Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6644 Entscheidungen

Kinder in „genüsslicher Nahaufnahme“ gezeigt

Die Online-Version einer Boulevardzeitung berichtet über einen Vorfall in einer US-amerikanischen Kindertagesstätte. Unter der Überschrift „Halloween in Kita: Betreuer erschrecken Kinder mit Maske“ zeigt die Redaktion ein Video, in dem Erzieherinnen mit Halloween-Masken Kinder erschrecken und auch nicht ablassen, als diese schreien und weinen. Zu sehen sind die verängstigten Kinder, die ohne Verfremdung gezeigt werden. Die Redaktion teilt mit, dass die Polizei Ermittlungen aufgenommen habe. Die Erzieherinnen seien entlassen worden. Der Beschwerdeführer kritisiert, dass verängstigte Kinder „in genüsslicher Nahaufnahme“ gezeigt würden. Er spricht von einem Griff „in die unterste Schublade sensationsgeiler Berichterstattung“. Offensichtlich pfeife die Zeitung auf die selbst gegebenen Regeln ihres Berufsstandes als auch auf die Menschenwürde der hilflosen Kinder. Die Rechtsvertretung des Verlages beruft sich auf die Berichterstattung in anderen Medien. Vor diesem Hintergrund könne es nicht presseunethisch gewesen sein, dass auch diese Zeitung das Video ohne Anonymisierungsbearbeitung veröffentlicht habe.

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Ministerin verursacht Kopfschütteln

Unter der Überschrift „Familienministerium rät Kindern zu Pubertäts-Blockern“ berichtet eine Boulevardzeitung online und gedruckt über eine Informationsseite der Bundesregierung. Die Rede ist von Kopfschütteln über Familien- und Jugendministerin Lisa Paus. Mit offiziellem Logo und aus Steuermitteln finanziert wende sich ihr Ministerium im Internet an Kinder, die „merken: Ich bin gar kein Mädchen. Oder: Ich bin gar kein Junge“. Die Zeitung zitiert das „Regenbogenportal“ - laut Ministerium gedacht als „Informationsplattform für die LSBTIQ*-Community. Zitat: „Bist du noch sehr jung? Und bist du noch nicht in der Pubertät. Und du kannst in Ruhe überlegen: Welcher Körper passt zu mir?“ Und dies – so die Zeitung weiter – ohne die erheblichen Risiken, Nebenwirkungen und Folgen, vor denen Mediziner warnten. Ein zum Beitrag gestellter Kommentar befasst sich kritisch mit der Regierungsseite. Wenn mit Wissen und Billigung der Bundesfamilienministerin Kindern (!) nahegelegt werde, schwerwiegende hormonelle Eingriffe an sich vorzunehmen, sei eine rote Linie überschritten. Zwei Beschwerdeführer kritisieren die Berichterstattung. Der eine hat sachliche Anmerkungen zu einzelnen Passagen. Der andere stört sich an dem beigestellten Kommentar, in dem er eine Kampagne gegen die Grünen sieht. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist die Vorwürfe der Beschwerdeführer zurück. Verstöße gegen presseethische Grundsätze seien nicht erkennbar.

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Ein Mann verdrückt im Jahr 250 Kilo Goldbären

Eine Boulevardzeitung berichtet gedruckt und online über einen Lebensmittelingenieur. Der arbeitet bei einem namentlich genannten Hersteller als „Goldbären-Sommelier“ und muss nach eigenem Bekunden pro Jahr 250 Kilogramm Goldbären naschen. Die Firma feiert gerade das Jubiläum ihres hundertjährigen Bestehens. Der Beschwerdeführer sieht einen massiven Verstoß gegen die Ziffer 7 des Pressekodex (Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten). Die Zeitung zitiere wörtlich den Werbespruch der Firma. Der Name des Produkts werde in Großbuchstaben wiedergegeben und mehrfach genannt. Tüten mit dem Goldbärenlogo würden im Bild gezeigt. Einen Tag danach habe die Zeitung einen als „Anzeige“ gekennzeichneten Beitrag über die Firma veröffentlicht. Über einen Zusammenhang zwischen dem redaktionellen Beitrag und der darauffolgenden Anzeige könne nur spekuliert werden. Die Rechtsvertretung des Verlages sieht keinen presseethischen Verstoß. Es gehe hier um eine rein redaktionelle Berichterstattung und eben nicht um Werbung. Die Abbildung der Produkte des Herstellers diene in erster Linie dazu, der Leserschaft klarzumachen, wie umfangreich das Sortiment sei, dass der „Sommelier“ einer regelmäßigen Prüfung unterziehen müsse.

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Kein „Medien-Pranger“ im Rechtsstaat

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Beitrag unter der Überschrift „Terror-Chefin wollte Lauterbach entführen“. Im Beitrag geht es um eine ältere Frau, der die Bundesanwaltschaft vorwirft, Rädelsführerin einer terroristischen Vereinigung zu sein. Sie wird mit einem unverfremdeten Bild gezeigt. Im Artikel ist davon die Rede, die Gruppierung habe es sich zum Ziel gesetzt, in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen und damit letztlich den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen. Es sei geplant gewesen, einen bundesweiten Black Out durch Beschädigung oder Zerstörung von Einrichtungen zur Stromversorgung herbeizuführen. Außerdem sollte Gesundheitsminister Lauterbach entführt werden. Dem Beitrag ist ein Foto der Frau beigefügt. Darauf ist zu sehen, wie sie gerade aus dem Polizei-Helikopter steigt. Der Vorgang nimmt auch auf der Titelseite der Print-Ausgabe der Zeitung einen breiten Raum ein. Im Inneren der Ausgabe steht ein Beitrag unter der Überschrift „Die Terror-Oma mit dem Kartoffelsack“. In mehreren Beiträgen ist immer wieder von der „Terror-Oma“ die Rede. Der Beschwerdeführer kritisiert die Berichterstattung. Um Betroffene als Straftäter bezeichnen zu dürfen, bedürfe es nach der in Deutschland geltenden Unschuldsvermutung ihrer rechtskräftigen Verurteilung. Die Vorverurteilung als „Terror-Oma“ verletze die Ziffer 13 des Kodex. Ziel der Berichterstattung dürfe in einem Rechtsstaat nicht eine soziale Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines „Medien-Prangers“ sein. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist die Beschwerde als unbegründet zurück. Die veröffentlichten Fotos machen die Frau nicht erkennbar. Sie würde lediglich von der Seite gezeigt und dies auch noch in unscharfer Auflösung. Selbst wenn man die Erkennbarkeit der „Terror-Oma“ hier einmal unterstellen wolle, würde in diesem Fall das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiegen. Nach Auffassung der Zeitung seien keinerlei presseethische Grundsätze verletzt worden.

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„Die Terror-Oma mit dem Kartoffelsack“

Eine Großstadtzeitung veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Die Terror-Oma mit dem Kartoffelsack“. Darin ist die Rede von einer älteren Frau, die laut Generalbundesanwaltschaft Chefin einer Terror-Bande sein soll. Diese soll einen Umsturz in Deutschland und die Entführung des Bundesgesundheitsministers Lauterbach geplant haben. Die Frau sei verhaftet und zum BGH nach Karlsruhe geflogen worden. Zum Beitrag gestellt sind zwei Fotos der Frau, wie sie mit einer Kartoffel-Papiertüte aus dem Polizeihelikopter steigt bzw. von zwei Polizeibeamten eskortiert wird. Der Begriff „Terror-Oma“ wird einmal in der Schlagzeile und einmal im Beitrag verwendet. Zwei Tage später berichtet die Zeitung mit neuen Details über die Frau. Der Beschwerdeführer stört sich vor allem an der Bezeichnung der Frau als „Terror-Oma“. Und daran, dass dieser Begriff in Überschrift und Text gleich fünfmal verwendet wird. Er sieht die Ziffer 8 (Schutz der Persönlichkeit) und 13 (Unschuldsvermutung) verletzt.

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Als „kenntnisfreie Panikmache“ erkennbar

Ein Redaktionsnetzwerk berichtet online unter der Überschrift „“Corona: Amtsärzte fordern Maskenpflicht in Innenräumen - ab Inzidenz 1000 auch in Bars und Restaurants“ über die Corona-Situation. Die Zahl der Corona-Infektionen würden wieder in die Höhe schnellen. Die Amtsärzte forderten angesichts der hohen Inzidenzen eine erneute Maskenpflicht in Innenräumen. Der Beschwerdeführer kritisiert die Aussage, dass die Zahl der Corona-Infektionen wieder in die Höhe schnellen. Das sei nachweislich unwahr. Zum fraglichen Zeitpunkt habe die Inzidenz dem Pandemie-Radar des Rudolf-Koch-Instituts (RKI) zufolge bei 688 gelegen. Das seien 22 Prozent weniger als der Höchststand der letzten zwei Monate. Von einem “in die Höhe schnellen“ könne also nicht die Rede sein. Ein Vertreter des Redaktionsnetzwerks stellt fest, die vom Beschwerdeführer kritisierte Passage sei richtig. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung habe die deutschlandweite Inzidenz der Corona-Infektionen bei 274,3 gelegen, vier Wochen später bei 750,7. Die Redaktion verhalte sich vorbildlich. Sie ermögliche es durch ihre fortlaufend aktualisierte Berichterstattung der Leserschaft, selbst die Corona-Entwicklung nachzuvollziehen. Die im Artikel berichtete Forderung der Amtsärzte (Maskenpflicht in Innenräumen) sei durch diese Art der Berichterstattung inzwischen im Rückblick mit dem Wissen von heute gut als kenntnisfreie Panikmache erkennbar.

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Soll es künftig nur noch Unisex-Toiletten geben?

„Bald keine Frauen-Toiletten mehr?“: Unter dieser Überschrift berichtet eine feministische Frauenzeitschrift online über Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) für Sanitärräume in öffentlichen Einrichtungen. „Die sollen künftig 'unisex' werden, das heißt: Es soll keine separaten Toiletten für Frauen und Mädchen geben.“ Zitiert wird hierzu ein namentlich genannter VDI-Mitarbeiter. Nach Ansicht der Redaktion scheint er „sich also weniger für die betroffenen Mädchen und Frauen zu interessieren, sondern für die Menschen mit dem Geschlechtseintrag ‚divers‘.“ Der VDI sieht darin Falschaussagen. Es gehe in keiner Weise darum, nur noch geschlechterunspezifische Toiletten zu empfehlen. In der Richtlinie würden lediglich Empfehlungen ausgesprochen, wie Unisex-Toiletten als Ergänzung zu Männer- und Frauen-Toiletten aussehen könnten. Zudem enthalte der Artikel einen persönlichen Angriff auf den VDI-Mitarbeiter W. Anders als behauptet, setzten er und der VDI sich gegen jegliche Diskriminierung ein. Außerdem seien die Zitate nicht vom VDI freigegeben worden, und die Falschaussagen seien trotz Aufforderung nicht korrigiert worden. Die Autorin des Artikels weist die Vorwürfe zurück.

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Werbung für regionale Modemacher

Regionale Modemacher sind auf Instagram Thema in der örtlichen Zeitung. Die Redaktion weist auf einen Online-Artikel unter der Überschrift „Gemütlich – und teils aus Recyclingmaterial“ hin. Sie zeigt Fotos von Models, die Kleidung von fünf Unternehmen aus der Region tragen. Der Beschwerdeführer – Mitglied einer „Initiative gegen Lokalfeudalismus“ – bemängelt, dass es sich hier nicht um eine neutrale Berichterstattung über die Modebranche, sondern um Werbung für die genannten Modemacher handele. Der Chefredakteur der Zeitung weist darauf hin, dass der kritisierte Instagram-Post ausdrücklich auf einen Online-Artikel verweise. Der Beitrag, der die Lage einer wichtigen Branche in der Region schildere, sei mit passenden Produktfotos illustriert, die auch in dem Post verwendet würden. Der Online-Artikel wiederum gehe auf eine Zeitungsseite mit dem oben genannten Beitrag ein. Der Chefredakteur erklärt, er könne in der Berichterstattung keinen Verstoß gegen presseethische Grundsätze erkennen.

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Model macht im Interview Werbung

„Mama werden ist ein Prozess“ – so überschreibt eine Frauenzeitschrift ein Interview mit einem bekannten Model. Dieses spricht im Beitrag ausführlich über Epilieren und ein entsprechendes – auch abgebildetes - Gerät einer namentlich genannten Firma. Die Redaktion veröffentlicht genaue Angaben zu Websites, über die die Artikel bestellt werden können. Zwei Leser der Zeitschrift sehen in der Veröffentlichung einen Fall von Schleichwerbung. Das Model habe einen Werbevertrag mit der im Interview genannten Firma. Die Rechtsvertretung der Zeitschrift teilt mit, dass in dem Interview verschiedene Fragen zum Beruf des Models und seinem Privatleben gestellt würden. Die Interviewpartnerin sei sowohl Model als auch Businessfrau, Moderatorin und Mutter. In diesem Zusammenhang habe sie auch erwähnt, dass sie einen Epilierer verwende. Sie berichte über ihr Label und ihren Shop. Von Schleichwerbung könne daher nicht die Rede sein. Es handele sich vielmehr um Themen, die in Interviews typischerweise immer wieder angesprochen würden, also um einen Vorgang, der in der Presse tagtäglich in verschiedenen Formen vorkomme. Die Beschwerde sei unbegründet.

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Mit Lutschtabletten gegen die Corona-Pandemie?

Eine Regionalzeitung berichtet online über eine Studie zur Wirksamkeit eines namentlich genannten Extrakts gegen das Corona-Virus. Der Studienleiter wird mit diesen Worten zitiert: „In dieser Studie soll die Frage untersucht werden, ob der Cystus-Extrakt antivirale Eigenschaften gegen das Virus SARSA-CoV-2 aufweist und daher als Prophylaktikum in der aktuellen Pandemie eingesetzt werden könnte.“ Der Studienleiter berichtet – so die Zeitung – von höchst positiven Ergebnissen. Er spricht von der Anwendung in Form von Lutschtabletten, die der Anwender langsam im Mund zergehen lassen sollte. Eine erste Anwenderstudie gebe es bereits. 125 Teilnehmer hätten über mindestens sechs Wochen täglich dreimal zwei Cystus-Halspastillen gelutscht. Am Ende der Studie - so die Zeitung – habe sich keiner der Teilnehmer angesteckt, obwohl im Haus lebende Angehörige von neun Teilnehmern erkrankt seien. Ein Leser der Zeitung sieht Verstöße gegen die Ziffern 2 (Journalistische Sorgfaltspflicht), 7 (Trennung von Redaktion und Werbung) und 14 (Medizin-Berichterstattung). Die von der Zeitung genannte Studie liege nicht vor und könne nicht geprüft werden. Sie entziehe sich jeder kritischen Beurteilung. Der Chefredakteur der Zeitung hält es für die journalistische Pflicht der Redaktion, in der größten Pandemie-Krise seit Jahrzehnten über mögliche Medikamente und Wirkstoffe zu berichten. Wenn Kitas, Schulen und Geschäfte geschlossen seien und jeden Tag über 1000 Menschen in Deutschland sterben, bedeute die Aussicht auf ein mögliches Mittel gegen die Pandemie Hoffnung und Zuversicht für die Menschen und damit auch für die Leser seiner Zeitung. Die Redaktion habe kein Produkt beworben, sondern über das wesentliche Substrat berichtet. Ein wichtiger Punkt bei der Entscheidung, über diese Forschung zu berichten, sei auch die Befürchtung der im Text erwähnten Personen gewesen, aus grundsätzlichen oder ideologischen Gründen könnte die Politik die Wirksamkeit dieses Mittels nicht oder nur gering anerkennen. Es sei eine wichtige Aufgabe der unabhängigen Presse, einseitigen Lobbyismus aufzuzeigen.

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