Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6642 Entscheidungen
Eine Regionalzeitung berichtet über die Inhaftierung eines Psychologen, der Patientinnen sexuell missbraucht und seine Schweigepflicht verletzt haben soll. In dem Beitrag werden außer dem Beruf der Vorname des Mannes, der Anfangsbuchstabe seines Nachnamens und sein Wohnort genannt. Unter der Überschrift „Staatsanwalt ermittelt gegen Psychotherapeuten – Frauen auf der Couch sexuell missbraucht?“ schildert eine Boulevardzeitung den selben Vorfall. Im ersten Satz des Artikels werden die Behauptungen quasi als bewiesen dargestellt: „Seine Opfer waren Patienten, die in tiefen Depressionen zu ihm kamen“. Die Ehefrau des Betroffenen legt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Durch die Angaben in den Zeitungen werde ihr Mann für sein näheres Umfeld identifizierbar. Zudem würden auch sie und ihr 15jähriger Sohn durch die Art der Berichterstattung belastet. Die Praxengemeinschaft, die sie mit ihrem Mann betreibe, sei ebenfalls geschädigt. Der erste Satz in der Boulevardzeitung sei zudem präjudizierend, da er den Eindruck erwecke, die Vorwürfe der Anklage seien bereits bewiesen. Die Chefredaktion der Regionalzeitung weist darauf hin, dass die Redaktion sehr wohl abgewogen habe zwischen öffentlichem Interesse und Persönlichkeitsrecht. Die Entscheidung, den in Untersuchungshaft genommenen Psychologen näher zu kennzeichnen, sei zu begründen mit der Art der Delikte. Eine Anonymisierung hätte nicht nur alle Angehörigen dieser Berufsgruppe in der Stadt zu Verdächtigen gemacht, sondern auch alle Patientinnen aller Psychologen in der Stadt verunsichert. Die Eingrenzung sei zudem vorgenommen worden, um den Kreis der tatsächlich betroffenen Patientinnen aufmerksam zu machen. Die Boulevardzeitung hält die Beschwerde für völlig unbegründet. An keiner Stelle ihres Artikels sie auch nur annähernd von einem abschließenden Tatvorwurf im Sinne einer Vorverurteilung die Rede. Außerdem könne nicht erwartet werden, dass eine Berichterstattung aus Eigeninteresse gegebenenfalls so anonymisiert werde, dass der Leser nicht mehr erfahre, worauf sich ein Ermittlungsverfahren dieses Deliktbereichs beziehe. (1996)
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Ein Boulevardblatt berichtet, der ehemalige Staatsratsvorsitzende der DDR, Egon Krenz, leiste sich mit seiner Frau ein feines, kleines Feriengrundstück an der mecklenburgischen Ostseeküste. Der Verkehrswert des Anwesens mit reetgedecktem Haus betrage um die 320.000 Mark. Einen Tag später berichtet eine weitere Zeitung über denselben Sachverhalt. Beide Zeitungen fragen, woher der arbeitslose ehemalige Chef der SED das Geld für den Kauf und sein scheinbar sorgenfreies Leben habe. Und sie zitieren Krenz mit der Antwort, seine Frau habe das Haus gekauft. Die Frau des ehemaligen DDR-Politikers wendet sich an den Deutschen Presserat. In beiden Artikeln seien sachlich falsche Behauptungen enthalten. So habe sie das Grundstück nicht gekauft, sondern gepachtet. Der Verkehrswert betrage zudem nicht 320.000 Mark, sondern laut Wertgutachten lediglich 64.200 Mark. Das Haus habe auch nicht 60, sondern nur 35 qm Wohnfläche. Die Redaktionsleitung der einen Zeitung beruft sich auf den Ehemann. Der habe schließlich von einem Kauf durch seine Frau gesprochen. Die Aussage, das Anwesen habe einen Wert von 64.200 Mark, sei absurd. Nirgends an der Ostsee könne ein derartiges Seegrundstück zu einem solchen Preis erworben werden. Die Größe der Wohnfläche sei unerheblich. Entscheidend sei die Feststellung, dass sich das Ehepaar etwas derart Exklusives leisten könne. Darüber dürfe in jedem Falle berichtet werden. In Ergänzung dieser Stellungnahme lässt die Rechtsabteilung des Verlages den Presserat wissen, sie habe inzwischen beim zuständigen Liegenschaftsamt nachgefragt. Danach sei für das Krenz-Grundstück an der Ostsee ein Erbbaurechts-Vertrag auf 30 Jahre abgeschlossen worden. Das Erbbaurecht behandele Erbbauberechtigte hinsichtlich Grundstück und Haus wie Eigentümer. Unter diesen Umständen sei die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe das Grundstück lediglich gepachtet, falsch, während die Mitteilung, dass das Anwesen gekauft worden sei, keineswegs als unzutreffend bezeichnet werden könne. Die Chefredaktion der zweiten Zeitung beruft sich auf die Berichterstattung der ersteren. Da von den Betroffenen trotz mehrfacher Versuche keine Stellungnahme zu erhalten war, sei der zuständige Redakteur davon ausgegangen, dass die im Konkurrenzblatt enthaltenen Angaben zum Wert des Grundstücks richtig gewesen seien. (1996)
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“Ein Mann wusste nicht mehr weiter”, schreibt eine Boulevardzeitung und schildert, wie sich der 37jährige inmitten des Berufsverkehrs einer deutschen Großstadt ein Messer in den Hals rammt. Die Menschen um ihn herum hätten den am Boden Liegenden nicht beachtet. Erst nach 45 Minuten sei einer stehen geblieben. In einem Foto wird gezeigt, wie ein Notarzt dem Mann zu helfen versucht. Vergeblich, heißt es zum Schluss der Unterzeile. Der Landesvorstand des Deutschen Journalistenverbandes schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Veröffentlichung des Fotos sei geschmacklos. Die Zeitung erklärt, das Opfer sei auf dem Foto nicht zu erkennen gewesen. Es mache durchaus Sinn, das Bild dem Beitrag beizustellen. Damit könne den Lesern vor Augen geführt werden, wie die Mitmenschen sich in einer solchen Situation verhalten. Nämlich desinteressiert und herzlos. (1996)
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Der Kolumnist einer Lokalzeitung beschäftigt sich mit der Gleichstellungsstelle im Rathaus der Stadt. Eine der Mitarbeiterinnen dort werde ihrer rundlichen Formen wegen als “Fass” bezeichnet. Inzwischen sei der Personalrat mit der Affäre befasst, da die Betroffene sich um eine Versetzung bemüht hätte, weil sie diese Form des Mobbings nicht mehr ertragen könne. Im selben Beitrag schreibt der Autor, aus dem Stadtrat sei der Vorschlag zu hören, über die Legitimation der Gleichstellungsstelle zu diskutieren. Man habe von dort schon lange keinen brauchbaren Tätigkeitsnachweis erhalten. Dem Vernehmen nach solle auch eine Stelle eingespart werden, damit das Büro nicht zu einem Fass ohne Boden werde. Die Frauenbeauftragte der Stadt führt Beschwerde beim Deutschen Presserat. Der Artikel enthalte unbegründete Behauptungen und ehrverletzende Beschuldigungen, die den Ruf und das Ansehen der Gleichstellungsstelle schädigen. Die als Informationen aus dem Stadtrat gekennzeichneten Aussagen über Zweifel an der Einrichtung und die Einsparung einer Stelle seien falsch. Auch sei die in dem Beitrag erwähnte Mitarbeiterin von ihren Kolleginnen nie diskriminiert worden. Die Zeitung erklärt, der Bericht über die Vorgänge in der Gleichstellungsstelle basiere auf glaubhaften Quellen. Informant sei ein prominentes Mitglied des Stadtrates, dessen Namen man aber nicht nennen wolle. Auch den Namen der Mitarbeiterin möchte die Zeitung nicht preisgeben. Selbst in einem weiteren Artikel, in dem die Frau zu der Veröffentlichung Stellung bezieht, wird ihre Anonymität gewahrt. Nach Einschätzung der Zeitung kommt es der städtischen Angestellten vor allem darauf an, den Eindruck zu zerstreuen, sie selbst sei die Informantin gewesen. Ein solches Eingeständnis habe wohl der Stadtdirektor in einem Gespräch von ihr verlangt. (1996)
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Ein 23-Jähriger kommt mit dem Wagen seines Vaters von der Fahrbahn ab und wird tödlich verletzt. Die Zeitung am Ort zeigt das Autowrack im Bild und erwähnt in der Unterzeile Namen, Alter und Wohnort des Getöteten. Der Vater des Unglücksopfers sieht dadurch die ohnehin vorhandenen Belastungen seiner Familie unnötig erhöht. Sein Rechtsanwalt fordert eine Rüge des Deutschen Presserats. Die Zeitung erklärt, sie habe den Namen des Verunglückten veröffentlicht, weil Unfall und Person am Nachmittag des Unfalltages an dem Wohnort des Opfers und dessen näherer Umgebung bereits bekannt gewesen seien. Die Leser in einem kleinstädtisch-ländlichen Raum erwarteten bei inoffiziell kreisenden Nachrichten eine klare Information durch ihre Heimatzeitung. Für künstliche Anonymisierungsversuche hätten sie keinerlei Verständnis. Solche würden sie als lächerlich empfinden. (1996)
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In zwei Artikeln berichtet eine Lokalzeitung über die Fahndung nach einem der angeblichen Reemtsma-Entführer. Im ersten Bericht wird der Wohnort der Eltern genannt. Im zweiten Artikel wird das Elternhaus im Foto gezeigt und die Straße im Ort angegeben. Eine Leserin der Zeitung beanstandet in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat die eindeutigen Hinweise auf die Eltern des mutmaßlichen Geiselnehmers. Die Angaben seien für das Verständnis des Vorgangs nicht notwendig. Sie dienten lediglich der Befriedigung der Sensationslust. Die Zeitung dagegen sieht ein öffentliches Interesse an der Bekanntgabe des Wohnortes der Eltern. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sei der Mann bereits international zur Fahndung ausgeschrieben worden. Die Information über die genaue Lage seines Elternhauses hätte nach Ansicht der Zeitung möglicherweise dazu führen können, dass der Gesuchte gefasst wird. (1996)
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Unter der Überschrift “Abgeordnete wollen Muttertag abschaffen” berichtet ein Boulevardblatt, einige Politikerinnen wollten den Muttertag abschaffen, weil er den Müttern angeblich nichts bringe. Drei namentlich genannte Bundestagsabgeordnete, alle der selben Partei angehörend, nehmen dazu Stellung. Alle Zitate beschäftigen sich kritisch mit dem Muttertag und beinhalten eine negative Grundtendenz. Ein anschließendes Info klärt auf: Der Muttertag kommt aus Amerika, wird dort seit 1914 gefeiert. In Deutschland 1923 eingeführt, wird er seit 1933 an jedem 2. Sonntag im Mai begangen. Die drei zitierten Bundestagsabgeordnete wenden sich an den Deutschen Presserat. Die Zitate, die man ihnen zuschreibe, seien aus dem Zusammenhang gerissen und sinnentstellend wiedergegeben worden. Durch die Überschrift entstehe beim Leser der Eindruck, dass es sich um eine parlamentarische Initiative von Politikerinnen handele. Diese Annahme treffe jedoch nicht zu. Der Artikel sei rufschädigend und habe den Beschwerdeführerinnen politisch geschadet, was eine Vielzahl von Protestschreiben beweise. Die Chefredaktion der Zeitung stellt nicht in Frage, dass der Autor des Beitrags einen unzulässigen Schluss gezogen hat. Seine Informationen seien falsch gewesen. Die Zeitung habe sich bei den betroffenen Abgeordneten entschuldigt und interne Konsequenzen gezogen. (1996)
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Der bevorstehende Besuch des Papstes in Berlin ist Thema eines Zeitungsberichts. Einleitend heißt es. “In drei Tagen kommt der Papst. Alle warten schon auf ihn: der Leib Christi im Keller des Olympiastadions, über 100.000 Hostien, die im uckermärkischen Alexanderdorf gebacken wurden und bereits ins Stadion gebracht worden sind, ...”. Die Schlagzeile lautet: “Der Leib Christi im Keller”. Ein Theologe sieht durch diese Aussage das religiöse Empfinden der Katholiken verletzt. Durch die Verwechslung der Hostien, die erst in der Messfeier zum Leib Christi werden, mit dem Leib Christi entstehe beim Leser der Eindruck, es sei durch die Lagerung im Keller zu einer unehrfürchtigen Handlung gekommen. Dies wäre nach dem Kirchenrechtsbuch der Straftatbestand der Profanierung. Die Zeitung räumt ein, dass ihr die Wortwahl nicht geglückt ist. Sie meint aber, ihren Lesern doch mitgeteilt zu haben, dass es sich eben nicht um in der Messfeier konsekrierte Hostien, sondern um einfache Hostien vor ihrer Verwendung in der Messfeier gehandelt habe. (1996)
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