Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Jugendliche machen sich über Obdachlosen her

Unter der Überschrift „Jugendliche verhöhnen verletztes Opfer“ berichtet eine überregionale Tageszeitung über einen Vorfall in München. Dem Bericht zufolge hätten Jugendliche einen Obdachlosen auf eine Treppe gelockt. Sie hätten ihren Spaß daran gehabt, als der Mann stürzte und sich dabei schwer verletzte. Die jungen Leute hätten dem Verletzten nicht geholfen. Im Gegenteil – sie hätten sich über den Mann lustig gemacht. Ob sie ihr Opfer auch filmten und fotografierten, um im Internet damit anzugeben, müssten die weiteren Ermittlungen zeigen, so die Polizei. Die Jugendlichen seien wegen Körperverletzung, unterlassener Hilfeleistung und Verstößen gegen den Infektionsschutz angezeigt worden. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass aufgrund der Ortsangabe und des Alters der jungen Männer er sofort eine Ahnung bekommen habe, um welche Gruppe es sich handeln könnte, nämlich Leute aus dem Bekanntenkreis seines Sohnes. Die Geschehnisse seien von Seiten der Jugendlichen deutlich anders geschildert worden. Der Beschwerdeführer sieht in der Art der Berichterstattung eine Verletzung der Ziffer 13, Richtlinie 13.3, des Pressekodex (Vorverurteilung). Er spricht von einer sensationsheischenden und reißerischen Art der Berichterstattung. Zwar würden keine Namen genannt, doch seien die Jugendlichen durch die Angabe ihres Alters und die präzise Ortsangabe zumindest für ihre Nachbarschaft identifizierbar. Die Rechtsabteilung des Verlages beruft sich auf eine Pressemitteilung der Polizei. Wenn auch die Polizei als privilegierte Quelle zu betrachten sei, habe der bearbeitende Redakteur die Pressemeldung nicht unkritisch übernommen, sondern habe der Pressestelle zahlreiche Fragen zu dem Vorkommnis gestellt. Es habe eine gewisse Öffentlichkeit (Zeugin, mehrere Polizeibeamte, Kameraaufzeichnungen) gegeben, unter deren Augen sich die Tat zugetragen habe. Völlig am Thema vorbei gehe der Einwand des Beschwerdeführers, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen seien durch die Darstellung zu identifizieren.

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Ohne Einwilligung keine Veröffentlichung von Opferfotos

Keine falschen Tatsachenbehauptungen

Eine Wochenzeitung berichtet online unter der Überschrift „Führung als Farce“ über Auseinandersetzungen, die der ehemalige juristische Direktor einer Rundfunkanstalt mit der Redaktion führt. Der Autor nennt unter anderem Aussagen, die der Ex-Direktor der Redaktion untersagen lassen will. Beschwerdeführer ist der im Artikel namentlich genannte frühere Direktor. Er kritisiert, der Beitrag sei nach dem Erwirken einer einstweiligen Verfügung einfach im Text abgeändert worden, ohne dass dies kenntlich gemacht worden sei. Der Leser, der den Artikel heute abrufe, habe also den Eindruck, die heutige Fassung sei schon die frühere Version gewesen. Dies sei aus seiner Sicht ein klarer Verstoß gegen die Ziffer 3 des Pressekodex (Richtigstellung). Auf einen Brief habe die Chefredakteurin bislang nicht reagiert. Die Chefredaktion teilt mit, das Schreiben des Beschwerdeführers sei zu einem Zeitpunkt in der Redaktion angekommen, als die juristische Auseinandersetzung noch in einer akuten Phase war. Die Chefredaktion weist darauf hin, dass der kritisierte Beitrag auf eine Auseinandersetzung mit dem Beschwerdeführer zurückgehe. Dabei gehe es um einen Podcast, in dem ein Redakteur des Rundfunksenders mit dem langjährigen Rundfunkrat über den Umgang der Funkanstalt mit dem Vorwurf sexueller Belästigung von Mitarbeiterinnen spricht. Dabei werde auch der Beschwerdeführer als ehemaliger Justiziar des Senders genannt. Äußerungen eines Belästigungsopfers hätten Anlass gegeben, die Rolle des Justiziars zu beleuchten. Die Chefredaktion weist die Vorwürfe des Beschwerdeführers in allen Punkten zurück.

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Vorwurf: Falsche Bezugsgröße gewählt

Verunsicherung und erbitterte Diskussionen

Eine Regionalzeitung zitiert unter der Überschrift „Durchseuchung der Schulen“ den Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, Meidinger. Dieser hatte sich in einem Interview mit einer anderen Zeitung so geäußert: „Neuere Studien hätten herausgefunden, dass zwischen 0,3 und 1,7 Prozent der mit Corona infizierten Kinder im Krankenhaus behandelt werden müssten. Bezogen auf Deutschland bei knapp elf Millionen Schülern hieße das, dass zwischen 30.000 und 180.000 in Krankenhäusern behandelt werden müssten.“ Ein Leser der Zeitung macht Verstöße gegen mehrere presseethische Grundsätze zur Basis seiner Beschwerde beim Presserat. Der Autor des Beitrages stelle eine völlig falsche Tatsachenbehauptung hinsichtlich der Anzahl möglicher hospitalisierter Kinder auf. Mit einer einfachen Recherche hätte der Autor feststellen können, dass der zitierte Präsident des Lehrerverbandes eine falsche Bezugsgröße gewählt habe. Dies habe in seinem direkten Umfeld zu erheblicher Verunsicherung bei Lehrern und Eltern und erbittert geführten Diskussionen geführt. Der Beschwerdeführer fordert die Redaktion auf, diesen Sachverhalt zu prüfen und eine Richtigstellung zu veröffentlichen. Richtig sei es, die Rate von 121 Fällen pro hunderttausend Kinder in der Bevölkerung auf die 11.000.000 Kinder in Deutschland hochzurechnen. Dann errechne sich eine Zahl von 13.310 hospitalisierter Kinder innerhalb eines Zeitraums von 17 Monaten. Für die Zeitung nimmt der verantwortliche Redakteur zu der Beschwerde Stellung. Die vom Beschwerdeführer behauptete Sorgfaltspflichtverletzung stamme aus einem Agenturbericht und sei durch das Agenturprivileg gedeckt. Eine Nachprüfung tatsächlicher Angaben durch die Redaktion sei damit nicht erforderlich gewesen.

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Mangelnde Kommunikation mit einer Partei

Eine Regionalzeitung veröffentlicht eine Artikelserie zur bevorstehenden Kommunalwahl. Einleitend heißt es jeweils: „Wir haben alle zur Kommunalwahl in (…) antretenden Parteien zu den wichtigsten Themen befragt.“ Ein Leser der Zeitung stellt fest, dass diese Aussage nicht auf die ebenfalls kandidierende AfD zutreffe. Die Partei sei von der Zeitung nicht befragt worden. Die Behauptung, alle antretenden Parteien seien zu den wichtigsten kommunalen Themen befragt worden, sei falsch. Dann berichtet die Redaktion erneut über die bevorstehende Wahl und stellt fest, man habe in früheren Berichten mit der AfD nicht rechnen können, da sich die Kandidaten erst „kurz vor Fristende“ hätten aufstellen lassen. Der Chefredakteur der Zeitung stellt fest, die AfD habe die Redaktion von ihrer Kandidatur nicht in Kenntnis gesetzt. Sie betreibe in der fraglichen Stadt keinerlei Öffentlichkeitsarbeit. Von einer Bewerbung für die Kommunalwahl sei der Redaktion demzufolge zum Zeitpunkt der Umfrage nichts bekannt gewesen. Daher sei die Partei in dieser Phase der Wahlberichterstattung zunächst nicht einbezogen worden. Die AfD habe auch nicht mitgeteilt, dass sie kurz vor Toressschluss offenbar doch noch Kandidaten benannt habe. Aufgrund der fehlenden Kommunikation durch die AfD sei diese bei der klassischen Themen-Umfrage tatsächlich nicht vorgekommen. Die örtliche Redaktion habe dennoch über die Partei, ihre Kandidaten und deren Antritt bei der Wahl sachgerecht und inhaltsbezogen berichtet. „Unglücklich“ sei die Behauptung, “alle Parteien“ seien befragt worden. Das hätte korrigiert werden müssen.

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Eine Bluttat „wie aus dem Nichts“

Eine Boulevardzeitung berichtet online über ein Tötungsdelikt. In einem ersten Beitrag lautet die Überschrift „Wer erstach Marietta B. (70)?“ Die Seniorin sei „wie aus dem Nichts“ in ihrer Wohnung niedergemetzelt worden. Die Redaktion nennt die Straße, in der die Frau gewohnt hatte. Der Beitrag informiert über die Familienverhältnisse (drei Töchter, ein Sohn) und über den Nachbarn, der die Tote gefunden habe. Die Zeitung zeigt ein verpixeltes Foto des Opfers und informiert darüber, dass das Opfer mit seinem Sohn Tarek B. zusammengewohnt habe, in der Wohnung darunter seine Tochter Corinna O. Von Verdächtigen fehle jede Spur. Später berichtet die Zeitung, dass die Tochter unter Tatverdacht festgenommen worden sei. Wieder zeigt die Redaktion das verpixelte Foto. Im Fokus der Ermittlungen hätten zunächst die drei Töchter, darunter Zwillinge, und der Sohn des Opfers gestanden. Drei der vier erwachsenen Kinder hätten - so die Polizei – immer noch eng von der Mutter betreut werden müssen. Eines der Zwillingsmädchen sei ein besonderes Sorgenkind gewesen, berichte eine Nachbarin, Es habe die Mutter ständig beschimpft. Der Beschwerdeführer in diesem Fall ist der Ehemann einer der Töchter. Folge der Berichterstattung sei, dass seine Schwägerin Nachrichten auf Facebook bekomme. Darin sei die Rede davon, dass sie ihre Mutter getötet habe. Das veröffentlichte Foto des Opfers, das von der Familie nicht freigegeben worden sei, stamme wohl von einer Nachbarin. Er sieht auch Verstöße gegen den Opferschutz nach Ziffer 8 des Kodex wegen der Verwendung des Fotos sowie die Nennung der Vornamen der Kinder. Er vermutet zudem eine Vorverurteilung, weil behauptet werde, seine Frau habe unter Verdacht gestanden. Die zuständige Redakteurin sieht den Persönlichkeitsschutz gewährleistet. Die Redaktion habe sämtliche Namen und Fotos der erwachsenen Kinder besessen, aber auf die Veröffentlichung verzichtet. Ihrer Sorgfaltspflicht habe die Redaktion u. a. durch die Verwendung des Konjunktivs Genüge getan. Das verwendete Foto des Opfers – so die Redakteurin weiter – sei von einer nahen Angehörigen freigegeben worden. Die Informationen stammten zum großen Teil von einer Tochter, die in der Wohnung unter der ihrer Mutter wohne, sowie einem Nachbarn und zwei Freundinnen des Opfers. Niemand habe etwas dagegen gehabt, dass die Redaktion über den Mord an der Rentnerin berichtet.

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Öffentlich mit Sex geprahlt?

Wie kann man die Arbeitsplätze sichern?

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online und tags darauf gedruckt unter der Überschrift „Klimaschutz kostet hunderttausende Jobs!“ ein Interview mit dem Vorsitzenden der IG Metall. Auf die Frage „Industriepolitik und Klimapolitik widersprechen sich also?“ wird der Gewerkschaftschef wie folgt zitiert: „Nein, ich bin überzeugt, dass wir den Wandel zu einer klimaneutralen Wirtschaft schaffen können. Aber dafür brauchen die Industrie und die dort Beschäftigten jetzt Planungssicherheit, andernfalls sind mehr als 100.000 Jobs in Gefahr. Wenn wir aber jetzt massiv Ladesäulen bauen, in Batteriezellfabriken und Recycling investieren, eine Wasserstoffinfrastruktur aufbauen, Unternehmen davon abhalten, alles in Billiglohnländer zu verlagern und die Menschen aktiv weiterbilden, dann kann die Transformation ein Erfolgsmodell werden. Aber was wir bei Teilen der Politik und der Unternehmen erleben, ist Trägheit – und die gefährdet Arbeitsplätze.“ Drei Leser kritisieren die Veröffentlichung in Form einer Beschwerde. Die Überschrift verfälsche massiv die Äußerungen des Interviewten. Tatsächlich habe er gesagt, dass ein „Weiter so“ viele Arbeitsplätze kosten, bei richtiger Klimaschutzpolitik aber sichern werde. Die Rechtsvertretung des Verlages hält die Beschwerde für unbegründet. Der Überschrift vorangestellt sei die Dachzeile „IG Metall-Chef Jörg Hofmann warnt“. Dadurch werde die Aussage der Überschrift von Anfang an in den Bereich einer potentiellen Gefahr eingeordnet. Es handele sich also nicht um eine gesicherte Erkenntnis, sondern vielmehr um ein drohendes Szenario, vor dem der Gewerkschaftsboss lediglich „warnt“.

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Ein Widerspruch zwischen Theorie und Praxis?

„Öko-Heuchelei? Bei SUVs liegen Grünen-Wähler vorne“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung online über die Untersuchung eines Marktforschungsinstituts. Unter dem Zwischentitel „Grünen-Anhänger: In der Theorie Klimaschützer, in der Praxis oft Klimasünder“ heißt es, das Ergebnis überrasche. Laut der Studie habe jeder sechste befragte Grünen-Sympathisant einen Geländewagen vor der Haustür stehen. Es scheine also durchaus etwas dran zu sein am sich hartnäckig haltenden Klischee vom besserverdienenden grünen Bürgertum, das mit dem SUV zum Bioladen fahre. Ein Leser der Zeitung wirft der Zeitung vor, sie veröffentliche auf Facebook und ihrer Homepage regelmäßig zweifelhafte Artikel. Es gehe meistens darum, E-Autos zu „bashen“. Immer gehe es gegen die Grünen, deren Wähler oder eben E-Autos. Die Chefin vom Dienst der Zeitung merkt an, bei der beanstandeten Berichterstattung handele es sich um die sachliche Darstellung der Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts. Die Dachzeile des Artikels sei schon vor einiger Zeit angepasst worden, da sie zu Missverständnissen in der Leserschaft geführt habe. Die erste Version habe man in den sozialen Medien nicht mehr verbreiten wollen. Dies sei durch einen internen Fehler aber doch geschehen. Dieses Missgeschick bittet die Zeitung zu entschuldigen. Der Artikel sei nunmehr offline genommen worden.

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