Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.
6642 Entscheidungen
Eine Boulevardzeitung berichtet in mehreren Folgen über die private Nutzung von dienstlich erflogenen Bonusmeilen der Lufthansa durch Politiker. In einem Kommentar unter der Überschrift „Wir alle wurden geschädigt“ teilt der Autor mit, dass die Zeitung etliche Namen von Gratisfliegern aus dem Bundestag kenne. In den Beiträgen werden nach und nach verschiedene Namen genannt. In einer Beschwerde beim Deutschen Presserat kritisiert ein Leser die Artikelfolge, in der scheibchenweise Namen genannt würden. Dadurch entstehe der Eindruck einer einseitigen Wahlkampfunterstützung. Wenn Informationen über diesen Vorgang vorhanden seien, sollten diese Daten sofort und komplett veröffentlicht werden. Die Chefredaktion des Blattes weist den Vorwurf zurück, sie habe selektiv berichtet und eine Kampagne gegen bestimmte Parteien betrieben. Den Zeitpunkt der Veröffentlichung im Wahlkampf habe sich die Zeitung nicht ausgesucht. Als ihr konkrete Informationen über den Missbrauch von dienstlich erflogenen Bonusmeilen durch Abgeordnete bekannt geworden seien, habe sie Politiker aller Bundesparteien um eine Stellungnahme gebeten. Die Abgeordneten hätten unterschiedlich schnell reagiert. Dabei hätten in sehr vielen Fällen die Vorwürfe vollständig ausgeräumt werden können. Es stehe außer Frage, dass über den Missbrauch von Bonusmeilen hätte berichtet werden müssen. Auch in Wahlkampfzeiten habe die Bevölkerung einen eindeutigen Informationsanspruch. Man habe keineswegs „häppchenweise“ berichtet. Sobald man erste konkrete Informationen über bestimmte Politiker gehabt habe, seien die Betroffenen mit den Vorwürfen konfrontiert worden. Der Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir sei ohne Beantwortung der Fragen zurückgetreten. Auch der Berliner Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS) habe die Fragen nicht beantwortet. Stattdessen habe er in einer Presseerklärung die Vorwürfe bestätigt. In anderen Fällen seien die notwendigen Recherchen durch die Angeschriebenen verschleppt oder durch Erklärungen, die weitere Nachfragen erforderten, in die Länge gezogen worden. Zum Teil seien Politiker von selbst an die Öffentlichkeit gegangen, ohne dass sie bereits mit Vorwürfen oder Nachfragen der Zeitung konfrontiert worden seien. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung sei also nicht von der Zeitung festgelegt worden, sondern sei eindeutig von den notwendigen Recherchen sowie dem eigenen Umgang der Politiker mit eventuellen Vorwürfen abhängig gewesen. Unberechtigt sei auch der Vorwurf der Begrenzung der Berichterstattung auf Rot-Grün. Die Zeitung habe Politiker aller Parteien mit den konkreten Fragen konfrontiert. In Kenntnis der Berichterstattung hätten auch CDU-Bundestagsabgeordnete öffentlich ihr Fehlverhalten selbst eingeräumt. Schließlich habe man auch über eine CSU-Bundestagsabgeordnete berichtet, die unter Verwendung von Bonusmeilen ihren Sohn bis nach Australien habe fliegen lassen und mit ihrem Ehemann hinterher geflogen sei. (2002)
Weiterlesen
Zwischen Dresden und Prag verläuft die E 55, eine Fernstraße mit einem außerordentlich schlechten Ruf. Die E 55 ist ein Synonym für Prostitution mit all ihren Begleiterscheinungen. Eine davon: Kinder von Prostituierten, deren Väter deutsche Freier sind, die sich um ihren unerwünschten Nachwuchs nicht kümmern. Eine Frau, die sich rasch den Ruf des „Engels der E 55“ erwirbt, hilft wo sie kann. Sie sammelt Spenden, die sie an die Mütter der Kinder weitergibt. Zunächst hat sie eine gute Presse. Doch dann ist auf einmal von illegalen Adoptionsangeboten und Unterschlagungen die Rede. Eine Boulevardzeitung greift die Vorwürfe auf, die in der Anzeige des Geschäftsführers eines Internationalen Kinderwerks bei der Staatsanwaltschaft gipfelt. Die Frau bestreitet alle Vorwürfe und bemüht den Deutschen Presserat. Die Redaktionsleitung der Zeitung teilt mit, anfangs sei es dem „Engel der E 55“ gelungen, den mit dem Thema befassten Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Danach jedoch habe es Hinweise auf eine gewisse Unseriosität gegeben. Der Vorwurf, illegale Adoptionen zu betreiben, werde dadurch erhärtet, dass in einer anderen Zeitschrift der Hinweis – deutlich hervorgehoben – gegeben worden sei, dass „ab Februar 2002 die Adoption der Kinder möglich sei“. Eine Fax-Nummer für Interessenten sei ebenfalls genannt worden. Es sei die Fax-Nummer der Beschwerdeführerin. (2002)
Weiterlesen
Ein Leser schickt im Abstand von einem Tag per E-Mail zwei Leserbriefe an die Redaktion einer Tageszeitung. Die Zuschriften beschäftigen sich mit dem Verhalten von Abgeordneten. Die Leserbriefredaktion will aus inhaltlichen und sprachlichen Gründen keinen der Briefe im vollen Wortlaut drucken und entschließt sich, eine kleine, aussagekräftige Passage aus dem zweiten Brief in den gekürzten ersten Brief aufzunehmen. Der Leser ärgert sich und beschwert sich beim Deutschen Presserat. Sein Brief sei um einen entscheidenden Teil gekürzt worden. Aus seinem zweiten Brief sei die Passage „Der Vorzeige-Grüne Özdemir mit dem ewig anklagenden Blick ist als gebürtiger Türke Paradebeispiel einer gelungenen Integration. Er ist im System angekommen“ in den ersten Brief eingefügt worden. Dadurch entstehe der irreführende Eindruck, als sei Özdemir mit den folgenden Aussagen, speziell mit der Bezeichnung „Parvenü“ gemeint. Dies sei jedoch nicht korrekt. Durch Kürzung und Einfügung sei ein sinnentstellender Eindruck entstanden. Dem widerspricht die Chefredaktion der Zeitung. Der Sinn des Briefes sei durch die Bearbeitung nicht verändert worden. Zudem habe der Beschwerdeführer, ein fleißiger Leserbriefschreiber, der Redaktion in einem Schreiben bestätigt, dass er seinen ersten Brief mit der zweiten Zuschrift keineswegs zurückgezogen habe. Die Redaktion habe ihn also mitverwenden dürfen. (2002)
Weiterlesen
Ein Fachmagazin für die Gastronomie berichtet über den Ausgang eines dreitägigen Wettkochens um den „Oscar“ der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft und des Verbandes der Köche Deutschlands. Die Ausgabe enthält ferner eine Reportage über Menüs für Fluggäste sowie einen Fachbeitrag über eine Orangensaftpresse. Außerdem wird über einen Hersteller von Systemporzellan für Klinik und Catering berichtet. Unter diesem Text findet sich eine Anzeige des genannten Unternehmens. Ein Konkurrent der Publikation beschwert sich beim Deutschen Presserat. Zum einen werde nicht über das letztjährige Wettkochen, sondern über die diesjährige Veranstaltung berichtet. Eine Reportage müsse eigentlich eigenrecherchiert sein. Der Beitrag über „Menüs für Fluggäste“ sei bereits in seiner Zeitschrift erschienen. An dem Artikel über die Orangensaftpresse missfällt ihm, dass darin die komplette Adresse und die Telefonnummer des Herstellers genannt werde. In der Kombination des Textes über den Porzellanhersteller mit einer Anzeige des Unternehmens sieht er eine unzulässige Anzeigenkupplung. Die Chefredaktion des Magazins gesteht ein, dass der Kochwettbewerb bereits im Jahre 2001 veranstaltet worden sei. Beim Korrekturlesen sei das Wort „diesjährige“ leider nicht in „letztjährige“ korrigiert worden. Insofern liege in der Tat ein Fehler vor. Zu dem Vorwurf der falschen Kennzeichnung eines Beitrages mit „Reportage“ möchte sich die Chefredaktion nicht äußern. Die Rubrizierung sei einzig Sache des Heftes. Bei der Orangensaftpresse handele es sich um eine wirklich tolle Neuheit in der Branche. Die Redaktion habe ein wörtliches Interview mit einem begeisterten Leser des Magazins geführt, der darauf aufmerksam hatte machen wollen. Der Kasten mit Adresse und Telefonnummer des Herstellers diene lediglich als Hintergrundinfo. Es sei nichts dafür bezahlt worden. Der Vorwurf, man nehme Anzeigenkupplung vor, sei falsch. Die Platzierung der Anzeige sei zwar unglücklich, aber zufällig, da sie innerhalb des redaktionellen Umfeldes „Innovative Technik“ gebucht worden sei. (2002)
Weiterlesen
Eine große Wirtschaftszeitung berichtet über Querelen um die an einer internationalen Unternehmensschule zu erzielenden Studienabschlüsse. Dabei ist auch die Rede von einem früheren Schul-Chef, der seinen Professorentitel unerlaubt führe und gegen den deshalb ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Der Betroffene wehrt sich mit einer Beschwerde beim Deutschen Presserat. Ihm sei an einer bulgarischen Universität der Titel eines „Ehrenprofessors“ verliehen worden. Es habe nie ein Strafverfahren, sondern lediglich ein Ermittlungsverfahren gegeben, das wegen geringer Schuld eingestellt worden sei. In einem Schriftverkehr habe sogar die Staatsanwalt ihn als Professor angesprochen. Durch die Berichterstattung sieht er seinen Ruf erheblich geschädigt und seine Ehre verletzt. Es werde über ein Gerichtsverfahren berichtet, das es gar nicht gegeben habe, und es werde der Anschein erweckt, er habe sich strafbar gemacht. Die Rechtsabteilung der Wirtschaftszeitung entgegnet, der Beschwerdeführer selbst habe den Presserat darüber informiert, dass es um die Führung des Professorentitels ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegeben habe. Auch wenn von einer Verfolgung abgesehen wurde, so liege die Begründung der Entscheidung darin, dass die Staatsanwaltschaft die Schuld als gering angesehen habe. Die Rechtsabteilung der Zeitung kommt zu dem Schluss, dass es die Bezeichnung „Ehrenprofessor“ in der bulgarischen Gesetzgebung gar nicht gebe. Sie bezeichne höchstens eine Stellung innerhalb der Universität während der vereinbarten Vorlesungszeit. Die Berechtigung zur Führung eines Professorentitels in Deutschland könne nach Einschätzung des bulgarischen Bildungsministeriums nicht abgeleitet werden. Dies stelle die Kultusministerkonferenz (KMK) gegenüber dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst fest. (2002)
Weiterlesen
Möglicherweise wird – wenn ein großer ausländischer Partner abspringt – eine Landesbank eingreifen, um ein Unternehmen der Telekommunikationsbranche zu stützen. An einem solchen Notfallplan arbeitet offenbar das Wirtschaftsministerium des Landes. Das berichtet eine überregionale Wirtschaftszeitung mit dem Hinweis auf „Informationen aus der Landesregierung“. Der Vorstand der Landesbank schaltet den Presserat ein. Die Zeitung habe gegen die journalistische Sorgfaltspflicht verstoßen. Der Artikel stelle einen fahrlässigen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Landesbank dar. So habe zum Beispiel die Research-Abteilung einer großen Investmentfondsgesellschaft die Anleihen der Landesbank zum Verkauf stellen wollen, weil mit der in der Zeitung beschriebenen Transaktion eine erhebliche Verschlechterung der Bonität verbunden gewesen wäre. Die Rechtsabteilung der Zeitung stellt fest, dass in dem fraglichen Beitrag über Gespräche zwischen dem Firmenchef und dem Landeswirtschaftsminister berichtet wurde. Thema sei dabei auch die Überlegung gewesen, dass die Landesbank bei einem Ausstieg des ausländischen Partners kurzfristig einspringen solle. Es sei bekannt, dass die deutschen Landesbanken eng miteinander verflochten seien und sich vollständig in der öffentlichen Hand befänden. Vor diesem Hintergrund sei es geradezu zwangsläufig, dass – wenn ein Großarbeitgeber in Turbulenzen gerät – Rettungsüberlegungen zunächst mit der Politik besprochen würden. In einer Agenturmeldung, die die Rechtsabteilung beifügt, ist davon die Rede, dass sich das Wirtschaftsministerium lediglich gegen die Bewertung „Notfallplan“ gewendet habe, nicht aber, dass Gegenstand der Gespräche auch eine der Landesbank zugedachte Funktion gewesen sei. Dass es sich bei der Einbindung der Landesbank um eine Spekulation gehandelt habe, sei durch das Wort „soll“ kenntlich gemacht worden. (2002)
Weiterlesen
„Wir weinen mit Israel“ und „Die Nacht versank in Blut und Tränen“ sind die Überschriften zweier Artikel, in denen eine Boulevardzeitung über ein Selbstmordattentat in Jerusalem berichtet. Dem Artikel sind verschiedene Fotos beigestellt, auf denen die Opfer des Attentats zu sehen sind. Ein Leser des Blattes beschwert sich beim Deutschen Presserat, weil er den Vorgang unangemessen sensationell dargestellt sieht. Auf mehreren Fotos würden Tote und Verletzte gezeigt. Eine der Bildunterschriften laute: „Ein schwer verletzter Israeli läuft, bringt sich in Sicherheit. Seine Haut ist mit Splittern gespickt und verbrannt.“ Im Text heiße es zudem: „Der ganze Boden war mit Blut und Leichenteilen bedeckt.“ Der Beschwerdeführer kritisiert, dass die sinnlose Gewalt im Nahen Osten seit Monaten in allen Medien dargestellt und thematisiert werde. Es sei nicht anzunehmen, dass weitere, noch extremere Bilder die Menschen aufrüttelten oder Emotionen freisetzten, die dem Friedensprozess zugute kommen könnten. Aus diesem Grund hält er diese Berichterstattung für voyeuristisch und unangemessen. Die Chefredaktion des Blattes erklärt, dass der Krieg und seine Grausamkeit, auch wenn es um schwerste Verletzungen und Tötungen gehe, dargestellt werden müssten. Nur so könne versucht werden, die Menschen aufzurütteln, sie aufzuklären und ihnen bewusst zu machen, dass es so nicht weitergehen könne. Die Grausamkeit derartiger Auseinandersetzungen dürfe nicht dazu führen, dass man auf die Veröffentlichung von Fotos, welche die Wirklichkeit wiedergeben, verzichte. Die Konfrontation mit dem Elend, den Verletzungen, dem Tod und der Zerstörung seien zur Bewusstseinsbildung erforderlich. Nur eine realistische Darstellung in Fotos könne zur Aufklärung beitragen und die Menschen wachrütteln. Ein Verzicht auf fotografische Dokumente heiße auch, die Zeitgeschichte zu verfälschen. (2002)
Weiterlesen