Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Foto eines missbrauchten Kindes

Eine Lokalzeitung berichtet über den Missbrauch eines 10-jährigen Mädchens, das von seinem Peiniger in dem dunklen, eiskalten Kellerschacht eines still gelegten Fabrikgebäudes eingesperrt und später von der Polizei befreit worden war. Das gequälte Kind soll jetzt in einer Kinderpsychiatrie sein Horror-Erlebnis bewältigen. Die Zeitung nennt den Namen und veröffentlicht ein Foto des Opfers, schildert die Tatumstände und bezeichnet einen 44-jährigen Obdachlosen als Tatverdächtigen. Ein Ehepaar, selbst Eltern von drei Kindern, beantragt beim Deutschen Presserat eine Rüge. Es ist der Ansicht, dass Kinder – noch dazu, wenn sie Opfer eines solch abscheulichen Verbrechens wurden – den absoluten Schutz der Gesellschaft verdient haben und nicht ihre schutzlose Preisgabe und Bloßstellung. Selbst wenn es möglicherweise der Vater gewesen sei, der den Journalisten das Foto des Mädchens überlassen habe, wer gebe der Zeitung das Recht, dem Kind nach dem erlittenen Verbrechen einen Missbrauch ganz anderer Dimension zuzufügen und möglicherweise anderen kranken Hirnen ein „Suchbild“ an die Hand zu geben? Die Rechtsvertretung der Zeitung verweist darauf, dass das Foto des Mädchens von dessen Erziehungsberechtigtem der Zeitung übergeben und mit seiner Einwilligung veröffentlicht worden sei. Durch den Abdruck des Bildes werde die soziale Integration des Opfers nicht gefährdet. Bewusst sei ein Bild publiziert worden, das bereits dreieinhalb Jahre alt sei. Im übrigen wohne das Mädchen mit seiner Familie in einer Kleinstadt, wo der Vorgang ohnehin bekannt sei. Angesichts der aktuellen Diskussion zum Thema Opferschutz ziele der Beitrag darauf ab, in dieser Hinsicht Positives zu leisten. (2001)

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Verallgemeinerungen

Unter der Überschrift „Passau ist braun“ schildert ein Nachrichtenmagazin den politischen Kampf einer „Antifaschistischen Aktion Passau“, die 1993 begonnen hatte, Demonstrationen zu organisieren und Flugblätter aufzusetzen, um damit gegen Neonazis anzutreten, die ihrer Meinung nach ihre Stadt zu einer Heimat von Rechtsradikalen hatten werden lassen. Jahr für Jahr seien DVU und NPD zu ihren Kongressen in die Nibelungenhalle gekommen, und es habe so gut wie keine Proteste gegeben. Die Zeitschrift schildert die Reaktionen auf die Aktionen der jungen Leute. Jahrelang habe das Landeskriminalamt gegen 32 junge Passauer ohne Grund ermittelt. Und wer in der Lokalpresse über die Affäre berichtet habe, sei fristlos und ohne Begründung entlassen worden. Der Oberbürgermeister der Stadt bezeichnet den Artikel in seiner Beschwerde beim Deutschen Presserat als diskriminierend. Es sei nicht richtig, dass es keine Proteste gegen die Kongresse von DVU und NPD gegeben habe. Mit über 20 Prozessen habe die Stadt seit 1983 versucht, den Rechtsextremisten den Zugang zur Nibelungenhalle zu verweigern. Gemeinsam mit Kirchen, Gewerkschaften, Parteien und Institutionen habe man eine Vielzahl von Gegenkundgebungen mit prominenten Rednern veranstaltet. In Passau selbst gebe es keine eigene rechtsextreme Szene. In einer weiteren Beschwerde beklagt ein Bürger der Stadt, der Artikel sei mangelhaft recherchiert. Er enthalte zahlreiche Falschaussagen und fördere eine Hetze gegen die Stadt und ihre Einwohner. Das so genannte gewaltfreie Eintreten der „Kinder“ gegen Rechts habe sich leider auch in zahllosen Gewalttätigkeiten gegen fremde Sachen geäußert. Schaufenster seien eingeworfen und Häuser beschädigt worden. Parolen der „Antifa“ an den Wänden von Privathäusern könnten auch heute noch besichtigt werden. Die Chefredaktion des Magazins entgegnet, bei der Überschrift ihres Beitrages handele es sich erkennbar um ein Zitat. Es stamme von einem in dem Artikel erwähnten Studenten, der als Schüler Anfang der neunziger Jahre zur – wie es in dem Beitrag heißt – „ziemlich mickrigen linken Szene“ von Passau gestoßen war. Aus dessen Situation heraus werde erkennbar, dass persönliche Beweggründe Motivation für diese Wortwahl gewesen seien. Die Zeitschrift habe sich diesen Satz nicht zu eigen gemacht. Bei der Beurteilung der Verhältnisse von den 60-er Jahren bis heute handele es sich um erkennbar zulässige Wertungen. Auch eine Bezeichnung Passaus als „Heimat der Rechtsradikalen“ sei gerechtfertigt, da seit knapp 20 Jahren jährlich Veranstaltungen von DVU und NPD in Passau stattfinden. Daran würden auch die Bemühungen der Stadt, die Versammlungen zu verhindern, nichts ändern. Der Beitrag versuche schließlich, die überzogenen Ermittlungsmethoden der Polizei darzustellen. (2001)

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Dokumente der Zeitgeschichte

Die Berichterstattung verschiedener deutscher Zeitungen und Zeitschriften über den Terroranschlag am 11. September 2001 in New York löst fünf Beschwerden beim Deutschen Presserat aus. Die Kritik zweier Leser richtet sich gegen die Veröffentlichung von zum Teil großformatigen Fotos, die einen Mann, der sich aus einem oberen Stockwerk des World Trade Centers stürzt, oder Menschen zeigen, die verzweifelt an den Fenstern nach einem Ausweg aus den Flammen suchen. Ein Leser beschwert sich über zwei Tageszeitungen, in denen er das Foto des in die Tiefe stürzenden Menschen entdeckt hat. Er ist der Ansicht, dass das Bild keinerlei dokumentarischen Charakter besitze. Es diene nicht der Information der Leserinnen und Leser, sondern solle offenbar einen sensationsgierigen, menschenverachtenden Voyeurismus befriedigen. Des weiteren sieht er eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts, da eine Identifizierung nicht unmöglich sei. Eine Leserin richtet ihre Beschwerde über die Veröffentlichung der Fotos gegen drei Zeitschriften. Sie sieht kein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit, das die Veröffentlichung der Fotos rechtfertigen würde, und stellt drei Fragen: Ist es denn nicht möglich – in Absprache mit weiteren großen Magazinen – auf solche Bilder zu verzichten? Müssen wir wirklich die Technik dazu missbrauchen, die Gesichter der Hoffnungslosen noch näher heranzuholen? Sind wir eine derart perverse und pietätlose Gesellschaft, dass wir uns dies ansehen müssen? Eine leere Doppelseite mit dem Hinweis „An dieser Stelle gedenken wir der Opfer“ hätte ihr mehr imponiert, stellt sie abschließend fest. Die Chefredaktion einer der beiden Tageszeitungen ist der Meinung, dass der Anschlag auf das World Trade Center allseits als neue Qualität terroristischer Anschläge gelte. Dies rechtfertige eine äußerst ausführliche Berichterstattung, auch mit Fotos. Es sei journalistische Pflicht, den unbekannten Dimensionen der Ereignisse auch durch die Form der Berichterstattung Rechnung zu tragen. Die Chefredaktion hält die Veröffentlichung eines solchen Fotodokuments für journalistisch vertretbar, da sich eine ganze Reihe ähnlicher Fälle in den Minuten nach dem Anschlag ereignet habe. Menschenverachtend sei der Abdruck des Bildes nicht, weil die festgehaltene Szene die gesamte Monstrosität der Anschläge darstelle. Das Bild habe sowohl dokumentarisch als auch nachrichtlich enormen Wert. Entgegen der Einschätzung des Beschwerdeführers hält es die Chefredaktion für unmöglich, die Person auf dem Bild als weiblich oder männlich zu unterscheiden, geschweige denn, sie namentlich zu identifizieren.

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Schleichwerbung für Shopping im Internet

Eine Regionalzeitung berichtet über die Begeisterung, die das Shopping-Angebot einer Einkaufsmeile im Internet in der Bevölkerung des Landes auslöse. So habe eine 72-jährige Rentnerin zum ersten Mal in ihrem Leben eine Computer-Maus in die Hand genommen, und schon könne sie all die tollen Produkte, die es in dem virtuellen Kaufhaus zu bestaunen gebe, auch gleich bestellen. Ein vielfältiges Warenangebot, günstige Preise und die zahlreichen „E-Coupons“, mit denen die Käufer Rabatte und Zugaben einheimsen könnten, hätten alt und jung überzeugt. Das Kompliment „Ich hätte nie gedacht, dass es bei euch so viel zu kaufen gibt“ hätten die Macher mit großer Freude gehört. Der Text schließt mit einem Hinweis auf die Internet-Adresse der virtuellen Einkaufsmeile. Die Veröffentlichung löst eine Beschwerde beim Deutschen Presserat aus. Ein Leser sieht in dem Beitrag Schleichwerbung, da die Zeitung mit dem Internetshop-System verflochten sei. In dem Artikel werde suggeriert, dass jeder das Angebot toll finde. Wäre eine gewissenhafte Recherche vorgenommen worden, hätte man in dem „Pseudobericht“ auch etwas von der Meinung derer wiedergeben müssen, die das Angebot kritisch sehen. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, der Artikel sei im Rahmen der Berichterstattung über die Messe „Welt der Familie“ erschienen. Ein Redakteur der Zeitung sei auf der Messe gewesen und habe sich einen objektiven Überblick über das Geschehen verschafft. Seine Beobachtungen, insbesondere das auffallend starke Interesse älterer Menschen am Internet-Shopping, seien dann in den Beitrag eingeflossen. Es sei zwar richtig, dass die Zeitung Anteile an der Shopping-Betreibergesellschaft habe. Auswirkungen auf Inhalte und Form der Berichterstattung habe dies allerdings nicht. (2001)

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Aufruf zur Jagd

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht auf ihrer Titelseite ein Foto von Osama bin Laden und blendet die Schlagzeile „Jagt ihn! 10 Millionen für seinen Kopf“ ein. Ein Beitrag im Innenteil der Ausgabe unter der Überschrift „Bin Laden – die Blutspur des Terrors“ beginnt mit dem Satz „In den zerklüfteten Bergen im Süden Afghanistans wohnt das Böse“. Die Veröffentlichung löst eine Beschwerde beim Deutschen Presserat aus. Eine Leserin ist der Ansicht, dass die Schlagzeile populistisch und nahezu volksverhetzend ist. Mit dieser Schlagzeile und der Einleitung des Beitrages im Innenteil finde eine Polarisierung statt, die dazu beitrage, weitere Gräben zwischen ethnischen und religiösen Gruppen aufzutun. Die Darstellungen seien absolut undifferenziert und ließen jegliche journalistische Sorgfaltspflicht außer acht. Die Rechtsabteilung des Verlages stellt fest, zum Zeitpunkt der Berichterstattung hätten dem FBI bereits Beweise vorgelegen, dass Anhänger Osama bin Ladens an den Anschlägen beteiligt gewesen seien. Zugleich werde bin Laden vom FBI als Terrorist gesucht. Für seine Ergreifung seien von den Vereinigten Staaten 5 Millionen Dollar ausgesetzt worden. Die Schlagzeile „Jagt ihn! 10 Millionen für seinen Kopf“ gebe den Fahndungsaufruf des FBI wieder. Mit dem Ziel der Ergreifung bzw. Verhaftung bin Ladens sei die Bevölkerung zu jeder denkbaren Hilfe aufgerufen. Von einer vorverurteilenden, volksverhetzenden und undifferenzierten Berichterstattung könne keine Rede sein. Selbst wenn man die Titelseite sowie den angegriffenen Artikel isoliert betrachte, könne man erkennen, dass die Zeitung ihren Lesern nur eine Person und nicht etwa eine Religionsgemeinschaft oder bestimmte Volksgruppe als möglichen Drahtzieher der Terroranschläge in den USA präsentiere. Sowohl Titelseite als auch Artikel beschäftigten sich ausschließlich mit der Person bin Ladens. Auf ihn und niemand sonst beziehe sich auch der von der Beschwerdeführerin offenbar als besonders verwerflich eingestufte Satz „In den zerklüfteten Bergen im Süden Afghanistans wohnt das Böse“. Insgesamt leiste die Berichterstattung nicht Feindbildern Vorschub, sondern spreche aus, was nicht zuletzt George Bush in seiner Rede an die Nation formuliert habe, nämlich dass er die Verantwortlichen der Terroranschläge bis zuletzt jagen werde, und dass er ihre Ergreifung wünsche und fordere – dead or alive. (2001)

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Bezeichnung „Terror-Bestie“

Unter der Überschrift „Terror-Bestie: wir wünschen dir ewige Hölle!“ berichtet eine Boulevardzeitung über den Attentäter Mohamed Atta, der acht Jahre in Deutschland gelebt und jetzt das erste Todesflugzeug in einen der Türme des World Trade Centers gesteuert habe. In den Titel montiert ist ein Foto des Arabers. Ein Leser des Blattes reagiert auf die Veröffentlichung mit einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Er ist der Ansicht, dass der Ausdruck „Terror-Bestie“ gegen Ziffer 1 des Pressekodex verstoße. Dem mutmaßlichen Attentäter werde das Menschsein abgesprochen, da er durch die Verwendung des Begriffs „Bestie“ zum Tier herabgewürdigt werde. Die Rechtsvertretung der Zeitung führt an, es bestehe kein Zweifel daran, dass Mohamed Atta einer der Todespiloten gewesen sei, die zur Durchführung des Attentats am 11. September 2001 in New York Flugzeuge zu einer Bombe umfunktioniert hätten. Bestialischer könnte sich ein Mensch nicht verhalten. Wer ein solches im Grunde nicht mehr fassbares Verbrechen begehe, sei eine Bestie. (2001)

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Fingierter Leserbrief

Leser einer Tageszeitung debattieren in Zuschriften über den angeblich umstrittenen Erziehungsstil der „Katholischen Pfadfinder Europas“ (KPE). In einem der Briefe, welche die Zeitung veröffentlicht, reagiert Dr. med. Agnes Furtwanger auf einen der Kritiker. Sie verteidigt die KPE und verweist auf die große Zahl extrem fähiger Akademiker, die ihre „Karriere“ deren Erziehungsstil verdankten. Die Pfadfinder seien doch nicht der Lückenbüßer für die fehlgeschlagene Erziehung des Leserbriefschreibers. Der Vater hätte seiner Tochter Gehorsam beibringen müssen. Dann wäre sie auch nicht auf und davon. Umgekehrt habe die Tochter alle Annehmlichkeiten der KPE in Anspruch genommen. So sei sie in einem Studentinnenheim bevorzugt zu einem Zimmer gekommen. Die Betroffene reicht Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Sie habe mit der Leserbriefschreiberin Kontakt aufnehmen wollen und dabei festgestellt, dass die Absenderin des Briefes unbekannt ist. Dies habe sie der Redaktion mitgeteilt, aber keine Reaktion darauf erhalten. Aus diesem Grunde kritisiere sie, dass die Zeitung einen Leserbrief abgedruckt habe, ohne zu prüfen, ob dem angegebenen Namen eine reale Person entspreche. Nach Angabe eines Redakteurs kenne die Redaktion nur die E-Mail-Adresse der Autorin. Dies sei aber offenkundig kein ausreichender Nachweis für die Existenz der Absenderin. Ihre Bitte um Klärung ignoriere die Zeitung seit Wochen. Die Chefredaktion der Zeitung gesteht ein, dass es ein Fehler gewesen sei, den Leserbrief abzudrucken. Dass er dennoch veröffentlicht worden sei, sei darauf zurückzuführen, dass der Name Furtwanger dem Namen des Ortes ähnele, der in dem hinter der Leserzuschrift sich verbergenden Fall eine wichtige Rolle spiele. In der Eile der Bearbeitung habe dann eine gedankliche Fehlassoziation dazu geführt, dass die Zuschrift gedruckt worden sei. Der Beschwerdeführerin sei daraufhin Gelegenheit gegeben worden, auf den Leserbrief mit einer Richtigstellung zu reagieren. Nachdem die Betroffene in einer E-Mail ihren Zweifel an der Existenz der Leserbriefschreiberin geäußert habe, habe die Redaktion recherchiert und festgestellt, dass die angebliche Unterzeichnerin Dr. med. Agnes Furtwanger nicht existiere und der Brief per E-Mail von einem Rechner einer amerikanischen Universität gekommen sei. Dort habe sich die Spur jedoch verloren. Nach diesen Erkenntnissen habe die Redaktion ihren Lesern mitgeteilt, dass sie einen fingierten Leserbrief abgedruckt habe. Des weiteren sei man nach wie vor bemüht, die Sache aufzuklären. (2001)

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Autorisierung eines Interviews

Unter der Überschrift „Lügt ‚Bild‘ wieder?“ veröffentlicht eine Sonntagszeitung einen Beitrag über die falsche Beschriftung eines Trittin-Fotos in der Boulevardzeitung. In diesem Zusammenhang dränge sich allmählich die Frage auf, schreibt das Blatt, welche Rolle „Bild“ selbst bei der Eskalation der Gewalt in den 60er Jahren gespielt habe. Die Antwort, Mitte der Woche wenn auch zögerlich im Interview mit der Sonntagszeitung gegeben, wolle der Chefredakteur Ende der Woche nicht mehr lesen. Nämlich: Dass es ihm nicht zustehe, über das zu urteilen, was damals im Verlag gewesen sei, weil er 1968 doch erst vier Jahre alt gewesen sei und das Ganze nur historisch betrachten könne. Da der Chefredakteur der Boulevardzeitung diese Aussage bei der Autorisierungsabsprache aus dem Interviewtext herausgestrichen hatte, legt die Rechtsabteilung des Verlages Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Es widerspreche der journalistischen Sorgfaltspflicht, Passagen eines Interviews, die von dem Interviewten gestrichen worden seien, in einem anderen Beitrag zu veröffentlichen. In diesem Vorgehen sehe der Verlag zudem eine unlautere Recherchemethode. Die Chefredaktion der Sonntagszeitung bestätigt, dass mit dem Chefredakteur des Boulevardblattes eine Autorisierung verabredet worden sei. Im Rahmen dieser Autorisierung habe dieser das Interview jedoch nicht auf Unrichtigkeiten hin geprüft, sondern inhaltlich geändert. Er habe Dinge, die er nicht gesagt habe, hineingeschrieben und andererseits Gesagtes herausgestrichen. Die Chefredaktion verstehe unter Autorisierung eines Interviews jedoch die Überprüfung auf Richtigkeit und nicht inhaltliche Veränderung. Die hier praktizierte Art der Autorisierung habe man demzufolge als ungewöhnlich empfunden und dies in dem kritisierten Text darstellen wollen. In diesem Zusammenhang seien zwei Äußerungen, die der Interviewte gemacht, aber herausgestrichen habe, exemplarisch dargestellt worden. Dies sei nur inhaltlich geschehen. Ein wörtliches Zitat sei nicht veröffentlicht worden. (2001)

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Bildunterzeile

Unter der Überschrift „Wertanlage mit Zahnspange“ berichtet ein Nachrichtenmagazin am Beispiel einer 12-jährigen Tennisspielerin über Tenniskinder, die Vermarktungsmanager magisch anziehen. Der Beitrag ist u.a. illustriert mit einem Foto, das den Tennis-Bundestrainer mit dem jungen Talent zeigt. Unter dem Foto steht das Zitat: „Nur eine Ware“. Der Anwalt der 12-jährigen Schülerin reicht Beschwerde beim Deutschen Presserat ein. Die Bildunterzeile vermittele den Eindruck, der Bundestrainer habe geäußert, das Mädchen sei „nur eine Ware“. Das vollständige Zitat, das im Text enthalten sei, laute jedoch gänzlich anders: „Für die Vermarkter, sagt ... verächtlich, sind die jungen Spieler doch nur eine Ware.“ Der Sinn dieses Zitats sei in der Bildunterschrift damit völlig entstellt und verfälscht worden. Neben einem Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht liege hier eine Verletzung der Menschenwürde seiner minderjährigen Mandantin vor. Das Justitiariat des Verlages übersendet dem Presserat einen Brief an den Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin. Darin bedauert der Verlag, wenn sich das Mädchen und seine Eltern durch die Bildzeile verletzt fühlten. Allerdings könne man in der Unterzeile des Fotos keinen Verstoß gegen den Pressekodex erkennen. Sie sei erkennbar Teil eines Zitats, welches sich nach der Tradition des Magazins in vollem Umfang im Artikel wiederfinde. Der Magazinleser wisse, dass eine Bildzeile nicht den Bildinhalt beschreibe, sondern Aussagen aus dem Text aufgreife. Ohne Kenntnis des Textes sei die Bildzeile beliebig interpretierbar. Es sei völlig offen, wer zitiert werde und auf wen sich das Zitat beziehe. Der gründliche Leser stoße bei der Lektüre des Beitrages auf das vollständige Zitat, so dass ein Missverständnis ausgeschlossen sei. Selbst der flüchtige Leser verstehe, dass in dem Beitrag nicht das Verhältnis Trainer/Schülerin, sondern das Gebaren der Vermarktungsmanager beschrieben werde. (2001)

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Unsichere Quellenlage