Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6657 Entscheidungen

Doch keine Einverständniserklärung

„Saft aus der Schulpresse“ lautet die Überschrift, unter der eine Regionalzeitung über eine Aktion der fünften Klassen einer Grundschule berichtet. Es geht um den von der Schule veranstalteten „Apfeltag“. An diesem haben die Schüler die auf einer Streuobstwiese eingesammelten Äpfel in der Schule weiterverarbeitet. Zum Artikel gestellt ist ein Foto, das zwei namentlich genannte Schüler zeigt. Sie werden auch im Text zitiert. Die Mutter eines der beiden Schüler sieht das Persönlichkeitsrecht ihres Kindes verletzt. Sie als Erziehungsberechtigte sei nicht gefragt worden, ob sie mit der Veröffentlichung des Fotos und der Nennung des Namens ihres Sohnes einverstanden sei. Zudem sei das ihrem Sohn zugeschriebene Zitat frei erfunden. Nach Meinung des Chefredakteurs der Zeitung habe die Autorin des Beitrages absolut korrekt gearbeitet. Diese antwortet auf die Beschwerde. Sie teilt mit, sie habe in der Schule gefragt, ob eine Genehmigung zum Fotografieren vorliege. Dies sei bejaht worden. Auf diese Aussage habe sie sich verlassen. Diese habe auch einer Lehrerin gegenüber den Wunsch geäußert, die Schüler über ihre Erlebnisse am „Apfeltag“ zu befragen und auch Fotos der Befragten zu machen. Auch hier habe die Lehrkraft zugestimmt. Am Tag der Veröffentlichung habe die Beschwerdeführerin – so die Zeitung weiter – in der Redaktion angerufen. Diese habe sich bei der Frau entschuldigt. Man sei davon ausgegangen, dass der Schule die Einverständniserklärung der Eltern vorliege. Per Mail habe sich die Mutter dann noch einmal bei der Redaktion gemeldet und diese aufgefordert, Foto und Text aus dem Netz zu löschen. Das sei sofort veranlasst worden. Die Redaktion habe sich auch mit der Schulleitung in Verbindung gesetzt und dabei festgestellt, dass der Schule eine Einverständniserklärung der Eltern nicht vorgelegen habe. Die stellvertretende Schulleiterin – so die Zeitung am Schluss ihrer Stellungnahme – habe zugegeben, dass sie in diesem Fall einen Fehler gemacht habe.

Weiterlesen

Fassungslos wegen eines Leserbriefs

Die Online-Ausgabe einer Großstadtzeitung berichtet unter der Überschrift „Präsident empört über Streifenbeamten“ über den Leserbrief eines Polizisten (Überschrift: „Willkommenskultur“) an die Redaktion. Diese veröffentlicht den Brief auszugsweise, nennt wie üblich den Namen des Einsenders, ohne jedoch mitzuteilen, dass der Leserbriefschreiber Polizeibeamter ist. Dieser, ein erfahrener Beamter, ist in einem so genannten Bezirksteam tätig. Er hat also täglich Kontakt zu Anwohnern und Geschäftsleuten in einem kulturell vielfältigen Stadtteil. Der Leserbrief enthält drastische und zum Teil fremdenfeindliche Äußerungen und endet mit diesen Zeilen: „Also lehne ich ab, was zu mehr Balkan auf unseren Straßen und zu einem Fortschreiten einer Islam genannten Ideologie führt.“ Die Online-Redaktion leitet die Original-E-Mail, in der der Name des Beamten inklusive seiner Tätigkeit im Problembezirk steht, an die Lokalredaktion weiter. Diese erkennt die Brisanz des Schreibens und recherchiert im Polizeipräsidium. Im Zusammenhang mit der Recherche gibt die Redaktion den Brief an den Dienstherrn des Einsenders. Die Zeitung berichtet, dass der Brief dort für Fassungslosigkeit gesorgt habe, weil er ein schlechtes Licht auf die örtliche Polizei werfe. Leidtragende seien alle Beamten, die durch ihre tägliche und engagierte Arbeit aktiv am Integrationsprozess mitwirkten. Der Leserbriefschreiber sei zum Leitenden Polizeidirektor bestellt worden. Mögliche straf- oder disziplinarrechtliche Konsequenzen würden geprüft. Für eine öffentliche Stellungnahme sei der Beamte nicht zu erreichen gewesen, teilt die Zeitung abschließend mit. Mehrere Beschwerdeführer kritisieren, dass die Lokalredaktion den Leserbrief an den Polizeipräsidenten weitergeleitet habe. Damit sei das Vertrauensverhältnis zwischen Reaktion und Lesern verletzt worden. Der betroffene Beamte werde dadurch diffamiert und „angeschwärzt“. Nach Richtlinie 2.6, Absatz 5, unterlägen Leserbriefe dem Redaktionsgeheimnis. Sie dürften in keinem Fall an Dritte weitergegeben werden. Das Verhalten der Redaktion erschüttere das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Presse. Der Beamte werde in dem Bericht über seinen Leserbrief als fremdenfeindlich diffamiert, obwohl die Einsendung zunächst nur gekürzt wiedergegeben worden sei. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung gesteht ein, dass die Redaktion gegen die entsprechende Richtlinie des Pressekodex verstoßen habe. Wenn sich ein Polizeibeamter fremdenfeindlich äußere und in seiner ursprünglichen E-Mail seinen Namen und seine Funktion angibt, sei die Redaktion verpflichtet, den Vorgang redaktionell aufzuarbeiten. Der Einsender habe durch die Nennung seiner persönlichen Daten sein Einverständnis zur Veröffentlichung gegeben. Ihm sei bewusst gewesen, dass er für die Leser und auch seinen Dienstherren identifizierbar sei. Hätte die Leserbriefredaktion den Brief, wie vom Einsender beabsichtigt, in voller Länge veröffentlicht, hätte die Lokalredaktion dem Polizeipräsidium bei ihrer Recherche ohne weiteres eine Kopie des Leserbriefteils der Zeitung zukommen lassen können, ohne sich dem Vorwurf eines Verstoßes gegen presseethische Grundsätze auszusetzen. Der von den Beschwerdeführern kritisierte Effekt wäre der gleiche gewesen.

Weiterlesen

Jagdschein als Vehikel für den Dschihad?

„Mit Jagdschein in den heiligen Krieg“ – unter dieser Überschrift berichtet die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung darüber, wie zwei jugendliche Konvertiten sich auf den Dschihad in Syrien vorbereitet hätten. In Deutschland kämen Jäger nach ihrer Ausbildung ohne größere Schwierigkeiten an Waffen. Salafisten könnten sich das für ihre Zwecke zunutze machen. Deutsche Dschihadisten, die sich als Jäger tarnen, um legal an Waffen zu gelangen, dieses Szenario sei nun - wie die Zeitung schreibt – real. Der Artikel ist mit einem Foto illustriert. Es zeigt einen Jäger mit Gewehr im Anschlag. Bildunterschrift: „Ein Jäger steht während einer Treibjagd mit seinem Gewehr schussbereit am Waldrand. Behörden befürchten, dass sich Salafisten über Jagdvereine Waffen besorgen können und regelmäßig ihre Treffsicherheit trainieren.“ Ein Leser der Zeitung vermisst in dem Artikel jegliche Objektivität. Dieser strotze vor unsachlicher Polemik. Weder sei in Jagdvereinen oder Jagdschulen eine Ausbildung von Muslimen für den „Dschihad“ feststellbar, noch sei die jagdliche Ausbildung geeignet, das für einen Krieg erforderliche Wissen zu erwerben. Der Beschwerdeführer merkt weiterhin an, dass die Beschaffung von Waffen im kriminellen Milieu oder in Osteuropa wesentlich einfacher sei, als den Umweg über eine jagdliche Ausbildung zu gehen. Waffentechnische Inhalte seien nur ein kleiner Teil regulärer jagdlicher Ausbildung. Der stellvertretende Chefredakteur spricht im Zusammenhang mit der Beschwerde von sehr freizügigen Interpretationen oder auch Meinungsäußerungen. Der Autor des kritisierten Beitrages habe sehr sorgfältig recherchiert und lasse auch Gesprächspartner aus der Jägerschaft zu Wort kommen.

Weiterlesen

Ex-Rocker: Zeitung nennt den vollen Namen

„Erhängt in der Zelle – Ex-Rocker ´Kanone´ ist tot“ titelt eine Regionalzeitung. Es geht um den Suizid eines mutmaßlichen Bankräubers. Der Mann, der als Mitglied einer Rocker-Bande mehrere Banküberfälle begangen haben soll, sei leblos in seiner Zelle in einer Justizvollzugsanstalt im Verbreitungsgebiet der Zeitung aufgefunden worden. Der Text nennt Vornamen und abgekürzten Nachnamen sowie das Alter des Verstorbenen. Zum Beitrag gestellt ist ein Foto des Mannes, bei dem die Augenpartie von einem schwarzen Balken überdeckt ist. Das Foto stammt offensichtlich aus einem sozialen Netzwerk und enthält in der Unterschrift den vollen Namen und den Spitznamen des Ex-Rockers. Im Text wird der Verstorbene zunächst als „der Verhaftete“,, „der mutmaßliche Bankräuber“ und „der Beschuldigte“ benannt. Dann jedoch – im fünften und im achten Absatz des Beitrages – ist vom „Täter“ die Rede. Eine Leserin der Zeitung kritisiert den Beitrag. Die Zeitung veröffentliche das Foto aus dem sozialen Netzwerk mit dem vollen Namen des mutmaßlichen Bankräubers. Die identifizierende Darstellung sei nicht durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt. Stellenweise werde der Beschuldigte vorverurteilt. Der Mann sei in der Untersuchungshaft gestorben, ohne dass es ein Gerichtsurteil oder ein Geständnis gegeben habe. Dennoch spreche die Zeitung an mehreren Stellen vom „Täter“. Der Chefredakteur der Zeitung weist darauf hin, dass das beanstandete Foto aus Facebook stamme, wo es in der von der Zeitung wiedergegebenen Form von jedermann jederzeit abgerufen werden könne. Dennoch bedauere die Redaktion ausdrücklich, dass nicht der ursprünglich geplante Bildausschnitt, sondern der mit dem Namen des Beschuldigten abgedruckt worden sei. Den Vorwurf der Vorverurteilung weist der Chefredakteur ebenfalls zurück. Nur zur Vermeidung von Wiederholungen sei an zwei Stellen im Artikel der Begriff „Täter“ verwendet worden. Ansonsten werde der in der Haft verstorbene Mann mehrmals presseethisch korrekt dargestellt.

Weiterlesen

PR-Text als redaktioneller Beitrag

In einer Lokalzeitung erscheint im Rahmen einer Anzeigensonderveröffentlichung ein Beitrag unter dem Titel „Mercedes-Benz Vito“. In der Unterzeile heißt es: „Kostenzwerg, Nutzlastriese und Sicherheitsexperte“. Einen Tag danach veröffentlicht die gleiche Zeitung unter der Rubrik „Automarkt“ einen nahezu identischen Beitrag mit der Überschrift „Kostenzwerg, Nutzlastriese und Sicherheitsexperte“. Ein Leser der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Er moniert, dass die Zeitung einen PR-Text als redaktionellen Artikel veröffentlicht habe. Der für Sonderthemen zuständige PR-Redakteur der Zeitung teilt mit, dass der in der Sonderveröffentlichung „Autoneuheiten“ veröffentlichte Beitrag keine Anzeige, sondern ein redaktioneller Text sei. Dieser sei in einem Anzeigenumfeld platziert worden. Dass beide Beiträge mit identischem Text an aufeinanderfolgenden Tagen erschienen seien, erkläre sich durch die Tatsache, dass die Zeitung seit Jahren in loser Folge samstags neue Automodelle vorstelle, die von lokalen Autohändlern angeboten würden. In diesem Fall seien aufgrund organisatorischer Umstände Sonderveröffentlichung und Modellvorstellung so eng zusammengerückt. Die Doppelung erkläre sich durch die Verwendung von Texten aus dem Presseportal der Hersteller. Aufgrund der strengen Vorgaben für die Berichterstattung inklusive der Möglichkeit von Abmahnungen verwende man die Presseveröffentlichung der Händler. Dies auch, „um auf der sicheren Seite zu sein“.

Weiterlesen

Die Bebauung des Tempelhofer Feldes

Die Online-Ausgabe einer Berliner Zeitung berichtet unter der Überschrift „Wie Madonna für Tempelhof wirbt“ über den Unterstützer eines Volksbegehrens gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes. Der Mann, der als der „Kommunikationswirt aus der Yorckstraße“ bezeichnet wird, habe in dieser Zeitung eine ganzseitige Anzeige geschaltet, in der Madonna, Hartmut Mehdorn, Bill Gates, Eberhard Diepgen und Graciano Rocchigiani als „prominente Tempelhof-Freunde“ erwähnt würden – ohne dass sie davon wüssten. Der im Text erwähnte Unterstützer des Volksbegehrens ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Er sieht in der Veröffentlichung einen Verstoß gegen den Pressekodex. Der Passus „der Kommunikationswirt aus der Yorckstraße“ stelle eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte dar, da es sich hierbei um einen Hinweis auf seine Privatadresse handele. Diese sei jedoch im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für das Volksbegehren nie kommuniziert worden. Er verlange deshalb die Löschung des gesamten Artikels. Per E-Mail überreicht der Beschwerdeführer später ein Schreiben der Anwaltskanzlei, die den Zeitungsverlag vertritt. Darin heißt es, dass die Redaktion die Bezeichnung „Yorckstraße“ aus dem Onlinebeitrag entfernt habe, ohne eine Rechtspflicht anzuerkennen. Dazu heißt es, dass der Beschwerdeführer diese Bezeichnung selbst im geschäftlichen Verkehr als E-Mail-Signatur verwende und sie unter anderem auf seinem Profil im sozialen Netzwerk „Xing“ als sein geschäftliches Impressum angegeben sei. Der Beschwerdeführer erwidert, dass die E-Mail-Signatur nicht zur Veröffentlichung seiner Privatadresse berechtige und er sein Xing-Profil erst seit einem viel späteren Zeitpunkt betreibe. Der Chefredakteur der Zeitung schreibt in seiner Stellungnahme, die Nennung der Straße sei zulässig, weil dadurch der örtliche Zusammenhang mit dem Tempelhofer Feld deutlich werde, für das der Beschwerdeführer sich öffentlich eingesetzt habe. Vollständige Adressen veröffentliche die Redaktion selbstverständlich nicht. Die Gefahr, dass Rückschlüsse auf die Adresse des Beschwerdeführers möglich seien, sieht der Chefredakteur nicht, da die Yorck-Straße vergleichsweise lang sei.

Weiterlesen

Zwei Betrachtungsweisen für ein Foto

Eine Regionalzeitung veröffentlicht online unter der Überschrift „Ich bin nicht ferngesteuert“ ein Porträt über einen der Initiatoren eines Volksbegehrens gegen die Bebauung des Tempelhofer Flugfeldes in Berlin. Der Beitrag enthält ein Foto des Mannes. Dieser ist Beschwerdeführer in diesem Fall. Er sieht mit dem Beitrag seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Das Foto sei lange vor dieser Veröffentlichung in einem ganz anderen Zusammenhang aufgenommen worden, nämlich nach der Premiere des Stauffenberg-Films „Walküre“. Er habe damals der Reporterin auf deren Frage hin seine Meinung zu dem Film gesagt und zugestimmt, dass von ihm ein Foto zur Veröffentlichung gemacht werde. Jetzt sei das Bild stark vergrößert in schlechter Qualität wiederum in der Zeitung abgedruckt worden, wahrscheinlich mit der Absicht, ihn schlecht aussehen zu lassen. Das habe mit seriösem Journalismus nichts zu tun. Der Beschwerdeführer bittet um Löschung des Textes und die Entfernung des Fotos. Eine von der Zeitung beauftragte Rechtsanwaltskanzlei teilt Jahre später mit, dass die Redaktion das beanstandete Foto – ohne eine Rechtspflicht anzuerkennen – aus dem Beitrag gelöscht habe. Nach Meinung der Chefredaktion der Zeitung ist das Foto eine neutrale Porträtaufnahme. Sie hält die Veröffentlichung für zulässig und beruft sich dabei auf das öffentliche Interesse im Zusammenhang mit den Aktivitäten des Mannes. Das Bild sei inzwischen entfernt worden. Der Text jedoch werde weiterhin Nutzern der Online-Ausgabe zur Verfügung stehen. Der Beschwerdeführer habe sich mit seinem Anliegen in die Öffentlichkeit begeben und müsse daher die Berichterstattung über sich und seine Initiativen dulden.

Weiterlesen

Vater schlägt Baby fast den Schädel ein

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung titelt „Kleine Isabel, was hat dein Vater dir angetan?“ Es geht um ein drei Monate altes Baby, das mit massiven Schädel-Hirn-Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden sei und dort in Lebensgefahr schwebe. Dem Vater werde vorgeworfen, das Kind misshandelt zu haben. Drei Fotos sind dem Bericht beigestellt. Eines zeigt den Eingang zu dem Wohnhaus, in dem die Tat geschehen ist, ein weiteres die Eltern und Geschwister des misshandelten Babys und das dritte das verletzte Kind während der intensivmedizinischen Behandlung. Auf dem Familienfoto ist das Gesicht des mutmaßlichen Täters mit einem schwarzen Balken versehen. Die Gesichter der übrigen Personen sind verpixelt. Lediglich das Bild des Tatortes trägt eine Urheberkennung. Eine Leserin der Zeitung sieht in dem Beitrag mehrere Verstöße gegen presseethische Grundsätze. Es sei unzulässig, das Baby während der intensivmedizinischen Behandlung zu zeigen. Dadurch würden die Persönlichkeitsrechte des Säuglings verletzt. Zur journalistischen Sorgfalt gehöre es, Fotos mit Urhebernachweisen zu kennzeichnen. Dass dies unterblieben sei, lässt darauf schließen, dass das Bild der Redaktion aus der Klinik zugespielt worden sei. Die Rechtsvertretung der Zeitung bezeichnet die Kritik an der Berichterstattung als nachvollziehbar. Jedoch könne in diesem Fall das besondere öffentliche Interesse nach der Misshandlung eines Babys nicht außer Acht bleiben. Die Redaktion habe sich nach sorgfältiger Abwägung dazu entschlossen, in dieser Form auf die immer wieder zu beklagenden Fälle von Kindesmisshandlung hinzuweisen. Das Bild vom Baby im Krankenhaus habe die Redaktion von einem Informanten erhalten, der auf die schreckliche Tat mit einem Foto habe hinweisen wollen. Das Bild sei also nicht mit unlauteren Mitteln beschafft worden. Es sei zu respektieren, dass der Informant unerkannt bleiben wolle. Deshalb habe die Redaktion auf die sonst übliche Urheberkennung verzichtet. Eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Säuglings liege auch nicht vor. Es bestehe zum einen ein besonderes öffentliches Interesse an dem aufsehenerregenden Fall. Andererseits sei das Kind nicht zu identifizieren, weil in diesem Alter von wiedererkennbaren Merkmalen noch nicht die Rede sein könne. Schließlich weist die Zeitung den Vorwurf der unangemessen sensationellen Berichterstattung zurück. Das beanstandete Foto möge zwar schockieren und nur schwer zu ertragen sein, doch dringe der Fall so viel tiefer in das Bewusstsein der Menschen ein als die reine Wortberichterstattung.

Weiterlesen

Wehrlosigkeit des Opfers ausgenutzt

Die Regionalausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über einen Mordfall. Täter (16) und Opfer – eine junge Frau – hätten sich bei der Freiwilligen Feuerwehr kennengelernt. Der junge Mann habe das Opfer in seinem Kinderzimmer erwürgt und die Leiche etwa 50 Meter vom Elternhaus entfernt an einem Maisfeld abgelegt. Er sei wenige Tage nach der Tat festgenommen worden und habe das Verbrechen gestanden. Das Urteil des Landgerichts habe auf neun Jahre Freiheitsstrafe gelautet. Die Gerichtssprecherin wird von der Zeitung so zitiert: „Der Angeklagte nutzte die Wehrlosigkeit des Opfers aus. Sein Mordmotiv war die Befriedigung seines Geschlechtstriebes.“ Das Gericht sei mit seinem Urteil nur ein Jahr unter der Höchststrafe geblieben. Weil weitere Straftaten zu befürchten seien, sei die Unterbringung des Täters in einer geschlossenen Einrichtung angeordnet worden. Die Redaktion erwähnt jeweils die Vornamen und abgekürzten Nachnamen sowie das Alter von Täter und Opfer. Sie nennt auch den Namen des Ortes, in dem der Mann die Tat begangen hatte sowie den Namen des Kreises, aus dem das Opfer stammt. Täter und Opfer werden im Bild gezeigt. Unter dem Foto des jungen Mannes steht: „Dieser Milchbubi ist ein Mörder“. Beschwerdeführer sind die anwaltlich vertretenen Eltern des Täters. Sie sind der Ansicht, dass die Berichterstattung gegen Ziffer 8 des Pressekodex verstößt. Für die identifizierbare Darstellung des 16-Jährigen gebe es kein öffentliches Interesse, das dessen Persönlichkeitsrecht überwiegen könnte. Zwar sei der Gerichtsprozess wie auch das Urteil von öffentlichem Interesse gewesen, doch rechtfertige das nicht die identifizierbare Darstellung des Täters. Dies gelte umso mehr, als es sich bei ihm um einen 16-Jährigen handele, dessen Interessen aufgrund seines Alters besonders schutzwürdig seien. Die gewählte Art der Berichterstattung habe auch nicht etwa der Fahndung oder einem Aufruf an die Bevölkerung gedient, sondern einen reißerischen Charakter gehabt. Die Rechtsabteilung der Zeitung stellt fest, dass Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Berichterstattung in der Regel nicht identifizierbar sein sollen, doch sei die Berichterstattung über minderjährige Straftäter keinesfalls grundsätzlich unzulässig. Im vorliegenden Fall sei die Redaktion nach reiflicher Abwägung zu dem Schluss gekommen, dass es sich hier nicht um einen Regelfall handele. Auch die gegnerische Anwältin räume ein, dass es sich „um einen durchaus Aufsehen erregenden und für die Öffentlichkeit interessanten Prozess“ gehandelt habe. Auf dem veröffentlichten Foto, das der Täter selbst auf Facebook gepostet habe, sei ein freundlich und vertrauenswürdig wirkender Jugendlicher zu sehen. In diesem Glauben müsse ihn das Opfer zu Hause besucht haben.

Weiterlesen

Das Haus des „Rambo-Gewerkschafters“

Die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins berichtet unter der Überschrift „Weselskys Altbau-Fassade: So versteckt sich Deutschlands oberster Streikführer“ über den Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und dessen Wohnsituation. Er lebe in einem Haus im Leipziger Stadtteil Neustadt- Neuschönefeld, „nur wenige hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt.“ Weiter heißt es in dem Artikel: „In der Straße haben sich Rechtsanwälte und Psychologen niedergelassen – und mittendrin lebt Weselsky in einem schmucken Altbauhaus. Die Klingelschilder zeigen zehn Wohnparteien. ´Fam. Weselsky` steht auf dem untersten. Doch eigentlich müsste der Name ganz oben stehen, denn der Wohnbereich des 55-Jährigen unterscheidet sich grundlegend von anderen Wohnungen auf dem Grundstück, wie sich nach dem Eintreten in das Gebäude zeigt. Hinter dem Eingang mit den zwei großen Säulen, führen kurz darauf ein paar Treppenstufen hinab zu einer zweiten großen Tür. Der Briefkasten mit der Aufschrift ´Fa. Weselsky´ verrät die Identität des berühmten Bewohners. Hinter der Tür öffnet sich ein Innenhof mit einem kleinen, rotverklinkerten Häuschen. Der geheime Rückzugsort des GDL-Chefs. Er lebt abgeschieden.“ (Die Fehler wurden aus dem Original übernommen). Dem Artikel sind mehrere Fotos beigestellt. Eines zeigt die Fassade des Weselsky-Wohnhauses, ein anderes das mit „Fa. Weselsky“ beschriftete Klingelschild. 34 Leser der Zeitschrift wenden sich mit Beschwerden an den Presserat. Sie sehen gleich eine ganze Reihe von Ziffern des Pressekodex verletzt. Vor allem geht es um das Persönlichkeitsrecht des Gewerkschaftsvorsitzenden und den Schutz des privaten Wohnsitzes nach Richtlinie 8.8 des Pressekodex. Die Privatwohnung Weselskys habe mit dem Lokomotivführerstreik nichts zu tun. Unterschwellig ermuntere der Beitrag die Leser, Weselsky zu Hause aufzusuchen und ihm die Meinung zu sagen. Andere Beschwerdeführer kritisieren, dass Reporter den Wohnsitz des Gewerkschaftsführers aufgesucht und fotografiert hätten, sowie mit Nachbarn gesprochen hätten. . Damit hätten sie Stalking bzw. Nachstellung im Sinne von Paragraf 238 StGB betrieben. Die Bezeichnungen des Betroffenen als „aktuell der wohl meistgehasste Deutsche“ und „Rambo-Gewerkschafter“ seien ehrverletzend und kämen dem Aufruf zu einer Hetzjagd gleich. Der Chefredakteur des Magazins spricht vom seinerzeit alles beherrschenden Thema Bahnstreik. Da habe es nahegelegen, sich mit der Person des Gewerkschaftsbosses Weselsky zu befassen. Dabei habe man auch dessen Wohnumstände geschildert. Wer sich entscheide, im öffentlichen Leben eine wichtige Rolle zu spielen, könne nicht deren Geheimhaltung beanspruchen. Im Übrigen habe die Wohnung selbst im Bericht überhaupt keine Rolle gespielt. Der Text beschränke sich auf eine allgemeine Beschreibung des Gebäudes und eine ungefähre Angabe seiner Lage. Negative Folgen des Artikels seien nicht bekannt geworden. Weselsky selbst habe keinen Anlass gesehen, die Redaktion auch nur informell zur Entfernung des Wohnhaus-Bildes aufzufordern.

Weiterlesen