Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

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Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.

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Entscheidungsjahr
6739 Entscheidungen

Diskriminierung von Roma

Ein Boulevardblatt berichtet über Betrugsfälle in eher wohlhabenden Kreisen. Unter der Schlagzeile „Sozial-Schmarotzer mit Porsche-Fuhrpark“ teilt sie ihren Leserinnen und Lesern mit, die Polizei fahnde nach Rudolf S. (44) und warne dabei gleichzeitig Frauen um die 50. Wörtlich schreibt das Blatt: „Denn Rudolf ist weder Offizier noch Kaufmann. Nur ein dreister Betrüger. Ein Sozialhilfeempfänger, ein Roma-Angehöriger, der selbst den Staat noch abzockt.“ Der Mann habe gleich zwei Porsche auf den Namen seines 8-jährigen Sohnes angemeldet, kassiere Sozialhilfe und jage – getarnt als Rosenkavalier - vermögenden Frauen hohe Summen Geldes ab. Deshalb die Warnung der Polizei: „Finger weg von diesem Mann !“. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ruft den Deutschen Presserat an. Die Kennzeichnung des Betrügers als Roma sei für das Verständnis des berichteten Tathergangs nicht erforderlich und schüre Vorurteile. Die Rechtsabteilung des Verlages kritisiert grundsätzlich die Art und Weise der Beschwerdeführung. Es könne nicht richtig sein, jede einzelne Erwähnung der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe zu tabuisieren und – schlimmer noch – zu sanktionieren. Ein erzwungener Verzicht auf die Verbreitung von Informationen stelle eine der Schlüsselfragen der Presse- und Meinungsfreiheit dar. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme: „Im Rahmen dieser Grundrechte mag es akzeptabel sein, mit der Erwähnung ethischer, rassischer und nationaler Zugehörigkeiten in der Presse vorsichtig umzugehen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass die Erwähnung derartiger Umstände, solange sie nicht gezielt hervorgehoben werden, um Stimmung zu machen oder Vorurteile zu verstärken, sanktioniert wird.“ Im konkreten Fall habe der Verfasser des Artikels nur diejenigen Informationen weitergegeben, die er im Rahmen einer Pressekonferenz der zuständigen Staatsanwaltschaft erfahren habe. In dieser Pressekonferenz habe die Staatsanwaltschaft ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Beschuldigten um einen Angehörigen der Roma handele. (2003)

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Diskriminierung von Landfahrern

Eine Boulevardzeitung meldet: „Trickdiebe nehmen 95-jährige aus“. Sie seien herzlos und hätten trotzdem immer wieder Erfolg, schreibt das Blatt. Der Vorfall wird kurz geschildert: „Mittags klingelt eine Landfahrerin (25-27, schwarzer Zopf) bei einer 95-jährigen, bittet um einen Zettel, um der Nachbarin etwas aufzuschreiben‘. Rentnerin fällt drauf rein, das nutzen zwei Komplizen, schlüpfen in die Wohnung. Trio klaut 500 Euro und zwei Sparbücher mit Guthaben über 70.000 Euro – Flucht.“ Dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma missfällt diese Darstellung. Die Kennzeichnung der Täterin als Landfahrerin sei für das Verständnis des berichteten Tathergangs nicht zwingend erforderlich, schüre Vorurteile und sei ein Missbrauch der Pressefreiheit. Der Zentralrat beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung des Verlages kritisiert grundsätzlich die Art und Weise der Beschwerdeführung. Es könne nicht richtig sein, jede einzelne Erwähnung der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe zu tabuisieren und – schlimmer noch – zu sanktionieren. Ein erzwungener Verzicht auf die Verbreitung von Informationen stelle eine der Schlüsselfragen der Presse- und Meinungsfreiheit dar. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme: „Im Rahmen dieser Grundrechte mag es akzeptabel sein, mit der Erwähnung ethischer, rassischer und nationaler Zugehörigkeiten in der Presse vorsichtig umzugehen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass die Erwähnung derartiger Umstände, solange sie nicht gezielt hervorgehoben werden, um Stimmung zu machen oder Vorurteile zu verstärken, sanktioniert wird.“ Im konkreten Fall beruhe die Berichterstattung auf den Informationen des zuständigen Polizeipräsidiums, das der Serie von Trickdiebstählen durch eine Warnung der Öffentlichkeit Herr zu werden versuche. Die Beschwerde sei deshalb unbegründet. (2003)

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Ethnische Gruppen

Zwei Lokalblätter berichten über die Gerichtsverhandlung gegen eine Frau, die mit Hilfe eines Freundes einen Killer für ihre 23-jährige Tochter gesucht haben soll. Die Tochter sollte getötet werden, weil sie ihr Kind in eine Pflegefamilie geben wollte. In beiden Zeitungsmeldungen ist zu lesen, dass der Bekannte der Angeklagten Kontakte zur Roma-Szene habe und dort einen Killer habe dingen wollen. Die Sache sei aufgeflogen, weil eine Mitwisserin zur Polizei gegangen sei. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wehrt sich gegen die Veröffentlichung mit einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Der Hinweis auf die Roma-Szene schüre Vorurteile und sei ein Missbrauch der Pressefreiheit. Die Chefredaktion der Zeitung betont in ihrer Stellungnahme, dass sie sich in jedem Einzelfall vorbehalte, im Blick auf die Lebens- und Sicherheitsinteressen der Bevölkerung vor allem in Fällen von Schwerkriminalität die Herkunft bzw. Nationalität der betreffenden Täter zu nennen. In dem Strafprozess, über den die Zeitung im vorliegenden Falle berichtet habe, sei es um alles andere als eine Bagatelle gegangen. In einer mehr als einstündigen Zeugenvernehmung sei detailliert zur Sprache gekommen, dass der Freund der Angeklagten „Kontakte zur Roma-Szene“ gehabt habe und speziell dort nach einem Auftragskiller habe Ausschau halten wollen. Dieses Vorhaben sei das zentrale Thema der Verhandlung und demgemäß auch der Berichterstattung gewesen. Mithin sei die Beschwerde unbegründet. (2003)

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Diskriminierung von Sinti und Roma

Eine Regionalzeitung warnt ihre Leserinnen und Leser vor falschen Teppichhändlern. Sie berichtet von zwei Männern, die unter dem Vorwand, beim Zoll Teppiche auslösen zu müssen, eine 64-jährige Frau um 26.000 Euro betrogen hätten. Als sie einer 76-jährigen Rentnerin gleichfalls Teppiche hätten verkaufen wollen, seien dieser Bedenken gekommen. Die Frau habe die Polizei alarmiert, welche die beiden mutmaßlichen Betrüger vorläufig festgenommen habe. Die Zeitung erwähnt, dass der eine Mann ein Italiener sei, der andere der Volksgruppe der Sinti und Roma angehöre. Sie veröffentlicht schließlich eine Bitte der Polizei, dass sich andere Geschädigte melden sollten. Dabei nennt sie Marke und Kennzeichen des Fahrzeuges, das die Verdächtigen benutzen. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hält den Hinweis auf die ethnische Zugehörigkeit eines der Täter für einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex und erhebt Beschwerde beim Deutschen Presserat. Der Chefredakteur des Blattes verweist darauf, dass es sich bei der Veröffentlichung nicht um das Ergebnis einer Eigenrecherche, sondern um die Wiedergabe des Polizeiberichts handele. Journalisten seien gewöhnlich darauf getrimmt, nicht abstrakt, sondern möglichst konkret zu berichten und die Dinge beim Namen zu nennen. Wenn ein Nachrichtenmagazin eine Geschichte über minderjährige Roma publiziere, die Köln zur „Hauptstadt der Taschendiebe“ machten, sei die Erwähnung, dass es sich um Roma handele, „funktional“, im Falle des 50-jährigen aus dem Polizeibericht aber nicht. Es sei für die Kollegen im Drange der Zeit oft sehr schwierig zu beurteilen, wann die Schwelle zur „Funktionalität“ unterschritten sein solle. Der Chefredakteur schließt seine Stellungnahme mit der Feststellung: „Wenn wir die Berichterstattung über Fakten davon abhängig machen müssten, welche latent in der Leserschaft vorhandenen Vorurteile damit bedient werden könnten, kämen wir ins Aschgraue. Willkürlicher, auf höchst unterschiedliche subjektiven Befürchtungen beruhender Nachrichten- und Faktenunterdrückung wären Tür und Tor geöffnet.“ (2003)

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Sprecher einer Bürgerinitiative

Um „Streit nach der Wahl“ geht es in einem Artikel, der in einer Bezirksausgabe einer Regionalzeitung erscheint. Darin wird über einen politischen Streit um den städtischen Park und einen stattgefundenen Bürgerentscheid berichtet. Erwähnt wird in diesem Zusammenhang auch der Sprecher einer Bürgerinitiative „Pro Stadtpark“. Ein Stadtrat wird in dem Artikel mit der Frage zitiert: „Hat er (der Sprecher der Bürgerinitiative) als Mitarbeiter der Gemeinde … nichts Besseres zu tun, als dauernd oberlehrerhaft und pedantisch auf die Einhaltung von jedem noch so kleinen Fitzelchen zu achten?“ Der namentlich genannte Sprecher der Bürgerinitiative sieht in dem Hinweis auf seinen Arbeitgeber, die Gemeinde …, sein Persönlichkeitsrecht verletzt. Von politischer Seite werde laufend versucht, über seinen Arbeitgeber Druck auf ihn auszuüben. Er ruft den Deutschen Presserat an. Der Autor des Artikels weist darauf hin, dass die Aussage zum Arbeitgeber des Beschwerdeführers nicht von ihm, sondern von dem Stadtrat stamme. Dies sei eindeutige kenntlich gemacht worden. Die Tatsache, dass der Sprecher der Bürgerinitiative „Pro Stadtpark“ Beamter bei der Gemeinde … ist, sei kein Geheimnis und allgemein bekannt. Quasi jeder, der sich in der Stadt und im Landkreis kommunalpolitisch betätige und das Geschehen verfolge, wisse wo der Beschwerdeführer arbeite. Insofern könne von einer Verletzung seines Persönlichkeitsrechts keine Rede sein. (2003)

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Bezahlte Beiträge

Eine Lebensart-Zeitschrift veröffentlicht mehrere Artikel, die zum Beispiel diese Überschriften tragen: „Benefiz-Radeln à la carte“ oder „Auf höchstem Niveau: Zahnmedizin“ oder „Ein Schiff auf Stelzen“. Die ehemalige Chefredakteurin der Zeitschrift kritisiert, dass sie im Rahmen ihrer journalistischen Tätigkeit auch zum Akquirieren von Anzeigen aufgefordert worden sei. Dies habe sie aber unterlassen. Sie weist darauf hin, dass die Herausgeberin selbst Anzeigen mit dem Hinweis auf die Begleitung durch redaktionelle Texte akquiriert hätte. In einem Fall sei der Text sogar komplett vom Anzeigenkunden geliefert worden. Gegen diese Praxis habe sie – die Beschwerdeführerin – sich gewehrt, worauf ihr gekündigt worden sei. Sie nennt mehrere Fälle, in denen die Zeitschrift reine PR-Texte veröffentlicht habe. Die Ex-Chefredakteurin wendet sich an den Deutschen Presserat. Die jetzige Chefredakteurin stellt fest, dass die Produktion der Zeitschrift anfangs ein wenig „biotopisch“ gewesen sei. Bei der Produktion der nächsten Ausgaben würden in den Fragen PR und Werbung geregelte und unmissverständliche Verhältnisse einkehren. Sie legt dem Presserat die neueste Ausgabe als Beweis dafür vor, welche Konsequenzen aus der durch ökonomische Zwänge unter Druck stehenden Erstphase gezogen worden seien. (2003)

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Blutige Filmbeschreibung

Eine TV-Programmzeitschrift illustriert ihren Hinweis auf einen Film mit dem Foto eines blutüberströmten Mädchens, das offensichtlich auf die Spitzen eines Metallzauns gestürzt ist und von diesen durchbohrt wurde. In der Bildunterschrift wird darauf hingewiesen, dass es sich um eine gestellte Unfallszene handelt. Ein Leser der Zeitschrift hält die Veröffentlichung für unzulässig und wendet sich an den Deutschen Presserat. Auch die Bildunterschrift mindere nicht den entsetzlichen Eindruck. Da die Programmzeitschrift auch für Kinder häufig zugänglich sei, der Film jedoch mit dem Vermerk „FSK: ab 18“ versehen sei, gehöre dieses Foto nicht in eine Fernsehzeitung. Der Chefredakteur der Zeitschrift hat sich bei dem Leser entschuldigt. Auch dem Presserat gegenüber bedauert er, wenn die Redaktion mit der Abbildung dieses Bildes die Empfindungen vieler Leser verletzt habe. Es sei ihr nicht gelungen, trotz der Bildunterschrift die Gewalttätigkeit des Bildes ausreichend zu relativieren. Der Chefredakteur bittet auch den Presserat um Entschuldigung und verspricht, dass die Redaktion bei der Bildauswahl in Zukunft dezenter vorgehen und dermaßen schockierende Abbildungen unterlassen wird. (2003)

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Namensnennung bei Telefonaktion

Ein Ministerpräsident reist über Land. Ein Lokalblatt berichtet über den Besuch und rühmt die Leutseligkeit des hohen Gastes. Für eine alte Frau, die sich für seine Hilfe bei einem Projekt bedankte, habe er ein Ohr gehabt, ebenso bereitwillig habe er von einem Mann einen Beschwerdebrief über das örtliche Finanzamt entgegengenommen. Einige Monate später sitzt der Landesvater am Telefon der Zeitung und hört sich die Sorgen der Leserinnen und Leser an. Auch darüber berichtet das Blatt in großer Aufmachung. Unter den Anrufern ist auch jener Mann, der sich seinerzeit über das Finanzamt beschwert hatte. Er beklagt, dass sein Schreiben vom Ministerialbüro an den Beamten weitergeleitet worden sei, der das Anliegen des Bittstellers seinerzeit abgelehnt hatte. Der Ministerpräsident bittet den Mann um ein neuerliches Schreiben und hört sich abschließend noch einen unkonventionellen Steuerreformvorschlag seines Gesprächspartners an. Die Zeitung gibt den Inhalt dieses Gesprächs wieder und nennt den Anrufer mit vollem Namen unter Angabe seines Heimatorts. Der Betroffene beschwert sich beim Deutschen Presserat, weil er sich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sieht. Hinsichtlich der ersten Veröffentlichung habe er die Reporterin, die sich erst im Nachhinein als solche zu erkennen gegeben habe, gebeten, nichts von seiner Briefübergabe zu schreiben, auch nicht allgemein. Im Rahmen der Telefonaktion habe die Zeitung ohne seine ausdrückliche Einwilligung seinen Namen und seinen Wohnort genannt sowie sein steuerrechtliches Problem erklärt. Das Gespräch mit dem Ministerpräsidenten sei zudem ohne seine Einwilligung auf Tonband aufgenommen worden. Schließlich seien seine Äußerungen auch nicht korrekt wiedergegeben worden. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, der Beschwerdeführer sei von sich aus auf die Redaktion zugekommen und habe dabei nicht darum gebeten, unerkannt bleiben zu dürfen. Eine Folgeabschätzung dahingehend, dass der Anrufer an der Berichterstattung Anstoß nehmen würde, sei mit Blick auf die Öffentlichkeit dieser Aktion nicht möglich gewesen. Das Lesertelefon solle ja vielmehr als breites Forum den Interessen der Leser dienen. Daraus ergebe sich auch eine öffentliche Berichterstattung in der Zeitung. Da die Leser den Ministerpräsidenten mit einer Direktdurchwahl unmittelbar angerufen hätten, sei der Bandmitschnitt als technische Hilfe zur Erinnerung für die spätere Berichterstattung erstellt worden. Eine ausdrückliche Genehmigung eines solchen Mitschnittes sei allerdings nicht eingeholt worden. Die Chefredaktion räumt ein, den Inhalt des Telefongesprächs nicht wortgetreu wiedergegeben zu haben. In einem Schreiben an den Beschwerdeführer hat sie diesen gebeten, den Irrtum zu entschuldigen. (2003)

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Lebenslauf eines Agenten

In einer Wochenendreportage berichtet eine Tageszeitung über einen Mann, der nach eigenen Aussagen für den Bundesnachrichtendienst gearbeitet hat. Der Autor hat den Lebenslauf und die Verbindungen des Spezialagenten durchleuchtet und ist dabei offensichtlich zu dem Schluss gelangt, dass es sich bei ihm um einen Hochstapler handelt. Alles, was sich anbiete, werde in seinen riesigen Lügenteppich eingewoben. Wahrheit und Legende seien dabei oft so verfilzt, dass man sie kaum mehr auseinander bekomme. Wahr sei zum Beispiel, dass er einen Neffen des UN-Generalsekretärs Kofi Annan kenne. Falsch sei hingegen, dass er über diesen Neffen quasi in familiärem Kontakt mit Annan stehe, wie er es darstelle. In einer Petition an den Bundestag behaupte er, als ehemaliger Stasi-Agent auch für den BND gearbeitet zu haben. Pullach habe ihm tatsächlich mindestens einmal für wild erfundene Berichte, die auch den Experten des Dienstes zunächst plausibel erschienen seien, ein Honorar gezahlt. Aus sechs Wochen Praktikum bei den Vereinten Nationen in Genf habe er in seinem Lebenslauf drei Jahre Mitarbeit gemacht. Schließlich erwähnt die Zeitung, der Deutsche sei als falscher Graf Mitglied in zwei britischen Clubs gewesen, aber rausgeschmissen worden, weil er offensichtlich die Zechen geprellt habe. Der Betroffene meldet sich aus den USA beim Deutschen Presserat und teilt diesem mit, dass der Beitrag falsche Tatsachenbehauptungen enthalte. So stehe in seiner Petition nicht, dass er als ehemaliger Stasi-Agent auch für den BND gearbeitet habe. Für die UN sei er tatsächlich drei Jahre lang tätig gewesen. Bei dem Verwandten Kofi Annans handele es sich nicht um einen Neffen, sondern um den Sohn eines Vetters. Sein Ausschluss aus den britischen Clubs habe nichts mit Zechprellerei zu tun gehabt. Abschließend betont der Beschwerdeführer, dass die Kontakte zwischen ihm und der Redaktion ausschließlich vertraulich gewesen seien. Die Chefredaktion der Zeitung verweist in ihrer Stellungnahme auf die Mitarbeit zweier Kollegen in Washington an der Reportage. Sie hätten sich im Vorfeld mit dem Betroffenen getroffen sowie dessen getrennt lebende Ehefrau, den ehemaligen deutschen Botschafter bei der UN in New York, den BND und einen ehemaligen BND-Residenten der Deutschen Botschaft in Washington befragt. Der Lebenslauf des angeblichen Agenten sei anhand von Kopien aller relevanten Akten soweit möglich bis in die Schulzeit zurückverfolgt worden. Der Autor des Beitrags teilt mit, der Beschwerdeführer habe sich 2003 in einer geheimnisvoll verfassten Mail an ihn gewandt mit dem Hinweis, dass die Bundesregierung der US-Administration eine grundsätzliche Tolerierung des Irak-Krieges signalisiert habe. Die USA seien deshalb über das plötzliche Nein der Deutschen im Wahlkampf 2002 so erbost gewesen. Angeblicher Beweis für die anfängliche Zustimmung sei eine Mail des deutschen Botschafters bei der UN. Es seien jedoch Zweifel an der Authentizität dieser Mail entstanden. Dies vor allem auf Grund des Duktus, der stark an die Mails des angeblichen Agenten erinnert habe. Daraufhin habe man in Richtung der Person des Informanten recherchiert und sei dabei auf einen nicht unintelligenten Mann gestoßen, der vorgebe, Geheimagent zu sein. Damit habe man den Betroffenen auch konfrontiert. Der sei empört gewesen und bei seiner Version geblieben. Nach Ansicht des Autors handelt es sich bei dem Beschwerdeführer um einen Menschen, der vorgebe, Geheimagent zu sein und im Hintergrund der Weltpolitik die Fäden zu ziehen. Dabei habe er immer wieder Menschen in Mitleidenschaft gezogen und sich unter Vortäuschung falscher Tatsachen Vorteile erschlichen. Nach der Veröffentlichung des kritischen Artikels habe er einen Text als Gegendarstellung geschickt, den die Zeitung als Leserbrief veröffentlicht habe. (2003)

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Buchrezension

Eine Tageszeitung bespricht ein Buch über die Entstehungsgeschichte des Zweiten Weltkrieges. Der Autor des Artikels äußert die Ansicht, dass es sich bei dem Werk um eine aus der Sekundärliteratur erarbeitete Darstellung ohne originäre Archivforschung handelt. Die These des Verfassers laute vereinfacht formuliert: Nicht einseitiges deutsches Machtstreben habe den Beginn des Zweiten Weltkrieges verursacht, sondern die wachsende „Eskalation der innereuropäischen Konflikte“ als Ergebnis der Gegensätze von fünf der wichtigsten miteinander verstrickten Nationalstaaten – das heiße von Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Polen und Italien. Das weithin konstruierte „Eskalationsmodell“, das der Autor als anders geartete und plausiblere „Wahrheit“ vermitteln wolle, habe viele Schwächen. Der Rezensent stellt zum Schluss die Frage: „Handelt es sich bei dem Autor etwa um ein nachträgliches Opfer der ‚grandiosen Selbstverharmlosung‘ des nationalsozialistischen Systems durch dessen Führung oder aber schlicht um einen jener schwer Belehrbaren, die vor allem Hitler und seine Helfeshelfer exkulpieren und etwas von der drückenden Hypothek der Deutschen nach 1945 abtragen wollen?“ Und er gibt die Antwort, wahrscheinlich sei eher das letztere zu vermuten. In seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat äußert der Buchautor die Ansicht, dass mit der Rezension gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen worden sei. Außerdem sei die letzte Passage ehrverletzend. Er werde als „schwer Belehrbarer“ bezeichnet, der Hitler und seine Helfershelfer verteidigen wolle. Es sei auch falsch, dass seine Studie nicht auf eigenständiger Archivforschung beruhe und nur aus Sekundärliteratur erarbeitet worden sei. Selbstverständlich habe er auch in den entsprechenden Archiven recherchiert. Die Geschäftsführung der Zeitung hält die Betrachtungen ihres Rezensenten für zulässige Bewertungen. Letzterer weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass Hitlers Denken und Handeln in der damaligen Zeit unmissverständlich offensiv geprägt gewesen sei. Der Beschwerdeführer indes bewerte Hitler als defensiven Politiker. Dadurch verharmlose er die Rolle der NS-Ideologie. Hitler sei zweifellos die treibende Kraft zum Krieg gewesen. Diese Feststellung wolle der Buchautor widerlegen. Im übrigen habe er mit seiner Schlussformulierung nur eine Vermutung ausgesprochen. (2003)

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