Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.
6657 Entscheidungen
Ein Nachrichtenmagazin veröffentlicht online einen Artikel unter der Überschrift „Mitglieder der Jungen Union singen Wehrmachtslied“. Im Bericht geht es darum, dass ein von einer Augenzeugin aufgenommenes Video die Junge Union (JU) in Erklärungsnot bringe. Mehrere JU-Mitglieder aus Hessen seien am 9. November beim Singen des Westerwald-Liedes in einer Berliner Kneipe gefilmt worden. Das Video ist in den online veröffentlichten Beitrag eingebettet. Ein Leser des Magazins sieht mit der Veröffentlichung presseethische Grundsätze verletzt. Zum einen werde durch die Überschrift suggeriert, das Westerwaldlied sei von den Personen im Zusammenhang mit dem Gedenken an den Jahrestag der Reichspogromnacht gesungen worden. Dass sich der Vorfall am 9. November abgespielt habe und in keinem Zusammenhang mit dem Gedenken an die Pogromnacht stehe, werde von der Redaktion ignoriert. Der Beschwerdeführer hält einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit) für besonders gravierend. Durch die Veröffentlichung von nicht genehmigtem und auch später nicht autorisiertem Videomaterial werde das Recht auf informelle Selbstbestimmung verletzt. Auf die Beschwerde antwortet das Justiziariat des Verlages. Die meisten Veröffentlichungen erfolgten ohne Einwilligung der betroffenen Personen. Dafür sei der Rechtsgedanke des Paragrafen 23, Absatz 1, Nr. 1 KUG (Kunst-Urhebergesetz) da. Dieser schütze auch Veröffentlichungen, die die Betroffenen lieber nicht sehen würden. Bei zeitgeschichtlicher Relevanz dürfe auch gegen den Willen der Betroffenen berichtet werden. Diese Relevanz sei in diesem Fall gegeben, selbst wenn die JU-Mitglieder in der Kneipe einen Geburtstag gefeiert hätten. Auch an dem Verhalten von Nachwuchspolitikern bestehe ein berechtigtes öffentliches Interesse.
Weiterlesen
Eine überregionale Zeitung veröffentlicht einen Artikel über die Kooperation des TV-Herstellers Philips mit dem Akustik-Spezialisten Bowers & Wilkins (B&W). Für die neueste Reihe der Philips-Geräte habe B&W den Sound entwickelt, schreibt der Autor. Eine Leserin der Zeitung sieht in der Veröffentlichung Schleichwerbung für die Fernsehgeräte von Philips. Ihre Beschreibung sei detailliert und ausschließlich positiv und werblich. Konkurrenzprodukte würden nicht genannt. Die Zeitung lässt den Autor des Beitrages auf die Beschwerde antworten. Er weist darauf hin, dass es in der Rubrik „Technik und Motor“ üblich sei, einzelne Produkte zu besprechen, ohne sie in einen direkten Vergleich mit Wettbewerbsfabrikaten zu stellen. Im konkreten Fall gehe es vor allem um die Kooperation von Philips mit dem renommierten englischen Lautsprecherhersteller Bowers & Wilkins. Unter den Lautsprecherherstellern habe B&W einen Rang, der etwa mit der Bedeutung der Marke Porsche unter den Autobauern vergleichbar sei. Insofern wecke allein diese Kooperation die Aufmerksamkeit von Marktbeobachtern. Sie provoziere bei Testern die Frage, ob man es mit einer reinen Marketingbotschaft zu tun habe oder tatsächlich ein Produkt entstanden sei, das den hohen Erwartungen gerecht werde. Tatschlich übertreffe die Tonqualität des Geräts sehr deutlich alles, was andere Geräte mit vergleichbar großen Lautsprechereinbauten zu leisten vermögen, so der Autor. Seine umfassende Produktkenntnis im TV-Bereich erlaube ihm dieses Urteil. Hätte der Hersteller in diesem Punkt enttäuscht, wäre dies auch in seinem Artikel klar benannt worden.
Weiterlesen
Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Hannover: Kind freut sich über neues Geschäft“. Im Bericht geht es um die Feier aus Anlass der Wiedereröffnung eines Geschäfts von Hannover 96-Chef Martin Kind und seinem Sohn Alexander. Der Laden war umgebaut und neugestaltet worden. Angeboten werden nun unter einem Dach Brillen und Hörgeräte. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Beitrag eine Anzeige, die nicht als solche gekennzeichnet ist. Der Chefredakteur der Zeitung bezeichnet die Veröffentlichung als einen redaktionellen Beitrag. Die Redaktion habe über die Eröffnung des neuen Ladens eines bekannten hannoverschen Unternehmens berichtet. An der Veranstaltung hätten zahlreiche prominente Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Sport teilgenommen, unter anderem Hannovers Oberbürgermeister und der Regionalpräsident. Daher könne man durchaus von einem bedeutenden gesellschaftlichen Ereignis sprechen. Der Chefredakteur betont abschließend, dass die Verbindung von Martin Kind zu dem Verlag, in dem die Zeitung erscheint, von kritischer Distanz geprägt sei.
Weiterlesen
Die Broschüre „Ene mene, muh und raus bist du! Ungleichwertigkeit und frühkindliche Erziehung“ ist Thema in einer Boulevardzeitung. Der Online- und der Print-Artikel haben zum Großteil den gleichen Inhalt, sind aber nicht identisch. In beiden werden die gleichen Fallbeispiele genannt. Die Zeitung zitiert auch den CDU-Innenpolitiker Bernstiel. Der finde es unfassbar, dass eine mit Steuergeld finanzierte Broschüre junge Mädchen, die Zöpfe und Kleider tragen, als potenziell völkisch bezeichne. Auf den 60 Seiten fänden sich – so wird Bernstiel weiter zitiert – noch weitere haarsträubende Behauptungen und Handlungsempfehlungen, wie auffällige Eltern umerzogen werden sollten. Frau Giffey, die Bundesfamilienministerin, solle die Broschüre schnellstmöglich zurückrufen und überarbeiten lassen. Frau Giffey wird in den Beiträgen der Zeitung ebenfalls zitiert. Es sei nicht Aufgabe des Staats zu prüfen, wie Eltern leben, was sie denken und wie sie ihre Kinder erziehen. Aber auch Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher hätten eine Verantwortung für die Kinder, die sie betreuten. Diese wolle man mit Informationen unterstützen. Ein Leser der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat, weil er presseethische Grundsätze verletzt sieht. In den Beiträgen werde die Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung vollkommen verkürzt wiedergegeben. Er spricht von einer bewussten Verkürzung des Inhalts, um Empörung in der Leserschaft zu erzeugen. Das sei keine wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit. Die Recherche sei nicht mit der gebotenen Sorgfalt erfolgt, die Texte nicht wahrheitsgetreu wiedergegeben worden. Der Chefredakteur der Zeitung stellt fest, der Inhalt der Broschüre sei in den kritisierten Beiträgen wesentlich verkürzt dargestellt worden. Das entspreche alltäglicher journalistischer Praxis. Das Zitieren einzelner Passagen aus der Broschüre diene nicht dem Erzeugen von Empörung, sondern solle dem Leser den notwendigen Kontext zu der im Artikel angeführten Stellungnahme von Herrn Bernstiel erläutern. Dieser beziehe sich nämlich auf den Beispielsfall mit den Zöpfe tragenden Mädchen und verweise auf weitere nach seiner Meinung haarsträubende Passagen. Fazit des Chefredakteurs: Statt zeitgemäßen Fallbeispielen fände man in der Broschüre uralte Rollenbilder und schaffe auch weitere Vorurteile.
Weiterlesen
Eine Boulevardzeitung veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Giftanschlag im Chefbüro“. Im Bericht geht es um die Verurteilung einer Frau wegen gefährlicher Körperverletzung. Sie hatte ihrem Chef Psychopharmaka in Getränke gemischt. Die Zeitung nennt den Vornamen der Frau, den abgekürzten Nachnamen, ihren Arbeitgeber, ihren Beruf und die portugiesische Herkunft. Zum Bericht gestellt ist ein Foto der Beschuldigten. Ihr Gesicht ist mit einem Augenbalken verfremdet. Der Autor schreibt, die Frau sei vermindert schuldfähig. Sie leide nach Aussagen eines Psychiaters an einer schizophrenen Persönlichkeitsstörung. Ein Leser der Zeitung vertritt die Auffassung, dass die Frau identifizierbar dargestellt worden sei. Dadurch sei ihr Persönlichkeitsschutz verletzt worden. Der Beschwerdeführer kritisiert auch den Hinweis auf ihre psychische Erkrankung. Der Chefredakteur verweist in seiner Stellungnahme auf Richtlinie 8.1, Absatz 2, des Pressekodex. Die Redaktion habe über eine außergewöhnlich schwere Straftat berichtet. Dies sei nach der genannten Richtlinie gerechtfertigt. Im Interesse einer ordnungsgemäßen Unterrichtung der Öffentlichkeit sei die Berichterstattung in dieser Form zwingend erforderlich gewesen. Es sei eine zentrale Aufgabe der Medien, über derartig hinterhältig begangene Straftaten zu berichten. Die sachliche Darstellung einer ärztlich diagnostizierten Persönlichkeitsstörung sei im konkreten Fall nicht zu beanstanden. Dieser Umstand habe sich für die Frau strafmildernd ausgewirkt. Schließlich werde der Persönlichkeitsschutz der Beschuldigten gewahrt. Ihr Name werde nicht genannt, ihr Gesicht nicht erkennbar dargestellt. Die Frau lebe in einer Millionenstadt und nicht auf einem Dorf. Eine Identifizierbarkeit sei somit ausgeschlossen.
Weiterlesen
„Leiche von britischer Millionärstochter (22) gefunden – Mordverdacht gegen ihren Begleiter (26)“ – so überschreibt eine Boulevardzeitung online ihren Bericht über eine Straftat. Unter der Überschrift sind zwei große Fotos der jungen Frau zu sehen. Der volle Name des Opfers wird in dem Artikel mehrfach genannt, ebenso der Name des Vaters. Auch dieser wird – in Tränen aufgelöst – im Bild gezeigt. Ein Leser der Zeitung sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit). Die Zeitung nenne den Klarnamen der Verstorbenen. Es würden Fotos aus einem Twitter-Account einer Angehörigen verwendet. Erschwerend komme hinzu, dass das Foto des Vaters bei einer Pressekonferenz entstanden sei, die vor Eintreffen der Todesnachricht stattgefunden habe. In der PK habe der Vater um Hilfe bei der Suche nach der damals noch als vermisst geltenden Tochter gebeten. Er habe die Medien ausdrücklich gebeten, die Privatsphäre der Familie zu achten. Der Chefredakteur der Zeitung rechtfertigt in seiner Stellungnahme die Art der Berichterstattung. Die Redaktion halte an ihrer regelmäßig vertretenen presseethischen Auffassung fest, dass die Öffentlichkeit insbesondere bei spektakulären Ereignissen, die sich im öffentlichen Raum ereigneten, ein besonderes Interesse daran habe, von den Medien umfassend informiert zu werden. Ziffer 8 des Kodex erlaube ausdrücklich eine identifizierende Berichterstattung bei Sachverhalten von öffentlichem Interesse. Entscheidend sei, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiege. Das sei hier der Fall. Der Fall habe weltweit für Schlagzeilen gesorgt.
Weiterlesen
Ein Nachrichtenmagazin veröffentlicht online eine Kolumne unter der Überschrift „Paragraf 218 – Das kalte Herz der Abtreibungsdebatte“. In der Unterschrift heißt es: „Beim Streit über das Werbeverbot für Abtreibungen geht es um mehr. Die Jusos haben just einen Antrag auf Streichung des Paragrafen 218 beschlossen. Damit wären Schwangerschaftsabbrüche bis zum 9. Monat möglich.“ Der Autor kommentiert die politische Diskussion über die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen (Paragraf 219a StGB). Das eigentliche politische Ziel sei aber Paragraf 218 StGB. Ein Leser des Magazins sieht durch die Veröffentlichung mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Insbesondere kritisiert er den oben zitierten Passus. Der Autor verdrehe mit dieser Erläuterung die Tatsachen und unterstelle im Kontext, dass die Jusos Abtreibungen bis zum neunten Monat billigen und zulassen wollten. Hier mache sich der Autor bewusst Verdrehungen von Tatsachen zu Eigen, welche die AfD in einer aktuellen Stunde des Bundestages vorgetragen habe. Für das Nachrichtenmagazin äußert sich das Justiziariat des Verlages zu der Beschwerde. Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers sei der Beschluss der Jusos eindeutig. Er lasse sich kaum anders verstehen, als dass er darauf abziele, ein Recht auf legale Abtreibung zu begründen, ohne dies mit Fristen zu beschränken. Der Beitrag – so der Vertreter des Verlages – sei im Rahmen der Kolumne „Der Schwarze Kanal“ erschienen und deutlich als Meinungsbeitrag gekennzeichnet worden. Dass es sich bei der beanstandeten Formulierung um eine Meinungsäußerung handele, erschließe sich aus dem Wortlaut des Vorspanns. Aus der unstreitig wahren Tatsachenbehauptung, dass die Jusos „einen Antrag auf Streichung des Paragrafen 218 beschlossen“ hätten, werde in Bewertung dieser Fakten abgeleitet, dass damit „Schwangerschaftsabbrüche bis zum 9. Monat möglich“ seien.
Weiterlesen
„Dubiose Zahlungen aus dem Ausland – Wie Terror-Geld Moscheen in Deutschland finanziert“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung gedruckt und online über Pläne der Bundesregierung, mehr Transparenz bei der Finanzierung von Moscheevereinen zu schaffen. Zum Beitrag gestellt ist ein Foto der DITIP-Moschee in Köln. Bislang sei wenig über die Finanzierung bekannt. Auf Anfrage der Redaktion hätten zahlreiche Moscheevereine angegeben, ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge finanziert zu werden. „Dabei sind Einflussnahmen brutaler Regime ganz offensichtlich!“, heißt es im Artikel. Aufgelistet werden Länder wie Iran, Türkei, Saudi-Arabien und deren Geldströme. Zur Türkei heißt es, die Religionsbehörde der türkischen Regierung („Diyanet“) schicke und bezahle Prediger in Gemeinden des Dachverbandes DITIP. Zu Kuwait schreibt die Redaktion, es gebe Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Geldwäsche und Terror-Finanzierung gegen einen Moscheeverein, die den Zusammenhang zwischen Moschee- und Terrorfinanzierung belegten. Verschleierte Spenden seien für den Bau einer Moschee entrichtet worden, dann aber zum Teil an Kampfgruppen in Syrien geflossen. 44 Leser der Zeitung wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Haupttenor: Durch die Berichterstattung werde beim Leser der falsche Eindruck erweckt, als würde der gesamte DITIP-Verband mit seinen Moscheegemeinden in Deutschland von Terrororganisationen unterstützt und vom Ausland aus finanziert. Sie kritisieren eine Medienhetze und Stigmatisierung der in Deutschland lebenden Muslime. Der Chefredakteur vermutet in seiner Stellungnahme, die „Flut der Empörung“ basiere offenbar auf einem zentralen Aufruf gegen die Berichterstattung. Anders sei es nicht zu erklären, dass sich die Beschwerden zum Teil im Wortlaut glichen. Auch inhaltlich seien sie nicht nachvollziehbar. Die Redaktion habe sachlich und neutral über die aktuellen Bestrebungen der Bundesregierung, mehr Transparenz hinsichtlich der Finanzierung der etwa 2600 Moscheen in Deutschland zu erlangen. Diesen Bestrebungen der Exekutive lägen besorgniserregende Informationen von großer öffentlicher Bedeutung zugrunde, die die Redaktion faktenorientiert und ausgewogen aufbereitet habe. Sofern die Überschrift also von der Finanzierung der Moscheen durch Terror-Geld spreche, sei dies eine zulässige Wertung der Redaktion, deren entsprechende Tatsachenanknüpfung sich in der nachfolgenden Berichterstattung finde.
Weiterlesen
„Mörderische Zeiten“ titelt eine Regionalzeitung. Es geht um ungeklärte Morde in einer süddeutschen Großstadt. Der Beitrag berichtet über die Zeiten der Besatzung durch die Amerikaner. Zeiten, in denen die Prostitution Hochkonjunktur hatte und die Besatzungsmächte sehr präsent waren. Detailliert geschildert werden der Fall einer ermordeten Prostituierten, sowie weitere Morde und das Leben mit den GIs in der Stadt. Zitiert werden Polizisten, Kneipenwirte etc. Es geht auch detailliert um das Zusammenleben mit den Soldaten aus Amerika und die Befugnisse der deutschen Polizei. „Die Polizei muss in den 60ern und 70ern auch damit leben, dass verdächtige GIs plötzlich in die USA versetzt worden sind“, heißt es in dem Beitrag weiter. Und diese Passage: „Aber die Amerikaner sind eben auch Besatzungsmacht, und das bekommt die Polizei deutlich zu spüren. Denn am Schlagbaum der Kasernen enden damals die Befugnisse der deutschen Polizei- und Justizbehörden.“ Der Beschwerdeführer, Professor an einer amerikanischen Universität, kritisiert den Bericht wegen verschiedener Behauptungen über amerikanische Soldaten. Er wirft den Journalisten mangelnde Recherche vor. Es sei falsch zu behaupten, dass die Amerikaner Deutschland 50 Jahre lang besetzt hätten. In Wirklichkeit habe die Besatzungszeit zehn Jahre gedauert. Unwahr sei auch die Feststellung, die deutsche Polizei habe keinen Zugang zu US-Kasernen gehabt. Richtig sei, dass jede US-Militärgemeinschaft in Deutschland einen deutschen Verbindungspolizisten gehabt habe. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, für die Berichterstattung hätten zwei Redakteure mehrere Wochen lang recherchiert. Sie hätten mit rund einem Dutzend Zeitzeugen gesprochen, darunter pensionierte und aktive Polizeibeamte, Staatsanwälte, Gastwirte aus jener Zeit und Polizeireporter der Zeitung, die diese Zeiten selbst erlebt hätten. Die Redaktion habe an eine bis heute ungeklärte Serie von Frauenmorden in der Stadt erinnern und in diesem Zusammenhang die Zustände in den Nachkriegsjahren beleuchten wollen, als bis zu 30.000 US-Bürger in der Stadt lebten. Die Schilderungen der Zeitzeugen seien lebhaft und glaubhaft gewesen. Für die Redaktion habe sich das Bild einer wilden Zeit ergeben, in der US-Soldaten die Bars und Bordelle bevölkerten und in der die Rassismus-Probleme zwischen Schwarz und Weiß nach Deutschland getragen worden seien. Schlägereien und Alkohol-Exzesse seien an der Tagesordnung gewesen. Auch Morde seien häufiger geschehen als heutzutage. Es sollte eine Art Sittengemälde der Zeit entstehen. Der Chefredakteur teilt mit, die Redaktion habe an keiner Stelle geschrieben, dass die Besatzungszeit 50 Jahre lang gedauert habe. In einem Info-Kasten stehe lediglich, dass die Amerikaner 50 Jahre lang das Leben in der Stadt mitgeprägt hätten. Theorie sei, dass Amerikaner, die in Deutschland Straftaten begangen hätten, auch in Deutschland verfolgt worden seien. Was die Praxis angehe, hätten die Zeitzeugen, vor allem Polizisten jener Zeit, den Redakteuren mitgeteilt, dass an den Schlagbäumen der US-Kasernen für sie Schluss gewesen sei. Dieselben Zeitzeugen hätten übereinstimmend das Phänomen beschrieben, dass verdächtige amerikanische Soldaten für die deutschen Ermittlungsbehörden plötzlich nicht mehr greifbar gewesen seien. Es sei immer wieder vorgekommen, dass Verdächtige in einem Strafverfahren auf einmal nicht mehr in Deutschland gewesen seien.
Weiterlesen
Eine Regionalzeitung berichtet online, dass ein bisher unbekannter Ausländer nach Angaben der Polizei einen 28-jährigen Deutschen mit einer Stichwaffe verletzt habe. In der Meldung wird der mutmaßliche Täter durchgehend als „Ausländer“ bezeichnet, das Opfer durchgehend als „Deutscher“. Die Redaktion stellt an das Ende der Meldung einen Zeugenaufruf der Polizei. Eine Leserin der Zeitung spricht von einer tendenziösen Berichterstattung, die die ausländische Herkunft des mutmaßlichen Täters und die deutsche Abstammung des Opfers gleich in der Überschrift hervorhebe und somit zur Hetze gegen Ausländer einlade. Sie sieht dadurch Richtlinie 12.1 des Pressekodex (Berichterstattung über Straftaten) verletzt. Der Chefredakteur weist den Vorwurf zurück. Der Kodex enthalte kein Verbot, die Zugehörigkeit von Straftätern und Verdächtigen zu Minderheiten zu erwähnen. Er verpflichte die Redaktion jedoch, in jedem einzelnen Fall verantwortungsbewusst zu entscheiden, ob für die Nennung einer Gruppenzugehörigkeit ein begründetes öffentliches Interesse vorliegt oder die Gefahr der diskriminierenden Verallgemeinerung überwiegt. Diese Entscheidung habe man in diesem Fall verantwortlich getroffen und sich dazu entschieden, die Gruppenzugehörigkeit des mutmaßlichen Täters zu nennen. Am Verlagsort sei es wiederholt zu gewalttätigen Konflikten zwischen Ausländern und Deutschland gekommen. Mit Blick darauf, dass die Polizei die entsprechende Information selbst bekanntgegeben und auch online verbreitet habe, habe die Mitteilung schon aus diesem Grund Nachrichtenwert erlangt.
Weiterlesen