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Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

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Entscheidungsjahr
6738 Entscheidungen

Bilanzberichte

In zwei Beiträgen beschäftigt sich eine Börsenzeitschrift mit einem Finanzdiensleister. In dem ersten Beitrag heißt es, vieles deute darauf hin, dass das Unternehmen seit Jahren einen Teil seiner Gewinne durch eine zweifelhafte Bilanzierung erziele. Man habe das Geschäftsmodell sowie die Bilanzen einer detaillierten Analyse unterzogen und sei dabei auf Bilanzierungstricks gestoßen. Die Zeitschrift verweist auf die Expertise des Analysten einer Investmentbank, in der vermutet werde, dass der eigentliche Gewinn vor Steuern nur etwa ein Fünftel des ausgewiesenen Ergebnisses betrage. Der wichtigste kritische Punkt seien dabei die Finanzierungsrückversicherungen. Pikant sei, dass eine britische Investmentbank guten Kunden wie z. B. institutionellen Investoren, rate, die Finger von der Aktie des DAX-Unternehmens zu lassen. In dem zweiten Artikel ist von dubiosen Geschäften die Rede. Dabei bezieht sich die Zeitschrift auf den Bericht des Wirtschaftsprüfers der Firma. Eine Rechtsanwältin legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Sie beanstandet die Berichterstattung, da nicht erkennbar sei, dass es sich hierbei lediglich um Vermutungen der Zeitschrift handele. Dies gelte sowohl für die angeblich nicht rechtmäßige Bilanzierung als auch für den Vorwurf von Bilanzierungstricks und dubiosen Geschäftspraktiken. Die Beschwerdeführerin verweist auf eine Pressestimme, aus der hervorgehe, dass die genannte Investmentbank gegen die ihrem Analysten zugeschriebene Aussage rechtliche Schritte erwäge. Tatsächlich habe es sich nur um die E-Mail eines Londoner Händlers gehandelt. Die Bank habe schließlich ihre Kaufempfehlung beibehalten. Weiterhin weist die Anwältin darauf hin, dass die angebliche Aussage der britischen Investmentbank von dieser dementiert worden sei. Die Bank habe Investoren keinesfalls geraten, die Aktie des Finanzdienstleisters zu verkaufen. Im Gegenteil, ihre Kaufempfehlung sei noch einmal bestätigt worden. Die Beschwerdeführerin kritisiert zudem, dass sich hinter dem Autorennamen eine Autorengruppe verberge. Angeblich solle das gewählte Pseudonym vor Drohungen schützen. Da jedoch nicht ersichtlich sei, inwieweit eine Autorengruppe bedroht sein könnte, bittet sie den Presserat um Überprüfung, ob die Verwendung eines Pseudonyms dem Pressekodex widerspreche. Schließlich kritisiert die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die angeblich „dubiosen Geschäfte“, dass der Zeitschrift offenbar interne Berichte des Unternehmens vorgelegen haben, die nach ihrer Auffassung nicht legal in den Besitz der Redaktion gelangt sein können. Hier liege wohl ein Verstoß gegen die Recherchegrundsätze des Pressekodex vor. Insgesamt sieht die Beschwerdeführerin in der Berichterstattung eine gegen das Unternehmen gerichtete Rufmordkampagne. Die Rechtsabteilung des Verlages stellt fest, die Aussage, dass die beanstandete Bilanzierung des Unternehmens nicht rechtmäßig sei, finde sich an keiner Stelle des Artikels. Das Gegenteil sei der Fall. Der Chefredakteur der Zeitschrift habe in seinem Editorial geschrieben, bei genauerem Hinsehen entpuppe sich das Wachstumswunder als Resultat bilanztechnischer Schönheitsoperation, alles auf rechtlich einwandfreier Basis des Handelsgesetzbuchs. Warum die Redaktion diese Art der Bilanzierung betriebswirtschaftlich für zweifelhaft halte, werde im Artikel ausgeführt und den Lesern auch verdeutlicht. Die Rechtsabteilung teilt ferner mit, dass die beiden genannten Investmentbanken gegen Teile des Artikels rechtlich nicht interveniert hätten. Die Meldungen seien richtig und beruhten u.a. auf Recherchen bei institutionellen Kunden beider Banken. Es sei einhellige Meinung im Presserecht, dass der Name des Verfassers verschwiegen werden könne. Es gehe hier nicht um eine verdeckte Recherche, sondern nur darum, ob die Redaktion den Namen des Verfassers des Artikels nennen müsse. Dies sei nicht der Fall. Nur vorsorglich solle darauf hingewiesen werden, dass es aus Gründen der Fürsorgepflicht geboten war, ein Pseudonym zu wählen. In der Vergangenheit seien Redakteure der Zeitschrift nach ähnlich kritischen Artikeln von Unternehmen und Lesern per Brief, Fax, Telefonaten oder E-Mail massiv unter Druck gesetzt worden. Schließlich weist der Beschwerdegegner darauf hin, dass bei der Beschaffung des Materials keine unlauteren Methoden angewandt wurden. Es sei der Redaktion anonym zugesandt worden. Man habe die Authentizität des Materials und die Richtigkeit der Fakten nach den Geboten der journalistischen Sorgfalt geprüft. Wie das Material vom Einsender beschafft worden sei, sei der Redaktion nicht bekannt. Dies spiele im vorliegenden Fall aber auch keine Rolle. Es sei unstrittig, dass die Presse Informationen, die für die Anleger und die Öffentlichkeit von überragender Bedeutung seien, veröffentlichen dürfe. (2002)

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Online-Dienst kritisiert Unternehmen

„Hin und Her macht Taschen leer“ steht über dem kritischen Bericht eines Online-Dienstes über einen Finanzdienstleister. Darin heißt es, die Versicherten könnten nur aus fünf Portfolios auswählen. Weiterhin wird mitgeteilt, dass in den Portfolios kräftig umgeschichtet worden sei. Schließlich wird darauf hingewiesen, die Tauscherei der Fonds mit nahezu gleicher Ausrichtung sei ein teures Unterfangen, da das Unternehmen die vollen Ausgabeaufschläge der Fonds mit dem Geld der Versicherungsnehmer bezahle. Später wird ein weiterer Beitrag veröffentlicht, der sich kritisch mit der Unternehmenspolitik des Dienstleisters auseinander setzt. Ein Kunde des Dienstleisters und eine Rechtsanwältin kritisieren die Berichterstattung in vier Punkten. Es sei falsch, dass die Versicherten nur aus fünf Portfolios auswählen könnten. Es stünde eine umfängliche Liste unterschiedlichster Fonds zur Auswahl. Die Aussage, Fondspolicen würden kräftig umgeschichtet, treffe nicht auf alle Policen zu. Außerdem sei der Fondstausch kostenfrei und gehe nicht, wie behauptet, zu Lasten der Versicherten. Schließlich dränge sich der Endruck auf, der Online-Dienst wolle dem Finanzdienstleister bewusst schaden. Der im Impressum genannte Verfasser des zweiten Beitrags existiere nicht, sondern sei eine Erfindung der Redaktion. Der Kunde und die Anwältin wenden sich an den Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung des Online-Dienstes bemerkt, der Beschwerdeführer verwechsle Portfolios und Einzelfonds. Zwar habe der Dienst geschrieben, dass es nur fünf Portfolios gebe, unter denen die Kunden wählen könnten. Damit werde aber nicht ausgeschlossen, dass in den Portfolios unterschiedliche Fonds bestehen könnten. Die Rechtsabteilung weist später darauf hin, dass sich die Parteien in der laufenden Auseinandersetzung verglichen hätten. (2002)

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Neonazis helfen

Junge Neonazis in den neuen Ländern leisten Hilfe, als Sachsen und Thüringen vom Hochwasser heimgesucht werden. Eine Boulevardzeitung kommentiert den Vorgang unter anderem mit dieser Passage: „Einerseits ist es ja prima, wenn diese Leute eine Woche lang nicht saufen, pöbeln und Ausländer verprügeln.“ Einer „dieser Leute“ will das so nicht stehen lassen. Keiner der Helfer sei jemals durch Saufen, Pöbeln und Ausländerverprügeln aufgefallen. Er hält die in der Zeitung veröffentlichte Wertung für unerträglich und schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Rechtsabteilung der Zeitung meint, es sei wohl bekannt, dass es zahlreiche Auseinandersetzungen mit Neonazis gebe, die auch mit schweren körperlichen Angriffen auf Ausländer endeten. Der Autor der Kolumne habe den Gegensatz zwischen den Hilfsmaßnahmen anlässlich der Hochwasserhilfe und den zahllosen Vorgängen mit Neo-Nazis, die nicht tolerierbar seien, dargestellt. Unter der in einem Flugblatt angegebenen Internetadresse heiße es u. a.: „Die Spendenbereitschaft in der BRD ist im Grunde genommen auch ein positives Zeichen, wenngleich viele Spießbürger gerne für Negerkinder in der Dritten Welt spenden, wenn nur BILD, RTL und Co. dazu aufrufen.“ Diese nachlesbare Gesinnung des Beschwerdeführers sei bezeichnend und zeige, dass die allgemeine Darstellung in der Kolumne den richtigen Kern treffe. Zudem werde in dem Beitrag niemand direkt, sondern nur die Gruppe der Neonazis allgemein angesprochen. (2002)

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Glaubensgemeinschaft

Unter der Überschrift „Der Brief des Johannes“ berichtet ein Nachrichtenmagazin über die Glaubensgemeinschaft „Das Leben e. V.“ und ein Empfehlungsschreiben von Bundespräsident Johannes Rau, das der Gemeinschaft zu einer günstigen Immobilie verhilft und das nach einem Zitat aus dem Bundespräsidialamt heute so nicht mehr geschrieben würde. Einige Passagen in dem Beitrag veranlassen „Das Leben e. V.“ zu einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Als falsch und diffamierend bezeichnet die Gemeinschaft Begriffe wie „Sekte“, „Sektensprecher“ und „radikale Christensekte“. Sie sei vom Bundesfamilienministerium – wie vom Nachrichtenmagazin beschrieben – zwar als „fundamentalistische Gruppierung mit der starken Tendenz zur Radikalisierung“ und „klar ausgerichtet auf eine Führerfigur und Führerideologie“ eingestuft. Das sei aber falsch. Auch die folgenden Passagen rufen den Widerspruch des Sprechers der Glaubensgemeinschaft hervor: „Frauen hätten sich der Vormachtstellung des Mannes zu unterwerfen“; es gebe eine Kleiderordnung, die Mädchen lange Röcke vorschreibe; „Abneigung gegen Medien, die den Schmutz der Welt transportieren“; „Kontakte mit Kindern außerhalb der Gemeinde werden soweit wie möglich vermieden.“ Die Rechtsabteilung des Magazins bezeichnet die von der Sekte aufgestellte Behauptung, der Verein sei mit den Rechercheergebnissen nicht konfrontiert worden, als falsch. Der Autor habe ein rund vierstündiges Gespräch mit Mitgliedern der Gemeinschaft geführt. Das Nachrichtenmagazin nimmt zu jedem einzelnen Vorwurf Stellung und kommt zu dem Schluss, dass der Artikel keinen Anlass zu einer Maßnahme des Presserats gebe. (2002)

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Begriff Sekte ist erlaubt

Unter der Überschrift „Sekte nutzt Brief des Bundespräsidenten“ berichtet eine überregionale Zeitung über die Glaubensgemeinschaft „Leben e. V.“, die mit einem befürwortenden Schreiben des Staatsoberhaupts eine Immobilie gekauft hat. Der Artikel bezieht sich auf einen Beitrag vom gleichen Tag in einem Nachrichtenmagazin. Dessen Darstellung endet mit dem Zitat eines ungenannten Beamten aus dem Bundespräsidialamt, wonach der Brief heute wohl so nicht mehr geschrieben würde. „Leben e. V.“ schaltet den Deutschen Presserat ein und kritisiert die in dem Bericht wiedergegebene Bezeichnung „christliche Sekte“, die man, weil negativ belegt, als Beleidigung empfinde. Ein Mann werde als Informant angegeben, der sich nur bei ausgetretenen und unzufriedenen Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft kundig gemacht habe. Die Aussage „Frauen haben sich der Vormachtstellung des Mannes zu unterwerfen“, sei falsch. Auch die Passage „Musik und Medien werden abgelehnt“ sei nicht richtig, da man zur Gestaltung der Gottesdienste ein eigenes Orchester unterhalte. Die Rechtsabteilung der Zeitung erklärt, die Bemühungen der Redaktion, eine Stellungnahme von „Leben e. V.“ zu erhalten, seien erfolglos gewesen. Der Begriff „Sekte“ sei gerechtfertigt und verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Verwendung des Begriffes falle unter die Presse- und Meinungsfreiheit. Die Zeitung teilt mit, dass das Referat Sekten- und Psychogruppen des Bundesfamilienministeriums dem Verein alle Züge einer fundamentalistischen Gruppierung attestiert habe. Die radikale Bibelauslegung, so das Ministerium, propagiere eine Unterordnung der Frau in Kinderreichtum. Darüber hinaus habe sich die Frau innerhalb der Gemeinde der Vormachtstellung des Mannes zu unterwerfen. (2002)

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Kritik am Mitbewerber

Eine Lokalzeitung kommentiert einen Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses der Stadt. Dieser hatte sich nach einem Ranking für einen Provider entschieden, der den neuen Internet-Auftritt der Stadt bewerkstelligen soll. Die Verlagsgruppe, welche auch die Lokalzeitung verlegt, war Mitbewerber bei diesem Ranking gewesen. Nach Ansicht der Zeitung hatte sie auf dieser Liste ganz oben gestanden. Dennoch habe sich die Mehrheitsfraktion im Stadtrat entgegen des Votums der Oberbürgermeisterin für einen anderen Anbieter entschieden. Nicht, weil dessen Mutter zufällig Mitglied der Mehrheitsfraktion sei, heiße es, sondern weil er ein guter Bürger der Stadt sei, der eine Chance verdiene. Der Betroffene wendet sich an den Deutschen Presserat. Er weist darauf hin, dass die Zeitungsgruppe in der Ranking-Liste nicht ganz oben gestanden habe. Insoweit handele es sich um eine Falschbehauptung. Vielmehr seien drei Bewerber gleich gut gewesen. Die Bemerkung der Zeitung über seine Mutter hält er für eine Rufschädigung durch Desinformation. Insgesamt ist er der Meinung, die Zeitung missbrauche damit ihre publizistische Macht. Die Geschäftsleitung des Verlages erklärt, der Inhalt der Veröffentlichung habe dem Informationsstand der Redaktion und ihrem Rechercheergebnis am 5. Januar entsprochen. Die Informationen stammten vorwiegend aus den Reihen der Mehrheitsfraktion. Da sie deren Entscheidung betrafen, mussten keine Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen bestehen. Im übrigen sei der Kommentar Bestandteil eines wöchentlich erscheinenden „Tagebuchs der Redaktion“, in dem auch spekuliert, auf Hintergründe und in die Zukunft geblickt, zusammengefasst sowie analysiert werde. Die Redaktion sei in der Darstellung der Vorgänge zurückhaltend geblieben, auch wenn die Interessen des Mutterhauses berührt gewesen seien. Dass die Verlagsgruppe als Anbieter in der Ranking-Liste der Stadtverwaltung ganz oben gestanden habe, sei richtig. Daran ändere sich nichts, auch wenn der Beschwerdeführer die einzelnen Kriterien, die zu der Einordnung geführt hätten, anders gewichte. Tatsächlich sei die Mutter des Beschwerdeführers Mitglied der Mehrheitsfraktion im Stadtrat. Und von dieser Fraktion sei die Entscheidung im Ausschuss für das Angebot des Beschwerdeführers vorangetrieben worden. Im übrigen zeige sich, dass der Beschwerdeführer, ein ehemaliger Mitarbeiter des Verlages, sich mit seinem Online-Dienst auch publizistisch gegen den Verlag zur Wehr setzte. (2001)

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Zitat – falsch oder richtig

Unter der Überschrift „Sanft-Hund statt Kampfhund“ berichtet eine Boulevardzeitung, der Präsident des Deutschen Pudel-Klubs fordere, Besitzer von Kampfhunden sollten ihre Tiere gegen Pudel eintauschen. Der Anwalt des so zitierten Pudelfreundes legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Sein Mandant habe weder diese Aussage gemacht noch ähnliche Forderungen gestellt. Die Geschichte sei frei erfunden und äußerst reißerisch dargestellt. Die Chefredaktion der Zeitung verweist auf eine Agenturmeldung. In dieser sei mitgeteilt worden, der Deutsche Pudel-Klub empfehle ehemaligen Besitzern von Kampfhunden, einen Pudel zu halten. In dieser Meldung werde auch der Präsident des Klubs mit der Feststellung zitiert, Pudel seien fast unfähig, einen Menschen anzugreifen und aggressiv zu reagieren. Ebenso mit dem Hinweis, dass viele Hundebesitzer mit dem aggressiven Verhalten von Hunderassen, wie beispielsweise dem Rottweiler oder dem Dobermann, überfordert seien. In einem Telefonat mit dem zuständigen Redakteur habe der Klubpräsident durchaus deutlich gemacht, dass es für viele Besitzer so genannter Kampfhunde sinnvoll sei, sich an deren Stelle einen Pudel zu halten. (2001)

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Diskriminierung von Ausländern

Weil er zwei Jugendlichen helfen wollte, die von vier weiteren Jugendlichen vor einer Gaststätte geschlagen und getreten wurden, musste ein 23-jähriger sterben. Bei der Verfolgung der Täter wurde er mit mehreren Messerstichen getötet. Ein 17-jähriger unter den Verfolgten steht im Verdacht, die Tat begangen zu haben. Die örtliche Zeitung widmet dem Vorfall mehrere Beiträge, in denen sie über den Fortgang der Ermittlungen berichtet. In der Unterzeile der Überschrift des ersten Artikels heißt es „Türken schlugen Deutsche“. Die Überschrift des zweiten Artikels vermeldet in der Unterzeile „Türke (17) taucht im Asyl-Heim unter“. Alle Beiträge sind mit Fotos ausgestattet. Eines der Fotos zeigt die Festnahme zwei der vier Tatverdächtigen. In der Bildunterzeile wird berichtet, dass die Türken sich auf dem Dachboden eines Hauses versteckt hatten. In allen Artikeln werden die Verdächtigen generell mit „Türken“ und weiteren Angaben zum Alter umschrieben. Der Ausländerbeirat der Stadt meldet den Fall dem Deutschen Presserat. In dem Bericht werde deutlich herausgestellt, dass es sich bei den Tätern um Türken handele, die Deutsche schlugen. Im weiteren Verlauf werde das Opfer mit Vornamen erwähnt, während die Täter namenlos blieben. Es existiere keine sachliche Notwendigkeit, bei einer Berichterstattung, egal welchen Inhalts, Nationalitäten zu erwähnen bzw. diese sogar noch besonders hervorzuheben. Nationalitäten hätten mit den Handlungen einzelner nichts zu tun. Die Beiträge verfestigten so vorgefertigte Meinungsbilder und hätten diskriminierende Wirkung. Auch der Sozialdienst für Migranten der Arbeiterwohlfahrt legt Beschwerde ein. Bei aller Tragik in diesem Vorfall trage die Presse die Verantwortung für die Bewusstseinsbildung der Öffentlichkeit mit. Deshalb sollte man bei den Formulierungen über solche schmerzhaften Ereignisse besonders vorsichtig und verantwortungsvoll sein. Wenn auf polarisierende Weise die Nationalität Betroffener genannt werde, schaffe dies mehr Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen. Die Chefredaktion der Zeitung betont, in der Bevölkerung seien die Wogen der Erregung hochgegangen über die Tötung eines Jugendlichen durch türkische Gewalttäter. Dabei habe das Opfer genau das getan, was in letzter Zeit zu Recht immer wieder gefordert werde: Zivilcourage gegenüber brutalen Schlägern gezeigt. Die Zeitung habe es als ihre Pflicht angesehen, wahrheitsgemäß zu berichten. Dabei sei nicht Öl ins Feuer gegossen worden. In den Artikeln sei klar betont worden, dass es sich um einzelne Gewalttäter handelte. Die eine oder andere möglicherweise etwas unglücklich formulierte Textstelle, die dem nun einmal nicht entrinnbaren Zwang zur Vereinfachung entsprungen sein möge, könne nicht isoliert interpretiert werden. Ergänzend räumt der Chefredakteur ein, gewiss sei die Unterzeile der Überschrift eine den formalen Zwängen zuzuschreibende Vereinfachung, die auch er sich gelungener und weniger missverständlich hätte vorstellen können. Der beanstandeten Unterzeile habe jedoch nicht im geringsten die Absicht einer Polarisierung zu Grunde gelegen. Die Nennung der Staatsbürgerschaft sei allerdings eine auch sonst gebräuchliche Übung, die als solche keine Diskriminierungsabsicht verrate. Schließlich habe die Zeitung auf eine Veröffentlichung der von der Polizei mitgeteilten Anhaltspunkte verzichtet, welche die Vermutung nahe gelegt hätten, es habe sich bei der Tat der türkischen Gewalttäter um ein deutschfeindlich motiviertes Verbrechen gehandelt. Mit diesem Verzicht habe man die Erregung in der Bevölkerung in Grenzen halten und nicht unheilvolle Reaktionen von rechter Seite wachrufen wollen. (2001)

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Vorverurteilung

Unter der Überschrift „Wird der Tiger erpresst?“ berichtet eine Tageszeitung über Gerüchte um einen Box-Weltmeister. Beim Promoter des Boxers habe es einen anonymen Anruf gegeben. Der Mann habe erzählt, er sei im Besitz eines Videobandes, das den Superstar auf einer wilden Party mit Koks und Prostituierten zeige. Der Autor des Artikels fragt: „Wer ist dieser Mann und was will er?“ Er erwähnt, dass es zuletzt Mitte September mächtigen Wirbel um den „Tiger“ gegeben habe. Sein 227.000 DM teurer Mercedes sei nachts auf einen VW-Transporter gekracht. Wer am Steuer gesessen habe, sei unklar. Von seiner Frau und seinen beiden Kindern lebe der Top-Athlet getrennt. Der Anwalt des Boxsportlers beschwert sich beim Deutschen Presserat. Der Artikel beinhalte in seinem berichtenden Teil ausschließlich Gerüchte. Die Veröffentlichung verstoße deshalb gegen die Pflicht zur sorgfältigen Recherche. Der Betroffene habe keinerlei Gelegenheit zur eigenen Stellungnahme erhalten. Der als Gerücht verbreitete Sachverhalt sei bis heute nicht bestätigt worden und das angesprochene Video auch nicht aufgetaucht. Die Rechtsabteilung des Verlages versichert, die Sportredaktion habe entgegen den Ausführungen in der Beschwerde intensiv recherchiert. Als die Gerüchte nicht verklungen seien und andere Medien eine baldige Veröffentlichung angekündigt hätten, habe die Sportredaktion beschlossen, die Gerüchte in der Weise zum Anlass einer Berichterstattung zu nehmen, dass sie einerseits entkräftet werden sollten und andererseits gefragt werden sollte, wer warum solche Gerüchte verbreite. Die Berichterstattung sei daher auch deutlich durchdrungen von einer Tendenz, die Haltlosigkeit der Gerüchte zu Gunsten des Beschwerdeführers zu beweisen. Für eine persönliche Stellungnahme sei der Boxprofi nicht erreichbar gewesen. Sprecher seines Boxstalles hätten sich aber entlastend geäußert. Zwei Tage nach der Veröffentlichung sei dem Anwalt des Betroffenen Gelegenheit gegeben worden, sich in der Zeitung zu den Gerüchten zu äußern. (2001)

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Zitat ohne Distanz

Eine Lokalzeitung würdigt Leben und Werk eines bald 80-jährigen Literatur- und Religionswissenschaftlers, der das Genre „Biografie“ mit neuen Akzenten aus christlicher Sicht versehen habe. Das Festhalten am alten Kirchenglauben sei dem konservativen Intellektuellen ganz wichtig, schreibt die Autorin. Und sie zitiert u.a. die Aussage ihres Gesprächspartners, die „Abweichler“ Drewermann und Küng könne man nicht ernst nehmen, eher schon die Meinung, Drewermann sei ein teuflischer Demagoge wie Goebbels oder Hitler. Ein Leser des Blattes legt die Veröffentlichung dem Deutschen Presserat vor. Der Theologe Drewermann werde mit dieser Aussage beleidigt und diffamiert. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, es könne nicht Aufgabe eines Porträts sein, die Denkweise eines Menschen a priori zu kommentieren oder zurecht zu rücken. Das Porträt stelle den Menschen dar, wie er ist. Ob die Redaktion seine Meinung teilt oder nicht teilt, sei insofern unerheblich. Die Zeitung habe dem Beschwerdeführer im nachhinein Gelegenheit gegeben, in einem Leserbrief zu der Veröffentlichung Stellung zu nehmen. (2001)

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