Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
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6642 Entscheidungen
„Der Dieb – laut Polizei ´vermutlich ein Spätaussiedler´ – betrat den Verkaufsraum…“. Eine Regionalzeitung setzt ihren Bericht über einen Ladendiebstahl mit einer Personenbeschreibung fort, in der es heißt, der Unbekannte habe „deutsch mit russischem Akzent“ gesprochen. Die gleiche Zeitung berichtet später über eine Gerichtsverhandlung. Die Angeklagten werden dabei als „vier Russlanddeutsche“ und ein weiterer als „Übersiedler aus Kasachstan“ bezeichnet. Bei dem früheren Kasachen, der unter der Anklage steht, zwei Nachbarn erstochen zu haben, die ebenfalls aus der früheren Sowjetunion stammen, merkt die Zeitung an, der Mann spreche so gut wie kein Deutsch. Zudem sei es ihm nicht gelungen, in der neuen Heimat Fuß zu fassen. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass in dem ersten Bericht die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe genannt wird. Nach seiner Ansicht würden dadurch Integrationsbemühungen zunichte gemacht und Hass, Ablehnung und Gewaltbereitschaft gefördert. Er legt einen umfangreichen Schriftverkehr vor, aus dem hervorgeht, dass er sowohl die Polizei als auch die Zeitung aufgefordert habe, bei eventuellen Straftaten die jeweilige Volksgruppe nicht zu nennen. Der Leser schaltet den Deutschen Presserat ein. Die Chefredaktion der Zeitung weist auf den regen Meinungsaustausch mit dem Leser hin, dem bekannt sein dürfte, dass die Redaktion die Herkunft eines Verdächtigten nur dann nenne, wenn es sich um eine Straftat handle, bei der die Volksgruppe relevant sei. Dem Wunsch des Lesers, diese grundsätzlich nie zu nennen, könne und wolle man nicht entsprechen. Es gebe Fälle, bei denen die Nationalitätennennung gerechtfertigt sei. So etwa, wenn Straftaten in bestimmten Bevölkerungsgruppen häufig vorkommen oder im Fall von Fahndungen. Die ganze Diskussion – so die Chefredaktion weiter – laufe vor dem Hintergrund eines aktuellen Falles, bei dem ein Russlanddeutscher zwei Menschen umgebracht habe. Sie verweist auf einen Bericht über diesen Fall (Überschrift „Ein Chancenloser im Blutrausch“), in dem die Tat analysiert und die Situation des Russlanddeutschen dargelegt wird. Die Redaktion sei von verschiedenen Seiten gelobt worden. Sie habe das Thema sehr verantwortungsbewusst behandelt. (2002)
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Unter dem Stichwort „Ein Jahr danach“ veröffentlicht eine Boulevardzeitung Erinnerungen an den 11. September 2001 in New York. In Folge vier wird unter der Überschrift „Sie springen in den Tod“ ein großes Foto veröffentlicht, welches das brennende World Trade Center zeigt. Sechs der darauf sichtbaren Menschen, die an den Fenstern stehen, sind eingekreist und mit Porträtfoto und detaillierten Angaben aus ihren Leben beschrieben. Eine Leserin nimmt die Veröffentlichung zum Anlass einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Sie hatte bereits ein Jahr zuvor die Tatsache bemängelt, dass in vielen Zeitschriften die Menschen, die sich aus den Towern stürzten, derart vergrößert dargestellt wurden, dass man sie ihres Erachtens erkennen konnte. Ihre Beschwerden wurden seinerzeit u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, dass die betroffenen Menschen nicht zu erkennen seien und somit auch keine Persönlichkeitsrechte verletzt würden. Nun weist sie darauf hin, dass jetzt aber eine Identifizierbarkeit vorliege. Sie bittet um Überprüfung, ob dies mit den presseethischen Grundsätzen vereinbar sei. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, sämtliche Fotos stammten aus den USA. Sie seien von den Angehörigen für die Veröffentlichung herausgegeben und noch vor der Veröffentlichung in der deutschen Zeitung in amerikanischen und englischen Printmedien gedruckt worden. Die Angehörigen hätten in einer Vielzahl von Fällen die Opfer auch durch Aufhängen von Fotos und der Angabe von Details namhaft gemacht. Es gehe hier also nicht um die Betrachtungsweise eines Einzelfalles und die Frage des Persönlichkeitsrechts, sondern um die Dokumentation der Opfer von unvorstellbaren Gewalttaten, die in einer freiheitlichen Welt lebten, welche die Attentäter nicht akzeptieren wollten. Deshalb hätten die Angehörigen die Opfer weltweit öffentlich machen wollen. Die Maßstäbe, welche die Beschwerdeführerin anlegen möchte, passten im Gesamtzusammenhang nicht. (2002)
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Eine Lokalzeitung kündigt ein neuerliches Gerichtsverfahren gegen drei Männer und eine Frau an, denen vorgeworfen werde, im Zeitraum von 1986 bis 1989 in einem früheren Kinderheim für schwer Erziehbare mindestens neun Kinder und Jugendliche mit Peitschenhieben, Stockschlägen, Fußtritten, Arrest in einer Kellerzelle, Züchtigung durch Kniebeugen und Stillstehen sowie sexuelle Übergriffe drangsaliert zu haben. In einem Verfahren im Jahr 2000 habe das Landgericht zu Gunsten der Angeklagten entschieden, indem es festgestellt habe, dass die Straftaten, die dem Quartett zur Last gelegt werden, verjährt seien. In einem Revisionsverfahren habe jedoch der Bundesgerichtshof entschieden, dass in keinem Fall eine Verjährung eingetreten sei. Die betroffenen Lehrer und Erzieher werden mit vollständigen Namen genannt. Auf einen der Angeklagten geht die Zeitung näher ein. Sie erwähnt, dass er bis zum Vorjahr in seiner Heimatgemeinde des Amt des stellvertretenden Bürgermeisters bekleidet und den Ausschuss für Kultur und Soziales geleitet habe. Der Anwalt des letztgenannten Beteiligten kritisiert in einer Beschwerde beim Deutschen Presserat die Nennung des Namens seines Mandanten. Diese sei nicht gerechtfertigt, da der Tatvorwurf einen Sachverhalt zum Inhalt habe, der in keiner Beziehung mit der Tätigkeit des Betroffenen nach 1990 als Beigeordneter der Stadt stehe. Der Anwalt moniert ferner, die Zeitung ordne seinem Mandaten falsche Tatvorwürfe zu. Ihm werde lediglich vorgeworfen, einen damals 16-jährigen Jugendlichen aus seinem Unterricht verwiesen und ihm bei dieser Gelegenheit eine Platzwunde am Kopf zugefügt zu haben. Die Chefredaktion der Platzes räumt die falsche Wiedergabe des Tatvorwurfs in der Berichterstattung über das erste Gerichtsverfahren ein. Dieser Fehler beruhe auf einem falschen Aushang der Justizverwaltung im Ort. In dieser Angelegenheit habe man bereits eine Gegendarstellung veröffentlicht. Dass der selbe Fehler auch in der Berichterstattung über die Neuverhandlung gemacht worden sei, liege daran, dass die verantwortliche Redakteurin bei der Berichterstattung auf das Archiv zugegriffen und den darin enthaltenen Fehler wiederum übernommen habe. Da ihr der Fall nicht bekannt gewesen sei, sei ihr der Fehler auch nicht aufgefallen. (2002)
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Unter der Überschrift „Missbrauch beim Apotheker“ berichtet eine Regionalzeitung über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen einen Apotheker, den sie des sexuellen Missbrauchs von acht minderjährigen Kindern in insgesamt 532 Fällen verdächtige. Der angesehene Bürger der Stadt räume einen Teil der ihm zur Last gelegten Handlungen ein. Er beteuere aber, sich ausschließlich „pflegerisch-medizinisch“ um die Kinder gekümmert zu haben. Er habe keine sexuelle Lust an den Kindern gesucht. Vielmehr habe er sich jahrelang um mehrere ausländische Familien gekümmert. Da deren Kinder wegen mangelnder Hygiene an Infektionen im Intimbereich gelitten hätten, habe er helfend eingegriffen und die Kinder mit Cremes und Heilsalben behandelt. Ein Leser der Zeitung legt den Bericht dem Presserat vor. Er sieht in der Überschrift des Beitrages eine Vorverurteilung. Die Chefredaktion der Zeitung spricht in ihrer Stellungnahme von einer zulässigen Verdachtsberichterstattung. Der Fall stoße auf ein erhebliches öffentliches Interesse und für den geäußerten Verdacht gebe es hinreichende Anhaltspunkte. Auf Grund guter Kontakte habe die Zeitung eine umfassende Kenntnis von den Ergebnissen der Ermittlungen erhalten. Aus der Zusammenschau von Überschrift, Unterzeile und Vorspann ergebe sich aber eindeutig, dass hier über ein schwebendes Verfahren berichtet werde. Im Übrigen werde der Betroffene nicht mit Namen genannt, sei also nicht identifizierbar. (2002)
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„Der göttliche Gassenhauer“ steht über einem Beitrag in einem Nachrichtenmagazin, in dem sich der Autor mit der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven beschäftigt. Er zitiert zahlreiche Musikkenner, die nicht mit kritischen Anmerkungen sparen. „Der klassische Knaller“, „Scheußlicher Salat“, „Das Singstück“, „Der Neunte-Koller“, „Die Mega-Nummer“, „Der zwittrige Hit“, „Ein Unding“, „Titanisch-totalitäre Staatsmusik“, „Klingende Gesangsdemo“, „Anrüchiges Stück“ und die „Freuden-Nummer“ – ein Leser nimmt diese Zitate und den ganzen Beitrag zum Anlass, wegen „Beschimpfung des Werkes Beethovens“ den Deutschen Presserat anzurufen. Die Rechtsabteilung des Nachrichtenmagazins sieht für eine Beschwerde keinerlei Anlass. (2002)
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Eine Tageszeitung nimmt eine Agenturmeldung über einen geplanten Fernsehsender der Kirche zum Anlass einer satirischen Betrachtung. Unter der Überschrift „Glotzen bis zum Halleluja“ berichtet sie, dass die Propagandaoffensive der Kirche über einen himmlischen Astra-Satelliten abgestrahlt und über einen Decoder zu empfangen sein wird. Zitiert wird der frühere Fernsehdirektor beim Geriatrie-Sender MDR und jetzige Geschäftsführer von „Bibel-TV“: „Gott musste sich erst an die Technik gewöhnen.“ Gesendet würden „Petrus-Wetterdienst“, die Nachrichtensendung „Abend(mahl)schau“, der „heiße Beichtstuhl“, Dokumentationen über Darmspiegelungen des Papstes, ein „Wer wird Gottogott?“-Quiz, die Konflikt-Show „Beicht um Drei“ und biblische Erotik-Streifen wie „Marias magische Muschi“ oder „Gottes devote Ministrantenknäbchen“. Ein Theologe ruft den Presserat an. Er ist der Meinung, dass der Beitrag das religiöse Empfinden von Christen verletze. Zudem sieht er in der Veröffentlichung eine Verletzung der Menschenwürde und ehrverletzende Behauptungen. Da die Zeitung eine Agenturmeldung entstellt und verfälscht habe, sei auch ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht gegeben. Die Chefredaktion der Zeitung erklärt, die beanstandete Glosse übe mittels Ironie und Satire Kritik an einem realen Vorgang und sei auf der Seite „Die Wahrheit“ erschienen. Diese Seite sei weit über die eigentliche Leserschaft des Blattes hinaus als Forum für Satire, Ironie und Sarkasmus bekannt und geschätzt. Allein aus dem Zusammenhang mit den anderen Artikels hätte der Beschwerdeführer selbst unschwer den satirischen Charakter des Textes erkennen können. Mit der Veröffentlichung wolle das Blatt einerseits den überkritischen Umgang der Kirche mit dem Fernsehen, andererseits aber auch deren Bereitschaft karikieren, dieses Medium zur Selbstdarstellung zu nutzen. Die Glosse sei gedeckt vom Recht auf freie Meinungsäußerung. (2002)
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Fünfzehn mal schickt ein Leser innerhalb eines halben Jahres Briefe an die Redaktion einer überregionalen Zeitung, stets mit dem Wunsch nach Veröffentlichung. Dieser Aufforderung kommt die Zeitung nicht nach. Der Leser schaltet den Deutschen Presserat ein, weil er glaubt, dass die Zeitung sein Recht auf Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung beschränkt. Die Zeitung reagiert mit dem Hinweis auf ihre Leserbriefstatistik, der zufolge nur einer von zehn eingesandten Briefen veröffentlicht wird. Dass der Beschwerdeführer sich immer zum gleichen Thema äußert, habe die Chancen auf Veröffentlichung möglicherweise nicht erhöht. Der Leser meint, es könne nicht sein, dass auf dem hier strittigen Feld der Auswahl von Leserbriefen die Redaktionsfreiheit grenzenlos sei. Nach seiner Auffassung beinhaltet diese Auswahl ein weidlich genutztes Manipulationspotential. Die Geschäftsführung der Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet und bezieht sich dabei auf die Richtlinie 2.6, Abs. 3, des Pressekodex, in der es heißt, der Verfasser eines Leserbriefes habe keinen Rechtsanspruch auf Veröffentlichung seiner Zuschrift. Im Übrigen entspreche es der gängigen Praxis in allen deutschen Verlagshäusern, dass angesichts der Vielzahl der täglich eingehenden Leserbriefe eine Auswahl stets nach eigenen journalistischen Kriterien erfolgt. Auch die Ansicht des Beschwerdeführers, er habe als langjähriger Leser des Blattes einen gewissen Anspruch auf Publikation seiner Briefe, gehe fehl. Es läge auf der Hand, dass mit diesem Argument das traditionell allein bei der Redaktion liegende Entscheidungsmonopol vollständig ausgehöhlt werden könnte.(2002)
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Über den Vorsitzenden eines Partei-Stadtverbands berichtet die örtliche Zeitung in mehreren Beiträgen. Ihm wird der Vorwurf gemacht, er habe einem Parteikollegen einen Job verschafft und dafür zwei bis drei Bruttogehälter verlangt. Neun Parteimitglieder hören auf der Seite des Jobsuchenden ein Gespräch zwischen den beiden mit. Ein Protokoll wird angefertigt und von den Zeugen unterschrieben. Der Zeitung liegt eine Kopie des Protokolls – allerdings ohne Unterschriften – als Grundlage der Berichterstattung vor. Der Parteivorsitzende bestreitet die Vorwürfe. Die Veröffentlichungen basierten nach seiner Kenntnis auf einem anonym versandten Papier, dem eine Telefonfalle, vorbereitet und durchgeführt von Parteimitgliedern, zu Grunde liege. Trotz ausreichender Zeit und einer höchst dubiosen Quellenlage sei die Veröffentlichung erfolgt, ohne dass die Redaktion auch nur den Versuch unternommen habe, seine Stellungnahme einzuholen. Die Autorin weist den Vorwurf zurück, sie habe ausschließlich auf Grund eines anonymen Papiers berichtet. Sie habe etliche Gespräche geführt und gründlich recherchiert. Die Quellenlage sei also nicht dubios. Sie habe den Beschwerdeführer bewusst nicht angerufen, da sie erwartet habe, dass er die Vorwürfe bestreitet. Die Journalistin räumt ein, dass ihr ein nicht unterschriebenes Protokoll des strittigen Telefongesprächs vorliege. Das ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass sie sauber recherchiert habe. Sie zitiert einen Rechtsanwalt, der bereit sei zu bestätigen, dass es ein unterzeichnetes Protokoll gebe. (2002)
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