Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6738 Entscheidungen
Eine große Wirtschaftszeitung berichtet über Querelen um die an einer internationalen Unternehmensschule zu erzielenden Studienabschlüsse. Dabei ist auch die Rede von einem früheren Schul-Chef, der seinen Professorentitel unerlaubt führe und gegen den deshalb ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Der Betroffene wehrt sich mit einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Ihm sei an einer bulgarischen Universität der Titel eines „Ehrenprofessors“ verliehen worden. Es habe nie ein Strafverfahren, sondern lediglich ein Ermittlungsverfahren gegeben, das wegen geringer Schuld eingestellt worden sei. In einem Schriftverkehr habe sogar die Staatsanwalt ihn als Professor angesprochen. Durch die Berichterstattung sieht er seinen Ruf erheblich geschädigt und seine Ehre verletzt. Es werde über ein Gerichtsverfahren berichtet, das es gar nicht gegeben habe, und es werde der Anschein erweckt, er habe sich strafbar gemacht. Die Rechtsabteilung der Wirtschaftszeitung entgegnet, der Beschwerdeführer selbst habe den Presserat darüber informiert, dass es um die Führung des Professorentitels ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegeben habe. Auch wenn von einer Verfolgung abgesehen wurde, so liege die Begründung der Entscheidung darin, dass die Staatsanwaltschaft die Schuld als gering angesehen habe. Die Rechtsabteilung der Zeitung kommt zu dem Schluss, dass es die Bezeichnung „Ehrenprofessor“ in der bulgarischen Gesetzgebung gar nicht gebe. Sie bezeichne höchstens eine Stellung innerhalb der Universität während der vereinbarten Vorlesungszeit. Die Berechtigung zur Führung eines Professorentitels in Deutschland könne nach Einschätzung des bulgarischen Bildungsministeriums nicht abgeleitet werden. Dies stelle die Kultusministerkonferenz (KMK) gegenüber dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst fest. (2002)
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Möglicherweise wird – wenn ein großer ausländischer Partner abspringt – eine Landesbank eingreifen, um ein Unternehmen der Telekommunikationsbranche zu stützen. An einem solchen Notfallplan arbeitet offenbar das Wirtschaftsministerium des Landes. Das berichtet eine überregionale Wirtschaftszeitung mit dem Hinweis auf „Informationen aus der Landesregierung“. Der Vorstand der Landesbank schaltet den Presserat ein. Die Zeitung habe gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen. Der Artikel stelle einen fahrlässigen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Landesbank dar. So habe zum Beispiel die Research-Abteilung einer großen Investmentfondsgesellschaft die Anleihen der Landesbank zum Verkauf stellen wollen, weil mit der in der Zeitung beschriebenen Transaktion eine erhebliche Verschlechterung der Bonität verbunden gewesen wäre. Die Rechtsabteilung der Zeitung stellt fest, dass in dem fraglichen Beitrag über Gespräche zwischen dem Firmenchef und dem Landeswirtschaftsminister berichtet wurde. Thema sei dabei auch die Überlegung gewesen, dass die Landesbank bei einem Ausstieg des ausländischen Partners kurzfristig einspringen solle. Es sei bekannt, dass die deutschen Landesbanken eng miteinander verflochten seien und sich vollständig in der öffentlichen Hand befänden. Vor diesem Hintergrund sei es geradezu zwangsläufig, dass – wenn ein Großarbeitgeber in Turbulenzen gerät – Rettungsüberlegungen zunächst mit der Politik besprochen würden. In einer Agenturmeldung, die die Rechtsabteilung beifügt, ist davon die Rede, dass sich das Wirtschaftsministerium lediglich gegen die Bewertung „Notfallplan“ gewendet habe, nicht aber, dass Gegenstand der Gespräche auch eine der Landesbank zugedachte Funktion gewesen sei. Dass es sich bei der Einbindung der Landesbank um eine Spekulation gehandelt habe, sei durch das Wort „soll“ kenntlich gemacht worden. (2002)
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„Wir weinen mit Israel“ und „Die Nacht versank in Blut und Tränen“ sind die Überschriften zweier Artikel, in denen eine Boulevardzeitung über ein Selbstmordattentat in Jerusalem berichtet. Dem Artikel sind verschiedene Fotos beigestellt, auf denen die Opfer des Attentats zu sehen sind. Ein Leser des Blattes beschwert sich beim Deutschen Presserat, weil er den Vorgang unangemessen sensationell dargestellt sieht. Auf mehreren Fotos würden Tote und Verletzte gezeigt. Eine der Bildunterschriften laute: „Ein schwer verletzter Israeli läuft, bringt sich in Sicherheit. Seine Haut ist mit Splittern gespickt und verbrannt.“ Im Text heiße es zudem: „Der ganze Boden war mit Blut und Leichenteilen bedeckt.“ Der Beschwerdeführer kritisiert, dass die sinnlose Gewalt im Nahen Osten seit Monaten in allen Medien dargestellt und thematisiert werde. Es sei nicht anzunehmen, dass weitere, noch extremere Bilder die Menschen aufrüttelten oder Emotionen freisetzten, die dem Friedensprozess zugute kommen könnten. Aus diesem Grund hält er diese Berichterstattung für voyeuristisch und unangemessen. Die Chefredaktion des Blattes erklärt, dass der Krieg und seine Grausamkeit, auch wenn es um schwerste Verletzungen und Tötungen gehe, dargestellt werden müssten. Nur so könne versucht werden, die Menschen aufzurütteln, sie aufzuklären und ihnen bewusst zu machen, dass es so nicht weitergehen könne. Die Grausamkeit derartiger Auseinandersetzungen dürfe nicht dazu führen, dass man auf die Veröffentlichung von Fotos, welche die Wirklichkeit wiedergeben, verzichte. Die Konfrontation mit dem Elend, den Verletzungen, dem Tod und der Zerstörung seien zur Bewusstseinsbildung erforderlich. Nur eine realistische Darstellung in Fotos könne zur Aufklärung beitragen und die Menschen wachrütteln. Ein Verzicht auf fotografische Dokumente heiße auch, die Zeitgeschichte zu verfälschen. (2002)
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„Der Dieb – laut Polizei ´vermutlich ein Spätaussiedler´ – betrat den Verkaufsraum…“. Eine Regionalzeitung setzt ihren Bericht über einen Ladendiebstahl mit einer Personenbeschreibung fort, in der es heißt, der Unbekannte habe „deutsch mit russischem Akzent“ gesprochen. Die gleiche Zeitung berichtet später über eine Gerichtsverhandlung. Die Angeklagten werden dabei als „vier Russlanddeutsche“ und ein weiterer als „Übersiedler aus Kasachstan“ bezeichnet. Bei dem früheren Kasachen, der unter der Anklage steht, zwei Nachbarn erstochen zu haben, die ebenfalls aus der früheren Sowjetunion stammen, merkt die Zeitung an, der Mann spreche so gut wie kein Deutsch. Zudem sei es ihm nicht gelungen, in der neuen Heimat Fuß zu fassen. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass in dem ersten Bericht die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe genannt wird. Nach seiner Ansicht würden dadurch Integrationsbemühungen zunichte gemacht und Hass, Ablehnung und Gewaltbereitschaft gefördert. Er legt einen umfangreichen Schriftverkehr vor, aus dem hervorgeht, dass er sowohl die Polizei als auch die Zeitung aufgefordert habe, bei eventuellen Straftaten die jeweilige Volksgruppe nicht zu nennen. Der Leser schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Chefredaktion der Zeitung weist auf den regen Meinungsaustausch mit dem Leser hin, dem bekannt sein dürfte, dass die Redaktion die Herkunft eines Verdächtigten nur dann nenne, wenn es sich um eine Straftat handle, bei der die Volksgruppe relevant sei. Dem Wunsch des Lesers, diese grundsätzlich nie zu nennen, könne und wolle man nicht entsprechen. Es gebe Fälle, bei denen die Nationalitätennennung gerechtfertigt sei. So etwa, wenn Straftaten in bestimmten Bevölkerungsgruppen häufig vorkommen oder im Fall von Fahndungen. Die ganze Diskussion – so die Chefredaktion weiter – laufe vor dem Hintergrund eines aktuellen Falles, bei dem ein Russlanddeutscher zwei Menschen umgebracht habe. Sie verweist auf einen Bericht über diesen Fall (Überschrift „Ein Chancenloser im Blutrausch“), in dem die Tat analysiert und die Situation des Russlanddeutschen dargelegt wird. Die Redaktion sei von verschiedenen Seiten gelobt worden. Sie habe das Thema sehr verantwortungsbewusst behandelt. (2002)
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Unter dem Stichwort „Ein Jahr danach“ veröffentlicht eine Boulevardzeitung Erinnerungen an den 11. September 2001 in New York. In Folge vier wird unter der Überschrift „Sie springen in den Tod“ ein großes Foto veröffentlicht, welches das brennende World Trade Center zeigt. Sechs der darauf sichtbaren Menschen, die an den Fenstern stehen, sind eingekreist und mit Porträtfoto und detaillierten Angaben aus ihren Leben beschrieben. Eine Leserin nimmt die Veröffentlichung zum Anlass einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Sie hatte bereits ein Jahr zuvor die Tatsache bemängelt, dass in vielen Zeitschriften die Menschen, die sich aus den Towern stürzten, derart vergrößert dargestellt wurden, dass man sie ihres Erachtens erkennen konnte. Ihre Beschwerden wurden seinerzeit u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, dass die betroffenen Menschen nicht zu erkennen seien und somit auch keine Persönlichkeitsrechte verletzt würden. Nun weist sie darauf hin, dass jetzt aber eine Identifizierbarkeit vorliege. Sie bittet um Überprüfung, ob dies mit den presseethischen Grundsätzen vereinbar sei. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, sämtliche Fotos stammten aus den USA. Sie seien von den Angehörigen für die Veröffentlichung herausgegeben und noch vor der Veröffentlichung in der deutschen Zeitung in amerikanischen und englischen Printmedien gedruckt worden. Die Angehörigen hätten in einer Vielzahl von Fällen die Opfer auch durch Aufhängen von Fotos und der Angabe von Details namhaft gemacht. Es gehe hier also nicht um die Betrachtungsweise eines Einzelfalles und die Frage des Persönlichkeitsrechts, sondern um die Dokumentation der Opfer von unvorstellbaren Gewalttaten, die in einer freiheitlichen Welt lebten, welche die Attentäter nicht akzeptieren wollten. Deshalb hätten die Angehörigen die Opfer weltweit öffentlich machen wollen. Die Maßstäbe, welche die Beschwerdeführerin anlegen möchte, passten im Gesamtzusammenhang nicht. (2002)
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Eine Lokalzeitung kündigt ein neuerliches Gerichtsverfahren gegen drei Männer und eine Frau an, denen vorgeworfen werde, im Zeitraum von 1986 bis 1989 in einem früheren Kinderheim für schwer Erziehbare mindestens neun Kinder und Jugendliche mit Peitschenhieben, Stockschlägen, Fußtritten, Arrest in einer Kellerzelle, Züchtigung durch Kniebeugen und Stillstehen sowie sexuelle Übergriffe drangsaliert zu haben. In einem Verfahren im Jahr 2000 habe das Landgericht zu Gunsten der Angeklagten entschieden, indem es festgestellt habe, dass die Straftaten, die dem Quartett zur Last gelegt werden, verjährt seien. In einem Revisionsverfahren habe jedoch der Bundesgerichtshof entschieden, dass in keinem Fall eine Verjährung eingetreten sei. Die betroffenen Lehrer und Erzieher werden mit vollständigen Namen genannt. Auf einen der Angeklagten geht die Zeitung näher ein. Sie erwähnt, dass er bis zum Vorjahr in seiner Heimatgemeinde des Amt des stellvertretenden Bürgermeisters bekleidet und den Ausschuss für Kultur und Soziales geleitet habe. Der Anwalt des letztgenannten Beteiligten kritisiert in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat die Nennung des Namens seines Mandanten. Diese sei nicht gerechtfertigt, da der Tatvorwurf einen Sachverhalt zum Inhalt habe, der in keiner Beziehung mit der Tätigkeit des Betroffenen nach 1990 als Beigeordneter der Stadt stehe. Der Anwalt moniert ferner, die Zeitung ordne seinem Mandaten falsche Tatvorwürfe zu. Ihm werde lediglich vorgeworfen, einen damals 16-jährigen Jugendlichen aus seinem Unterricht verwiesen und ihm bei dieser Gelegenheit eine Platzwunde am Kopf zugefügt zu haben. Die Chefredaktion der Platzes räumt die falsche Wiedergabe des Tatvorwurfs in der Berichterstattung über das erste Gerichtsverfahren ein. Dieser Fehler beruhe auf einem falschen Aushang der Justizverwaltung im Ort. In dieser Angelegenheit habe man bereits eine Gegendarstellung veröffentlicht. Dass der selbe Fehler auch in der Berichterstattung über die Neuverhandlung gemacht worden sei, liege daran, dass die verantwortliche Redakteurin bei der Berichterstattung auf das Archiv zugegriffen und den darin enthaltenen Fehler wiederum übernommen habe. Da ihr der Fall nicht bekannt gewesen sei, sei ihr der Fehler auch nicht aufgefallen. (2002)
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