Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6644 Entscheidungen
Die ersten Corona-Fälle in Mecklenburg-Vorpommern sind Thema in einer Regionalzeitung. Ein Ehepaar, dessen Wohnort die Zeitung nennt, habe sich auf einem Kongress in Süddeutschland angesteckt. Das Alter der Infizierten wird genannt und auch ihre Symptome. Die Redaktion veröffentlicht einen Text mit näheren Details. Jetzt ist die Rede von einem Professor und dessen Frau. Details des Kongresses, wo sich die beiden angesteckt haben, werden genannt. Sie wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Die Zeitung habe viele Details genannt. Diese ermöglichten es mit einfachsten Mitteln, sie zu identifizieren. Kurz nachdem das Ehepaar positiv getestet worden sei, hätten Mitarbeiter der Zeitung angerufen, um Details zu erfahren. Es hätte auf die Journalisten-Fragen nicht antworten können, nachdem es gerade erst von der schwerwiegenden Infektion erfahren habe. Die Beschwerdeführer hatten sich am Tag der Berichterstattung an den Chefredakteur gewandt. Dieser habe umgehend per E-Mail geantwortet. Er könne die Reaktion der Eheleute sehr gut verstehen. Er verweist jedoch auf das große Informationsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger zum Coronavirus. Es sei auch von öffentlichem Interesse zu erfahren, wie das Virus nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen sei. Diese Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit trage auch dazu bei, dass die Menschen wüssten, wie sie sich zu verhalten hätten. Der Chefredakteur teilt nicht die Meinung der Beschwerdeführer, dass sie durch die Berichterstattung leicht zu identifizieren seien.
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„´Satansmörder´ als Neonazi-Versandhändler vor Gericht“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung online über die Gerichtsverhandlung gegen einen ehemals verurteilten Mörder. Dem Mann wird die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und die Verbreitung von Tonträgern vorgeworfen, die zum Hass aufstacheln. Er soll über das Internet T-Shirts mit SS-Totenköpfen und verbotenen stilisierten Keltenkreuzen vertrieben haben. Außerdem habe er Musik-CD´s mit Hetze gegen Juden vertrieben. Der Beitrag enthält ein Foto des Angeklagten. Dieser ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Er kritisiert, dass er identifizierbar abgebildet werde. Er wendet sich auch gegen die folgende Formulierung im Text: „1993 folterte und erdrosselte er mit anderen aus der Black-Metal-Band ´Absurd´ in Thüringen Mitschüler Sandro Beyer (15).“ Gerichtlich sei festgestellt, dass das Opfer keinerlei Folterspuren aufgewiesen habe. Diese nachträgliche Behauptung in der Berichterstattung entspreche nicht den Tatsachen. Sie diene vielmehr dazu, ihn als besonders grausamen Täter darzustellen. Die Redaktion äußert sich zu der Beschwerde nicht.
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„Maurice Pahler (29) rast in einen Karnevalszug in Volkmarsen – Nach der Tat prügelten Augenzeugen ihn in die Klinik“ – so überschreibt eine Boulevardzeitung online ihren Bericht über ein schweres Unglück. Neben dem vollen Namen des mutmaßlichen Täters wird auch zweimal dasselbe Foto des Mannes gezeigt – einmal eingeklinkt in eine Aufnahme des Tatortes, weiter unten als großes Porträtbild. Als Quelle wird „privat“ angegeben. Zwei Leser der Zeitung sehen in der Überschrift und in den Fotos Verstöße gegen die Ziffern 8 und 13 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit/Unschuldsvermutung). Der mutmaßliche Täter werde gezeigt, ohne dass ihn die Redaktion unkenntlich gemacht hätte. Einen Verstoß gegen die Ziffer 13 vermuten die Beschwerdeführer, weil dem mutmaßlichen Täter die Tat als Tatsache angelastet werde. Daher liege ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung vor. Der Chefredakteur der Zeitung spricht in seiner Stellungnahme von einem Musterfall im Zusammenhang mit Ziffer 8, Richtlinie 8.1, des Pressekodex (Kriminalberichterstattung). Bei der Abwägung zwischen dem berechtigten öffentlichen Interesse und den schutzwürdigen Interessen von Maurice Pahler seien zunächst die Intensivität des Tatverdachts und die Schwere des Vorwurfs zu Gunsten des öffentlichen Berichterstattungsinteresses zu berücksichtigen. Zum anderen falle die erste und vierte Fallgruppe der Richtlinie 8.1, Absatz 2, ins Gewicht. Zum einen sei die Amokfahrt zweifelsfrei eine außergewöhnlich schwere und in ihrer Art und Dimension besondere Straftat, die zudem besonders schwer wiege und noch dazu in aller Öffentlichkeit geschehen sei. Vor diesem Hintergrund könne vom Überwiegen der Schutzinteressen des mutmaßlichen Täters nicht die Rede sein. Selbstverständlich dürfe die Presse seinen Namen nennen und in im Bild zeigen.
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„Ganze Stadt in Brandenburg unter Corona-Quarantäne“ – titelt eine Boulevardzeitung online. Im Bericht geht es um Quarantäne-Maßnahmen nach einem Coronavirus-Verdacht. Neustadt/Dosse sei eine kleine Stadt im Nordwesten Brandenburgs. Sie liege im Landkreis Ostprignitz-Ruppin und habe 3452 Einwohner. Bis zu 2250 Menschen befänden sich in häuslicher Quarantäne. Die Zeitung beruft sich auf eine Mitteilung des Landratsamtes. Die isolierten Menschen seien über mehrere Landkreise Brandenburgs und auf weitere Bundesländer verteilt. Der Landkreis habe sich zugleich von zuvor genannten deutlich höheren Zahlen distanziert. Der Amtsdirektor der Kleinstadt habe zunächst von 4000 bis 5000 Menschen in Quarantäne gesprochen. Ein Leser der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Er trägt vor, es sei unklar, wie viele Menschen in diesem Zusammenhang in Brandenburg isoliert worden seien. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sei die Zahl 4000 bis 5000 falsch gewesen. Die amtlichen Stellen könnten diese Zahlen nicht bestätigen. Die Chefredaktion nimmt zu den sachlichen Aspekten der Beschwerde nicht Stellung.
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Eine Regionalzeitung informiert mit einem Artikel unter der Überschrift „70 Einbrüche in nur vier Wochen“ über den Prozess gegen einen 46-jährigen Mann. Der soll gemeinsam mit Komplizen eine Serie von Einbrüchen verübt haben. Die Zeitung nennt die serbische Staatsangehörigkeit des Angeklagten. Ein Leser der Zeitung sieht in der Nennung der Herkunft einen Verstoß gegen die Ziffer 12, Richtlinie 12.1, des Pressekodex (Diskriminierungen/Berichterstattung über Straftaten). Der Chefredakteur der Zeitung vertritt die Meinung, dass der Gerichtsbericht mit der Richtlinie 12.1 des Pressekodex konform geht. An keiner Stelle des Artikels finde sich eine diskriminierende Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens. Die Nennung der Nationalität der mutmaßlichen Täter sei aufgrund der Schwere der Taten und dem Verdacht von organisierter Kriminalität und des großen öffentlichen Interesses an der Aufklärung der Einbruchsserie gerechtfertigt.
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In der Online-Ausgabe einer Regionalzeitung erscheinen die Newsticker-Schlagzeilen „Coronavirus: Dramatische Entwicklung in deutschen Krankenhäusern ++ Greift jetzt die Bundeswehr ein? ++ Spahn warnt dringend vor…“. Ein Nutzer des Internet-Portals ist der Ansicht, die Schlagzeilen verstießen gegen die Ziffern 2 (Journalistische Sorgfaltspflicht) und 11 (Sensationsberichterstattung/Jugendschutz) des Pressekodex. Die Überschriften seien mit Absicht so gewählt, um Panik in der Bevölkerung auszulösen. Alle drei Bestandteile der Schlagzeilen seien aus dem Zusammenhang gerissen. In der Meldung zur Entwicklung in Krankenhäusern gehe es um Blutspenden, beim Bundeswehreinsatz um Lieferketten und Jens Spahn warne vor Falschmeldungen in sozialen Medien. Es werde so getan, als würden sich alle drei Teile aufeinander beziehen. Dieses Verhalten sei grob fahrlässig und unverantwortlich. Die Redaktion erläutert, warum sie die einzelnen Newsticker-Überschriften gewählt habe. Auch diese Einzelüberschriften seien nicht zu beanstanden, da sie den jeweiligen Sachverhalt zusammenfassten. Nicht erkennbar sei, warum diese für sich genommen beanstandungswürdig seien und warum so eine Panik in der Bevölkerung hervorgerufen werden sollte.
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Eine Zeitschrift aus dem Spektrum des Regenbogens veröffentlicht online einen Artikel unter der Überschrift „´Bachelor´ Sebastian Preuss: Sekten-Skandal – Ist er Mitglied einer dubiosen Kirche?“ Im Beitrag heißt es, der Protagonist der TV-Sendung „Der Bachelor“ scheine einem Post auf seinem Instagram-Account zufolge ein Sympathisant der umstrittenen Hillsong Church zu sein. Ein anonymisierter Beschwerdeführer sieht Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht) verletzt. Die Kirche Hillsong werde schon in der Überschrift als Sekte bezeichnet. Es folge die Zuschreibung als „dubios“. Generell zeuge der Artikel von gravierenden Verstößen gegen die gebotene Sorgfalt. Dass es sich bei der besagten Kirche um eine sogenannte Freikirche handele, werde mit keinem Wort erwähnt. Keine Beachtung finde auch die Tatsache, dass es sich bei dieser Freikirche um einen unabhängigen Ableger in Deutschland handele. Im Text heiße es unter anderem: „Angeblich wirbt die Glaubensgemeinschaft aus Geldgründen besonders um gut betuchte und prominente Schäfchen. Nicht auszuschließen, dass die US-Stars sich von Hillsong ausnehmen lassen!“ Der Beschwerdeführer moniert, dass die Zeitschrift der Institution nicht die Gelegenheit gebe, erhobene Vorwürfe auszuräumen. Für die Zeitschrift nimmt deren Rechtsvertretung zu der Beschwerde Stellung. Der Anwalt teilt mit, dass es aufgrund eines bedauerlichen Versehens zu einer unrichtigen Berichterstattung gekommen sei. Der Artikel sei mittlerweile aus dem Netz entfernt worden. Die Redaktion habe eine Korrekturmeldung online gestellt. Der Rechtsanwalt bittet im Namen der Zeitschrift, den Fehler zu entschuldigen. Hillsong sei keine Sekte, sondern eine Freikirche.
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„Top-Virologe erhöht Corona-Alarmstufe auf Orange: 5 Verhaltensregeln sollten Sie beachten – Video“ – unter dieser Überschrift berichtet ein Nachrichtenmagazin online über die neueste Entwicklung der Virus-Krise. Nachdem das Coronavirus von der WHO bereits als Pandemie eingestuft worden sei, habe Top-Virologe Alexander Kekulé das sogenannte „Personal Alert Level“ (PAL) von Gelb auf Orange, also die dritthöchste Stufe gesetzt. Auf dieser Stufe sind persönliche Schutzmaßnahmen gegen das Virus notwendig. Anders als die Maßnahmen der Weltgesundheitsbehörde (WHO) oder von nationalen Regierungen richtet sich das PAL an jeden Einzelnen und gibt fünf konkrete Handlungsempfehlungen zum persönlichen Schutz. Ein Leser des Magazins hält die Überschrift in Anbetracht der aktuellen Pandemie für unnötig dramatisiert und verunsichernd. Der Artikel enthalte Verhaltenstipps, die seit längerem von offiziellen Stellen ausgegeben worden seien. Die Rechtsvertretung des Magazins teilt mit, dieses habe über den Vorgang berichtet, weil eine derartige Einschätzung eines der führenden und bekanntesten Fachwissenschaftler Deutschlands naturgemäß auf sehr großes Informationsinteresse stoße. Gerade in der fraglichen Zeit zu Beginn der Pandemie habe buchstäblich ganz Deutschland an den Lippen der Virologinnen und Virologen gehangen. Medien wie das Nachrichtenmagazin hätten ihrerseits zum besonnenen Umgang der Bevölkerung mit der Pandemie-Situation beigetragen, in dem sie diese sachlichen Statements auch für diejenigen Menschen erschlossen hätten, die nicht auf Twitter seien oder tagsüber die Pressekonferenzen verfolgen könnten.
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Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Beitrag unter der Überschrift „Klima-Bubis wollen in den Stadtrat“. Es geht in dem Artikel um zwei 18-jährige „Fridays for Future“-Aktivisten, die mit einer Wählergemeinschaft bei der Kommunalwahl in einer Stadt antreten. Ein Leser der Zeitung, der den eingetragenen Verein „Junge Ratsmitglieder“ vertritt, sieht in dem von der Zeitung verwendeten Begriff „Klima-Bubis“ eine Diskriminierung der beiden jungen Männer. Die Bezeichnung sei der Versuch, den jungen Erwachsenen ihre Eignung für das Bekleiden eines demokratischen Ehrenamtes nur wegen ihres jugendlichen Alters abzusprechen. Ihr Engagement werde ins Lächerliche gezogen. Die Formulierung sei herablassend und verniedlichend. Die Rechtsvertretung der Zeitung widerspricht der Beschwerde. Es sei nicht erkennbar, dass die Verwendung des Begriffs „Klima-Bubis“ generell „verniedlichend“ sei oder auch „herablassende“ Bedeutung habe. Vielleicht könne man das abstrakt und vom Wortsinn her so sehen, nicht aber der unbefangene Leser des Artikels. Wer nämlich den Beitrag komplett lese, stelle fest, dass dort auch andere Bezeichnungen für die beiden Kandidaten verwendet würden, wie etwa „Jungpolitiker“, „Klima-Jungs“ und „Fridays for Future-Aktivisten“. Es sei nicht presseunethisch, solche Synonyme zu verwenden. Der Autor des Artikels berichte neutral und durchaus anerkennend darüber, dass sich zwei junge Leute nicht nur außerparlamentarisch-kritisierend engagierten, sondern bereit seien, sich den Wählern zu stellen und damit handfeste politische Verantwortung zu übernehmen. Von einer despektierlichen Darstellung könne daher nicht die Rede sein.
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In zwei Beiträgen innerhalb einiger Wochen beschäftigt sich eine Programm-Zeitschrift jeweils mit Wegen, das Immunsystem zu stärken. Die Überschriften lauten „Mehr Lebenskraft fürs neue Jahr“ und „Mit neuem Schwung durchs Frühjahr“. In beiden Artikeln wird dabei unter anderem eine spezielle Aufbaukur empfohlen, die per Spritze verabreicht wird. Positive Effekte seien oft schon nach der ersten Behandlung spürbar. Die Überlegenheit der Vitaminspritze gegenüber Tabletten sei in einer Studie von Wissenschaftlern belegt worden. Jeweils rechts neben den beiden Artikeln steht eine Anzeige für eine wie im Artikel beschriebene Aufbaukur. Ein Leser der Zeitschrift sieht in den Artikeln einen Verstoß gegen die Richtlinie 7.2 des Pressekodex. Die Autorin empfehle in beiden Beiträgen eine Spritze mit einer bestimmten Vitaminkombination. Für dieses Präparat werde in beiden Fällen per beigestellter Anzeige geworben. Die Rechtsvertretung der Zeitschrift nimmt zu der Beschwerde Stellung. Ein durchschnittlich informierter Leser erkenne deutlich, dass eine Abgrenzung zwischen dem redaktionellen Beitrag und der Anzeige bestehe und sich der redaktionelle Beitrag gerade nicht ausdrücklich auf das beworbene Produkt beziehe, sondern unabhängige Informationen enthalte. Grundsätzlich stellt die Rechtsvertretung der Zeitschrift fest, dass ein paralleles Erscheinen eines redaktionellen Beitrages und einer Anzeige für sich genommen noch keinen Verstoß gegen die Ziffer 7 des Pressekodex (Schleichwerbung) begründet. Erst wenn eine Verschleierung des kommerziellen Zweckes eines redaktionellen Beitrags feststellbar sei, ergebe sich aus der Koppelung ein Verstoß gegen Ziffer 7.
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