Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6738 Entscheidungen
Eine Boulevardzeitung berichtet über einen 16-jährigen Kindergangster, der in den vergangenen Jahren rund 200 Straftaten begangen haben soll: Raub, Körperverletzung, Diebstahl. Jetzt soll er versucht haben, den 17-jährigen neuen Freund seiner früheren Freundin von einer Brücke auf die Autobahn zu stoßen. Diese habe sich von ihm getrennt, als er sie mit Gewalt auf den Strich schicken wollte. “Wann begehst du den ersten Mord?” fragt die Zeitung in ihrer Schlagzeile. Sie zeigt den Beschuldigten in einem Foto und nennt ihn ein “polnisches Sinti-Kind”. Auch die Ex-Freundin und deren neuer Freund werden in Fotos vorgestellt. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Hinweis auf die ethnische Zugehörigkeit des mutmaßlichen Täters eine Stigmatisierung. Er beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Chefredaktion der Zeitung verweist auf die Anmerkung in dem Artikel, dass es der Jugendbehörde nicht gelungen sei, den in unzählige Straftaten verwickelten Jungen in einem ausländischen Pflegeheim unterzubringen. Aufgrund dieser Situation sei die Erwähnung der Herkunft notwendig gewesen. Schließlich komme für ein straffällig gewordenes deutsches Kind eine Unterbringung in einem ausländischen Pflegeheim nicht in Frage. (1996)
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Über die Festnahme bundesweit aktiver mutmaßlicher Geldfälscher berichtet auch eine zweite Zeitung. Auch sie zitiert die Polizei, die berichtet habe, dass drei der Festgenommenen der Volksgruppe der Sinti angehören. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma nimmt diesen Beitrag gleichfalls zum Anlass, den Deutschen Presserat einzuschalten. Die Kennzeichnung der mutmaßlichen Täter schüre rassistische Vorurteile. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, ihrem Betrag liege der Bericht einer Presseagentur zugrunde. Sie bedauere, dass der bearbeitende Redakteur gedankenlos, aber ohne böse Absicht die Formulierung übernommen habe, drei der Tatverdächtigen seien Mitglieder der Volksgruppe der Sinti. (1996)
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Unter der Überschrift “Roma hinterließen Berg von Abfällen in Flutrinne” beschreibt eine Regionalzeitung die Hinterlassenschaften eines Roma- und Sinti-Lagers unter einer Brücke. Entgegen den Versprechungen, jeglichen Müll wegzuräumen, habe das fahrende Volk Abfälle hinterlassen, die ganze Container füllen. In dem Bericht werden die näheren Begleitumstände beim Zustandekommen des Lagerplatzes geschildert. Ferner wird die Frage untersucht, wer für die Kosten der Müllbeseitigung aufkommen wird. In diesem Zusammenhang erwähnt die Zeitung mehrmals, dass es sich bei den Campern um Roma handelt. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma beantragt beim Deutschen Presserat eine Rüge der Darstellung. Für das Verständnis des Vorganges an der Brücke sei die Erwähnung von Sinti und Roma nicht notwendig gewesen. Die Chefredaktion der Zeitung weist darauf hin, dass in mehreren Folgen über das Lager der Sinti und Roma berichtet worden sei. Dieses Lager sei von der Stadtverwaltung nicht genehmigt, aber dennoch geduldet worden, weil Sinti und Roma dort eine Hochzeit feiern wollten und dies öffentlich angekündigt hatten. Somit hätten sie sich auch selbst in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gestellt. Da sich das immer größer werdende Lager in Sichtweite von Einkaufszentren befand, habe an der Berichterstattung über die Folgen auch ein öffentliches Interesse bestanden. (1996)
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Ein Geschäftsmann wird von dem Fahrer einer Nobelkarosse rechts überholt, in den Graben gedrängt und von dem Verkehrsrowdy auch noch beschimpft. Als er Anzeige erstattet, erhält er Drohanrufe und daraufhin polizeilichen Personenschutz. Zu der Gerichtsverhandlung darf er sich sogar tarnen – mit Damenperücke und Sonnenbrille. Ein Boulevardblatt schildert den Fall und beschreibt den Angeklagten, der zu einer bekannten Sinti-Sippe gehöre: “Immer im Konvoi unterwegs, wohlgenährte Männer mit Handys, Seidenanzügen und nicht gerade zimperlich, wenn’s um ihre Interessen geht.” Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein: Wegen vorurteilschürender ethnischer Kennzeichnung Beschuldigter. Die Chefredaktion der Zeitung sieht das anders. Der berichtete Vorfall mache es geradezu unumgänglich, die ethnische Zugehörigkeit des rücksichtslosen Fahrers zu erwähnen. (1996)
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Eine Zeitung teilt ihren Lesern mit, dass zwei Brüder wegen gefährlicher Körperverletzung zu Haftstrafen verurteilt worden sind. Im Schlusssatz der kurzen Meldung wird erwähnt, dass die beiden 27 und 29 Jahre alten Sinti wegen versuchten Mordes an ihrem Neffen angeklagt waren. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Hinweis auf die ethnische Zugehörigkeit der beiden Täter eine schlimme journalistische Praxis, die gerügt werden müsse. Er schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, die kritisierte Meldung könne nicht für sich allein betrachtet werden. In ihr werde lediglich über den Urteilsspruch in einem Prozess informiert, der Thema einer ausführlichen Berichterstattung gewesen sei. Die Anklage habe den beiden Männern versuchten Mord vorgeworfen, der sich im Rahmen eines Sippenstreits zwischen verfeindeten Familien zugetragen habe. Beide Parteien hätten sich gegenseitig die Schuld an der Dauerfehde zugeschoben. Zum Verständnis des gesamten Geschehens sei es deshalb notwendig gewesen, auf die Zugehörigkeit sämtlicher Beteiligter zur Gruppe der Sinti zu verweisen, da offensichtlich in der kulturellen Verwurzelung der Sinti das Motiv für die Tat zu suchen sei. In der kritisierten Meldung sei der Begriff “Sinti” lediglich dazu verwendet worden, dem Leser den Zusammenhang zwischen der Vorberichterstattung und der jetzt veröffentlichten Meldung über die Urteilsverkündung deutlich zu machen. (1996)
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Eine Hausfrau überrascht in ihrer Wohnung einen 12-jährigen Jungen und ein 9-jähriges Mädchen, als diese gerade ihre Schränke durchwühlen. Unter Mitnahme von Schmuck im Werte von rund 50.000 Mark verschwinden die Kinder über die Terrasse. Eine Boulevardzeitung berichtet über den Fall und beschreibt die Kleidung der Täter. Bei den Dieben handele es sich offenbar um Zigeunerkinder. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in diesem Hinweis eine Diskriminierung. Die Chefredaktion der Zeitung gesteht ein, dass man auf die Formulierung “Zigeunerkinder” hätte verzichten können. Andererseits handele es sich um einen Missbrauch von Kindern zu rechtswidrigen Zwecken und eine entsprechende Mitteilung der Polizei. (1996)
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Eine Zeitschrift greift erneut das Mordverfahren “Monika Weimar” auf, nachdem sie seit 1988 verschiedentlich darüber berichtet hat. Anlass ist das Wiederaufnahmeverfahren vor dem zuständigen Landgericht. Der Verteidiger der Angeklagten kritisiert in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat anhand diverser Beispiele die Tendenz der neuerlichen Berichterstattung. So sei der Versuch der beiden Gerichtsberichterstatter der Zeitschrift, schon in der Frühphase des Wiederaufnahmeverfahrens meinungsbildend auf das Gericht einzuwirken, gescheitert. Eine der Veröffentlichungen lese sich stellenweise wie eine Kampfansage an die Verteidigung. So unterstelle die Zeitschrift offensichtlich ohne Recherche und ohne vorherige Nachfrage bei dem psychiatrischen Sachverständigen, die Inhalte der Telefonüberwachung seien in dem ersten Prozess unbekannt gewesen. Nachdem die Zeitschrift in den folgenden Monaten über den weiteren Verlauf des Wiederaufnahmeverfahrens nichts berichtet habe, versteige sich die Autorin in ihrem jüngsten Beitrag darauf, selbst Fakten zu erfinden. Im einzelnen wehrt sich der Beschwerdeführer gegen die Passagen, in denen über ein Fernsehinterview mit dem Liebhaber der Angeklagten berichtet wird. Die Autorin des Beitrags referiere und bekräftige Bekundungen dieses Zeugen, die offenkundig falsch seien. Der Beschwerdeführer schließt mit den Worten: ”Dass eine Autorin ihre früheren Veröffentlichungen verteidigt, ist verständlich. Sie darf es aber nicht um den Preis der Wahrheit und eines menschlichen Schicksals tun.” Die Zeitschrift unterstellt in ihrer Stellungnahme dem Anwalt den Versuch, vermeintliche Protagonisten des “anderen Lagers” einzuschüchtern und möglichst zu diskreditieren. Die Verteidigung habe, schon bevor sie den Wiederaufnahmeantrag stellte, eine Pressepolitik betrieben, die so zu charakterisieren sei: Der Mandantin gewogene Medien seien mit exklusiven Informationen versorgt worden, während diejenigen Presseorgane, die eine skeptische Haltung zeigten, als Gegner angesehen und behandelt worden seien. Die Unterstellungen der Beschwerde, beide Autoren hätten “über Jahre” versucht, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu verhindern, seien böswillig und verleumderisch. Nach Richtlinie 13.1 müsse die Berichterstattung über Ermittlungs- und Gerichtsverfahren der sorgfältigen Unterrichtung der Öffentlichkeit über Straftaten, deren Verfolgung und richterlichen Bewertung dienen. Dem entspreche die kritisierte Berichterstattung in jeder Phase. (1996/97)
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