Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6642 Entscheidungen
Eine Tageszeitung berichtet in einem dreispaltigen Beitrag über den Beginn des Prozesses gegen einen mutmaßlichen zweimaligen Kindermörder. In dem Artikel wird erwähnt, dass der Angeklagte neun Jahre zuvor wegen Vergewaltigung seiner Schwester zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden ist. Vorname und Familienname des Mannes werden genannt. Die Zeitung erwähnt auch den Vornamen der Schwester. Die Hinweise auf die Vorstrafe des Angeklagten basieren auf entsprechenden Informationen einer Nachrichtenagentur. Eine Leserin der Zeitung trägt den Fall dem Deutschen Presserat vor. Zehn Jahre nach der demütigenden Tat müsse das Opfer eine bundesweit identifizierende Berichterstattung ertragen, die durch nichts gerechtfertigt sei. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, dass sie den Vornamen der Schwester der Agenturmeldung entnommen hat. Auch in anderen Zeitungen sei der Vorname genannt worden. Die Nennung des Vornamens der Schwester verletze deren Persönlichkeitsrechte nicht, da daraus keine Rückschlüsse auf den heutigen vollen Namen oder den Aufenthaltsort der Betroffenen gezogen werden könnten. Diese sei heute 28 Jahre alt und es könne durchaus sein, dass sie durch Heirat nicht mehr ihren früheren Familiennamen führe. Zudem werde sie vermutlich nicht mehr in ihrem Heimatort leben. Nach Ansicht der Chefredaktion verbindet der Leser deshalb mit der Namensnennung nicht eine konkrete Person, sondern sieht sie nur als eine Art Personalisierung des damaligen Opfers. Allein aufgrund des Vornamens sei die Schwester des Angeklagten nicht aufzufinden oder zu identifizieren, es sei denn von Personen, die sie sowieso schon kennen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Schwester im jetzigen Strafverfahren in öffentlicher Verhandlung als Zeugin aufgetreten sei. Die Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet, gesteht jedoch ein, dass die Nennung des Vornamens besser unterblieben sei. Die Chefredaktion der Nachrichtenagentur bedauert den Vorfall, der sie zu einer erneuten allgemeinen Dienstanweisung veranlasst hat. Sie wisse jedoch nicht, wie die Angelegenheit in der Praxis öffentlich bereinigt werden könne. (1998)
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In vierspaltiger Aufmachung und mit Foto berichtet eine Lokalzeitung über den Brand eines Einfamilienhauses. Zur Frage nach der Brandursache stellt sie fest, dass die Vermutung des Wehrleiters goldrichtig gewesen sei. Der Brandherd habe in der Nähe des Kinderbettes im Dachgeschoss gelegen. Unter Berufung auf Ermittlungen der Kriminalpolizei teilt der Autor mit, das Kind habe nicht einschlafen können. Deshalb habe die ganze Nacht über an seinem Bett eine Nachttischlampe mit offener Glühbirne gebrannt. Als das Kind am Morgen aufgestanden sei, habe es versehentlich das Deckbett über die Lampe gelegt und somit wohl den Brand verursacht. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat äußert der Vater des 6jährigen Jungen die Ansicht, dass die Brandursache höchstens vermutet werden könne. Die Kriminalpolizei habe bis heute dazu keinerlei Auskunft erteilt. Lediglich der Leiter der Feuerwehr habe gegenüber der Presse Vermutungen geäußert, dies jedoch unter dem Vorbehalt, dass auch bei der Kripo zu recherchieren sei. Der betroffene Vater teilt mit, dass seine Familie durch die Art der Berichterstattung stark belastet sei. Die Zeitung habe dadurch, dass sie seinen Sohn quasi als Brandstifter in den Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen stelle, eine soziale Bestrafung des Kindes initiiert. Die Chefredaktion der Zeitung verweist auf eine Stellungnahme ihres Mitarbeiters, der mit seinen Einschätzungen sinngemäß Wehrführer und Kriminalpolizei zitiert haben will, und hat keinen Zweifel an der Korrektheit der Zitate. Eine Rückfrage des Presserats beim zuständigen Polizeipräsidium ergibt, dass sich die mit dem Brand befasste Polizeiinspektion weder mündlich noch schriftlich gegenüber Vertretern der Presse über die Brandursache geäußert hat. (1998)
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“Jetzt ist er sein schönes Landhaus los”, berichtet eine Lokalzeitung über einen früheren Bankdirektor und Ratsherrn, der kein Glück mit Geschäften in den neuen Bundesländern gehabt habe. Mit der Nachricht über die Zwangsversteigerung des angeblich reichlich renovierungsbedürftigen Anwesens verknüpft die Zeitung “abenteuerliche Geschichten aus den 80er Jahren”. Damals habe die Steuerfahndung das Haus gestürmt und in einer Scheune einen flugunfähigen Hubschrauber gefunden, in dem sie das “Fluchtinstrument” eines mit dem ehemaligen Besitzer befreundeten Millionenbetrügers vermutet habe. Der Rechtsanwalt des ehemaligen Villenbesitzers schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Steuerfahndung habe nie das Haus betreten, geschweige es denn jemals gestürmt. Der Hubschrauber habe zu keinem Zeitpunkt für den erwähnten Mann eine Rolle gespielt. Er habe vielmehr einem damaligen Mitbewohner gehört und sei von diesem an Kaufhäuser zur Kinderunterhaltung vermietet worden. Die Chefredaktion der Zeitung nimmt zur Sache selbst nicht Stellung, sondern verweist auf einen Schriftwechsel mit dem Beschwerdeführer. Darin bietet sie eine Gegendarstellung an, die allerdings die eigenhändige Unterschrift des Betroffenen enthalten müsse. Die unterschriebene Gegendarstellung habe die Zeitung jedoch nie erreicht. (1998)
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Unter der Überschrift “Mein Leben ohne Schuppenflechte ist wie ein Wunder” berichtet eine Zeitschrift über die Erfahrungen der Ehefrau eines Schauspielers in der Behandlung der chronischen, vererbten Hautkrankheit Psoriasis. Die Frau schildert erfolglose Versuche mit Kortison bis hin zur Phototherapie mit UV-Licht. Dann geschah das Wunder: Ihr Bruder brachte von einem seiner Amerikaaufenthalte eine Creme gegen Schuppenflechte mit. Das Unglaubliche passierte: Bei einigen Hautarealen verschwand die Schuppenflechte nach Gebrauch der Creme schon nach wenigen Tagen, bei anderen einige Wochen später. Das Besondere dieser neuartigen Behandlung sei, hebt der Bericht hervor, dass das Präparat im Gegensatz zu konventionellen Psoriasis-Cremes und –Salben kein Kortison enthalte. Ein Apotheker legt den Artikel dem Deutschen Presserat vor und fügt Unterlagen bei, aus denen hervorgeht, dass bei der Untersuchung des gepriesenen (und namentlich genannten) Produktes ein nicht deklariertes Corticoid festgestellt wurde. Insofern sieht er in der Behauptung der Zeitschrift eine Falschaussage. Die Rechtsabteilung des Verlages betont, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels der Redaktion nicht bekannt gewesen sei, dass das genannte Präparat Corticoide aufweisen soll. Die Redaktion habe sich vielmehr auf die Angaben des Herstellers des in Deutschland zugelassenen Produktes verlassen. Die Unterlagen des Beschwerdeführers, darunter eine Mitteilung der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker und eine dringende Arzneimittel-Meldung, seien drei bis vier Monate später als der kritisierte Artikel datiert. Die Rechtsabteilung erklärt die grundsätzliche Bereitschaft der Redaktion, richtigzustellen, dass das Präparat Corticoide enthält. Jedoch liege mittlerweile ein neues Gutachten des Herstellers vor, wonach das Mittel kortisonfrei sei. Der Zeitschrift sei es nicht oder nur unter einem unvertretbarem Aufwand möglich, zu klären, ob das Mittel nun Kortison aufweist oder nicht. (1998)
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“Ein neues Paradies für reale Kunden” nennt ein Boulevardblatt ein neues Warenhaus im Industriepark der Landeshauptstadt. Die Zeitung berichtet, dass sich in den Regalen auf 13.000 Quadratmetern Verkaufsfläche mehr als 40.000 Artikel stapeln, dass die neueste Filiale der Marktkette mit Leistungen wie Kinderkino, Ruhezone und Taxiruf um Kunden werbe und dass den Besuchern über 1.100 Parkplätze zur Verfügung stehen. Zwei Fotos illustrieren den Bericht. Sie zeigen das Haus sowie eine Innenansicht mit dem Geschäftsleiter und dem Vertriebschef im Vordergrund. Ein Leser der Zeitung beschwert sich beim Deutschen Presserat. Er hält die Veröffentlichung für Schleichwerbung, weil ihr jede journalistische Distanz fehle und ein öffentliches Interesse an der Warenhauseröffnung nicht gegeben sei. Die Chefredaktion des Blattes widerspricht: Die Berichterstattung über die Eröffnung eines Kaufhauses in dieser Größe entspreche dem Informationsauftrag der Presse. Der Artikel enthalte auch keine Lobhudeleien, sondern beschränke sich auf eine Beschreibung der hier angebotenen Leistungen. (1998)
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Eine Lokalzeitung kritisiert das “Straßenbahn-Surfen”. Dies sei ein gefährlicher Zeitvertreib der Kinder in der Stadt. Dem Artikel beigestellt ist ein Foto, das zwei Kinder zeigt, die auf der Anhängerkupplung einer fahrenden Straßenbahn stehen. Der Leitende Oberstaatsanwalt der Stadt teilt dem Deutschen Presserat in einer Beschwerde mit, dass Polizeibeamte bei einem Fotografen zur Beweissicherung einen Film sichergestellt haben, der zwei 13 Jahre alte Jungen zeigt, die sich auf der Anhängerkupplung einer fahrenden Straßenbahn befinden. Grund dafür sei der Verdacht, der Fotograf habe strafunmündigen Kindern 100 D-Mark dafür bezahlt hat, dass sie die Szene zum Fotografieren gestellt hätten. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, der besagte Fotograf sei gelegentlich als freier Mitarbeiter für sie tätig. Er habe den strittigen Beitrag in der Redaktion mit dem Hinweis abgeliefert, die schlechte Qualität der Fotos resultiere daraus, dass er sich versteckt gehalten habe und nicht dicht genug an die Jugendlichen herangekommen sei. Nach den Erkenntnissen der Zeitung habe der Mann die Kinder nicht animiert, auf die Anhängerkupplung der Straßenbahn zu steigen. Er habe versichert, dass beim Zustandekommen der Fotos kein Geld geflossen sei, wie es vom Beschwerdeführer behauptet werde. Zwei Tage nach dem Erscheinen des Beitrages habe die Polizei bei dem Mitarbeiter eine Kassette mit Filmmaterial beschlagnahmt, das jedoch nicht für die Zeitung, sondern für ein anderes Medium bestimmt gewesen sei. Der Stellungnahme der Chefredaktion ist eine Erklärung des Fotografen beigefügt, dass er für das Zustandekommen der Bilder kein Geld gezahlt habe. Die Fotos seien zufällig entstanden. Der Staatsanwalt teilt dem Presserat auf Anfrage mit, dass er die Kassette mit den Filmaufnahmen zur Prüfung der Verfolgung der Tat unter dem Gesichtspunkt der Ordnungswidrigkeit an die zuständige Bußgeldbehörde, das Wirtschaftsministerium des Landes, weitergereicht habe. Der Verdacht, dass der Fotograf die Kinder entlohnt habe, beruhe darauf, dass in einer anderen Stadt zwei 13jährige Jungen aufgegriffen worden seien, die berichteten, sie hätten von einem Fotografen dieses Namens 200 D-Mark dafür erhalten, dass sie ihm von ihren Straftaten erzählen. Einer der Jungen habe nach Polizeierkenntnissen einen 14jährigen aufgefordert, mit ihm in die betreffende Stadt zu fahren, um sich für 100 D-Mark dort beim Straßenbahnsurfen filmen zu lassen. Das Wirtschaftsministerium überlässt dem Presserat die Kassette mit den kritisierten Filmaufnahmen. Gleichzeitig teilt es mit, dass gegen den Fotografen in dieser Angelegenheit ein Bußgeldbescheid erlassen worden sei, gegen den er keinen Einspruch eingelegt habe. Der Film zeigt zwei Jungen beim S-Bahn-Surfen. In einer Szene werden der fahrende S-Bahn-Zug und die auf der Anhängerkupplung stehenden Jugendlichen von außen gezeigt, während in einer zweiten Einstellung die Szene aus dem Innern des Zuges gefilmt wird. Weiter zeigt der Film den stehenden Zug und die beiden Jungen, die auf die Anhängerkupplung klettern. In dieser Sequenz ist der Satz zu hören: “...wenn was ist, sag’ ich euch Bescheid...”. Mit diesen Fakten konfrontiert, erklärt die Chefredaktion, dass die Staatsanwaltschaft hier offenbar zwei verschiedene Fälle anspreche, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang stünden. Dies wäre zum einen der Beitrag zum Straßenbahn-Surfen in der Zeitung, zum anderen der Filmbeitrag eines Privatsenders über zwei “Crashkids”, welche die Reeperbahn unsicher machten. Der zuständige Redakteur des Privatsenders erklärt, der Fotograf habe ihm geholfen, zum Zwecke eines Interviews Kontakt mit den beiden Jungen aufzunehmen. Dabei hätten die Kinder kein Geld erhalten. Lediglich Essen und Trinken habe er finanziert. Der Fotograf sei nur assistierend tätig gewesen. Auch der Fernsehredakteur betont, dass es sich um zwei grundverschiedene Sachverhalte handele. (1998)
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