Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.
6642 Entscheidungen
Eine Zeitung veröffentlicht online einen Nachruf auf einen Berliner Musiker. Die Überschrift lautet: „Nachruf an Peter Hollinger“: In sich für sich selbst genug“. Im Beitrag wird die Lebensgeschichte des Musikers erzählt: „Als er aus seiner Wohnung raus musste, nahm er sich das Leben. Nachruf auf einen, der nicht nur in der Musik keine Kompromisse einging. In den letzten 15 Jahren lebte er mit einer Musiker-Familie zusammen. Er war eng mit seiner Wohnung verwoben und verließ sie selten. Der ersten Räumungsklage der Wohnungseigentümerin gab das Gericht nicht statt. Wegen eines psychiatrischen Gutachtens wurde der Termin um drei Monate verschoben, dann noch einmal. Aber kein drittes Mal. ´Bevor ich hier raus muss, hänge ich mich auf´. Das war Peters Standpunkt, das erzählte er den Nachbarn, das wusste jeder im Haus. Man war besorgt, doch was sollte man tun? Peter Hollinger war kein Mann für Kompromisse.“ Ein Leser erkennt einen Verstoß gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.7, des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit/Selbsttötung). Im Artikel werde keine Zurückhaltung in der Berichterstattung über die Selbsttötung gewahrt. Die Redaktion berichte über die Art der beabsichtigten Selbsttötung. In gewisser Weise habe der Autor die Selbsttötung relativiert und ins Positive gerückt. Es werde ausgesagt, dass der Verstobene kein Mann für Kompromisse gewesen sei. Zwischen den Zeilen deute der Autor an, dass dieser Mann schwer psychisch krank gewesen sei und dringend Hilfe benötigt hätte. Doch das werde mit keinem Wort gesagt, so der Beschwerdeführer. Der für die Nachrufe-Seite verantwortliche Redakteur nimmt zu der Beschwerde Stellung. Seit Jahrzehnten veröffentliche die Zeitung einmal in der Woche eine Nachrufseite über nicht prominente Berliner. Schon oft habe die Redaktion über Menschen geschrieben, die ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt hätten. Warum solle die Redaktion dies ausgerechnet im Fall des selbstbestimmten Todes nicht tun?
Weiterlesen
In einem Beitrag, den ein Redaktionsnetzwerk veröffentlicht, geht es unter der Überschrift „Debatte um die Studienleistungen von Annalena Baerbock – das sind die Fakten“ um den beruflichen Werdegang der Politikerin. Im Netz würden falsche Behauptungen verbreitet und Fragen gestellt. Diese unterzieht die Redaktion einem Faktencheck. Unter anderem heißt es im Beitrag: „Ist Annalena Baerbock eine Juristin? Nein. Jura hat sie im Nebenfach studiert. (…) Baerbock hat Politikwissenschaften im Hauptfach und dann den britischen Masterstudiengang in ´Publik International Law´ (absolviert). ´Volljuristen´ müssen in Deutschland aber zwei Staatsexamen nachweisen.“ Ein Nutzer des Netzwerks vermutet Verstöße gegen die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit) und 2 (Sorgfalt) des Pressekodex. Der Artikel treffe die Aussage, dass man in Deutschland mit einem „Master of Laws“ nicht als „Jurist“ oder „Juristin“ bezeichnet werden dürfe, obwohl die Bezeichnung Juristin/Jurist keine geschützte Berufsbezeichnung sei. Damit sei die Schlussfolgerung „nein“ auf die Frage „Ist Annalena Baerbock eine Juristin?“ falsch. Es handele sich nicht um einen akademischen Titel. Die Bezeichnung „Jurist“ werde mit der umgangssprachlichen Bezeichnung „Volljurist“ durcheinandergeworfen. Der Geschäftsführer des Netzwerks nimmt zu der Beschwerde Stellung. Die Bezeichnung „Juristin“ oder „Jurist“ werde umgangssprachlich als Oberbegriff für Personen verwendet, die einen klassischen juristischen Beruf wie Anwalt, Staatsanwalt oder Richter ausübten bzw. die Qualifikation dafür hätten. Frau Baerbock bezeichne sich selbst nicht als „Juristin“, sondern als „Völkerrechtlerin“, da ihr die Qualifikation für die Ausübung eines klassischen juristischen Berufs fehle. Die vom Beschwerdeführer angegriffene Textpassage mache deutlich, dass die Bezeichnung als „Völkerrechtlerin“ korrekt sei.
Weiterlesen
„Leonie (13) in Wien vergewaltigt und ermordet – Was das Amt alles für den Mädchen-Killer getan hat! Das sind die vier Tatverdächtigen – Leonie fiel Dealer-Clique in die Hände“. So überschreibt eine Boulevardzeitung online einen Beitrag. Im Beitrag wird mitgeteilt, drei ihrer mutmaßlichen Peiniger (16, 18 und 23) seien gefasst worden Ein weiterer Mann (22) werde per Haftbefehl gesucht. Die Polizei teilt mit, Leonie sei mit Ecstacy gefügig gemacht, vergewaltigt und anschließend getötet worden. Im Beitrag ist die Rede davon, dass es sich bei den mutmaßlichen Tätern um eine „Gruppe afghanischer Drogendealer“ gehandelt habe. Die afghanische Staatsbürgerschaft sei – so die Zeitung – von der Polizei bestätigt worden. Deren Aufenthaltsstatus, Vorstrafen etc. werden unter der Überschrift „Das ist über die vier Tatverdächtigen bekannt“ dargestellt. Eine Leserin der Zeitung sieht durch die Berichterstattung mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Sie erkennt eine Vorverurteilung der verdächtigen Personen. Zwar werde in der Unterzeile zur Überschrift von Tatverdächtigen geschrieben, doch suggeriere die Überschrift, dass es sich dabei um die Täter handele. Die Zeitung mache mit ihrem Artikel Stimmung gegen Personen mit Fluchthintergrund. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist den Vorwurf der Vorverurteilung zurück. Er sei unbegründet. In dem Artikel würden die vier Tatverdächtigen bereits in der Unterzeile und mehrfach im folgenden Text als solche bezeichnet. Sie würden also gerade nicht als verurteilte Täter dargestellt. Der Vorwurf der Vorverurteilung sei daher völlig unverständlich.
Weiterlesen
Eine Boulevardzeitung berichtet online über eine Messerasttacke in Würzburg. Sie zeigt zwei Fotos des mutmaßlichen Täters, wie er von der Polizei überwältigt wird und wie er mit einem Messer durch die Stadt läuft. Die Szene wird auch in einem beigefügten Video gezeigt. In einem weiteren Artikel wird der bayerische Innenminister Joachim Herrmann zitiert. Ihm zufolge sei der mutmaßliche Täter bereits in den vergangenen Monaten aufgefallen und zwangsweise in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen worden. Die Beschwerdeführerin bittet um Prüfung, ob die Veröffentlichung der Fotos gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.1, des Pressekodex verstoße. Eine Schuldfähigkeit des mutmaßlichen Täters sei bis jetzt nicht erwiesen worden. Außerdem sei bekannt gewesen, dass der Mann schon zuvor in psychiatrischer Behandlung gewesen sei. Die Rechtsabteilung des Verlags hält die Berichterstattung über die Messerattacke von Würzburg geradezu für ein Paradebeispiel für die Anwendung von Ziffer 8, Richtlinie 8.1, Absatz 2, des Kodex (Schutz der Persönlichkeit/Kriminalberichterstattung). Bei der gebotenen Abwägung zwischen den berechtigten Interessen der Öffentlichkeit und den schutzwürdigen Interessen des somalischen mutmaßlichen Täters seien zunächst die Intensität des Tatvorwurfs zugunsten des öffentlichen Interesses zu berücksichtigen. Die Messerattacke in Würzburg mit mehreren Todesopfern stelle zweifellos eine außergewöhnlich schwere und in ihrer Art und Dimension besondere Straftat dar. Diese sei in aller Öffentlichkeit verübt worden. Aus diesen Gründen sei die Beschwerde unbegründet.
Weiterlesen
Eine Regionalzeitung berichtet unter der Schlagzeile „Abdirahman J.: Islamist, krank – oder beides?“ über den mutmaßlichen Angreifer von Würzburg. Dieser habe bereits vorher bei einem Streit in einer Obdachlosenunterkunft zu einem Messer gegriffen. Das berichtet der Generalstaatsanwalt. Die Redaktion zeigt ein unverpixeltes Foto des Verdächtigen. Der mutmaßliche Täter wird im Text unter anderem als „Angreifer“, „Messerangreifer“ und „Täter“ bezeichnet. Ein Leser der Zeitung kritisiert die identifizierende Abbildung des mutmaßlichen Täters. Er sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen die Richtlinie 8.1 (Kriminalberichterstattung). Er vermutet außerdem durch die Überschrift eine Vorverurteilung nach Ziffer 13 des Kodex. Diese rücke zudem nach Ziffer 12 (Diskriminierungen) Moslems in den Bereich des Generalverdachts als potenzielle Kriminelle. (Anmerkung des Presserats: Die Beschwerde wurde im Vorfeld nicht auf Ziffer 12, sondern nur auf die Ziffern 8 und 13 zugelassen). Die Erwähnung der Nationalität des Tatverdächtigen war nach Richtlinie 12.1 gerechtfertigt, da es sich um eine besonders schwere Tat gehandelt habe. Außerdem ist im Text nicht zu erkennen, dass Muslime generell diskriminiert werden. Der Autor teilt mit, es sei nie seine Absicht gewesen, Moslems pauschal zu kriminalisieren. Diesen Vorwurf weise die Redaktion mit Nachdruck zurück. Ihr zu unterstellen, Moslems unter Generalverdacht zu stellen, sei eine Verdrehung der Tatsachen, für die es im Text keine Anhaltspunkte gebe.
Weiterlesen
Eine Glosse, die gedruckt und online in einer überregionalen Zeitung erschienen ist, veranlasst ein Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina zu einer Beschwerde beim Presserat. Der Autor der Glosse hatte Beobachtungen des Verhaltensforschers Konrad Lorenz aufgegriffen. Der habe bei einem Vogel eine sogenannte „Leerlaufhandlung“ beobachtet. Dabei geht es um das Schnappen nach nicht vorhandenen Insekten. Erklärung für dieses merkwürdige Verhalten des Vogels: Er sei von einer aktionsspezifischen „Triebenergie“ durchflossen. In der Glosse – so die Zeitung – werde ein Bezug zu den Äußerungen des Beschwerdeführers hergestellt. Es heiße darin, der Beschwerdeführer sei „seit Monaten hinter dem her, was er in einem Zeitungsbeitrag jetzt als ´organisierte Freiheitsberaubung´ beschrieben hat: Den Kampf der Staaten gegen die Pandemie. Auch die bislang 300 Millionen offiziell genannten Todesopfer lassen ihn nicht zweifeln, dass es sich bei den Schutzmaßnahmen um einen ´Teufelspakt´ handele. Die ´Quasi-Diktatur´ mit den Corona-Maßnahmen, der Antiterrorkampf einer ´Big Brother-Lobby´ und auch die Eindämmung des Klimawandels durch die Peitschenhiebe von Vater Staat sind für den Philosophen alles Fliegen unter der weißen Decke seines keimfrei libertären Denkgebäudes.“ Der Beschwerdeführer geht von einem Verstoß gegen die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) und 9 (Schutz der Ehre) des Pressekodex aus. Der Artikel bestehe aus Diffamierungen gegen ihn. Er habe am Erscheinungstag der Glosse einen Brief an die Herausgeber der Zeitung geschrieben mit der Bitte, die dort angefügte Replik als Leserbrief zu veröffentlichen, aber keine Antwort erhalten. Die Zeitung teilt mit, es handele sich hier um eine Glosse, die ein erfahrener Redakteur und studierter Biologe verfasst habe. Der Autor setze sich dabei kritisch mit den öffentlichen Äußerungen des Beschwerdeführers auseinander. Dieser teile nicht mit, worin genau er die von ihm angenommenen Ehrverletzungen sehe.
Weiterlesen
„Klinik muss Mädchen 1,2 Millionen zahlen“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung über ein Urteil des Landgerichts Paderborn wegen eines groben Behandlungsfehlers. Beschwerdeführer in diesem Fall ist der Hauptgeschäftsführer des Klinikums. Er wirft der Zeitung vor, mehrere Falschaussagen verbreitet zu haben. Diese seien dazu geeignet, in der Bevölkerung Wut gegen das Krankenhaus zu schüren und darüber hinaus einen hohen wirtschaftlichen Schaden zu verursachen. Der Beschwerdeführer kritisiert schon die Überschrift. Nicht die Klinik zahle dem Mädchen 1,2 Millionen Euro, sondern die Versicherung. Im zweiten Absatz des Artikels werde das Krankenhaus einbezogen in die Aussage, dass jede Abschlagszahlung verweigert worden sei. Auch das sei falsch. Nach dem Verfahren und den Zuständigkeiten könne nur der Versicherer Abschlagszahlungen gewähren. Ferner verschweige die Zeitung, dass es im Lauf des Verfahrens mehrere Gutachter gegeben habe, darunter auch solche, die dem Krankenhaus kein schuldhaftes Versäumnis bestätigt hätten. Der Beschwerdeführer nennt noch mehrere Beispiele für seine Behauptung, dass die Zeitung nicht korrekt berichtet habe. Der Chefredakteur der Zeitung stellt fest, die Überschrift fasse das Urteil des Landgerichts Paderborn zusammen. Ob die Zahlung an das Mädchen letztlich von einer Versicherung abgedeckt sei, die das Geld überweise, sei für die Berichterstattung unerheblich. Verurteilt worden sei allein das Krankenhaus. Der Chefredakteur weist auch die übrigen Vorwürfe des Beschwerdeführers zurück.
Weiterlesen
Ein Nachrichtenmagazin berichtet unter der Überschrift „Verdammtes Erbe“ über das „lange Sterben“ des Journalisten Tilman Jens. Dieser war ein Sohn von Walter und Inge Jens und hat vor einiger Zeit Suizid begangen. Anlass des Artikels ist das gerade erschienene Buch „Die Freiheit zu leben – und zu sterben: Ein Bekenntnis“ von Tilman Jens. In der Rezension heißt es, es hätte eigentlich ein Buch über ein Leben mit Diabetes Typ 2 sein sollen, aber dann ein Buch über ein “gehetztes Leben“ geworden. Der Autor schreibt auch dies: „Das Leben eines Menschen, der nie das Gefühl hatte, zu genügen“. Ein Leser des Magazins sieht einen Verstoß gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.7, wonach bei der Berichterstattung über Selbsttötung Zurückhaltung geboten ist. Es werde eine konkrete Handlungsanleitung als bewährt geschildert. Er meint damit dieses Zitat: „…und wenn dann die Kräfte eines Tages nicht mehr reichen, in Dankbarkeit und mit Trotz aus dem Leben scheiden: Schlaftabletten, eine Flasche Wodka und eine übergestülpte Plastiktüte. Hemingway hat´s auf seine Weise vorgemacht. The party is over. Nach mir die Sintflut.“ Die Rechtsvertretung des Nachrichtenmagazins nimmt zu der Beschwerde Stellung. Der Beschwerdeführer verkenne, dass es bei einem Nachruf auf einen führenden Intellektuellen und gleichzeitiger Buchbesprechung seiner Lebensabrechnung kaum denkbar sei, zurückhaltender zu berichten. Der Justiziar spricht von einem großen öffentlichen Informationsinteresse. Er stellt die rhetorische Frage: Solle man nicht mehr erfahren dürfen, wie Kleist, Hemingway oder auch Uwe Barschel aus dem Leben geschieden seien? Insgesamt – so der Justiziar abschließend – sei nicht nachzuvollziehen, wie anders hätte berichtet werden sollen.
Weiterlesen
„Arbeitgeber von Spahns Ehemann verkaufte Masken an Gesundheitsministerium“ – einen Artikel mit dieser Überschrift veröffentlicht eine überregionale Tageszeitung online. Das kommentiert – ebenfalls online – ein Leser der Zeitung. Er schreibt unter anderem: „Kurz und gut: Der andere Zausel ist nicht sein Ehemann, sondern sein Sexgespiele! Mich kotzt es langsam an, dass perverse Beziehungen immer mehr zur Norm gesetzt werden, die Beziehung zwischen einer Frau und einem Mann dahinter rückt. CDU? Nein! Nie wieder. Widerlich!“ Ein anderer Leser der Zeitung wendet sich mit seiner Beschwerde an den Presserat. Nach seiner Ansicht ist der Leserkommentar beleidigend und diskriminierend. In einer Mail habe er die Redaktion darauf hingewiesen und sie gebeten, den Beitrag zu löschen und den Kommentator zu verwarnen. Eine Reaktion habe er nicht bekommen. Der Kommentar sei immer noch im Netz zu lesen. Der Chefredakteur der Zeitung gibt dem Beschwerdeführer Recht. Der Kommentar der Redaktion und der des Lesers seien absolut inakzeptabel und müssten gelöscht werden. Das sei mittlerweile geschehen Der Nutzer sei gesperrt worden. Er bitte den Beschwerdeführer um Entschuldigung. Bei bis zu 30.000 eingehenden Kommentaren täglich rutschten inakzeptable Beiträge immer mal wieder ins Online-Angebot, mal durch algorithmisches, dann wieder durch menschliches Versagen. Im konkreten Fall habe es der Nutzer bewusst und massiv darauf angelegt, mit inakzeptablen Kommentaren durchzukommen. Das sei ihm leider in Teilen gelungen.
Weiterlesen
Eine Regionalzeitung berichtet, ein Mitarbeiter der Landes-SPD-Fraktion sei wegen der Vergewaltigung einer Grünen-Politikerin angeklagt worden. Die im Beitrag namentlich genannte Grünen-Spitzenkandidatin habe nach eigenen Angaben 2017 in einer Beziehung mit dem jetzt Angeklagten gelebt. 2019, etwa eineinhalb Jahre nach der Trennung, habe sie Strafanzeige erstattet. Ende August 2020 habe sie über Twitter zumindest zeitweise veröffentlicht, dass sie ihren Vergewaltiger angezeigt habe. Im Rahmen ihrer Kandidatur habe sie zuletzt wiederholt öffentlich erklärt, sie sei bisexuell. Die Berichterstattung veranlasst 15 Leserinnen und Leser der Zeitung zu einer Beschwerde beim Presserat. Sie machen Verstöße gegen zahlreiche Ziffern des Pressekodex geltend. In der Vorprüfung wurde das Verfahren nach Paragraf 5 der Beschwerdeordnung auf die Ziffern 2 (Falschzitat), 8 und 13 (Schutz der Persönlichkeit bzw. Vorverurteilung zu Lasten des Opfers) zugelassen. Ein Beschwerdeführer macht ein falsches Zitat geltend. Seinen Informationen zufolge habe die zitierte Politikerin von einem „traumatischen“ und nicht von einem „dramatischen“ Ereignis, wie die Zeitung schreibe, gesprochen. Die Beschwerdeführenden kritisieren insbesondere die identifizierende Berichterstattung über das Opfer, während der Täter anonym bleibe. Dies verstoße gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.2, des Kodex. Auch wenn die Frau politisch aktiv sei, dürfe über sie im Sinne des Opferschutzes nicht identifizierbar berichtet werden. Die mutmaßliche Tat habe nichts mit ihrem Mandat zu tun. Mehrere Beschwerdeführende monieren zudem, dass die sexuelle Orientierung des Opfers genannt werde. Diese stehe in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Strafanzeige bzw. dem Tatvorwurf. Für die Zeitung nimmt deren Chefredakteur Stellung. Der Autor des kritisieren Beitrages sei ein sehr erfahrener Journalist, der auch in diesem Fall sehr sorgfältig recherchiert habe. Die betroffene Frau habe selbst den Weg in die Öffentlichkeit gewählt und dadurch auf ihren Anonymitätsschutz verzichtet. Da sie selbst Juristin sei, habe ihr aus Sicht der Redaktion die Tragweite ihrer öffentlichen Äußerungen und der Verknüpfung von politischen Funktionen mit dem Privatleben bekannt sein müssen.
Weiterlesen