Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6642 Entscheidungen
Unter der Überschrift “... hier liegt der Mörder ihrer Männer” berichtet eine Boulevardzeitung über den Tod eines deutschen Terroristen in Wien. Ein Foto zeigt den Mann tot auf der Straße liegend. Ein Polizist hat ihn erschossen. Links am Körper des Mannes klebt ein Sensor, den die Notärzte aufgeklebt haben. Die Dachzeile des Beitrages lautet: “RAF Terror – Drei Witwen sahen es im TV”. Eine Leserin des Blattes beschwert sich beim Deutschen Presserat. Sie hält die Veröffentlichung für jugendgefährdend. Die Chefredaktion der Zeitung sieht in dem Foto ein zeitgeschichtliches Dokument. Es zeige einen jahrelang wegen der Ermordung zahlreicher Personen gesuchten Terroristen. Die Berichterstattung über den Mann hätte einen Verzicht auf das Foto nicht zugelassen. Wäre die Argumentation der Beschwerdeführerin zutreffend, wäre auch jede Berichterstattung über Grausamkeiten nicht mehr möglich. Dann würde man sich in den Bereich der Unterdrückung von Geschichte begeben. Der Begriff Mörder sei im Zusammenhang mit den Taten zu sehen, derentwegen der Terrorist verdächtigt wird, und erkläre sich auch aus seinem erneuten bewaffneten Widerstand anlässlich der Festnahme durch die Wiener Polizei. Nach dem Mann werde seit langem unter “Mord” gefahndet und bei seiner Festnahme habe er sich nicht gescheut, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. Richtig sei, dass es zum Zeitpunkt des Todes keine Verurteilung wegen Mordes gab. Im Hinblick darauf, dass durch den Tod des Betroffenen ein förmliches Strafverfahren allerdings nicht mehr möglich sei, sollte durch diese Bezeichnung aber klargestellt werden, um welche Terrorarten es in diesem Fall ging. (1999)
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In zwei Regionalzeitungen erscheint jeweils eine Sonderseite unter dem Titel “Schwerpunkt – Ärger um 630-Mark-Jobs” bzw. “630-Mark-Gesetz”. In einzelnen namentlich gekennzeichneten Artikeln wird am Beispiel Betroffener kritisch zu der Neuregelung der 630-Mark-Jobs durch den Bundesgesetzgeber Stellung genommen. Die Leser werden aufgefordert, der Zeitung zu schreiben, wenn sie zu den Leidtragenden gehören und ihr persönliches (Branchen-)Problem aufzeigen wollen. In den Text eingefügt ist ein Coupon eingefügt, der an den Bundeskanzler gerichtet ist und in den der Protest gegen das Gesetz eingetragen werden kann. Die IG Medien im Land reicht die Veröffentlichungen in einer Beschwerde an den Deutschen Presserat weiter. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger habe eine bundesweite Kampagne gegen die 630-Mark-Gesetzgebung beschlossen und den Mitgliedern empfohlen, sich an dieser Kampagne zu beteiligen. Adressat dieser Protestaktion sei die Redaktion, nicht der Verlag gewesen. In den vorliegenden Fällen fehle die Kennzeichnung als Anzeige. Auch sei auf den Sonderseiten nicht vermerkt, dass ihr Inhalt Teil einer Unternehmerkampagne sei. Lesern seien damit der Urheber und der Zweck der Veröffentlichung vorenthalten, sie seien damit irregeführt worden. Die Chefredaktion der ersten Zeitung führt aus, die IG Medien verwechsele Ursache und Wirkung. Ursache sei die Schwerpunktseite der Redaktion zum umstrittenen 630-Mark-Gesetz der Bundesregierung. Wirkung sei, dass diese Seite, die von der Redaktion als Leserinformation und -aktion konzipiert wurde, von anderen Redaktionen und Verlagen als so informativ und aussagekräftig empfunden wurde, dass diese um Nachdruckerlaubnis nachsuchten. Die Redaktion mache solche Schwerpunktseiten tages- oder wochenaktuell zu allen Themen von Brisanz. Im übrigen habe der Chefredakteur mit der Redaktion diese – branchenübergreifende – Darstellung der Problematik des 630-Mark-Gesetzes auch deshalb gewählt, weil die Zeitung in den Wochen zuvor entsprechende Aufrufe des BDZV zur spezifischen Problematik der Zeitungsausträger bewusst nicht veröffentlicht hätte. Redaktion und Verlagsgeschäftsführung hätten in der Meinung überein gestimmt, dass die Zeitung “nicht für Eigeninteressen unserer Branche” benutzt werden dürfe. Deshalb sei der Grundsatzartikel um Fallbeispiele aus sechs verschiedenen Berufsfeldern ergänzt worden. Der Meinungscoupon gehe auf Anregungen aus der Leserschaft zurück. Er entspreche im übrigen einer journalistischen Tradition der Zeitung, die damit die Rolle als “Anwalt unserer Leser” einnehme. Schließlich dürfe diese Schwerpunktseite nicht isoliert betrachtet werden. Sie sei ein ergänzender Hintergrund zu der ausführlichen Berichterstattung der Zeitung gewesen. Die zweite Zeitung stellt fest, die Beschwerde betreffe die Aktion insgesamt und nicht die Sonderseite einer einzelnen Zeitung. Die Redaktion habe Teile des Textes von dem befreundeten Verlag übernommen, einen Teil der Texte und Bilder jedoch auch selbst gefertigt und dabei insbesondere lokale Aspekte berücksichtigt. Darin könne sie einen Verstoß gegen den Pressekodex nicht erkennen. Im übrigen sei die Gefahr einer Wiederholung nicht gegeben. (1999)
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Ein Boulevardblatt berichtet, dass der berüchtigste Sprayer der Stadt beim Zerkratzen der Glasscheibe einer Bushaltestelle erwischt worden sei. Einige Tage später veröffentlicht es einen Leserbrief, dessen Autor fürchtet, die Beseitigung der Schmierereien müsse entweder der Steuerzahler finanzieren oder könne sich in Fahrpreiserhöhungen niederschlagen. “Sollte ich diesen Herrn einmal bei einer seiner Sprayer- bzw. Kratzertätigkeiten erwischen”, schreibt er wörtlich, “bekommt er von mir so einen vor die Glocke, dass er in Zukunft beim Anblick einer Farbenabteilung oder einer Bushaltestelle von unheilbaren Angstneurosen befallen wird.” Ein Leser der Zeitung beschwert sich daraufhin beim Deutschen Presserat. Er hält die Veröffentlichung des Leserbriefes für eine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflichten und sieht darin ein Aufhetzen der Leserschaft. Die Rechtsabteilung des betroffenen Verlags teilt dem Presserat “der guten Ordnung halber” mit, dass sie von einer Stellungnahme in dieser Angelegenheit absieht. (1999)
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Die Leiche eines fast zwei Jahre lang vermissten 13-jährigen Jungen wird gefunden. “Mörder gefasst?” mutmaßt die Zeitung am Ort auf ihrer Seite 1. Auf Seite 3 berichtet sie, dass mit der Festnahme eines 18-jährigen Berufsschülers der Mordfall geklärt sei. Jener streite allerdings die Tat ab. In ihrer Schlagzeile schreibt die Zeitung: “Mit 16 wurde er zum Mörder”. Eine Leserin der Zeitung beklagt sich beim Deutschen Presserat. “Irgendwann mag man es nicht mehr ertragen, wenn die Lokalzeitung mit dicken Schlagzeilen zum Frühstück Vorurteile und Verleumdungen präsentiert”, schreibt sie. Die Geschäftsführung des Verlages berichtet, dass sie mit dem Chefredakteur der Zeitung und mit der Beschwerdeführerin über die Veröffentlichung gesprochen habe. Dabei sei man mit der Redaktion übereingekommen, dass sich die Mitarbeiter in Zukunft noch mehr bemühen werden, keine Überschriften zu wählen, die bei den Lesern Missverständnisse hervorrufen könnten. (1999)
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Eine Tageszeitung berichtet über eine Auseinandersetzung zwischen zwei Polizisten und zwei Journalisten. Die Beamten hätten gerade die Personalien eines Plakatklebers überprüft, als sie von mehreren Demonstranten, darunter den beiden Journalisten, bedrängt worden seien. Beide Männer seien daraufhin “freiwillig” mit zur Wache gegangen, um den Sachverhalt zu klären. Der Arbeitgeber eines der beiden Journalisten beschwert sich beim Deutschen Presserat. Der Reporter und Gesellschafter der gemeinsamen Produktionsfirma sei zufällig vorbeigekommen und habe gesehen, dass ein Kollege, Redakteur einer Tageszeitung, von Polizeibeamten umringt war. Er habe sich nicht in die Situation eingemischt, sondern den Einsatzleiter in einem kurzen Gespräch darauf hingewiesen, dass es rechtlich überaus fragwürdig sei, ohne entsprechende richterliche Genehmigung das Filmmaterial eines Journalisten zu beschlagnahmen. Danach habe er die Polizeibeamten und den Kollegen als “Vermittler” aufs Polizeirevier begleitet. Die Chefredaktion der Zeitung verzichtet auf eine Stellungnahme, da sie neue Erkenntnisse nicht einbringen könne. (1999)
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Eine Lokalzeitung veröffentlicht einen Leserbrief. Darin beklagt ein Handwerksmeister, dass der Geschäftsführer eines Industriebauunternehmens ihm noch Geld aus einer Abschlussrechnung für eine Baumaßnahme schulde. Der betroffene Geschäftsführer ist der Ansicht, dass durch die Nennung seines Namens sein Persönlichkeitsrecht verletzt wurde. Diese Veröffentlichung sei zudem geschäftsschädigend. Der Mann beschwert sich beim Deutschen Presserat. Die Chefredaktion des Blattes entgegnet, die Lokalredaktion habe alle Vorwürfe, die in dem Leserbrief enthalten seien, sorgfältig nachrecherchiert. Vom Briefschreiber seien ihr Schriftstücke vorgelegt worden, welche die Richtigkeit seiner Angaben bestätigen. Gerade in den östlichen Bundesländern sei die Zahlungsmoral ein stark diskutiertes Thema, da eine Reihe von Handwerkern wegen einer Fülle unbezahlter Rechnungen in die Pleite getrieben worden sei. Deshalb sei dieses Thema nicht einfach eine private Angelegenheit, sondern eine Sache von öffentlichem Interesse. Gerne hätte man auch eine Entgegnung des Beschwerdeführers abgedruckt. Dieser habe sich auch nach Erscheinen des Leserbriefes gemeldet und um Rückruf gebeten. In den folgenden Tagen habe man mehrfach versucht, ihn zu erreichen, ein Kontakt sei jedoch nicht zustande gekommen. Abschließend weist die Chefredaktion darauf hin, dass sie ihren Lokalredaktionen empfohlen habe, statt einen Leserbrief abzudrucken künftig in ähnlichen Fällen doch einen eigenen Beitrag zu recherchieren, in dem beide Seiten gehört werden. (1999)
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Eine Ärztezeitschrift berichtet, dass wachsende Mobilität und fallende Grenzen auch auf dem Gesundheitssektor beflügeln. Von der preisgünstigen Zahnbehandlung auf den Balearen über die zielgerichtete Diabetikerbetreuung in Ungarn bis hin zur Augenoperation auf Kuba: Der Gesundheitstourismus boome, und mit ihm seine Licht- und Schattenseiten. Im Detail schildert der Autor u.a. die vorwiegend positiven Erfahrungen von RP-Patienten bzw. deren Ärzten mit der Pelaeztherapie auf Kuba. Er zitiert zwar die Bedenken eines deutschen Professors, welcher der Behandlung der Augenkrankheit Retinopathia pigmentosa auf Kuba jede wissenschaftliche Grundlage abspricht, zählt aber dann internationale Lobeshymnen auf und bekennt zum Schluss seine Zweifel, ob dadurch hierzulande mancher medizinische oder juristische Fachmann in seiner hybrishaften “Klinik-unter-Palmen-Einschätzung” bekehrt werden könne. Der in dem Beitrag erwähnte Professor einer Universitäts-Augenklinik wendet sich an den Deutschen Presserat. Er befürchtet, dass durch den Artikel nicht vorhandene Heilungschancen suggeriert würden. Diverse Studien bewiesen die Wirkungslosigkeit der geschilderten Methode. Zudem sieht er sich durch zwei Passagen, in denen er selbst erwähnt bzw. indirekt angesprochen werde, verleumdet. Die Chefredaktion der Zeitschrift erklärt, dass in dem Bericht ausschließlich Tatsachen wiedergegeben werden. Kubanische Ärzte würden auf verschiedenen Indikationsgebieten als sehr erfolgreich gelten. Eventuelle gegensätzliche wissenschaftliche Auffassungen müssten die Wissenschaftler selbst untereinander austragen. Übertriebene Hoffnungen für Patienten suggeriere der Artikel nicht. Darüber hinaus richte sich die Zeitschrift nur an Ärzte, bei denen man voraussetzen müsse, dass sie eventuell gegebene Heilversprechen richtig einordnen könnten. Eine Verletzung des Pressekodex kann die Chefredaktion nicht erkennen, außer vielleicht im formalen Bereich, dass die Zwischenüberschrift “Sie erkennen die Sterne wieder!” nicht durch Anführungszeichen als Zitat gekennzeichnet ist. (1999)
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Ein Boulevardblatt schildert den Aufenthalt eines mutmaßlichen Sexualstraftäters in der Psychiatrie eines Klinikums. Dem einschlägig Vorbestraften wird vorgeworfen, eine Frau sieben Wochen lang in einem Keller gefangengehalten, erniedrigt und vergewaltigt zu haben. In Überschrift und Text wird der Mann als “Sexkeller-Monster” bezeichnet. Dem Beitrag beigestellt sind Fotos, die einen Grundriss des Kellers, das Opfer und den Betroffenen beim Spaziergang auf dem Hof der Psychiatrie zeigen. Der Rechtsanwalt des Mannes legt die Veröffentlichung dem Deutschen Presserat vor. Die Bezeichnung “Sexkeller-Monster” sei geeignet, seinen Mandanten in der Öffentlichkeit verächtlich zu machen und seine Menschenwürde zu verletzen. Des weiteren kritisiert er die Veröffentlichung der Fotos, die ohne Wissen bzw. ohne Einverständnis seines Mandanten aufgenommen und publiziert worden seien. Die Chefredaktion der Zeitung stellt fest, der Beschwerdeführer sei aufgrund der ihm zur Last gelegten Tat eine relative Person der Zeitgeschichte. Die Bezeichnung “Sexkeller-Monster” falle unter den Schutz der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit. Angesichts der Tatumstände müsse der Beschwerdeführer es sich gefallen lassen, “Sexkeller-Monster” genannt zu werden. Im Rahmen des allgemeinen Sprachgebrauchs werde der Begriff “Monster” gemeinhin als abträgliche Bezeichnung für eine Person benutzt, die grausam und unmenschlich ist oder wirkt. Dies sei die Tat des Betroffenen gewesen. In diesem Zusammenhang weist die Chefredaktion darauf hin, dass das zuständige Landgericht der Argumentation der Zeitung gefolgt sei und eine in dieser Sache ergangene einstweilige Verfügung wieder aufgehoben habe. Die kritisierten Fotos seien von öffentlichem Grund aus mit einem Teleobjektiv aufgenommen worden. Zweifelsohne hätte man den Beschwerdeführer als relative Person der Zeitgeschichte bei einem Spaziergang außerhalb der Mauern fotografieren dürfen. Berücksichtige man nun, dass die Mauern der Klinik nicht dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Einzelnen dienten, sondern dem Schutz der Öffentlichkeit vor den dort behandelten und festgehaltenen Tätern, so dürfe in diesem Fall nichts anderes gelten. Gleichwohl habe man sich auf Anforderung umgehend zur Unterlassung verpflichtet, um eine eventuelle Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch eine weitere Veröffentlichung der Bilder zumindest für die Zukunft auszuschließen.
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Eine in Deutschland erscheinende türkische Zeitung berichtet über eine Demonstration von Kurden in einer deutschen Großstadt. Der zweite Bürgermeister der Stadt, der die Demonstration beantragt hatte, wird in der Überschrift als “Mittelsmann/Strohmann der PKK in der Stadtverwaltung” bezeichnet. Eine Leserin des Blattes kritisiert in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat diese Bezeichnung als falsch und verleumderisch. Der Bürgermeister habe die Veranstaltung erst nach längeren Verhandlungen mit der Polizei und der Verwaltung einerseits und dem Kurdistan-Zentrum andererseits angemeldet. Die Demonstration selbst sei ausgesprochen friedlich verlaufen und habe so zur Entspannung der Situation in der Stadt beigetragen. Die Rechtsvertretung der Zeitung verweist darauf, dass die türkische Übersetzung von “Handlanger” in der Überschrift in Anführungszeichen gesetzt sei: “PKK masasi”. Die Formulierung sei damit deutlich als Meinungsäußerung gekennzeichnet. Eine ehrverletzende Beschuldigung liege somit nicht vor. (1999)
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