Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Vorverurteilung

„Er hat Julia ermordet“ lautet die Schlagzeile auf der Titelseite einer Boulevardzeitung. Im Text heißt es, dass die Fahnder der Polizei sich zu 99,9 Prozent sicher seien, das ein 33-jähriger Buchhalter und Familienvater das 8-jährige Mädchen verschleppt und ermordet habe. Der mutmaßliche Täter und das Mädchen sind abgebildet. Der Mann wird mit Vornamen und Initial des Nachnamens genannt. Der Anwalt der Ehefrau des Verdächtigen beanstandet in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat eine Vorverurteilung des Betroffenen. Zudem verletze die Veröffentlichung des Bildes das Persönlichkeitsrecht des Mannes. Die Rechtsabteilung des Verlages teilt mit, der zuständige Staatsanwalt habe gegenüber der Redaktion erklärt, dass der Fall als gelöst gelte. Das Foto ohne Balken stamme aus der Sendung eines Privatsenders. Damals habe sich der Verdächtige als unbeteiligter Nachbar der Diskussion über den Fall gestellt. Auf Grund der kaum vorstellbaren Situation, dass sich ein mutmaßlicher Täter zunächst als unbeteiligter Nachbar in einem Mordfall über das Fernsehen der Öffentlichkeit präsentiere und dann auf Grund der Indizienlast selbst als Täter in Frage komme, habe man im Rahmen der kritisierten Veröffentlichung auf eine Anonymisierung durch einen Balken über der Augenpartie verzichtet. In der folgenden Berichterstattung habe man dann doch die Fotos des Verdächtigen durch Augenbalken unkenntlich gemacht und auch von einem mutmaßlichen Täter gesprochen. Die Zeitung habe sich also in der Berichterstattung deutlich zurückgenommen und die Darstellung des Falles im Sinne des Pressekodex geregelt. (2001)

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Diskriminierung von Funktionären

Stadtratsfraktion und Basisgruppe der PDS haben zu einer Informationsveranstaltung „Gegen Rassismus und rechte Gewalt“ eingeladen. Die Zeitung am Ort berichtet darüber. In der zweieinhalbstündigen Veranstaltung sei zwar viel geredet und debattiert worden, doch letztlich sei die Frage offen geblieben, wie sich die Bürger nun angesichts eines erneuten Aufmarsches der Neonazis in der Stadt diesen entgegen stemmen sollten. In einem Kommentar dazu skizziert der Autor die antifaschistischen und antirassistischen Aktivitäten des Landeschefs der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, der auch an der Informationsveranstaltung beteiligt gewesen sei und in einem an die Medien gerichteten Rundbrief auf die Rechtsentwicklung in der Stadt hinweise und Möglichkeiten der Gegenwehr aufzeige. Der umtriebige Sizilianer gelte als Sprachrohr der Antifa-Szene. Er fühle sich angesichts des offenen Rassismus im Osten als Kanake, bekenne er. Der Kommentator wirft dem Gewerkschaftler und dessen Gesinnungsfreunden vor, mit ihrer Einschätzung der Situation in der Stadt zu überziehen und ein Feld zu bereiten, von dem sich vielleicht nun erst recht die rechte Brut angezogen fühle. Wer fernab jeder Realität behaupte, die Stadt sei rechts, lüge und gefährde ihre weitere ohnehin schwierige Entwicklung. Schließlich kritisiert der Autor des Kommentars die Verpflichtung des Hauptreferenten der Informationsveranstaltung. Warum man ausgerechnet ein DVU-Gründungsmitglied und einen früheren Aktivisten der Neonazis zum Zeugen der Anklage gegen Rechts gemacht habe, bleibe das Geheimnis der Veranstalter. Nicht nur der smarte homosexuelle Wanderprediger habe im Saal deplatziert gewirkt. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft beklagt sich beim Deutschen Presserat über eine falsche Darstellung der Veranstaltung. Zudem sieht er in den Formulierungen „umtriebiger Sizilianer“ und „smarter homosexueller Wanderprediger“ ehrverletzende Behauptungen. Die Chefredaktion der Zeitung gesteht ein, dass die beiden Formulierungen problematisch seien und man ihre Verwendung ausdrücklich missbillige. Man habe sich bei dem Beschwerdeführer dafür entschuldigt sowie den Verfasser des Kommentars mündlich und schriftlich gerügt. In dem Schreiben an den Beschwerdeführer heißt es, der Autor des Beitrages habe geltend gemacht, erst Äußerungen der Betroffenen hätten ihm diese Formulierungen nahe gelegt. So habe der Beschwerdeführer betont, dass er sich angesichts des offenen Rassismus im Osten als „Kanake“ fühle. Und der ehemalige Neonazi und Aussteiger habe sich in der Veranstaltung selbst als Homosexueller geoutet. Die Chefredaktion weist dazu darauf hin, dass das die verwendeten Formulierungen erkläre, sie aber nicht entschuldige. (2001)

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Bezeichnung „Pöbler“

In einer Notiz meldet ein Boulevardblatt, dass ein Frührentner einen Prozess beim Arbeitsgericht verloren und danach den Richter als „Rechtsbeuger“ beschimpft hat. Jetzt habe das Amtsgericht den Pöbler wegen Beleidigung zu 1000 DM Strafe verdonnert. Der betroffene Mann bittet den Deutschen Presserat um Prüfung, ob die Auffassung der Zeitung vertretbar sei. Er selbst sieht sich durch die Bezeichnung „Pöbler“ beleidigt. Richtig sei, dass er einen Berufsrichter als „Rechtsbeuger“ bezeichnet habe. Dadurch werde jedoch die Bezeichnung „Pöbler“ nicht gedeckt. Diese sei eine Herabsetzung seiner Person. Die Rechtsvertretung des Verlages hält den Vorwurf der Rechtsbeugung für eine deutliche Beleidigung, welche die Verwendung des Begriffs „Pöbler“ durchaus rechtfertige. (2001)

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Werbung für Männergeschenke

Unter der Überschrift „Männerwünsche“ offeriert eine Zeitschrift ihren Leserinnen und Lesern auf acht Seiten in Wort und Bild Produkte, die sich als Weihnachtsgeschenke für Männer eignen. Die Ideen schließen High Tech und Genuss, Praktisches und Verspieltes ein. Ein Leser bittet den Deutschen Presserat um Prüfung. Nach seiner Ansicht verstößt die Veröffentlichung gegen Ziffer 7 des Pressekodex und ist ein besonders schlimmes Beispiel der immer mehr um sich greifenden Vermischung von redaktionellen Inhalten und bezahlter Werbung. Es werde alles getan, die Seiten redaktionell aussehen zu lassen, jedoch handele es sich um den typischen Fall einer Weihnachtspromotion, die nicht als Anzeige gekennzeichnet worden sei. Zudem werde mit den einleitenden Sätzen der Eindruck erweckt, als handele es sich um Produktempfehlungen der Redaktion. Weitere Indizien dafür, dass es sich um bezahlten Anzeigenraum handele, seien die klassische Aufteilung in ganze, halbe und viertel Seiten sowie die fehlenden Seitenzahlen. Die Texte seien absolut werblich und nicht im Inhaltsverzeichnis aufgeführt, was sonst ebenfalls nur bei Anzeigen der Fall sei. Die Rechtsabteilung des Verlages bestätigt die Vermutung des Beschwerdeführers. Die Anzeigenleitung habe vor der Veröffentlichung die Anweisung gegeben, jede Seite der Strecke mit der Kennzeichnung „Anzeige“ zu versehen. Dies sei bei der Reproduktion jedoch leider versäumt worden. Dies bedauert man, sieht jedoch keine arglistige Täuschung, da kein Täuschungswille vorgelegen habe. (2001)

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Schleichwerbung

„Wohnen auf der Sonnenseite“ und „Passivhaus: Bedarf an Energie gesenkt“ lauten die Überschriften, unter denen eine Regionalzeitung über den Bau von Energiesparhäusern in einem Ort des Verbreitungsgebietes berichtet. Ein Architekt kritisiert die Berichterstattung als einseitig und unkritisch. Er sieht einen Werbeeffekt für die Firma, die diese Häuser anbietet und baut, und schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Redaktion der Zeitung berichtet, im Einvernehmen mit den Fachleuten der Verwaltung hätten alle Ratsfraktionen dem Projekt zugestimmt, weil es ökologisch sinnvoll sein soll. Bereits zu Beginn der Passivhaus-Diskussion sei der Architekt mit einem kritischen Leserbrief zu Wort gekommen. Wünsche oder gar Einflussnahme von Anzeigenkunden auf die Berichterstattung habe es nicht gegeben. (2001)

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Schleichwerbung

Mit neuartigen Passivhäusern, in denen sich besonders gut Energie sparen lässt, beschäftigt sich eine Regionalzeitung in zwei Beiträgen. Der Beschwerdeführer – ein Architekt – kritisiert die Berichterstattung als einseitig und unkritisch. Er sieht auch einen Werbeeffekt für die Firma, die die Häuser anbietet und baut, und schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Berichterstattung enthalte die Wahrheiten, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung erkennbar waren, entgegnet die Redaktionsleitung der Zeitung. Es könne nicht Aufgabe einer Lokalzeitung sein, die geltende gesetzliche Wärmeschutzverordnung auf wissenschaftliche Beweise hin zu überprüfen. Insgesamt erfolge die Berichterstattung im öffentlichen Interesse, da die Konzeption der anbietenden Firma so überzeugend gewesen sei, dass die geplante Solarsiedlung Aufnahme in einen Landes-Modellversuch „50 Solarsiedlungen“ gefunden habe. Entsprechend sei die Firma in den Berichten auch genannt worden. (2001)

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Kritik am Bürgermeister

Im Ort ist Bürgermeisterwahl. Der Amtsinhaber macht das Rennen im ersten Wahlgang mit 52,2 Prozent der Stimmen. Die Lokalzeitung berichtet darüber und kommentiert den Wahlausgang. Dass der alte und neue Bürgermeister die absolute Mehrheit ums Haar verfehlte, sei eine schallende Ohrfeige der Wählerinnen und Wähler. Sie habe nichts mit der Sacharbeit des Verwaltungsfachmannes zu tun, deren Erfolge unbestritten seien. Auch nicht mit der „Undankbarkeit“ der Wählerschaft und eben so wenig mit dunklen Machenschaften. Sie sei vielmehr in Person und Stil des Betroffenen begründet. Wie viele Dorfbürgermeister habe er eine Neigung zu Selbstüberschätzung und Selbstherrlichkeit entwickelt, dem ein eben so großer Mangel an Selbstkritik korrespondiere. Völlige Unfähigkeit, mit abweichenden Meinungen angemessen umzugehen, sei die Folge. Wer wider den Stachel des Bürgermeisters löcke, wer gegen Mehrheitsentscheidungen im Gemeinderat aufbegehre, werde oft auf ungehobelte Art und Weise heruntergeputzt. Dahinter stehe ein verqueres Demokratieverständnis. Demokratie heiße zwar, dass Mehrheitsentscheidungen zu respektieren seien. Demokratie heiße aber auch, dass alle gewählten Ratsmitglieder als Menschen zu respektieren seien und nicht ihrer abweichenden Meinung wegen herabgewürdigt werden dürften. Wenn der Bürgermeister diese einfachen Spielregeln auch nach dieser Ohrfeige nicht begreife – dann sei ihm wirklich nicht mehr zu helfen. Der betroffene Bürgermeister sieht sich beleidigt. Er schreibt an den Deutschen Presserat. In seiner 16-jährigen Amtszeit habe er gelernt, mit der Presse zusammenzuarbeiten und sich mit ihr auch kritisch auseinander zu setzen. Das sei gelebte Demokratie. Der Kommentar zu seiner Wiederwahl enthalte – juristisch gesehen – „Wertungen“, die man sich im öffentlichen Leben stehend wohl gefallen lassen müsse, jedoch nicht als Kommentar der einheimischen Zeitung. Die Chefredaktion der Zeitung gibt zu, dass die Formulierungen im Kommentar hart und pointiert seien, jedoch keineswegs journalistischem Anstand widersprächen. Der Bürgermeister werde weder in seiner Ehre verletzt noch werde seine Menschenwürde angegriffen. (2001)

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Ethnische Gruppen

In drei Artikeln berichtet eine Regionalzeitung über ein Schwurgerichtsverfahren gegen einen 30-jährigen Sinto, der vom Vorwurf des versuchten Totschlags und der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen wird, weil das Gericht die Schüsse auf einen Nebenbuhler als Notwehr wertet. Hintergrund des Vorfalls war nach Darstellung der Zeitung ein Eifersuchtsdrama. Die Polizei glaube, unter den Sinti der Region sei ein „Sippenkrieg“ im Gange. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma führt Beschwerde beim Deutschen Presserat. Die Kennzeichnung der Beteiligten als Sinti sei für das Verständnis des Tathergangs nicht erforderlich und schüre Vorurteile. Die Chefredaktion der Zeitung widerspricht der Darlegung der Beschwerdeführer, denn ohne Hinweis auf die Zugehörigkeit der Beteiligten zur Gruppe der Sinti sei ein Verständnis des Tathergangs bei den Lesern nicht herstellbar gewesen. Im Rahmen der Gerichtsverhandlung sei sowohl vom Angeklagten als auch von vielen Zeugen auf einen Ehrenkodex hingewiesen worden, der in einem Tatzusammenhang stehe, aber nur verständlich werde, wenn er durch den ethnischen Begriff „Sinti“ ergänzt werde. In der Redaktion sei die Problematik der Kennzeichnung von Minderheiten bekannt. Man begegne ihr mit besonderer Sensibilität und Sorgfalt. (2000)

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Diskriminierung von Sinti

„Eine der Parteien lügt – Prozess um Sinti-Ehre bringt täglich Überraschungen“. Unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung über den Prozessverlauf in einem Schwurgerichtsverfahren wegen versuchten Totschlags. Angeklagter ist ein „Sinto“; Hintergrund ist ein Eifersuchtsdrama. Die Zeitung spricht davon, dass die Polizei ausgesagt habe, zwischen den Sinti zweier Nachbarstädte sei ein „Sippenkrieg“ im Gange. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Artikel einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex. Die Minderheiten-Kennzeichnung sei für das Verständnis des berichteten Tathergangs nicht erforderlich und schüre Vorurteile. Der Zentralrat ruft den Deutschen Presserat an. Die Redaktion widerspricht dem Beschwerdeführer. Ohne die Minderheiten-Kennzeichnung sei ein Verständnis der Leser für den Tathergang nicht herstellbar gewesen. Im Rahmen der Gerichtsverhandlung sei sowohl aus dem Mund des Angeklagten als auch von vielen Zeugen von einem Ehrenkodex die Rede gewesen, der in einem Tatzusammenhang stehe, der aber nur verständlich werde, wenn er durch den ethnischen Begriff „Sinti“ ergänzt werde. In der Redaktion sei die Problematik der Kennzeichnung von Minderheiten bekannt und werde mit besonderer Sensibilität und Sorgfalt bedacht. (2000)

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Diskriminierung von Landfahrern

Die Notiz einer Tageszeitung über die Festnahme eines erst sechs Jahre alten Mädchens als Haupttäterin bei einem Trickdiebstahl veranlasst den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zu einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. In dem Text wird erwähnt, dass das bereits einschlägig bekannte Kind zu einer Landfahrerfamilie aus dem ehemaligen Jugoslawien gehört. Der Hinweis auf die Landfahrerfamilie hätte nach Ansicht des Zentralrats unterbleiben müssen, da er für das Verständnis des berichteten Tathergangs nicht erforderlich sei und Vorurteile schüre. Die Rechtsabteilung des Verlags kann eine Diskriminierung nicht erkennen, da die erwähnte Sechsjährige von ihrer Sippe auf Trickdiebstähle trainiert worden sei. Diese Vorbereitung von Kindern auf Trickdiebstähle sei in der Tat nur bestimmten Gruppen eigen. Es seien nicht Kinder, die aus eigenem Antrieb fremdes Eigentum angriffen, sondern sie würden von den hinter ihnen stehenden Personen einer Sippe geschult. Insofern dürfe die Bezeichnung „Landfahrerfamilie“ in Bezug auf die Zugehörigkeit des Kindes durchaus verwendet werden. Dabei sei nicht einmal die Gruppe, die der Zentralrat vertrete, genannt worden. (2001)

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