Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6738 Entscheidungen
„Bislang dachten wir immer, Christen sind die klügsten Menschen der Welt, jetzt stellt sich heraus, es sind Muslime“, stellt eine Tageszeitung fest. Unter der Überschrift „Mullahs immer klüger“ berichtet sie, dass im indischen Unionsstaat Gujarat die Muslime das Fernsehen für ein verheerendes Erdbeben, das sich zweieinhalb Wochen zuvor ereignet hat, verantwortlich machen. Hunderte Fernsehgeräte seien daraufhin von Hausdächern geworfen oder mit Eisenstangen zerstört worden. Allein in der Stadt Surat seien rund 400 Geräte zerschlagen worden. Dort habe ein islamischer Kleriker erklärt, das Fernsehen habe die Gedanken der Menschen vergiftet und Allah erzürnt, und dies sei die Ursache für das Beben. Die Zeitung folgert daraus: „Während wir im gedankenfaulen Europa die geistigen Auswirkungen von ‚Arte‘, dem ‚ARD-Presseclub‘ und dem ‚ZDF-Nachtstudio‘ völlig unterschätzen, weiß der kluge Mullah längst: Allah ist groß, Allah ist mächtig, er hat einen Arsch von drei Meter sechzig.“ Die Veröffentlichung löst drei Beschwerden beim Deutschen Presserat aus. Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland sieht darin eine Verunglimpfung der Muslime und eine Verletzung der religiösen Gefühle aller Moslems. Der Beitrag verspotte und beleidige Allah. Der Webmaster Muslim-Markt sieht in dem Text einen Angriff auf den muslimischen Glauben. Solche Äußerungen seien dazu angebracht, den Frieden zu stören. Die Koordinierungsräte der Türkischen Vereine in Deutschland erklären, dass durch die Veröffentlichung nicht nur alle Moslems, sondern alle Menschen beleidigt und diffamiert werden, die an Gott glauben. Dieser Artikel sei der gravierendste Verstoß gegen den Pressekodex, der aus muslimischer Sicht vorstellbar sei. Die Chefredaktion der Zeitung teilt in ihrer Stellungnahme mit, dass die kritisierte Passage ein Kinderreim sei und in mehreren Formen existiere. Diese Versionen stünden in der Tradition der Pfarrerverse, die ihren Witz daraus beziehen, dass religiöse Figuren mit unerwarteten, meist sexuellen Motiven konfrontiert würden. Solche Scherzreime hätten eine Art Blitzableiterfunktion, indem sie die Macht der Religion unterlaufen und ihre Zwanghaftigkeit ins Lächerliche kippen ließen. Der im Kontext des Erdbebentextes veröffentlichte Vers solle demonstrieren, dass, wenn jemand derart infantile Reaktionen auf eine Naturkatastrophe zeige, man mit Hilfe kindisch alberner Komik die Auswirkungen dieses religiösen Handelns entlarven müsse. Damit Komik entlarvend wirke, müssten Regeln verletzt werden. Vor allem die Regeln, die angeblich von einer höheren Macht aufgestellt worden seien und in deren Auftrag religiöse Führer anderen Menschen etwas wegnehmen oder verbieten wollten. (2001)
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Eine Lokalzeitung berichtet in verschiedenen Artikeln über Personalien bzw. Personalauswahlverfahren innerhalb der Stadtverwaltung. Teilweise werden dabei die vollen Namen von Bewerbern genannt. In anderen Fällen werden die Nachnamen abgekürzt, jedoch Alter und Details zum beruflichen Werdegang veröffentlicht. Die Pressesprecherin der Stadt reicht eine Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Nach Ansicht der Stadtverwaltung ist es nicht gerechtfertigt, die Bewerber in der Berichterstattung identifizierbar zu machen. Die Beschwerdeführerin beanstandet ferner, dass in einem Fall unter Nennung von Name und Funktion über eine Kündigungsabsicht berichtet worden sei, obwohl der Hauptausschuss der Stadt einen entsprechenden Beschluss noch nicht gefasst hatte. Die Sitzungsdrucksache sei einen Tag vor Veröffentlichung noch maßgeblich verändert worden, so dass die Zeitung in einem entscheidenden Punkt auch noch falsch berichtet habe. Die Chefredaktion der Zeitung vermutet, dass der Bürgermeister mit seiner Beschwerde den Versuch unternehme, die Lokalredaktion für ihre kritische Berichterstattung über die Stadtverwaltung und die Kommunalpolitik zu disziplinieren. Die Bewerbungssituation für steuerfinanzierte Stellen der öffentlichen Verwaltung sei für die Bürger von herausragender Bedeutung. Deshalb sei es für die Zeitung selbstverständlich, dass sie darüber berichte. Dabei hätten die Leser sehr wohl einen Anspruch darauf, schon im Verlauf des Bewerbungsverfahrens und nicht erst nach der Anstellung unterrichtet zu werden. Für die Wahrung der Vertraulichkeit des Bewerbungsverfahrens sei ganz sicher die ausschreibende Stelle, aber wohl kaum die örtliche Zeitungsredaktion verantwortlich. Interessen des Persönlichkeitsschutzes allgemein versuche die Redaktion nach Möglichkeit durch Anonymisierung gerecht zu werden. Die Berichterstattung über die anstehende Kündigung des Geschäftsführers eines Tochterunternehmens der Stadt habe zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht nur dem Kenntnisstand der Redaktion entsprochen, sondern auch dem Stand der politischen Diskussion Dass später anders entschieden worden sei, könne keinen Anspruch darauf begründen, dass man mit der Berichterstattung immer so lange warte, bis eine offizielle Entscheidung getroffen worden sei. (2001)
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Eine überregionale Zeitung berichtet über die Auseinandersetzungen im Nahen Osten. In dem Beitrag heißt es, die israelische Armee habe Hamas-Mitglieder bzw. Hamas-Aktivisten getötet. Ein Leser kritisiert die Bezeichnung „Hamas-Mitglieder“, da diese von israelischen Stellen übernommen worden sei. Es handle sich um eine nicht bewiesene Tatsachenbehauptung. Der Beschwerdeführer, der den Deutschen Presserat anruft, hält es nicht für richtig, dass die Zeitung an prominenten Stellen wie Bildunterschrift und Artikelüberschrift eine Behauptung aufstelle, die erst in der vierten Textspalte mit dem Hinweis „nach israelischer Darstellung handelt es sich um Mitglieder der radikalen Hamas-Gruppe“ zurecht gerückt werde. Die Rechtsabteilung der Zeitung erklärt, bei dem fraglichen Foto handle es sich um ein Agentur-Bild, bei dem eine Nach-Recherche generell nicht erforderlich sei. Des Weiteren könne man sich auf Erklärungen von Regierungsstellen verlassen; eine Überprüfung sei auch hier nicht notwendig. Die in dem Artikel veröffentlichten Aussagen, bei den Toten handle es sich um Hamas-Terroristen, seien deshalb journalistisch vertretbar. (2001)
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Eine Nachrichtenagentur berichtet über die Verseuchung des Flusses Sinn durch Munitionsrückstände. In dem Beitrag heißt es, dass dem zuständigen Landratsamt eine entsprechende Expertendiagnose schon im September 1998 mitgeteilt worden sei. Dort sei der brisante Befund aber offenbar „unter Verschluss“ geblieben. Obwohl Chemiker „dringenden Handlungsbedarf“ angemahnt hätten, sei bis heute nichts geschehen. Auch die Gemeinden entlang des Flusses seien nicht informiert worden. Im weiteren Teil ihres Berichts schildert die Agentur die Erfahrungen einer Fischzüchterin mit der Behörde. In seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat teilt das betroffene Landratsamt mit, es habe bereits 1998 die Öffentlichkeit über die Erkenntnisse der Wasseruntersuchungen informiert. Weder vor noch nach der Veröffentlichung habe die Agentur beim Landratsamt um Informationen oder um eine Stellungnahme gebeten. Die Chefredaktion der Agentur übersendet eine Stellungnahme der Autorin des Beitrages. Diese räumt ein, wohl nicht tiefgründig und ausreichend genug in die Vergangenheit zurück recherchiert zu haben. Gleichwohl sei intensiv recherchiert worden, von ihr selbst bei der Fischzüchterin, von einer Mitarbeiterin beim Landratsamt. Sie habe jedoch nichts von einer Diskussion der Problematik im Landtag bzw. von einer Veröffentlichung der Sachlage in der Lokalzeitung gehört. Daher sei sie automatisch von einer Nichtveröffentlichung ausgegangen. Bestärkt worden sei sie darin auch durch den Bürgermeister einer Gemeinde im benachbarten Bundesland, der durch ihre Recherchen aufgeschreckt worden sei und auch nichts von dem über zwei Jahre alten Gutachten gewusst habe. (2001)
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Eine Boulevardzeitung berichtet, dass in einem Schwimmbad Steuerfahnder aufgetaucht seien, um zu prüfen, ob der Förderverein des Schwimmbades seine Einnahmen auch ordentlich versteuere. Der 100 Mitglieder starke Verein organisiere Feste und verkaufe dann Würstchen sowie Getränke. Diese Einnahmen seien nicht versteuert worden. Jetzt müsse der Verein 11.000 DM nachzahlen. An der Zahlung eines Bußgeldes sei er gerade noch vorbei geschrammt. Statt wie geplant mit 60.000 DM unterstütze die Stadt den Verein nun wie im Jahr zuvor mit 80.000 DM. Das heiße, der Steuerzahler komme für die Finanzamtsgebühren auf. Der Verein bittet den Deutschen Presserat, die Zeitung abzumahnen. Die Berichterstattung des Blattes sei unwahr und rufschädigend. So sei dem Verein zu keiner Zeit ein Bußgeld angedroht worden und es habe auch keinen Besuch der Steuerfahndung gegeben. Die Rechtsabteilung des Verlages teilt mit, es habe inzwischen Gespräche mit den Betroffenen gegeben und es sei ein zweiter Beitrag über das Schwimmbad erschienen. Darin wird mitgeteilt, dass der Lebensmittelverkauf in dem Bad seit fünf Jahren verpachtet und nur 1998 eine Ausnahme gemacht worden sei. In diesem einen Jahr habe der Verein selbst den Verkauf betrieben und einen Umsatz von knapp 30.000 DM gemacht. Da die Einnahmen über den gemeinnützigen Satz hinausgegangen seien, habe der Verein ohne Aufforderung 6.961 DM Körperschaftssteuer an das Finanzamt überwiesen. Jetzt habe man wieder einen Pächter mit dem Verkauf beauftragt. Die Zeitung ist der Auffassung, dass sie mit dieser Veröffentlichung den Beschwerdeführern entgegen gekommen sei. Der Vorsitzende habe gegen den zweiten Beitrag nichts einzuwenden gehabt. Der Schatzmeister des Vereins sei dagegen mit der Wiedergutmachung nicht einverstanden. Unterschiedliche Auffassungen innerhalb des Vereins könnten jedoch nicht zu Lasten der Redaktion gehen. Der Beschwerdeführer teilt kurz darauf dem Presserat mit, dass er seine Beschwerde aufrecht erhalte. Der zweite veröffentlichte Artikel sei nach Meinung des Vorstandes als Richtigstellung nicht ausreichend. (2001)
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Eine Tageszeitung berichtet in drei Beiträgen über die Suche nach einem neuen Intendanten des Bayerischen Rundfunks. Unter der Überschrift „Stoibers Kandidat Fuchs wird nicht BR-Intendant“ teilt die Zeitung ihren Lesern mit, dass die Mehrheit im Rundfunkrat den Kandidaten Stoibers, Fernsehdirektor Gerhard Fuchs, nicht wählen wird. In einem weiteren Artikel ist von einer Niederlage für den Ministerpräsidenten die Rede. Entsprechend lautet die Überschrift: „BR lässt Stoibers Kandidaten durchfallen“. Der dritte Beitrag zum Thema wird mit der Feststellung eingeleitet: „Nachdem der Kandidat von Ministerpräsident Edmund Stoiber für den Intendanten-Posten des Bayerischen Rundfunks, Fernsehdirektor Gerhard Fuchs, durchgefallen ist, sucht das Aufsichtsgremium des Senders nun nach anderen Bewerbern“. Ein Landtagsabgeordneter trägt den Vorgang dem Deutschen Presserat vor. Hier werde eine Vermutung als Tatsache dargestellt. Es habe bislang noch keine offizielle Meinungsbildung stattgefunden. Die Zeitung stellt fest, dass der Abgeordnete in seiner Beschwerde die tatsächlichen stark politisch geprägten Abläufe einer Intendantenwahl verkenne und sich stattdessen auf den formalen Ablauf einer solchen Wahl berufe. Tatsächlich sei im Rundfunkrat des BR zum Zeitpunkt der Berichterstattung seit fast einem Jahr über die Nachfolge des bisherigen Intendanten diskutiert worden. Dies allerdings außerhalb offizieller Sitzungen. Diese Art von Meinungsbildung sei üblich und entscheidend bei solchen Wahlen. Über die Diskussion habe die Zeitung auch bereits in einem Artikel unter der Überschrift „Rundfunkrat mag nicht auf Stoiber hören“ berichtet. Kurz nach Ostern 2001 habe man dann erfahren, dass es in der CSU-Spitze und in der Spitze des Rundfunkrates zuvor entscheidende Gespräche über die Intendantenwahl gegeben habe. Dabei habe man erfahren, dass der Kandidat Fuchs im Rundfunkrat nicht als Intendant durchsetzbar sei. Diese Nachricht sei von zuverlässigen Informanten gekommen und man habe sich durch weitere vertrauliche Gespräche von ihrer Richtigkeit überzeugt. Insofern sei es korrekt gewesen, in der vorliegenden Form zu berichten. Abschließend teilt die Zeitung mit, dass ein ähnlicher Vorgang jetzt auch beim ZDF gelaufen sei. Auch hier stehe mittlerweile fest, dass der ins Spiel gebrachte Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks, Udo Reiter, bereits durchgefallen sei. Auch dadurch werde klar, dass die Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender in dem wahlentscheidenden Zirkel gekürt und die Gremien sich erst anschließend offiziell mit der Intendantenwahl befassen würden. Die Berichterstattung könne folglich nicht darauf beschränkt werden, offizielle Diskussionen und Verlautbarungen abzuwarten. Es gehe vielmehr darum, die Leser über die Absprachen in den wahlentscheidenden Zirkeln zu informieren. (2001)
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Eine Regionalzeitung schildert einen schweren Verkehrsunfall, bei dem zwei Menschen getötet und ein dritter schwer verletzt worden sind. Ein Auto und ein Motorrad waren frontal zusammen gestoßen. Den Helfern habe sich ein Bild des Grauens geboten, schreibt die Zeitung. Die beiden Personen auf dem Motorrad seien nach dem Aufprall in einer lang gezogenen Rechtskurve rund 50 Meter durch die Luft geflogen. Der Kopf der getöteten Motorradfahrerin sei bei dem Unfall vom Körper abgetrennt worden. Zwei Fotos zeigen die Unfallstelle und das zertrümmerte Motorrad. Eine Hinterbliebene der Motorradfahrerin legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Sie ist der Ansicht, dass die Berichterstattung der Zeitung die Gefühle der Angehörigen verletze. Insbesondere die Tatsache, dass der Mutter von vier Kindern der Kopf abgetrennt worden sei, habe die Polizei vor den minderjährigen Kindern des Opfers bewusst geheim gehalten, und die entsprechende Mitteilung mit einer Nachrichtensperre belegt. Zum Verständnis des Unfallherganges trage es nicht bei, wenn dieses Detail veröffentlicht werde. Die Chefredaktion der Zeitung bestreitet, dass es zu Details des Unfallgeschehens eine Nachrichtensperre gegeben habe. Auf den Fotos seien mit Ausnahme des zerstörten Motorrades keine Einzelheiten des Unfalls, insbesondere keine Opfer, erkennbar. Die Berichterstattung sei völlig anonymisiert worden. Der Hinweis, dass einem der Opfer der Kopf abgetrennt worden sei, stelle ebenso wie die Fotos keine unangemessen sensationelle Berichterstattung dar. Diese Einzelheit sei zwar sehr unschön, jedoch geeignet, die Wucht des Aufpralls der beteiligten Fahrzeuge darzustellen. Die Wucht eines Zusammenstoßes zu erfahren, sei durchaus von öffentlichem Interesse, da daraus Rückschlüsse auf die Umstände des Unfalls gezogen werden könnten. In einem ähnlich gelagerten Fall habe der Presserat völlig zu Recht Fotos, die den abgetrennten Kopf eines Unfallopfers zeigten, moniert (B 59/89). Die ebenfalls vom Beschwerdeführer gerügte Wortberichterstattung zu diesem Detail, die wesentlich drastischer gewesen sei als im konkreten Fall, habe der Presserat indes unbeanstandet gelassen. (2001)
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