Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6642 Entscheidungen
Unter der Schlagzeile “Steine auf Autobahn – Beifahrer tot: Er war’s” berichtet eine Boulevardzeitung über die Festnahme eines jungen Mannes, der in dem Verdacht steht, durch einen Steinwurf von einer Autobahnbrücke den Beifahrer eines Fahrzeugs getötet zu haben. Sowohl in der Überschrift als auch im Text wird der Mann quasi als Täter dargestellt: “Er war’s”, “Der Autobahnmörder”, “Was ist das für ein Mensch?”. Zudem wird ein Foto des mutmaßlichen Täters und seines Elternhauses mit Angabe der Adresse veröffentlicht. Der Betroffene legt durch seinen Anwalt Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Er sieht in dem Artikel eine eindeutige Vorverurteilung sowie Verstöße gegen das Persönlichkeitsrecht. Die Redaktionsleitung der Zeitung führt die Bezeichnung “Autobahn-Mörder” auf ein Geständnis des jungen Mannes gleich nach seiner Festnahme zurück. Gleichwohl räumt sie ein, dass zu dem Zeitpunkt der Berichterstattung diese Formulierung fehl am Platze war. Man bedauere, den Begriff verwendet zu haben. (1996)
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Die gesamte Blattbreite in Anspruch nehmend, zeigt ein Boulevardblatt in Titelaufmachung ein Elternpaar am offenen Sarg seiner 14jährigen Tochter. Das Mädchen war von einem Unbekannten vergewaltigt, umgebracht und in einen Sumpf geworfen worden. “Der Abschied” lautet die Schlagzeile. Ein Phantombild des Täters ist beigestellt. Unter der Überschrift “Und ihr Mörder ist immer noch frei” zitieren die Autoren den Vater: “Er soll dieses Foto sehen”. Eine Leserin und ein Leser der Zeitung legen die Veröffentlichung dem Deutschen Presserat vor. Sie befriedige übelsten Voyeurismus und Sensationsgier auf Kosten einer Toten, die sich nicht mehr wehren könne, weder gegen die Zeitung, noch gegen den vermeintlichen Freibrief des Vaters. Die Rechtsabteilung des Verlags lässt den Presserat wissen, die Redaktion habe lange diskutiert, ob ihre Veröffentlichung gegen Ziffer 11 des Pressekodex verstoße. Dabei sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass dies nicht der Fall sei. Entscheidend sei für die Redaktion der Wunsch der Eltern nach einer Veröffentlichung und die Tatsache gewesen, dass das Mädchen auf dem Bild weder entstellt noch herabgewürdigt dargestellt war. (1996)
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Ein evangelischer Pastor, der in der Kommission des Weltkirchenrats in New York für internationale Aufgaben tätig ist, soll aus seinem persönlichen Programm- und Sachkostenetat 150.000 Mark genommen und nicht zurückgezahlt haben. Eine Tageszeitung im Bereich der Landeskirche, die den Theologen für seine neue Aufgaben freigestellt hat, berichtet unter der Überschrift “Pastor der Landeskirche als Langfinger? 150.000 Mark weg” über den Fall. Sie nennt den Vornamen des Beschuldigten, den Anfangsbuchstaben seines Familiennamens, sein Alter und seine Funktion. Die Unterzeile zur Überschrift schließt mit der Feststellung “... griff dort in persönlichen Etat”. Der Betroffene beschwert sich beim Deutschen Presserat. Der Tatbestand sei falsch wiedergegeben. Die Darstellung, insbesondere die Überschrift, komme einer Vorverurteilung gleich. Seine Position beim Weltkirchenrat sei so herausgehoben, dass durch die Angaben zu seiner Person in dem Artikel offenkundig werde, um wen es sich handele. Die Chefredaktion der Zeitung beruft sich auf einen kirchlichen Pressedienst, der über den Vorfall berichtet habe. Durch die Zugehörigkeit des Betroffenen zur Landeskirche und seine Ambitionen, Abteilungsleiter an einer örtlichen Akademie zu werden, habe die Geschichte lokale Bezüge. Bei der Nennung des Vornamens und der Abkürzung des Familiennamens habe die Redaktion bedacht, dass der Mann bereits seit sieben Jahren in der Region nicht mehr in Erscheinung getreten sei. Der Vorwurf, er sei identifizierbar, gehe daher ins Leere. Auch von einer Vorverurteilung könne nicht die Rede sei. Die Vorwürfe des Weltkirchenrats seien durch ein Fragezeichen in der Überschrift als noch in der Schwebe befindlich kenntlich gemacht. (1996)
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Eine Tageszeitung übt Kritik an den Beamtenpensionen und fordert in einem Kommentar eine gründliche Reform, durch die Pensionen und gesetzliche Renten mittelfristig harmonisiert werden. Der Autor behauptet, dass Beamte im Schnitt 90 Prozent ihres letzten Nettogehalts als Ruhegehalt erhalten, während es bei den Sozialrentnern durchschnittlich nur ca. 50 Prozent des Nettogehalts seien. Ein Leser der Zeitung, im Beruf Beamter, kann diese Diskrepanz nicht glauben und bittet den Kommentator um Aufklärung. Dieser antwortet aber erst, nachdem der Leser den Deutschen Presserat eingeschaltet und in seiner Beschwerde die Vermutung geäußert hat, hier würden gezielt Unwahrheiten verbreitet, um das Beamtentum zu diffamieren. In ihrer Stellungnahme führt die Zeitung an, sie habe inzwischen einen Leserbrief veröffentlicht, in dem eine gegenteilige Meinung zu den getroffenen Behauptungen vertreten werde. Zudem habe der Autor des Kommentars inzwischen dem Beschwerdeführer detailliert dargelegt, wie er zu den beiden Messwerten 90 bzw. 50 Prozent gekommen sei. Der Leser habe geantwortet, dass er jetzt die Angaben nachvollziehen könne, die genannten Zahlen jedoch Extrempositionen darstellten und somit nicht miteinander verglichen werden könnten. (1996)
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Eine Boulevardzeitung berichtet über einen 16-jährigen Kindergangster, der in den vergangenen Jahren rund 200 Straftaten begangen haben soll: Raub, Körperverletzung, Diebstahl. Jetzt soll er versucht haben, den 17-jährigen neuen Freund seiner früheren Freundin von einer Brücke auf die Autobahn zu stoßen. Diese habe sich von ihm getrennt, als er sie mit Gewalt auf den Strich schicken wollte. “Wann begehst du den ersten Mord?” fragt die Zeitung in ihrer Schlagzeile. Sie zeigt den Beschuldigten in einem Foto und nennt ihn ein “polnisches Sinti-Kind”. Auch die Ex-Freundin und deren neuer Freund werden in Fotos vorgestellt. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Hinweis auf die ethnische Zugehörigkeit des mutmaßlichen Täters eine Stigmatisierung. Er beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Chefredaktion der Zeitung verweist auf die Anmerkung in dem Artikel, dass es der Jugendbehörde nicht gelungen sei, den in unzählige Straftaten verwickelten Jungen in einem ausländischen Pflegeheim unterzubringen. Aufgrund dieser Situation sei die Erwähnung der Herkunft notwendig gewesen. Schließlich komme für ein straffällig gewordenes deutsches Kind eine Unterbringung in einem ausländischen Pflegeheim nicht in Frage. (1996)
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Über die Festnahme bundesweit aktiver mutmaßlicher Geldfälscher berichtet auch eine zweite Zeitung. Auch sie zitiert die Polizei, die berichtet habe, dass drei der Festgenommenen der Volksgruppe der Sinti angehören. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma nimmt diesen Beitrag gleichfalls zum Anlass, den Deutschen Presserat einzuschalten. Die Kennzeichnung der mutmaßlichen Täter schüre rassistische Vorurteile. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, ihrem Betrag liege der Bericht einer Presseagentur zugrunde. Sie bedauere, dass der bearbeitende Redakteur gedankenlos, aber ohne böse Absicht die Formulierung übernommen habe, drei der Tatverdächtigen seien Mitglieder der Volksgruppe der Sinti. (1996)
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Unter der Überschrift “Roma hinterließen Berg von Abfällen in Flutrinne” beschreibt eine Regionalzeitung die Hinterlassenschaften eines Roma- und Sinti-Lagers unter einer Brücke. Entgegen den Versprechungen, jeglichen Müll wegzuräumen, habe das fahrende Volk Abfälle hinterlassen, die ganze Container füllen. In dem Bericht werden die näheren Begleitumstände beim Zustandekommen des Lagerplatzes geschildert. Ferner wird die Frage untersucht, wer für die Kosten der Müllbeseitigung aufkommen wird. In diesem Zusammenhang erwähnt die Zeitung mehrmals, dass es sich bei den Campern um Roma handelt. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma beantragt beim Deutschen Presserat eine Rüge der Darstellung. Für das Verständnis des Vorganges an der Brücke sei die Erwähnung von Sinti und Roma nicht notwendig gewesen. Die Chefredaktion der Zeitung weist darauf hin, dass in mehreren Folgen über das Lager der Sinti und Roma berichtet worden sei. Dieses Lager sei von der Stadtverwaltung nicht genehmigt, aber dennoch geduldet worden, weil Sinti und Roma dort eine Hochzeit feiern wollten und dies öffentlich angekündigt hatten. Somit hätten sie sich auch selbst in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gestellt. Da sich das immer größer werdende Lager in Sichtweite von Einkaufszentren befand, habe an der Berichterstattung über die Folgen auch ein öffentliches Interesse bestanden. (1996)
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