Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6657 Entscheidungen
Die Online-Ausgabe einer regionalen Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Riss er 149 Menschen in den Tod?“ über den Germanwings-Absturz und den Co-Piloten der Maschine. Dieser wird mit vollem Namen genannt. Ein Bild zeigt ihn mit verpixeltem Gesicht. In einer späteren Fassung ist der Nachname nur noch als Anfangsbuchstabe vermerkt. Mehrere Leser der Zeitung sind in diesem Fall Beschwerdeführer. Sie stören sich an der Namensnennung. Sie sehen einen Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit des Co-Piloten nach Ziffer 8 und eine Vorverurteilung im Sinne der Richtlinie 13.1 des Pressekodex. Ein Beschwerdeführer merkt an, der Nachname des Co-Piloten sei zwar später abgekürzt worden, aber in der URL immer noch lesbar gewesen. Ein anderer Leser kritisiert die Zeitung, dass sie den Namen mitgeteilt habe, noch ehe dieser von offizieller Seite genannt worden sei. Dem widerspricht die Leitung der Online-Redaktion. Diese habe den Namen des Co-Piloten erst genannt, nachdem er von der Staatsanwaltschaft Marseille mitgeteilt worden sei. Ungeachtet der grundsätzlichen medienrechtlichen Zulässigkeit der Namensnennung habe sich die Online-Redaktion wenige Minuten nach der Erstveröffentlichung entschlossen, den Namen des Co-Piloten nur noch in abgekürzter Form zu nennen. Dass in einer URL der volle Name erscheine, habe allenfalls eine praktische Relevanz. Ein Nutzer müsse schon gezielt per Hand diese URL eingeben. Er werde dann aber weitergeleitet zu der Textversion ohne Namensnennung. Bei Abwägung zwischen Persönlichkeitsschutz und öffentlichem Interesse spiele es rechtlich keine Rolle, dass die Familie des Co-Piloten im Falle der Nennung des vollen Namens „einem Spießrutenlauf ausgesetzt ist“, wie es einer der Beschwerdeführer formuliert hat.
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„Das ist der Todespilot von Flug 4U9525“ titelt die Online-Ausgabe einer Illustrierten. Es geht um den Germanwings-Co-Piloten, der eine Maschine mit 150 Menschen an Bord in den Französischen Alpen absichtlich hat abstürzen lassen. Im Bericht wird er „Andreas L.“ genannt, sein Herkunftsort angegeben. Ein Foto zeigt ihn unverfremdet. Von seiner Mutter heißt es, sie sei Organistin in der evangelischen Gemeinde von Montabaur. Ein Leser der Zeitschrift sieht Richtlinie 11.3 des Pressekodex verletzt. Danach findet die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die Rechtsabteilung der Illustrierten spricht von einem großen öffentlichen Interesse an der Flugkatastrophe, das es gebiete, den Ursachen des Unglücks nachzugehen. Dazu gehörten selbstverständlich Recherchen rund um den Co-Piloten. Die Berichterstattung sei mit der gebotenen Zurückhaltung ohne sensationsheischende Details erfolgt. Die Redaktion habe sich auf den Begriff „Todespilot“ beschränkt und auf Bezeichnungen wie „Terrorpilot“ und „Amokpilot“ verzichtet. Aufgrund ihrer zurückhaltenden und sensiblen Berichterstattung könne die Redaktion die Beschwerde nicht nachvollziehen.
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Erste Erkenntnisse zum Absturz des Germanwings-Fluges 4U9525 und mögliche Konsequenzen, die die Fluggesellschaften daraus ziehen wollen, sind Thema in der Online-Ausgabe einer Tageszeitung unter der Überschrift „Copilot hat Flugzeug absichtlich zum Absturz gebracht – Airlines wollen Copilot-Regeln ändern“. Der Co-Pilot wird im Text mit dem Vornamen und dem Anfangsbuchstaben des Nachnamens genannt. In den Text eingebettet ist der Tweet eines Journalisten, in dem der Name „Andreas Lubitz“ zu lesen ist. Aus der Sicht eines Lesers der Zeitung ist die Namensnennung unnötig und dazu geeignet, die Familie und die Angehörigen in den Brennpunkt journalistischen Interesses zu rücken. Er bezeichnet es als instinktlos, derart brisante Informationen ungefiltert weiterzugeben. Die Chefredaktion nimmt Stellung. Die Redaktion habe sich nach intensiver Diskussion entschieden, den vollen Namen des Co-Piloten nicht zu nennen. Man versuche zwar, dieser Linie treu zu bleiben, doch sei sie kaum widerspruchsfrei durchzuhalten gewesen. Die französische Staatsanwaltschaft habe den Namen früh genannt. Auch eine große deutsche Nachrichtenagentur habe dies gemacht, was seine Zeitung in eine Zwickmühle gebracht habe, da der Newsticker der Agentur – wie wahrscheinlich bei vielen anderen Zeitungen auch – direkt in den Online-Auftritt einfließe. Der Tweet eines Journalisten mit dem vollen Namen des Co-Piloten sei abgedruckt worden, weil er eine zu diesem Zeitpunkt noch exklusive Information enthalten habe. Für die Kollegen sei er ein wichtiges Dokument gewesen.
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„Gehofft, dass du nicht drinnen warst“ titelt die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins. Unterzeile: „Mädchen schreibt Botschaft auf das Handy einer Toten“. Es geht um eine Handy-Nachricht, mit der ein Mädchen namens Laura sich von einer Freundin verabschiedet. Diese zählt offenbar zu den 150 Menschen, die beim Absturz der Germanwings-Maschine im März 2015 in den französischen Alpen ums Leben kamen. Die Maschine war vom Co-Piloten mit voller Absicht gegen eine Felswand gesteuert worden. Ein Nutzer des Online-Auftritts des Magazins sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen Ziffer 11 des Pressekodex (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz). Der Beitrag sei nichts weiter als eine Emotionalisierung und Zurschaustellung von minderjährigen Trauernden. Aus solchen Informationen sei nichts Neues zu dem Unglück zu erfahren. Die Chefredaktion weist die Beschwerde zurück. Wenn der Beschwerdeführer eine Emotionalisierung beklage und meine, man erfahre nichts Neues zu dem Unglück, dann passe der Artikel vermutlich nicht zu den Lesegewohnheiten des Beschwerdeführers. Emotionale Darstellungsformen seien nicht als unangemessen anzusehen. Der Artikel knüpfe an Gefühlsäußerungen an, die von einer Betroffenen selbst öffentlich gemacht worden seien. Die Redaktion habe über den Vorgang „verhältnismäßig sachlich“ berichtet. Keinesfalls ergötze sich der Autor am Schmerz der Betroffenen oder gar am Leid der Opfer. Nach Auffassung der Chefredaktion liege es in der Natur des Menschen, dass er anhand von Einzelschicksalen den Schock und die Trauer der Betroffenen besser nachempfinden könne, als die Wiedergabe von abstrakten Informationen dies ermögliche. Deshalb gehörten auch Personalisierung und die Darstellung individueller Erlebnisse zum gängigen und legitimen Handwerkszeug bei solchen Ereignissen.
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„Copilot brachte Germanwings-Airbus wohl gezielt auf Todeskurs“ – so überschreibt die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung einen Bericht über das Flugzeugunglück in den Alpen. Im Text wird erwähnt, dass der Name des Co-Piloten von den Behörden mit Andreas Lubitz angegeben worden sei. Der Mann sei zu hundert Prozent flugtauglich gewesen. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Nennung des Namens, womit die Redaktion gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit) verstoßen habe. Eine Schuld des Co-Piloten sei noch nicht hinreichend bewiesen, und die Übernahme der Einschätzung durch die Staatsanwaltschaft Marseille komme einer Vorverurteilung gleich. Die Chefredaktion der Zeitung nimmt Stellung. Wer nicht eine schier unglaubliche Verkettung kuriosester Umstände für möglich halte, für den stehe einer Namensnennung nichts im Wege. Ein größeres öffentliches Interesse als an der Germanwings-Katastrophe – vom Co-Piloten absichtlich herbeigeführt – lasse sich kaum denken. Der Schutz von Persönlichkeitsrechten trete angesichts der beispiellosen Tötung von 149 Menschen und dem Suizid des Co-Piloten eindeutig in den Hintergrund. Die Staatsanwaltschaft habe den Namen des Mannes vor laufenden Kameras mitgeteilt. Deshalb habe er genannt werden dürfen.
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Ein Gedenkstein am Absturzort in den französischen Alpen erinnert an die Opfer des Germanwings-Fluges 4U9525. Über die Erinnerungsstätte berichtet die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung unter der Überschrift „Ich kann dir das alles nicht mehr sagen“. Der Autor beschreibt, wie Angehörige dort Blumen oder Abschiedsbriefe ablegen. Ein Foto zeigt Angehörige (von hinten aufgenommen) beim Gedenken an die Opfer. Die Zeitung zitiert wörtlich aus abgelegten Briefen. Widmungen in niedergelegten Gegenständen werden teilweise detailliert im Bild gezeigt. Die Redaktion spekuliert auch über die Entstehung von Briefinhalten. So heißt es zum Abschiedsbrief einer Frau an einen Mann, offenbar habe die Katastrophe sie auseinandergerissen, bevor sie sich versöhnen konnten. Nach Auffassung mehrerer Beschwerdeführer aus dem Leserkreis der Zeitung seien die Gedenkbriefe nicht für die (Medien)-Öffentlichkeit gedacht gewesen. Sie sehen in der Berichterstattung einen Eingriff in den Persönlichkeitsschutz und eine unangemessen sensationelle Berichterstattung. Die Rechtsabteilung der Zeitung beruft sich auf die Presseratsentscheidung in der Beschwerdesache 0198/12/1. In dieser habe der Presserat anerkannt, dass an der Berichterstattung über die Einrichtung eines Gedenkraums ein öffentliches Interesse bestehen könne. Die Rechtsvertretung stellt aus ihrer Sicht richtig, dass der Brief der katalanischen Ehefrau, die beim Absturz ihren Ehemann verlor, offen ausgelegen habe, und nicht etwa – wie einige Beschwerdeführer offensichtlich vermuteten – in einem Briefumschlag verschlossen gewesen sei. Der Brief sei jedermann zugänglich gewesen, was von der Frau wohl beabsichtigt gewesen sei. Sie habe mit ihrem Schmerz nicht allein sein wollen. Im Übrigen sei weder die Frau noch ihr verstorbener Ehemann im Beitrag identifizierbar dargestellt worden. Die Zeitung weist auch den Vorwurf der unangemessen sensationellen Berichterstattung zurück. Die Redaktion habe vielmehr versucht, in einem pietätvollen Rahmen das Ausmaß der Tragödie ansatzweise zu vermitteln.
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Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet über die Germanwings-Tragödie, bei der im März 2015 150 Menschen ums Leben kamen, darunter auch der Co-Pilot, der das Flugzeug und damit 149 Opfer bewusst abstürzen ließ. Am Beginn des Textes heißt es, Patrick Sondheimer, der Kapitän der Maschine, sei zum Zeitpunkt der Katastrophe aus dem Cockpit ausgesperrt gewesen. Die Zeitung nennt den Namen des Co-Piloten Andreas Lubitz. Ein Leser der Zeitung sieht in der Namensnennung einen Verstoß gegen den Pressekodex. Der Chefredakteur weist den Vorwurf zurück. Die Redaktion habe sich für die Nennung des Namens des Co-Piloten entschieden. Der Grund dafür sei gewesen, dass Andreas Lubitz diese Tragödie ausgelöst habe, so zu einer Person der Zeitgeschichte geworden sei und damit ein herausragendes Interesse an seiner Person bestehe.
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Ein Nachrichtenmagazin berichtet über die Germanwings-Katastrophe in den französischen Alpen, bei der 150 Menschen ums Leben kamen. Im Artikel nennt die Redaktion mehr als ein Dutzend Opfer mit vollem Namen, Beruf und Reisegrund. Nach Auffassung von zwei Lesern verstößt die namentliche Erwähnung der Opfer gegen den Persönlichkeitsschutz nach Ziffer 8 des Pressekodex. Die Rechtsabteilung des Nachrichtenmagazins argumentiert, bei den genannten Personen handele es sich um solche, deren Namen bereits in der medialen Öffentlichkeit kursierten oder bei denen ein öffentliches Interesse an der Information über ihren Tod bestanden habe. Hätte sich die Redaktion allein auf die Fälle von besonderem öffentlichem Interesse beschränkt, hätte sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, nur Personen von einem bestimmten sozialen Status des Gedenkens für würdig zu halten. Um zu zeigen, dass im Tod alle gleich sind, habe man aus Respekt vor den so genannten einfachen Leuten unter den Opfern nicht darauf verzichten wollen, wenigstens stellvertretend auch einige von ihnen zu nennen. Die Namen habe die Redaktion einer weit umfangreicheren Veröffentlichung der New York Times entnommen, die sich in einigen Fällen ausdrücklich auch auf Auskünfte von Angehörigen gestützt habe.
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„Wir versuchen zu begreifen“ überschreibt die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung einen Bericht über das Flugzeugunglück, bei dem im März 2015 in den französischen Alpen 150 Menschen ums Leben gekommen sind. Der Co-Pilot habe die Maschine und 149 Menschen absichtlich abstürzen lassen. Andreas Lubitz sei zum Zeitpunkt der Tragödie allein im Cockpit gewesen, nachdem er den Kapitän auf diesem Flug ausgesperrt habe. Warum der Mann die Maschine in die Katastrophe gesteuert habe, sei noch unklar. In einem Kommentar mit dem Titel „Warum wir Namen und Gesicht von Andreas Lubitz abbilden“ erläutert der Chefredakteur die Gründe der Redaktion für eine identifizierende Berichterstattung. Ihm widerspricht einer seiner Leser. Er sei entsetzt, dass weder der Nachname abgekürzt werde noch Lubitz´ Bilder verfremdet würden. Die Zeitung habe etwa im Kommentar des Chefredakteurs in der Folgeberichterstattung das Bild des Co-Piloten noch größer als vorher abgedruckt. Der Beschwerdeführer sieht darin eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Piloten und seiner Hinterbliebenen. Deren Leben werde durch die Namensnennung zusätzlich belastet. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, die Redaktion habe sich nach juristischer Beratung und journalistischer Abwägung dazu entschlossen, den Namen des Mannes zu nennen und sein Foto unverfremdet zu zeigen. Das öffentliche Interesse überwiege in diesem Fall die Persönlichkeitsrechte. Was die Angehörigen von Andreas Lubitz empfinden, lasse sich nur erahnen. Die Namensnennung jedoch dürfte wohl den kleinsten Teil ihres Leids ausmachen. Der Co-Pilot sei durch die von ihm herbeigeführte Tragödie „eine historische Figur, eine Person der Zeitgeschichte“ geworden. In einem Kommentar habe man die Leser über die Beweggründe der Redaktion informiert, identifizierend zu berichten. Damit habe die Zeitung einwandfrei, nachvollziehbar und transparent gehandelt.
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Die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins berichtet unter der Überschrift „So nimmt eine Frau Abschied von ihrem verunglückten Ehemann“ über einen Brief, den eine Frau an einer Gedenkstätte nahe dem Absturz-Ort des Germanwings-Fluges 4U9525 abgelegt habe. Die Redaktion zitiert aus dem Bericht einer Boulevardzeitung mehrere Sätze. Einer davon klinge so, als habe es zwischen einer Frau und ihrem Mann, einem Opfer der Katastrophe, zuvor einen Streit gegeben. Eine Leserin des Magazins hält die Berichterstattung für unangemessen sensationell. Die Redaktion zitiere aus einem privaten Abschiedsbrief. Dafür gebe es keinen nachvollziehbaren Rechtfertigungsgrund. Die Beschwerdeführerin spricht von einem pietätlosen Eingriff in die Privatsphäre. Nach Auffassung der Chefredaktion des Nachrichtenmagazins liegt es in der Natur des Menschen, dass er anhand von Einzelschicksalen den Schock und die Trauer der Betroffenen besser nachempfinden könne, als die Mitteilung abstrakter Informationen dies ermögliche. Personalisierung und Darstellung individueller Erlebnisse gehörten zum gängigen und legitimen Handwerkszeug bei solchen Ereignissen. Der von der Beschwerdeführerin erhobene Vorwurf unangemessen sensationeller Berichterstattung sei nicht nachvollziehbar. Die Ehefrau müsse wohl gewollt haben, dass andere an ihren Gedanken teilhätten. Sonst hätte sie den Brief nicht offen abgelegt, sondern ihn in einen Umschlag gesteckt.
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