Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6642 Entscheidungen
Eine Lokalzeitung berichtet über einen Ladendiebstahl in der Stadt. Eine 49-jährige Frau und ihr 14-jähriger Begleiter wurden von einer Angestellten des Drogeriemarktes beim Diebstahl von Kosmetika ertappt. Die Zeitung erwähnt, dass es sich um eine Roma-Frau handelt. Die Zeitung berichtet auch über ein Gerichtsverfahren wegen versuchten Diebstahls und Raubes. Den angeklagten Frauen werden mehrere Überfälle auf alte Menschen zur Last gelegt. In dem Artikel werden die Beschuldigten als Roma bzw. Roma-Frauen bezeichnet. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in der Nennung der ethnischen Zugehörigkeit einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex. Für die Nennung habe kein zwingender Sachbezug bestanden, um den berichteten Tathergang zu verstehen. Die Chefredaktion der Zeitung verweist auf ihre Pflicht einer sorgfältigen und wahrheitsgemäßen Berichterstattung. Die Zahl der von Roma begangenen Straftaten sei in der Stadt extrem hoch. Besonders häufig seien Taschendiebstähle durch Kinder, Diebstähle in Supermärkten und Kaufhäusern sowie das Ausrauben älterer und alleinstehender Menschen durch Roma-Frauen. Die Zeitung habe nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, ihre Leser vor bestimmten Tätergruppen zu warnen. Schlimmer wären die Folgen in der Bevölkerung, wenn die Medien die Straftaten gewisser Minderheiten grundsätzlich totschweigen würden. Eine saubere Nachrichtengebung kann nach Überzeugung der Chefredaktion dagegen Vorurteile abbauen. (1995/96)
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“Am vergangenen Dienstag sprachen zwei Frauen einer mobilen ethnischen Minderheit bei einer alleine anwesenden 88-jährigen Dame vor. Nach ihrem Weggang musste die betagte Dame feststellen, dass eine Damenarmbanduhr fehlte.” Eine Lokalzeitung veröffentlicht diesen Inhalt des Presseberichts der Polizeidirektion am Ort unter der Überschrift “Das Zitat”. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Tat “nach Einschätzung der Polizei von Zigeunern begangen wurde”. Einige Wochen später berichtet sie über einen Betrugsfall, der die Polizei veranlasst, die Öffentlichkeit vor Betrügerinnen zu warnen. Im Text findet sich die Passage: “Sie kaufte zwei ungepflegt wirkenden Zigeunerinnen fünf ‘Goldringe’ für 250 Mark ab.” Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in beiden Veröffentlichungen Verstöße gegen den Pressekodex. Er legt sie dem Deutschen Presserat vor. Die Zeitung äußert sich nicht dazu. (1995)
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Eine Boulevardzeitung berichtet über die Razzia eines mobilen Einsatzkommandos der Polizei in einer Wohnanlage für Obdachlose. Gesucht wird ein Mann, der mit seinem Bruder eine 15jährige Schülerin vergewaltigt haben soll. Der eine mutmaßliche Täter sitzt bereits in Haft, der zweite wird entdeckt und festgenommen. In dem Beitrag wird erwähnt, dass es sich um zwei Roma-Brüder handele. Ihre Sippe gelte als gefährlich. Die Zeitung nennt Vornamen aus dem Clan, die “Schlagzeilen machten”. Zitiert wird ein Polizist, der annimmt, dass die Sippe bewaffnet ist. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma nimmt den Fall in eine Sammelbeschwerde beim Deutschen Presserat auf. Wie in allen anderen gleich gelagerten Fällen erinnert er an einen Erlass von Reichsinnenminister Wilhelm Frick im Jahre 1935, in dem dieser anordnete, “bei allen Mitteilungen an die Presse über die Straftaten von Juden die Rassenzugehörigkeit hervorzuheben.” Die Kennzeichnung der Verdächtigen im vorliegenden Zeitungsbericht entspreche diesem Geist und schüre rassistische Vorurteile. Die Chefredaktion hält die Beschwerde für unbegründet. In dem Beitrag seien keine Vorurteile geschürt worden. Man habe vielmehr eine Aktion der Polizei geschildert, deren Hintergrund der Verdacht war, ein Angehöriger der Roma-Sippe , deren Mitglieder schon mehrfach erheblich straffällig geworden seien, könne das 15-jährige Mädchen vergewaltigt haben. Eine solche Berichterstattung wäre unvollständig, müsse grundsätzlich im Sinne einer Verpflichtung darauf verzichtet werden, die Zugehörigkeit eines möglichen Täters zur Gruppe der Roma oder Sinti zu erwähnen. Dadurch würde letztlich die Pressefreiheit beschädigt, denn eine solche Verpflichtung würde darauf hinauslaufen, dass im Rahmen einer Berichterstattung Fakten unterdrückt werden müssten. Schließlich gehe es um die Pflicht, die Leser korrekt und vollständig zu unterrichten. (1995)
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Eine Lokalzeitung berichtet unter der Überschrift “Landfahrerin betäubte Opfer mit K.o.-Tropfen” über den Beginn eines Gerichtsverfahrens wegen schweren Raubes. Die Angeklagte wird mit Vornamen und abgekürztem Nachnamen genannt und als “Landfahrerin” bezeichnet. Der Artikel schildert den Hergang der Taten, die sich Anfang 1993 ereigneten und an denen mehrere Personen beteiligt waren. Laut Zeitung fahndete die Kriminalpolizei eineinhalb Jahre nach den Täterinnen, die als “Angehörige einer Landfahrersippe” gekennzeichnet werden. Diese hatten alte Frauen in unterschiedlichen Städten auf der Straße angesprochen, sie in deren Wohnungen besucht und mit K.o.-Tropfen betäubt. Anschließend raubten sie ihren Opfern Ersparnisse und Schmuck. Die Zeitung berichtet auch über den Ausgang des Gerichtsverfahrens. Der Abschlussbericht hat die Schlagzeile: “Neun Jahre Gefängnis für Landfahrerin, die alte Frauen ausraubte”. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma moniert in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat die Nennung der ethnischen Zugehörigkeit. Die Chefredaktion der Zeitung ist der Auffassung, in den Artikeln sei weder eine Stigmatisierung noch eine Diskriminierung von Minderheiten enthalten. Die Verfasserin habe bewusst die Bezeichnung “Sinti” oder “Roma” vermieden. Und für die Verwendung des Begriffs “Landfahrer” sei ein begründeter Sachbezug gegeben. Die Taten seien dadurch gekennzeichnet gewesen, dass die Täterinnen des Familienverbandes durch ganz Deutschland gereist seien und ihre Straftaten an alten Menschen begangen hätten. Die Chefredaktion nimmt die Beschwerden zum Anlass, die angesprochene Thematik in den Redaktionen zu aktualisieren. (1995)
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Ein prominenter Politiker steht vor Gericht. Die Anklage wirft ihm vor, ein Falschgeldgeschäft vermittelt zu haben. Zehn Millionen falscher Schweizer Franken sollten gegen echte DM-Scheine getauscht werden: in Koffern, klammheimlich, eins zu eins. Eine Zeitschrift berichtet über den Prozess. Den Belastungszeuge beschreibt sie als einen Mann mit geölten schwarzen Haaren und hochhackigen Lackschuhen. Sie nennt ihn mit Vornamen und schreibt, er sei ein Roma und gehöre zur Spitze eines jugoslawisch-polnischen Ganoven-Quartetts. Er belaste (den Angeklagten) immer mehr, “während seine goldkettengeschmückte Roma-Sippe hinten im Zuschauerraum hockt”. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht keinen zwingenden Sachbezug, der den Hinweis auf die Gruppe der Roma gerechtfertigt hätte. Er beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Rechtsabteilung des Verlags sieht die beanstandeten Formulierungen durch ein legitimes Informationsinteresse gedeckt. Sie bestreitet eine Diskriminierung und weist darauf hin, dass die eher negative Darstellung der Familienangehörigen auf das konkrete Geschehen bezogen sei. U.a. seien die Angehörigen des Zeugen vom Gericht mehrmals wegen ihres ruhestörenden Verhaltens gerügt worden. Ein Pauschalurteil über “die” Roma sei mit der Beschreibung aber nicht verbunden. Der Hinweis auf die Zugehörigkeit des Zeugen zu der ethnischen Gruppe habe einen selbständigen Informationswert. Sie illustriere den Hintergrund des dubiosen Geschäftes des Abgeordneten und beleuchte die “Internationalität” des beteiligten Ganoven-Quartetts. (1995)
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Das Bundeskriminalamt ermittelt gegen bundesweit tätige Teppichhändler. Eine Zeitschrift berichtet darüber. Unter der Überschrift “Großbetrug mit Plastik-Persern – Roma-Clans verkaufen an der Haustür Ramsch zu Phantasiepreisen” führt sie u.a. aus: “Auffällige Gemeinsamkeit: Fast alle sind Roma ... Die Roma-Clans haben Deutschland unter sich in Einflussgebiete aufgeteilt und tauschen Adressen potentieller Teppichkäufer aus, die sie sich durch Bestechung von Angestellten etablierter Teppichhäuser oder in den orientalischen Urlaubsländern besorgen.” Als Quellen nennt die Zeitschrift einen Beamten des BKA und ein reuiges Mitglied der “Perser Connection”. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma beanstandet in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat die Nennung der Roma-Zugehörigkeit der Verdächtigten. Die Rechtsvertretung der Zeitschrift verweist auf eine Auskunft des Bundeskriminalamtes, dass alle Tatverdächtigten aus der kriminellen Teppichszene Roma seien. Die mafiosen Strukturen, die dem Großbetrug zugrunde liegen, rechtfertigten eine Aufklärung der Öffentlichkeit darüber, wie sich die Organisation der Täter zusammensetze. Deren ethnische Zugehörigkeit sei jedoch nicht genannt worden, um zu stigmatisieren oder gar rassistische Vorurteile zu verbreiten. (1995)
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