordert. Die Redaktion habe eine Vielzahl journalistischer Standards missachtet. Dem Klinikum würden Behandlungsfehler sowie deren Vertuschung durch Manipulation der Patientenakte vorgeworfen. Diese Darstellung sei falsch. Die Berichterstattung sei auch nicht ausgewogen. Es sei nicht „in alle Richtungen“ recherchiert worden. Der Chefredakteur der Zeitung stellt in seiner Stellungnahme fest, das Klinikum sei juristisch bereits damit gescheitert, eine Unterlassung des betreffenden Artikels durchzusetzen. Die vorgebrachten Beschwerdegründe – so der Chefredakteur – ließen sich leicht entkräften. Sämtliche journalistische Standards seien von der Autorin eingehalten worden. Das Fehlverhalten der Klinik (Dokumentationsmängel sowie Verstoß gegen medizinische Standards) seien sogar gutachterlich bestätigt worden.

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Druck auf die Redaktion wegen eines Prozesses

Eine Lokalzeitung berichtet über den Prozess gegen einen 39-Jährigen wegen Vergewaltigung von zwei seiner Lebensgefährtinnen. Befragt wurden während des Prozesses Freunde, Bekannte und Familienmitglieder des Angeklagten und der Klägerinnen. Der Mann wurde zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Zwei Leserinnen der Zeitung kritisieren die Berichterstattung. Die Beschreibung der Sexualpraktik während der Vergewaltigungen sehen sie als einen Verstoß gegen den Opferschutz nach Ziffer 8 des Pressekodex. Der Chefredakteur der Zeitung verteidigt die Autorin des kritisierten Beitrages gegen die Vorwürfe. Sie habe ihrer ethischen Verantwortung im Hinblick auf den Opferschutz voll entsprochen und eben nicht über Sexualpraktiken geschrieben, obwohl diese das dominierende Thema in der Gerichtsverhandlung gewesen seien. Da es in der Anklage um eine Vergewaltigung und erzwungenen Analsex gegangen sei, sei es für die Kollegen unvermeidbar gewesen, diese beiden Begriffe zu erwähnen. In der aufwändigen Verhandlung sei indes fortwährend und sehr detailreich von allen möglichen Sexualpraktiken die Rede gewesen. Diese habe die Redaktion, wissend um ihre Verantwortung, nicht erwähnt. Die Beteiligten seien am Ort sehr bekannt. Die Vergewaltigungsvorwürfe seien schon vor dem Prozess Gesprächsthema gewesen. Im Zusammenhang mit der Prozessberichterstattung habe die Redaktion so viel Druck bekommen, wie sie ihn bisher noch nicht bei einem solchen Verfahren erlebt habe. Die mutmaßlichen Vergewaltigungen hätten sich auf einer kleinen Insel abgespielt, wo jeder jeden kenne. Der Angeklagte sei dort in mehreren Vereinen engagiert gewesen. Viele der Alteingesessenen hätten ein Frauenbild, das noch aus der Zeit der Walfänger herrühre.

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