Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6738 Entscheidungen
Eine Regionalzeitung zitiert unter der Überschrift „Durchseuchung der Schulen“ den Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, Meidinger. Dieser hatte sich in einem Interview mit einer anderen Zeitung so geäußert: „Neuere Studien hätten herausgefunden, dass zwischen 0,3 und 1,7 Prozent der mit Corona infizierten Kinder im Krankenhaus behandelt werden müssten. Bezogen auf Deutschland bei knapp elf Millionen Schülern hieße das, dass zwischen 30.000 und 180.000 in Krankenhäusern behandelt werden müssten.“ Ein Leser der Zeitung macht Verstöße gegen mehrere presseethische Grundsätze zur Basis seiner Beschwerde beim Presserat. Der Autor des Beitrages stelle eine völlig falsche Tatsachenbehauptung hinsichtlich der Anzahl möglicher hospitalisierter Kinder auf. Mit einer einfachen Recherche hätte der Autor feststellen können, dass der zitierte Präsident des Lehrerverbandes eine falsche Bezugsgröße gewählt habe. Dies habe in seinem direkten Umfeld zu erheblicher Verunsicherung bei Lehrern und Eltern und erbittert geführten Diskussionen geführt. Der Beschwerdeführer fordert die Redaktion auf, diesen Sachverhalt zu prüfen und eine Richtigstellung zu veröffentlichen. Richtig sei es, die Rate von 121 Fällen pro hunderttausend Kinder in der Bevölkerung auf die 11.000.000 Kinder in Deutschland hochzurechnen. Dann errechne sich eine Zahl von 13.310 hospitalisierter Kinder innerhalb eines Zeitraums von 17 Monaten. Für die Zeitung nimmt der verantwortliche Redakteur zu der Beschwerde Stellung. Die vom Beschwerdeführer behauptete Sorgfaltspflichtverletzung stamme aus einem Agenturbericht und sei durch das Agenturprivileg gedeckt. Eine Nachprüfung tatsächlicher Angaben durch die Redaktion sei damit nicht erforderlich gewesen.
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht eine Artikelserie zur bevorstehenden Kommunalwahl. Einleitend heißt es jeweils: „Wir haben alle zur Kommunalwahl in (…) antretenden Parteien zu den wichtigsten Themen befragt.“ Ein Leser der Zeitung stellt fest, dass diese Aussage nicht auf die ebenfalls kandidierende AfD zutreffe. Die Partei sei von der Zeitung nicht befragt worden. Die Behauptung, alle antretenden Parteien seien zu den wichtigsten kommunalen Themen befragt worden, sei falsch. Dann berichtet die Redaktion erneut über die bevorstehende Wahl und stellt fest, man habe in früheren Berichten mit der AfD nicht rechnen können, da sich die Kandidaten erst „kurz vor Fristende“ hätten aufstellen lassen. Der Chefredakteur der Zeitung stellt fest, die AfD habe die Redaktion von ihrer Kandidatur nicht in Kenntnis gesetzt. Sie betreibe in der fraglichen Stadt keinerlei Öffentlichkeitsarbeit. Von einer Bewerbung für die Kommunalwahl sei der Redaktion demzufolge zum Zeitpunkt der Umfrage nichts bekannt gewesen. Daher sei die Partei in dieser Phase der Wahlberichterstattung zunächst nicht einbezogen worden. Die AfD habe auch nicht mitgeteilt, dass sie kurz vor Toressschluss offenbar doch noch Kandidaten benannt habe. Aufgrund der fehlenden Kommunikation durch die AfD sei diese bei der klassischen Themen-Umfrage tatsächlich nicht vorgekommen. Die örtliche Redaktion habe dennoch über die Partei, ihre Kandidaten und deren Antritt bei der Wahl sachgerecht und inhaltsbezogen berichtet. „Unglücklich“ sei die Behauptung, “alle Parteien“ seien befragt worden. Das hätte korrigiert werden müssen.
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Eine Boulevardzeitung berichtet online über ein Tötungsdelikt. In einem ersten Beitrag lautet die Überschrift „Wer erstach Marietta B. (70)?“ Die Seniorin sei „wie aus dem Nichts“ in ihrer Wohnung niedergemetzelt worden. Die Redaktion nennt die Straße, in der die Frau gewohnt hatte. Der Beitrag informiert über die Familienverhältnisse (drei Töchter, ein Sohn) und über den Nachbarn, der die Tote gefunden habe. Die Zeitung zeigt ein verpixeltes Foto des Opfers und informiert darüber, dass das Opfer mit seinem Sohn Tarek B. zusammengewohnt habe, in der Wohnung darunter seine Tochter Corinna O. Von Verdächtigen fehle jede Spur. Später berichtet die Zeitung, dass die Tochter unter Tatverdacht festgenommen worden sei. Wieder zeigt die Redaktion das verpixelte Foto. Im Fokus der Ermittlungen hätten zunächst die drei Töchter, darunter Zwillinge, und der Sohn des Opfers gestanden. Drei der vier erwachsenen Kinder hätten - so die Polizei – immer noch eng von der Mutter betreut werden müssen. Eines der Zwillingsmädchen sei ein besonderes Sorgenkind gewesen, berichte eine Nachbarin, Es habe die Mutter ständig beschimpft. Der Beschwerdeführer in diesem Fall ist der Ehemann einer der Töchter. Folge der Berichterstattung sei, dass seine Schwägerin Nachrichten auf Facebook bekomme. Darin sei die Rede davon, dass sie ihre Mutter getötet habe. Das veröffentlichte Foto des Opfers, das von der Familie nicht freigegeben worden sei, stamme wohl von einer Nachbarin. Er sieht auch Verstöße gegen den Opferschutz nach Ziffer 8 des Kodex wegen der Verwendung des Fotos sowie die Nennung der Vornamen der Kinder. Er vermutet zudem eine Vorverurteilung, weil behauptet werde, seine Frau habe unter Verdacht gestanden. Die zuständige Redakteurin sieht den Persönlichkeitsschutz gewährleistet. Die Redaktion habe sämtliche Namen und Fotos der erwachsenen Kinder besessen, aber auf die Veröffentlichung verzichtet. Ihrer Sorgfaltspflicht habe die Redaktion u. a. durch die Verwendung des Konjunktivs Genüge getan. Das verwendete Foto des Opfers – so die Redakteurin weiter – sei von einer nahen Angehörigen freigegeben worden. Die Informationen stammten zum großen Teil von einer Tochter, die in der Wohnung unter der ihrer Mutter wohne, sowie einem Nachbarn und zwei Freundinnen des Opfers. Niemand habe etwas dagegen gehabt, dass die Redaktion über den Mord an der Rentnerin berichtet.
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Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online und tags darauf gedruckt unter der Überschrift „Klimaschutz kostet hunderttausende Jobs!“ ein Interview mit dem Vorsitzenden der IG Metall. Auf die Frage „Industriepolitik und Klimapolitik widersprechen sich also?“ wird der Gewerkschaftschef wie folgt zitiert: „Nein, ich bin überzeugt, dass wir den Wandel zu einer klimaneutralen Wirtschaft schaffen können. Aber dafür brauchen die Industrie und die dort Beschäftigten jetzt Planungssicherheit, andernfalls sind mehr als 100.000 Jobs in Gefahr. Wenn wir aber jetzt massiv Ladesäulen bauen, in Batteriezellfabriken und Recycling investieren, eine Wasserstoffinfrastruktur aufbauen, Unternehmen davon abhalten, alles in Billiglohnländer zu verlagern und die Menschen aktiv weiterbilden, dann kann die Transformation ein Erfolgsmodell werden. Aber was wir bei Teilen der Politik und der Unternehmen erleben, ist Trägheit – und die gefährdet Arbeitsplätze.“ Drei Leser kritisieren die Veröffentlichung in Form einer Beschwerde. Die Überschrift verfälsche massiv die Äußerungen des Interviewten. Tatsächlich habe er gesagt, dass ein „Weiter so“ viele Arbeitsplätze kosten, bei richtiger Klimaschutzpolitik aber sichern werde. Die Rechtsvertretung des Verlages hält die Beschwerde für unbegründet. Der Überschrift vorangestellt sei die Dachzeile „IG Metall-Chef Jörg Hofmann warnt“. Dadurch werde die Aussage der Überschrift von Anfang an in den Bereich einer potentiellen Gefahr eingeordnet. Es handele sich also nicht um eine gesicherte Erkenntnis, sondern vielmehr um ein drohendes Szenario, vor dem der Gewerkschaftsboss lediglich „warnt“.
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„Öko-Heuchelei? Bei SUVs liegen Grünen-Wähler vorne“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung online über die Untersuchung eines Marktforschungsinstituts. Unter dem Zwischentitel „Grünen-Anhänger: In der Theorie Klimaschützer, in der Praxis oft Klimasünder“ heißt es, das Ergebnis überrasche. Laut der Studie habe jeder sechste befragte Grünen-Sympathisant einen Geländewagen vor der Haustür stehen. Es scheine also durchaus etwas dran zu sein am sich hartnäckig haltenden Klischee vom besserverdienenden grünen Bürgertum, das mit dem SUV zum Bioladen fahre. Ein Leser der Zeitung wirft der Zeitung vor, sie veröffentliche auf Facebook und ihrer Homepage regelmäßig zweifelhafte Artikel. Es gehe meistens darum, E-Autos zu „bashen“. Immer gehe es gegen die Grünen, deren Wähler oder eben E-Autos. Die Chefin vom Dienst der Zeitung merkt an, bei der beanstandeten Berichterstattung handele es sich um die sachliche Darstellung der Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts. Die Dachzeile des Artikels sei schon vor einiger Zeit angepasst worden, da sie zu Missverständnissen in der Leserschaft geführt habe. Die erste Version habe man in den sozialen Medien nicht mehr verbreiten wollen. Dies sei durch einen internen Fehler aber doch geschehen. Dieses Missgeschick bittet die Zeitung zu entschuldigen. Der Artikel sei nunmehr offline genommen worden.
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Eine bayerische Regionalzeitung berichtet online und einen Tag später gedruckt über die Direktkandidaten zur Bundestagswahl im heimischen Wahlkreis. Von acht Direktkandidaten ist die Rede. Diese werden namentlich genannt und vorgestellt. Drei Leser wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie monieren, dass zwölf Kandidaten im Wahlkreis kandidierten, aber nur acht von ihnen seien von der Zeitung vorgestellt worden. Die Rechtsvertretung der Zeitung hält die Beschwerden für unbegründet. Die Redaktion habe eine Auswahl getroffen. Ergebnis: Vier Kandidaten seien nicht präsentiert worden. Dieses Vorgehen, also eine Auswahl aus mehreren möglichen Wahloptionen, seien es Parteien oder Kandidaten, sei im Rahmen der politischen Berichterstattung üblich und auch zulässig. Eine Berichterstattung in jeweils identischem Umfang über sämtliche Direktkandidaten auch von Klein- und Kleinstparteien sei nicht zu erwarten. Im Vorfeld der Wahl sei über die Direktkandidaten der sieben Parteien mit den meisten Erststimmen der vorangegangenen Wahl von 2017 berichtet worden, sowie über den Kandidaten der Freien Wähler, die als Koalitionspartei an der bayerischen Landesregierung beteiligt seien. Der Autor des kritisierten Beitrages nimmt zu den Beschwerden Stellung. Er sei von einer Frau, von der er nicht wisse, wer sie sei, angerufen worden. Sie habe sich über seinen Bericht beschwert. Sie habe gesagt, dass sie ihren Landesvorstand einschalten werde. Er habe geantwortet, dass sie das gerne tun könne. Es sei wohl um die Partei „Die Basis“ gegangen. Die Einordnung der Partei und ihrer Entstehungsgeschichte in die Szene der sogenannten „Querdenker“ hätte den Rahmen der gewählten Darstellungsform als „Kurzvorstellung“ gesprengt.
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Eine evangelische Wochenzeitung berichtet unter der Überschrift „Islam-Vertreter in Deutschland verharmlosen die Taliban“ über die Berichterstattung einer Sonntagszeitung, der zufolge Vertreter von Islamverbänden in Deutschland in sozialen Medien Sympathien für die neuen Machthaber in Afghanistan bekundet hätten, die radikal-islamischen Taliban. Die Zeitung habe unter anderem dies berichtet: „Wie es weiter in dem Bericht heißt, hat ein theologischer Berater der islamischen Gemeinschaft Milli -Görüs unter Pseudonym auf Facebook geschrieben, die Taliban stünden ´absolut im Einklang mit der Mainstreamposition der Muslime´ - und sähen Gläubige dies anders, sei das ´Unwissenheit oder Heuchelei´. Auf Anfrage der Zeitung bestätigte der Generalsekretär von Milli Görüs, Bekir Altas, dass der Verfasser des Facebook-Posts für Milli Görüs tätig sei, aber nicht als Angestellter. Mitarbeiter des Verbandes müssen ihre privaten Postings auf sozialen Netzwerken nicht mit dem Arbeitgeber abstimmen.“ Eine Leserin der Zeitung sieht presseethische Grundsätze verletzt. Die Überschrift stimme nicht mit dem Inhalt des im Artikel erwähnten Facebook-Posts überein. Zudem sei der Beitrag nicht ausreichend recherchiert worden. Es werde lediglich auf den Artikel einer Sonntagszeitung hingewiesen, dessen Inhalte die Wochenzeitung ohne eigene Recherche übernommen habe. Der Chefredakteur der Wochenzeitung verteidigt die Überschrift des kritisierten Beitrages und stellt fest, dass aus vorliegenden Informationen durchaus der Schluss gezogen werden könne, dass eine gewisse Verharmlosung der Taliban durch Islam-Vertreter zu beobachten sei. Die evangelische Wochenzeitung habe sich bei der Wahl der Überschrift genau an den Wortlaut des Milli Görüs-Posts gehalten. Dabei habe man auf den Superlativ „absolut“ verzichtet, um auf eine rhetorische Übertreibung zu verzichten.
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht vier Tage vor der Bundestagswahl 2021 einen Beitrag unter der Überschrift „Im Visier des Verfassungsschutzes – AfD-Mann Peterka hat engen Kontakt zur ´Jungen Alternative´“. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Peterka sei mit der AfD-Jugendorganisation´ “Junge Alternative“ offenbar enger vernetzt als bislang bekannt. Auf Facebook – so die Zeitung – sei jetzt ein Foto zu sehen, wie Peterka dem aktuellen Landesvorsitzenden der „Jungen Alternativen“, der ebenfalls namentlich genannt wird, ein „Junge-Alternative-Mobil“ übergebe. Ein weiteres Facebook-Foto zeige den MdB im Februar 2019 neben einem Plakat. Darauf sei zu lesen gewesen: „Ich steh´ zur Jungen Alternative“. Die „Junge Alternative“, schreibt die Autorin, sei im Januar 2019 vom Verfassungsschutz als Beobachtungsobjekt eingestuft worden. Ein Leser der Zeitung macht Verstöße gegen die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) und 2 (Journalistische Sorgfaltspflicht) geltend. Die Redaktion habe ihre zunächst gewählte Überschrift mit diesem Hinweis korrigiert: „Zu unserem Bericht über den Bayreuther AfD-Bundestagsabgeordneten Tobias Peterka stellen wir fest: Nicht Peterka steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, sondern lediglich die AfD-Jugendorganisation ´Junge Alternative Bayern´, die er unterstützt.“ Mit seinem Beitrag suggeriere der Autor, als Journalist habe er neue, bisher nicht verfügbare Informationen über den genannten AfD-Bundestagabgeordneten vorliegen, die er unbedingt vier Tage vor der Bundestagswahl über eben jenen Direktkandidaten präsentieren müsse. Grundsätzlich sei keine der Informationen, die der Redakteur auftische, in irgendeiner Weise neu. Sie seien jedoch umso besser geeignet, den missliebigen AfD-Politiker und seine nicht minder verhasste Partei zum „richtigen“ Zeitpunkt nochmal in ein möglichst schlechtes Licht zu setzen. Die Rechtsvertretung der Zeitung stellt fest, der Beitrag sei entsprechend der Richtlinien des Pressekodex ordnungsgemäß recherchiert worden. Dem genannten AfD-MdB und dem Landesvorsitzenden der AfD sei Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Beide kämen in dem fraglichen Beitrag ausführlich zu Wort. Die Chefredaktion äußert sich zu dem kritisierten Veröffentlichungszeitpunkt kurz vor der Bundestagswahl. Sie habe die neuen Informationen für so wichtig gehalten, dass die Leserschaft auch vier Tage vor der Wahl darüber informiert werden sollte. Von einer „politischen Agitation“, wie in der Beschwerde behauptet, könne keine Rede sein.
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