Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6642 Entscheidungen
Eine Boulevardzeitung berichtet online über die sechs Jahre zurückliegende Ministerpräsidentenwahl im thüringischen Landtag. Ihren Recherchen zufolge sei Bodo Ramelow nur dank einer AfD-Stimme ins Amt gehoben worden, und zwar mit 46 von 90 Stimmen. Im Artikel kommt ein damaliger AfD-Abgeordneter zu Wort, der angibt, nach Anfrage durch SPD-Politiker seine Stimme für Ramelow abgegeben zu haben. Ein Leser der Zeitung bemängelt, es werde im Beitrag als wahr dargestellt, dass Ramelow mit einer AfD-Stimme zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Tatsächlich habe der Erfurter Landtag 2014 – anders als im Artikel dargestellt – aus 91 Abgeordneten bestanden. Rot-Rot-Grün habe mit 46 Abgeordneten die absolute Mehrheit gehabt. Ramelow sei im zweiten Wahlgang mit 46 Stimmen gewählt worden. Eine Stimme sei ungültig gewesen. Es habe eine Enthaltung gegeben. Es sei also sehr wahrscheinlich, dass die erforderlichen 46 Stimmen alle aus der rot-rot-grünen Fraktion gekommen seien. Zumindest sollte diese Möglichkeit in dem Beitrag genannt werden. Die Rechtsabteilung der Zeitung stellt fest, der Beitrag mache für jeden Leser erkennbar, dass es der Abgeordnete selbst gewesen sei, der die Zeitung darüber informiert habe, dass im Jahr 2014 namhafte SPD-Politiker auf ihn mit der Frage zugekommen seien, ob er Bodo Ramelow seine Stimme geben könne. Der Abgeordnete gegenüber der Redaktion: „Das habe ich dann auch getan“. Dass es eventuell aber auch ganz anders gewesen sein kann, habe die Redaktion gegen Ende des Beitrages ebenfalls deutlich gemacht, in dem man Bodo Ramelow wie folgt zitiert habe: „Das kann ich mir nicht vorstellen!“ Die Rechtsabteilung: Wieso es auf einmal presseunethisch sein solle, dass Medien Darstellungen von selbst und unmittelbar an einem zeitgeschichtlich bedeutsamen Geschehen Beteiligten zitieren, sei für sie nicht ersichtlich.
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Eine in Bayern erscheinende Regionalzeitung veröffentlicht eine Beilage mit dem Titel „Die Region wählt“. Auf der Titelseite steht der Hinweis „Verlags-/Anzeigenbeilage der … -Zeitung“. Im Inneren der Beilage stellen sich Landrats-, Bürgermeister-, Kreistags- und Stadtratskandidaten vor. Diese Vorstellungen sind jeweils mit der Kennzeichnung „Anzeige“ versehen. Im Impressum auf Seite 3 der Beilage ist der gleiche Hinweis zu lesen. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass die Beilage nicht als Werbung erkennbar sei. Sie erwecke zudem den falschen Eindruck, als würden darin alle Kandidaten von der Redaktion vorgestellt. Die in der Publikation enthaltenen Anzeigen stammen allerdings ausschließlich von der CSU und den Freien Wählern. Die Geschäftsführung der Zeitung teilt mit, dass es sich bei der Beilage um ein bezahltes Anzeigen-Angebot an alle Kandidaten und Kandidatinnen für die Kommunalwahlen handele, sich vorzustellen und ihre programmatischen Gedanken als Anzeige und in Interviewform zu präsentieren. Dass die veröffentlichten Anzeigenbeiträge kostenpflichtig seien, werde nicht verschwiegen, sondern ergebe sich aus dem Titel der Beilage als „Verlags-/Anzeigenbeilage“. Jeder Partei bzw. Wählervereinigung sei es selbstverständlich freigestellt gewesen, sich für dieses Angebot zu entscheiden oder davon keinen Gebrauch zu machen. Daher schreibe die Zeitung auch in der Einleitung: „Daher erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für den Inhalt der einzelnen Anzeigen sind die Kandidaten verantwortlich“. Die Redaktion habe weder konzeptionell noch inhaltlich auf die Beilage Einfluss gehabt. Die Kennzeichnung der Beilage als „Verlags-/Anzeigenbeilage….“ entspreche den Vorgaben des bayerischen Landespressegesetzes.
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Eine Programm-Zeitschrift berichtet unter der Überschrift „Homöopathie für unterwegs“ über homöopathische Mittel für die Reiseapotheke. Sie teilt mit, dass die Präparate als Globuli, Tabletten und Salben angeboten würden, und benennt eine Firma als Bezugsquelle. Für weitere Informationen wird auf eine Internet-Seite verwiesen. Ein Leser der Zeitschrift kritisiert, dass die Redaktion für einen einzelnen Homöopathie-Hersteller werbe. Die Nennung des Unternehmens verstoße gegen die Ziffer 7 des Pressekodex (Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten). Es gebe keinen erkennbaren redaktionellen Grund, einen einzelnen Hersteller herauszustellen. Der Autor werbe insgesamt völlig unkritisch für homöopathische Mittel. Der Leser bezeichnet die Nennung des Herstellers als Schleichwerbung. Die Rechtsabteilung der Zeitschrift weist die Beschwerde als unbegründet zurück. Die Nennung des Herstellers diene dem Informationsinteresse der Leser. Eine Gegenleistung für die Erwähnung habe es nicht gegeben. Eine Beeinflussung der Redaktion durch ökonomische Interessen habe nicht stattgefunden. Die Nennung eines bestimmten Herstellers sei darin begründet gewesen, dass es sich dabei mit Abstand um den größten Hersteller von homöopathischen Mitteln in Deutschland handele. Die Produkte dieses Herstellers seien erfahrungsgemäß in den meisten Apotheken vorrätig. Die gute Verfügbarkeit sei vor allem im Blick auf die aktuell durch die Corona-Pandemie bedingten Engpässe bei einigen Arzneiprodukten ein relevanter Grund für die Nennung.
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„Nackter Mann in Münchner U-Bahn“ – so überschreibt eine Boulevardzeitung einen Beitrag. Darin wird berichtet, dass ein Mann nur mit einem Hemd bekleidet durch einen Münchner U-Bahnhof gelaufen ist. Auf einem beigestellten Foto ist der Mann – versehen mit einem Augenbalken - zu sehen. Ein Leser der Zeitung teilt dem Presserat mit, dass er den Mann kennt. Er sieht dessen Persönlichkeitsschutz verletzt und kritisiert eine herabwürdigende Darstellung. Die Rechtsabteilung des Blattes sieht keine Verletzung presseethischer Grundsätze. Der Betroffene werde nicht identifizierbar dargestellt. Sein Name werde nicht einmal in abgekürzter Form genannt. Es sei durchgängig nur von „einem Mann“ die Rede. Zudem werde sein Gesicht durch einen breiten Gesichtsbalken anonymisiert. Unabhängig davon wäre auch selbst dann kein Verstoß gegen den Pressekodex gegeben, wenn die Redaktion über den Mann identifizierend berichtet hätte. Es gehe hier um eine Straftat, die sich in der Öffentlichkeit abgespielt habe. Ziffer 8, Richtlinie 8.1, Absatz 2, Satz 3, führe als Regelbeispiel für das Überwiegen des berechtigten Interesses der Öffentlichkeit gegenüber den schutzwürdigen Interessen von Betroffenen das Begehen der Tat in der Öffentlichkeit an.
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„Er klingelte wegen offener Gebühren – GEZ-Kassierer an Haustür erstochen!“ Unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung über eine Bluttat. Der Bericht wird im Innern der Ausgabe fortgesetzt. Überschrift zu diesem Beitrag: „GEZ-Mann – als er klingelte, stach der Killer zu“. Zum Beitrag gestellt ist ein Foto des Opfers. In einem Service-Kasten wird erläutert, dass der Beitragsservice – früher GEZ – keine eigenen Mitarbeiter beschäftige, die an Wohnungstüren klingeln. Zu den Schuldnern würden Mitarbeiter von Vollstreckungsbehörden geschickt. Ein Leser der Zeitung sieht mehrere Verstöße gegen den Pressekodex. So sei es falsch, dass die GEZ eigene Kassierer beschäftige. Das sei seit dem Jahr 2013 nicht mehr der Fall. Der Chefredakteur der Zeitung verteidigt die Wahl der in den Überschriften verwendeten Formulierungen. Die bewertend-zusammenfassenden Aussagen seien von der grundgesetzlich garantierten Presse- und Meinungsfreiheit geschützt. Im Text werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Tatopfer nicht um einen aus früheren Zeiten bekannten „Eintreiber“ von GEZ-Gebühren gehandelt hat, sondern um einen Vollstreckungsbeamten.
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Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online ein Video unter der Überschrift „Flugzeugabschuss im Iran: Das sind die deutschen Opfer“. Im Bericht geht es um den Abschuss einer ukrainischen Boing im Iran. Unter den Todesopfern waren vier Deutsch-Iraner. Die Zeitung nennt zwei Opfer namentlich. Eines wird im Bild gezeigt. Ein Leser der Zeitung hält die Darstellung der Opfer in Wort und Bild für unvereinbar mit der Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsrechte). Der Chefredakteur der Zeitung argumentiert, die Öffentlichkeit habe vor allem bei spektakulären Ereignissen ein besonderes Interesse daran, von den Medien umfassend – durchaus unter Einbeziehung von Einzelschicksalen - informiert zu werden. Ziffer 8 erlaube ausdrücklich eine identifizierende Berichterstattung, wenn das Informationsinteresse die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiege. Das sei hier der Fall. Der Chefredakteur hält die Beschwerde für unbegründet. Er teilt zudem mit, dass die Redaktion das Video - eine Woche vor dem Eingang der Beschwerde zur Stellungnahme - freiwillig aus dem Online-Angebot der Zeitung genommen habe.
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Eine örtliche Online-Plattform analysiert unter der Überschrift „Hat Ingolstadt seine Zukunft hinter sich?“ die wirtschaftliche Situation der oberbayerischen Stadt in Zeiten der Corona-Krise. Unter anderem schreibt der Autor: „Und genau in dieser Situation übernimmt nach den Kommunalwahlen im Mai ein Stadtrat das Ruder, der zum einen aus vielen neuen und völlig unerfahrenen Mitgliedern besteht. Und der zum anderen durch die drastisch veränderten Mehrheitsverhältnisse keine Entscheidungen erwarten lässt, die von wirtschaftlicher Kompetenz geprägt sind.“ Zur anstehenden Oberbürgermeister-Stichwahl heißt es in dem Beitrag, niemand wisse, ob die Bürger mehrheitlich Willens seien, mitten in dieser folgenschwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg den amtierenden und im Katastrophenmanagement involvierten OB gegen einen unerfahrenen Neuling zu tauschen. Eine Woche später berichtet die Online-Plattform über die OB-Wahlen in Ingolstadt. Einer der Kandidaten, der amtierende Oberbürgermeister, habe angesichts der Corona-Krise keine Zeit für einen Wahlkampf. Er habe sich daher mit einem Brief an die Wähler gewandt. Zwei Nutzer des Online-Auftritts wenden sich mit Beschwerden an den Presserat. Beide kritisieren, dass es sich bei den beiden Artikeln um Kommentare handele, die die persönliche, parteipolitische Meinung des Autors wiedergäben. Es fehle ein Hinweis auf den Kommentar-Charakter der Beiträge. Der Autor sei Mitglied der CSU und habe erfolglos für den Stadtrat kandidiert. Er sei ein Unterstützer des CSU-OB. Mit den Veröffentlichungen – so die Beschwerdeführer – schaffe man Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit des Mediums ab. In den Vorprüfungen wurden beide Verfahren auf Ziffer 6 des Pressekodex (Trennung von Tätigkeiten/Doppelfunktionen) beschränkt. Der Chefredakteur teilt mit, es sei richtig, dass der Autor der beiden kritisierten Beiträge bei den Kommunalwahlen für die CSU kandidiert habe. Dieser versichere aber, dass er nicht Mitglied der Partei sei. Auch der Autor nimmt Stellung. Bei den beanstandeten Texten handele sich um Features, die naturgemäß etwas pointiert seien. In keinem Fall habe es sich um einen Text gehandelt, der eine Klassifizierung als Kommentar erfordert hätte.
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Eine Boulevardzeitung berichtet gedruckt an zwei Tagen über einen schweren Verkehrsunfall in Südtirol. Die Überschrift des ersten Beitrages lautet: „ER raste 7 junge Deutsche tot“, die des zweiten: „Diese jungen Leben zerstörte der Totraser“. Ein Mann war in Luttach/Südtirol mit einem Sportwagen zu schnell und stark alkoholisiert in eine Gruppe junger deutscher Skiurlauber gerast und hatte sieben von ihnen getötet. Die Zeitung zeigt Fotos von fünf Opfern und nennt die Vornamen. Zwei der Getöteten sind identifizierbar. Die Zeitung nennt Details aus dem Leben der Verunglückten, wie Herkunft, Beruf und Hobbys. Gezeigt wird auch ein Foto des Autofahrers, der mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen genannt wird. Die Zeitung berichtet über den Unfall auch online unter der Überschrift „Jetzt hat Stefan L. sieben Menschen auf dem Gewissen“. Sie zeigt ein Foto des Fahrers und Bilder der Opfer, teilweise verpixelt, teilweise unverfremdet. Zwei verpixelte Fotos sind mit dem Hinweis versehen, dass die Redaktion die Fotos auf Wunsch der Familien verpixelt habe. Auch online nennt die Zeitung Details aus dem Leben der Opfer. Fünf Leserinnen und Leser der Zeitung beschweren sich über die Berichterstattung. Einige kritisieren, dass die Opfer identifizierbar dargestellt würden. Die erkennbare Darstellung sei für die Berichterstattung ohne Belang und verletze die Persönlichkeitsrechte der jungen Leute. Andere Beschwerdeführer kritisieren, dass auch ein Foto des Fahrers gezeigt werde, ohne ihn unkenntlich zu machen. Der Chefredakteur der Zeitung hält den Beschwerden entgegen, dass nach Ziffer 8, Richtlinie 8.1, Absatz 1, des Pressekodex es der Presse ausdrücklich aufgetragen sei, über Straftaten und Ermittlungsverfahren zu berichten. Die Veröffentlichung von Namen und Fotos sei dann presseethisch unbedenklich, wenn das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiege. Im vorliegenden Fall würden gleich mehrere Kriterien des Kodex erfüllt. Wochenlang habe der Fall die Öffentlichkeit beschäftigt. Es könne keine Bedenken geben, wenn die Zeitung über die Hintergründe der Tat und die Einzelheiten berichte.
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„Nicht in Zwietracht anderer Länder einmischen“ – so lautet die Überschrift eines Leserbriefes, der in einer Regionalzeitung abgedruckt wird. Der Einsender setzt sich mit den Aussagen des evangelischen Bischofs Heinrich Bedford-Strohm zur Flüchtlingspolitik auseinander. Kernaussage: Die Aufnahme von Flüchtlingen sei nicht mit der Bibel zu rechtfertigen. Der Leserbrief enthält diese Passage: „Jesus hat zwar geboten, den Armen, Kranken und Bedürftigen beizustehen, er hat aber nicht gesagt, dass wir unsere Mörder, Diebe, Unruhestifter, Vergewaltiger, Schläger, Messerstecher und unsere Lebensverächter in unsere Länder und Häuser holen sollen, damit sie schneller unsere Länder verwüsten und unser Leben ruinieren und töten können. Ein friedliches, harmonisches Zusammenleben auf Dauer gibt es mit Islam-Angehörigen in keinem Land der Welt. Das wird es auch bei uns nicht geben.“ Eine Leserin der Zeitung sieht in dieser Passage eine Diffamierung und Herabsetzung der muslimischen Religionsgemeinschaft und jedes einzelnen Muslims als Mensch. Man könne sicher einiges gegen den Islam im Rahmen einer sachlichen Diskussion vorbringen, aber alle Muslime pauschal als „Mörder, Diebe, Unruhestifter Vergewaltiger, Schläger und Messerstecher“ zu bezeichnen, sei Volksverhetzung und erinnere an das Vokabular der Nazi-Hetzschrift „Der Stürmer“. Der Chefredakteur der Zeitung stellt klar, dass dieser Brief so nicht in der Zeitung hätte erscheinen dürfen. Bei der Bearbeitung sei es zu Fehlern gekommen, für die er sich im Namen der Redaktion bei den Leserinnen und Lesern entschuldige.
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