Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3-BA!
Sie müssen dazu immer das volle Aktenzeichen eingeben, also 0123/24/3-BA.
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6738 Entscheidungen
„Von frischer Brise zum Gegenwind“ titelt eine Regionalzeitung über den Oberbürgermeister, dessen Amtszeit am Verlagsort zu Ende geht. Im Bericht geht es um die Bilanz seines Wirkens. Ein Leser der Zeitung kritisiert, der Chefredakteur behaupte im Artikel, der Oberbürgermeister habe „Anfang dieses Jahres“ – also 2019 – verkündet, nicht erneut zu kandidieren. Dies sei falsch. Richtig sei vielmehr, dass der OB seinen Rückzug schon im Januar 2018 öffentlich mitgeteilt habe. Der Chefredakteur gibt dem Beschwerdeführer Recht, wenn er feststelle, dass der Oberbürgermeister auch bereits Anfang 2018 angekündigt habe, dass er im Mai 2019 nicht erneut zur OB-Wahl antreten werde. Diese Aussage habe er beim Neujahrsempfang 2019 wiederholt. Der Beschwerdeführer habe also nicht Unrecht, doch sei angesichts der angeführten Vorgänge aus seiner Sicht eine Korrektur nicht erforderlich.
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht online einen Artikel unter der Überschrift „Polizistin soll in Leipziger Mordermittlung Geheimnisse ausgeplaudert haben“. Im Artikel informiert die Redaktion über das Gerichtsverfahren gegen die Beamtin. Es heißt, sie habe einer Frau in einem Restaurant erzählt, dass ein im Artikel namentlich genanntes Mordopfer und seine Freundin zehn Jahre lange miteinander liiert gewesen seien. Beide hätten bei einer namentlich genannten Lieferfirma gearbeitet. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Veröffentlichung von sensiblen Daten. Für deren Weitergabe habe die Polizeibeamtin vor Gericht gestanden. Die Angehörigen des Toten würden durch die Veröffentlichung unnötig belastet. Ein Vertreter des Verlages weist den Vorwurf zurück. Ziffer 8 des Pressekodex könne im Hinblick auf das Opfer und die Polizistin nicht verletzt worden sein, weil die Redaktion beide Personen anonymisiert habe. Auch eine unangemessen sensationelle Darstellung nach Ziffer 11 sei nicht gegeben. Es werde faktisch und nüchtern geschildert, was vorgefallen ist.
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Das Online-Portal einer Zeitungsgruppe berichtet über einen Parteitag der AfD. Die Überschrift lautet: „AfD-Parteitag in Braunschweig – Oberbürgermeister stolz: ´Das fand ich sehr beeindruckend´“. Aus Sicht von zwei Nutzern des Online-Auftritts erweckt die Überschrift den falschen Eindruck, dass der Oberbürgermeister den Parteitag der AfD beeindruckend gefunden habe. Seine zitierte Aussage habe sich jedoch nicht auf den Parteitag bezogen, sondern auf eine friedlich verlaufene Gegendemonstration. Die Rechtsabteilung der Zeitungsgruppe teilt mit, dass es sich bei dem beanstandeten Beitrag um einen fortlaufenden Newsticker handele, der die Entwicklung hinsichtlich des anstehenden AfD-Parteitages in Braunschweig wiedergebe. Der Newsticker verarbeite neue Informationen im Minutentakt, so dass die dazugehörigen Überschriften ebenfalls immer wieder geändert würden. Gleich am Beginn des Artikels werde klargestellt, was der Oberbürgermeister mit seiner Anmerkung gemeint habe. Dennoch habe die Redaktion die Überschrift konkretisiert. Sie laute nunmehr: „AfD-Parteitag in Braunschweig – Oberbürgermeister stolz auf Gegendemo: ´Das fand ich sehr beeindruckend´“.
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Ein Nachrichtenmagazin veröffentlicht online einen Beitrag, bei dem es um eine Szene im irakischen Fernsehen geht und der wohl auf den irakischen Geheimdienst zurückgeht. Dabei war die Jesidin Aschwak Hamid Talo auf den IS-Anhänger getroffen, der sie, wie sie im Fernsehen sagt, vergewaltigt habe. Dem Bericht ist ein Video beigefügt, das Ausschnitte aus dem irakischen TV-Beitrag zeigt. Es dokumentiert, wie die Frau wegen der Konfrontation mit ihrem mutmaßlichen Peiniger in Tränen ausbricht und kollabiert. Ein Leser der Zeitschrift kritisiert, die Berichterstattung sei nicht wahr. Der mutmaßliche Täter – Beweise existierten nicht, ein Verfahren habe es nicht gegeben – werde gefesselt zur Schau gestellt und vorgeführt wie ein Tier im Zoo. Die Rechtsvertretung des Magazins teilt mit, die Redaktion halte es für presseethisch vertretbar, die Aufnahmen, die im irakischen Fernsehen ausgestrahlt und weltweit verbreitet worden seien, zu zeigen Es handele sich um eine direkte Konfrontation des Opfers mit dem mutmaßlichen Täter, so dass der Aussage der Frau eine erhebliche Beweiskraft zukomme. Offenbar werde der Mann auch von den Sicherheitsbehörden für den Täter gehalten. Die Redaktion spricht von abscheulichen Verbrechen, die die Angehörigen des „Islamischen Staates“ an den ihnen schutzlos ausgelieferten Jesiden begangen hätten. Die Taten seien eine Schande für die Menschheit und dürften nicht in Vergessenheit geraten. Ihre Aufarbeitung sei für die Öffentlichkeit im Irak und auf der ganzen Welt von größter Bedeutung. Die Rechtsvertretung stellt aber auch fest, dass die Redaktion nicht hinreichend deutlich gemacht habe, dass es sich um einen Verdacht handele und dem Mann bislang noch nicht der Prozess gemacht worden sei. Das Video und der Text seien inzwischen gelöscht worden.
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Eine Boulevardzeitung berichtet online an zwei Tagen über den tödlichen Angriff von Georg S. (57) auf Dr. Fritz von Weizsäcker, Berliner Klinikchef und Sohn des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. In den Artikeln wird über den tödlichen Messerangriff und dessen mögliche Folgen für den Täter berichtet. Einem der Artikel sind zwei Videos beigefügt. Im ersten Video sind Aufnahmen vom Rettungseinsatz zu sehen, der Stellungnahme des Pressesprechers der Staatsanwaltschaft sowie Standbilder von der Abführung des mutmaßlichen Täters, dessen Kopf von einer übergestülpten Jacke verdeckt ist. Im zweiten Video geht es um die Ermittlungsarbeiten der Polizei. Zu sehen ist ein großes Foto des mutmaßlichen Täters. Dessen Wohnort wird genannt. Gregor S. soll Ermittlern und einem Arzt zufolge psychisch krank sein und im Wahn gehandelt haben. Die Zeitung berichtet, der Mann befinde sich nun in einer psychiatrischen Einrichtung im Maßregelvollzug. Der Beschwerdeführer – ein Arzt – stellt fest, die Veröffentlichungen verstießen gegen mehrere presseethische Grundsätze. Vor allem verletzten sie das Persönlichkeitsrecht eines nicht verurteilten Beschuldigten und stigmatisiere einen offensichtlich psychisch schwer kranken Menschen. Der Chefredakteur der Zeitung hält dagegen. Er beruft sich auf Ziffer 8, Richtlinie 8.1, Absatz 1, des Pressekodex. Die Veröffentlichung von Namen, Fotos und anderen Angaben, durch die Verdächtige oder Täter identifizierbar werden könnten, begegneten zumindest dann keinen presseethischen Bedenken, wenn im Einzelfall das öffentliche Interesse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person überwöge. Wochenlang habe dieser Fall die Öffentlichkeit beschäftigt. Abschließend betont der Chefredakteur, dass die Redaktion dem Informationsauftrag der Presse nachgekommen sei und das Geschehen ausgewogen dargestellt habe.
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Eine Großstadtzeitung berichtet online über die Bluttat am Sohn des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Gregor S. (57) habe den Chefarzt der Berliner Schlosspark-Klinik bei einem Vortrag mit einem Messer angegriffen und ihn dabei tödlich verletzt. Ermittlern zufolge sei Georg S. psychisch krank. Er habe im Wahn gehandelt. Als Motiv habe er Hass auf den ehemaligen Bundespräsidenten angegeben. Unter der Überschrift des Artikels ist ein großes Foto des mutmaßlichen Täters platziert. Weiter unten ist zum Artikel ein Foto des Opfers gestellt. Ein Leser der Zeitung – ein Arzt – stellt fest, die Veröffentlichung verletze das Persönlichkeitsrecht eines nicht verurteilten Beschuldigten und stigmatisiert einen offensichtlich psychisch schwer kranken Menschen. Später ergänzt der Beschwerdeführer, ihm gehe es um die sensationslüsterne Darstellung eines offensichtlich psychisch Schwerkranken, der bereits unmittelbar nach seiner Verhaftung im Krankenhaus des Maßregelvollzugs untergebracht worden sei. Der Chefredakteur der Zeitung stellt fest, es sei der Presse ausdrücklich aufgetragen, über Straftaten und Ermittlungsverfahren zu berichten (Ziffer 8, Richtlinie 8.1, Absatz 1, des Pressekodex). Die Veröffentlichung von Namen, Fotos und anderen Angaben, durch die Verdächtige oder Täter identifizierbar werden könnten, stoße dann nicht auf presseethische Bedenken, wenn das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen überwöge. Dies sei hier der Fall. Abschließend betont der Chefredakteur, dass die Redaktion dem Informationsauftrag der Presse nachgekommen sei und das Geschehen ausgewogen dargestellt habe.
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Eine Frauenzeitschrift veröffentlicht im Rahmen eines Horoskops einen Beitrag unter der Überschrift „September – Den Rhythmus regulieren“. Der erste Absatz lautet: „Beziehungen – Ihr Partner wird Sie diesen Monat nicht mit Samthandschuhen anfassen, blaue Flecken und Prellungen sind programmiert. Aber vielleicht musste das auch mal sein, denn nach dem großen Knall scheint sich alles wieder einzubringen. Sie fangen gemeinsam neu an, schließen endlich Frieden.“ Auf Twitter entschuldigt sich der Verlag später für diese Formulierung. Die Redaktion spricht von einem „fundamentalen Formulierungsfehler“ Die Textpassage stehe im vollkommenen Gegensatz zum Frauenbild der Zeitschrift. Diese stehe für starke und selbstbestimmte Frauen. Zwei Beschwerdeführerinnen sehen in dem Beitrag eine Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen in der Partnerschaft. Die Rechtsvertretung der Zeitschrift berichtet über zahlreiche negative Reaktionen und verweist auf ihre öffentliche Entschuldigung. Die Formulierung sei aus der französischen Ausgabe der Zeitschrift übernommen und mangelhaft übersetzt worden. Die Übersetzungsfehler hätten dem Text eine falsche Tendenz und Aussage verliehen.
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„Endlich: Die Polizei schnappt den Supermarkträuber – es ist ein 33Jähriger aus (…)“ titelt eine Lokalzeitung online. Im Bericht geht es um die Festnahme eines Mannes, der im Verdacht steht, eine ganze Serie von Überfällen auf Supermärkte verübt zu haben. In der Überschrift und im Vorspann des Beitrages wird mitgeteilt, dass die Polizei „den Supermarkträuber festgenommen“ habe. Ein Leser der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat, weil der Festgenommene von der Zeitung vorverurteilt werde. Der Chefredakteur übersendet eine Stellungnahme der Autorin des Artikels. Diese räumt ein, dass sie mit der Überschrift des Beitrages gegen die Unschuldsvermutung verstoßen habe. Nach dem Eingang des Presserats-Schreibens habe sie die Überschrift geändert. Diese laute nun so: „Polizei schnappt mutmaßlichen Supermarkträuber – es soll ein 33-Jähriger aus (…) sein“. Die Autorin betont, dass die Sachlage in dem Fall eindeutig sei. Der Tatverdächtige sei sofort inhaftiert worden. Es gebe ein gestochen scharfes Fahndungsbild aus einem der betroffenen Supermärkte. In der Wohnung des Verdächtigen sei die Tatwaffe gefunden worden. Weitere Spuren aus den überfallenen Supermärkten habe die Polizei dem Verdächtigen zuordnen können. Dennoch bedauert es die Redakteurin, wenn sie mit der Überschrift ihres Artikels gegen die Unschuldsvermutung verstoßen haben sollte.
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Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Post auf Facebook unter der Überschrift „Augsburg: Dieser Kerl hat den Feuerwehrmann Roland S. (49) totgeprügelt“. Zum Beitrag gestellt ist ein Portraitfoto des Mannes, dessen Augen durch einen schwarzen Balken verdeckt sind. Das gleiche Foto wird im Online-Artikel unter der Überschrift „Dieser Kerl hat den Feuerwehrmann totgeprügelt“ verwendet. Die Bildunterschrift lautet: „Der mutmaßliche Haupttäter Halid. S. (17) soll den tödlichen Schlag ausgeführt haben.“ Ein weiteres Foto, ebenfalls mit einem Augenbalken versehen, zeigt einen mutmaßlichen Mittäter. Bildunterschrift: Auch Alessio S. (17) sitzt in U-Haft.“ Im Artikel gibt es diese Passage: „Strickmütze, Oberlippenbart – so möchtegern-cool zeigt sich Halid S. (17) gern in den sozialen Medien.“ Laut Staatsanwaltschaft soll er den Feuerwehrmann mit nur einem Faustschlag gegen den Kopf getötet haben. So wie auf dem Foto – so die Zeitung – kennen ihn auch die Jugendlichen aus einem namentlich genannten Augsburger Problemviertel. Eine Leserin der Zeitung sieht einen Verstoß gegen die Richtlinie 8.1 des Pressekodex (Vorverurteilung). Der Presserat erweitert die Beschwerde auf mögliche Verstöße nach Ziffer 13 des Kodex (Unschuldsvermutung). Der Chefredakteur sieht in der Berichterstattung keinen Grund für eine Beschwerde. Im Fall der Ziffer 8 verweist er auf die Chronistenpflicht der Presse. Das Informationsinteresse in diesem Fall überwiege die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen. Es gehe hier um ein Tatgeschehen, bei dem die Staatsanwaltschaft sicher sei, dass der Verdächtige Halid S. den Feuerwehrmann mit einem Faustschlag gegen den Kopf getötet habe. Um die Erkennbarkeit der Tatverdächtigen auszuschließen, habe die Redaktion weder den Familiennamen der Tatverdächtigen mitgeteilt noch anderweitig identifizierend über sie berichtet. Bei beiden verhindere ein Augenbalken auf dem jeweiligen Foto die Identifizierbarkeit. Auch eine Vorverurteilung nach Ziffer 13, Richtlinie 13.1, liege nicht vor. Gleich im ersten Absatz des Beitrages werde der Leser darüber informiert, dass die gegen die Verdächtigen erhobenen Vorwürfe zum Zeitpunkt der Berichterstattung alles andere als gerichtlich erwiesen seien.
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An einer Klinik sind sieben Patienten am Coronavirus gestorben. 61 weitere sind wegen einer Infektion in Behandlung. Eine Boulevardzeitung berichtet über das Krankenhaus und spricht in der Überschrift von einer „Todes-Klinik“. Eine Leserin der Zeitung sieht in der Überschrift des Artikels eine Übertreibung. Die Formulierung sei geeignet, Angst zu schüren. Sie sei unangemessen. Die Rechtsabteilung der Zeitung stellt sich auf den Standpunkt, dass die Presse ein Krankenhaus, dessen Corona-Todesbilanz verheerend ausfalle, selbstverständlich als „Todes-Klinik“ bezeichnen dürfe. Die Verwendung von bewertenden Meinungsäußerungen sei von Artikel 5 des Grundgesetzes gedeckt und in einer Vielzahl von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig genehmigt worden. Von einem Verstoß gegen die Presseethik könne daher keine Rede sein.
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