Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Gemordet, weil das Kind „quengelte“

„Das ist der Kinder-Mörder!“ titelt eine Boulevardzeitung. Im Bericht geht es um den Mord an zwei vier und sechs Jahre alten Jungen. Weiter heißt es auf der Titelseite, Silvio S. (32) habe die abscheulichen Taten gestanden. Er habe den vierjährigen Flüchtlingsjungen Mohammed erdrosselt, weil der „quengelte“, und den sechsjährigen Jungen Elisas ermordet und im Garten vergraben. Der mutmaßliche Täter und die Opfer werden mit Porträtfotos gezeigt. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass der mutmaßliche Täter kurz nach seiner Verhaftung von der Zeitung als „Kinder-Mörder“ bezeichnet worden sei. Sie zeige ihn im Bild und verweise auch auf seinen Wohnort. So schrecklich die Taten seien, so hätten Menschen doch Persönlichkeitsrechte. Die Tatsachenbehauptung „Kinder-Mörder“ greife rechtsstaatlichen Mitteln der Justiz vor. Schließlich habe nur diese das Recht festzustellen, welche Schuld ein Mensch auf sich geladen habe. In der Vorprüfung erweitert der Presserat die Beschwerde auf die Darstellung der Zeitung, soweit es um die Opfer geht. Die Rechtsvertretung des Verlages weist die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet zurück. Im kritisierten Artikel werde die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß informiert. Der Täter habe zwei Kinder ermordet. Diese Feststellung sei wahr, und das müsse die Presse beim Namen nennen dürfen. Es sei schlicht falsch, von einem „mutmaßlichen Täter“ zu sprechen, da dieser zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt habe. Im Übrigen thematisiere die Zeitung einen der bedeutendsten Kriminalfälle der letzten Jahre, der Gegenstand einer sich über Monate hinziehenden „medialen Fahndung“ gewesen sei. Das berichtete Geschehen sei von überragendem öffentlichem Interesse, das insbesondere an der Veröffentlichung des Fotos des Straftäters bestehe. In der Sache gelte der Täter aufgrund seines Geständnisses als überführt. In der Abwägung zwischen der grundgesetzlich garantierten Informationsfreiheit und dem Anonymitätsinteresse des Täters müsse in einem solchen Fall letzteres zurückstehen. Die Zeitung steht auch auf dem Standpunkt, dass es presseethisch zulässig gewesen sei, die Opfer im Bild zu zeigen. Es handele sich um Fotos, die monatelang in den Medien präsent gewesen seien, um die Fahndung nach dem Täter zu voranzutreiben. Die Veröffentlichung derartiger Fotos auch nach Abschluss der Fahndung könne presseethisch nicht unzulässig sein.

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Redaktion als „Hofberichterstatter“ unterwegs

Eine Regionalzeitung berichtet über die Wiederwahl des Oberbürgermeisters in einer Stadt des Verbreitungsgebietes. Im Text heißt es, der Vorsitzende einer Ratsfraktion habe den seiner Partei angehörenden OB dafür gelobt, dass dieser während seiner Amtszeit keine Neuverschuldung zugelassen habe. Ein Leser der Zeitung stellt fest, aus seiner Sicht verstoße die Berichterstattung gegen den Pressekodex. Laut Veröffentlichung des Statistischen Landesamtes habe die Verschuldung der Stadt im Jahr 2006 bei rund 60 Millionen Euro gelegen. Bis zum Jahr 2012 (letzte amtliche Veröffentlichung) sei die Verschuldung auf 81 Millionen Euro angestiegen. Die Berichterstattung zeige, dass die verantwortlichen Redaktionsmitglieder keinerlei Interesse an einer korrekten und wahrheitsgemäßen Berichterstattung hätten. Nicht nur im Bund und in den Ländern werde mit der Verschuldungsproblematik handfeste Wählerbeeinflussung zugunsten der eigenen Partei gemacht. Das sei auch in den Kommunen der Fall. Die Redaktion sei sprichwörtlich als „Hofberichterstatter“ unterwegs. Die Zeitung teilt mit, dass es sich bei der beanstandeten Passage um eine Stellungnahme des Fraktionsvorsitzenden handele, was für den Leser klar erkennbar sei. Die Aussagen seien auch nicht unwahr, da sie sich allein auf die Finanzsituation der „Kernstadt“ bezögen. Die Verschuldung der Eigenbetriebe, insbesondere die der Stadtwerke, sei nicht einbezogen. Dabei handele es sich um sogenannte rentierliche Schulden. Aufgrund der aktuell anstehenden Haushaltsplanungen für das kommende Kalenderjahr plane man eine erneute Berichterstattung,. Dann werde die Redaktion der Leserschaft die Thematik und die mit ihr einhergehenden Differenzierungen näher bringen und erklären.

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„Sterbendes“ Kind im Bild gezeigt

„Hier umarmt ein Vater seinen sterbenden Sohn“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Im Bericht geht es um ein Gewaltverbrechen, das in Guatemala-Stadt von einer Drogenbande verübt wurde. Die Bande stieß einen Zwölfjährigen von einer Brücke, weil er dem Befehl, einen Menschen zu töten, nicht nachgekommen war. Der Vater des Jungen durchkämmte die Gegend mit Hilfe eines Suchtrupps und fand schließlich sein schwerverletztes Kind. Zum Beitrag gestellt sind drei Fotos. Zwei davon zeigen, wie der Vater seinen schwerverletzten Sohn im Arm hält. Ein Hubschrauber brachte den Jungen in ein Krankenhaus, wo die Ärzte zwei Wochen lang um sein Leben kämpften. Diese Bemühungen waren letztlich vergebens. Eine Leserin der Zeitung wirft der Redaktion einen Verstoß gegen Ziffer 1 des Pressekodex (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) vor. Die Zeitung zeige Fotos eines schwerverletzten, sterbenden Kindes. Sie missachte damit die Menschenwürde. Nach Darstellung der Rechtsabteilung der Zeitung achtet die Redaktion immer die Menschenwürde, was auch bei dieser Berichterstattung der Fall gewesen sei. Das kritisierte Foto zeige den Jungen lebend in den Armen seines Vaters. Damit sei er eindeutig nicht zum Objekt herabgewürdigt worden. Die Redaktion habe sorgsam abgewogen zwischen den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen und dem Informationsinteresse der Leser. Diese Abwägung sei zugunsten des Leserinteresses ausgegangen. Für ein starkes Informationsinteresse der Öffentlichkeit spreche das weltweite Aufsehen, dass dieser Fall ausgelöst habe. Hier sei das tragische Einzelschicksal eines Kindes dokumentiert worden, das sein eigenes Leben riskiert habe, um einen anderen Menschen zu retten. Der Fall stehe exemplarisch für die Zustände in Guatemala als einem Land mit einer extrem hohen Kriminalitätsrate. Auf diese Zustände hinzuweisen, gehöre zu den Aufgaben der Presse.

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Leser erwarten eine wertende Einordnung

Unter der Überschrift „Dreister AfD-Politiker provoziert bei Jauch-Talk mit Deutschland-Fahne“ veröffentlicht die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins eine TV-Kolumne. Darin heißt es: „Justizminister Maas rede wie Honecker, die deutsche Frau habe blond zu sein, der Ausländer vergewaltige oft: Und dann packt AfD-Mann Höcke auch noch die Deutschlandfahne aus.“ Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitschrift – wirft dieser eine falsche Tatsachenbehauptung vor. Der Kolumnist behaupte, Höcke habe gesagt, eine deutsche Frau habe blond zu sein. Das entspreche nicht der Wahrheit. Diese Aussage sei in der besagten Sendung nicht gefallen. Wörtlich habe Höcke gesagt: „Die Angstträume werden größer, gerade für blonde Frauen.“ Er habe später noch entschuldigend ergänzt: „Natürlich waren auch brünette, rothaarige und schwarzhaarige gemeint.“ Der Beschwerdeführer stellt weiter fest, die Deutschlandfahne sei keine Provokation, sondern ein Hoheitszeichen. Der Presserat beschränkt die Beschwerde auf ein mögliches falsches Zitieren. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe stellt fest, bei der kritisierten Kolumne handele es sich um einen Meinungsbeitrag. Da erwarte der Leser nicht die präzise Wiedergabe eines Geschehens, sondern eine wertende Einordnung. Daher sei es völlig in Ordnung, wenn die Autorin sich nicht nur mit dem auseinandersetze, was AfD-Politiker Höcke wörtlich gesagt habe, sondern damit, was er durch die Gesamtheit seiner Aussagen und seines Auftritts transportiert habe. Wenn jemand wie Björn Höcke von größer werdenden Angstträumen „gerade für blonde Frauen“ spreche, während er ein Deutschlandfähnchen auf seine Sessellehne hänge, dann sei klar, dass er sich nicht um blonde Migrantinnen sorge. Die Haarfarbe werde hier als Chiffre für die nationale Zugehörigkeit verwendet. Die Formulierung im Text sei eine Zuspitzung, als solche aber auch erkennbar. Hier werde ersichtlich nicht wörtlich wiedergegeben, was Höcke gesagt habe, sondern wie die Autorin ihn aufgrund seines gesamten Auftritts sehe. Für solche Meinungen müsse Platz sein. Dies vor allem im Zusammenhang mit Politikern, die selbst polemisch agierten.

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Auf der Spur des Galgen-Trägers

„Wer ist der Galgen-Träger von der Pegida-Demo?“ titelt eine Boulevardzeitung gedruckt und online. Es geht um einen Mann, der bei einer Demonstration einen Galgen mit sich geführt hat, an dem zwei Stricke hingen, „reserviert“ für Angela Merkel und Sigmar Gabriel. Die Zeitung habe nach eigenem Bekunden den als „Bernd A. (39)“ bezeichneten Werkzeughändler aus einem Ort rund 100 Kilometer von Dresden entfernt gefunden. Er werde inzwischen auch vom Staatsschutz wegen „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“ und „öffentlicher Aufforderung zu Straftaten“ gesucht. Die Zeitung berichtet, sie habe den Mann in einer Erdgeschosswohnung in einem heruntergekommenen Mehrfamilienhaus ausfindig gemacht. Ihr Reporter habe mit dem Mann gesprochen, der sagt, dass er den Galgen in seiner Werkstatt zusammengebastelt habe. Er berichte von zahlreichen positiven Reaktionen und bestehe darauf, dass es sich bei seiner Aktion nur um Satire und schwarzen Humor gehandelt habe. Er wolle nicht, dass Merkel und Gabriel etwas passiere. Die Polizei habe sich noch nicht bei ihm gemeldet. Er habe nichts gegen Ausländer, doch auf seinem öffentlichen Facebook-Profil habe er unter anderem „Deutsches Reich“ und „Wehrmacht/Waffen-SS/Luftwaffe“ mit „Gefällt mir“ angeklickt. Der Mann bekennt, dass er Lutz Bachmann, den Pegida-Chef, möge. Vor kurzem habe er noch Kommentare wie etwa „Ferkel muss weg“ veröffentlicht. Zum Artikel gestellt sind drei Fotos. Zwei zeigen den Mann, an die Tür seiner Wohnung gelehnt. Es sind heimlich gemachte Fotos, wie sich später herausstellen wird. Das dritte Bild zeigt ihn mit Galgen bei der Demonstration. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass die Zeitung den Mann unverpixelt an seiner Haustür zeige. Ein Teil der Wohnung sei zu erkennen. Dass der Pegida-Demonstrant einen symbolischen Galgen für Merkel und Gabriel mitgeführt habe, rechtfertige nicht den Eingriff in seine Privatsphäre. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe der Zeitung hält es nicht nur für gerechtfertigt, sondern für eine journalistische Pflicht, exponierte Persönlichkeiten der Pegida-Bewegung auszuleuchten. Es wäre grundfalsch, sich bei der Berichterstattung auf das Umfeld zu beschränken, das Pegida-Leute sich selbst für ihre Hetze und Propaganda wählten. Nach dem Grundgesetz sei in Deutschland die Todesstrafe abgeschafft. Wer diese durch Worte oder Symbole trotzdem fordere, der begebe sich in eine rechtliche Grauzone. Er mache sich selbst – besonders vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte – wissentlich und willentlich zu einer zeitgeschichtlich relevanten Person und zum Gegenstand intensiver Berichterstattung. Er gebe sich als jemand zu erkennen, der den Staat als Feind betrachte und dessen gewählte Repräsentanten gern beseitigt sehen würde. Bernd A. habe dem Reporter vor seiner Haustür erklärt, der von ihm präsentierte Galgen sei ein Symbol für den „Volksverrat“ deutscher Politiker. Er bediene sich dabei eindeutig einer Diktion aus dem Dritten Reich - so der Chefredakteur, der die Berichterstattung für zulässig und sogar erforderlich hält.

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Über getötete Mädchen identifizierbar berichtet

Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet über einen schweren Verkehrsunfall, dem zwei junge Mädchen (beide wurden 15 Jahre alt) zum Opfer gefallen sind. Die Redaktion berichtet, dass die beiden in einem Sportverein Fußball gespielt hätten. Der Artikel ist mit einem Foto der beiden Mädchen bebildert. Im Bildtext heißt es: „Freundinnen auf dem Fußballplatz, in der Schule und in ihrer Freizeit. Auch auf Facebook zeigen Lisa (rechts im Bild) und Sonja, wie eng sie verbunden waren.“ Als Quelle wird „Screenshot Facebook“ genannt. Zwei Leser weisen darauf hin, dass es sich bei den beiden Todesopfern um minderjährige Mädchen handele. Beide Kinder würden identifizierbar dargestellt. Die Beschwerdeführer sehen ethische Grundsätze – hier Ziffer 8 (Schutz der Persönlichkeit), Richtlinien 8.2 (Opferschutz) und 8.3 (Kinder und Jugendliche) des Pressekodex – verletzt. Der Chefredakteur bedauert, dass die Berichterstattung mehrere Leser verärgert habe. Das sei nicht die Absicht der Redaktion gewesen. Der Tod der Jugendlichen habe die Redaktion ebenso erschüttert wie die Menschen in der Stadt, in der die Mädchen zu Hause gewesen seien. In einer Kleinstadt mit rund 10.000 Einwohnern sei der Unfalltod von zwei jungen Menschen für Stadt und Region ein außergewöhnlich tragisches Ereignis. Die Mädchen seien bekannt und beliebt gewesen, unter anderem durch ihr Engagement im örtlichen Sportverein. Derart erschütternde Ereignisse gehörten leider zum Zeitgeschehen, so der Chefredakteur weiter. Es gehöre daher zu den (traurigen) Aufgaben eines lokalen Mediums, die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Es dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass beide Mädchen sowohl ihre Freundschaft, als auch ihr Privatleben sehr extrovertiert in den sozialen Netzwerken ausgelebt hätten. Beide Facebook-Profile seien nach wie vor als Erinnerungsseiten abrufbar. Die Eltern der Toten hätten ihre jeweiligen Traueranzeigen mit Fotos der Verunglückten versehen. Der Chefredakteur spricht von einem Grenzfall. Da die Redaktion aber keinesfalls Trauernde verletzen wolle, habe sie sich dazu entschlossen, das Foto der beiden Mädchen aus dem Internet-Angebot der Zeitung zu entfernen.

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„Finanziert“ oder „finanziell gefördert“?

Eine Fachzeitschrift veröffentlicht eine Rezension über das 2015 im Ferdinand Schöningh Verlag erschienene Buch „Das Olympische Dorf von 1936. Planung, Bau und Nutzung“. Unter anderem heißt es dort: „Die Stiftung hat auch die Forschungen des jungen Münsteraner Historikers Emanuel Hübner über das Olympische Dorf finanziert.“ Beschwerdeführer in diesem Fall ist der Autor des rezensierten Buches. Er bezeichnet die Finanzierungs-Passage als falsch. Er habe diese beim Verlag beanstandet, der daraufhin eine Richtigstellung angeboten habe. Schließlich stellt sich heraus, dass das Buchprojekt von der DKB Stiftung für gesellschaftliches Engagement nicht finanziert, sondern lediglich finanziell gefördert worden ist, etwa durch einen Beitrag zu den Reise- und Druckkosten. Die Zeitschrift meint, keinen Grund zur Richtigstellung zu haben.

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„Mit Glatze und Mordgedanken“

„Frank S., das Gespenst von Köln-Nippes“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Im Bericht geht es um den Mann, der im Herbst 2015 ein Messerattentat auf die damalige Oberbürgermeister-Kandidatin verübt hatte. Dem Beitrag ist ein Porträtfoto des Mannes beigestellt. Im Bildtext heißt es: „Bekennender Neonazi ohne Job, mit Glatze und Mordgedanken: Frank S. aus Nippes.“ Ein Leser der Zeitung vertritt die Ansicht, die Veröffentlichung des Fotos des Täters verstoße gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit). Die Tat sei geschehen, der Täter inzwischen gefasst und geständig. Eine Öffentlichkeitsfahndung der Polizei habe es nicht gegeben. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Er teilt mit, lediglich in den ersten Tagen nach dem Attentat hätte die Redaktion den Täter mit unverfremdeten Bildern gezeigt. In den folgenden Ausgaben sei das Foto des Mannes stets mit einem Gesichtsbalken versehen gewesen. Einige Ausgaben später habe die Redaktion unverfremdete Bilder gebracht. Dies habe die Redaktion angesichts des nationalen und internationalen Interesses an dem Fall für angemessen gehalten. Wegen der Schwere der Tat habe man das Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorrangiger eingestuft als die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen. Im Übrigen habe die Redaktion nie den vollen Namen des Täters genannt.

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Von „Lynchmord“ ist gar nicht die Rede

Die Online-Ausgabe einer überregionalen Wochenzeitung berichtet über einen israelischen Beduinen, der an einem israelischen Busbahnhof ein Attentat begangen hat und anschließend von einem Wachmann erschossen wurde. Der Vorfall hat auch einen Flüchtling aus Eritrea das Leben gekostet. Dieser sei – so die Zeitung - zunächst fälschlicherweise für den Attentäter gehalten, angeschossen und schließlich gelyncht worden. Ein Leser der Zeitung teilt mit, gleich mehrere Zeitungen hätten den Tod des Eritreers als Lynchmord bezeichnet bzw. behauptet, der Mann sei gelyncht worden. Tatsächlich habe ihn ein Wachmann angeschossen. An dieser Verletzung sei er verstorben. Diese Zeitungen – und damit auch die jetzige Beschwerdegegnerin – hätten gegen den Pressekodex – hier Richtlinie 13.1 – verstoßen. Diese Richtlinie definiert den Begriff „Vorverurteilung“. Der Beschwerdeführer legt einen Artikel der „Jerusalem Post“ vor. Aus diesem geht hervor, dass das Opfer aufgrund seiner Schusswunden gestorben ist und nicht aufgrund von Schlageinwirkungen durch den Mob. Der von der Wochenzeitung beauftragte Anwalt trägt vor, diese habe berichtet, dass der Mann aus Eritrea versehentlich angeschossen worden sei. Tatsächlich sei er in angeschossenem Zustand von umstehenden Personen verprügelt worden. Danach sei er gestorben. Alle internationalen Medien hätten in ihrer Berichterstattung von Lynchen gesprochen. Selbst die israelische Zeitung „Haaretz“ habe noch von Lynchen gesprochen, nachdem sich bei der Autopsie des Mannes aus Eritrea herausgestellt habe, dass dieser an den Folgen des Schusses und nicht in erster Linie an den Schlägen gestorben sei. Das ändere an der Richtigkeit der Berichterstattung der von ihm vertretenen Zeitung aber nichts, so der Rechtsanwalt in seiner Erwiderung auf die Beschwerde. Der Jurist meint, möglicherweise beruhe die Beschwerde auf der oberflächlichen Lektüre des Artikels. In der Beschwerde werde behauptet, die Zeitung habe die Vorgänge als „Lynchmord“ bezeichnet. Das sei jedoch falsch, denn das Wort „Lynchmord“ werde im Artikel gar nicht verwendet. Dennoch hat die Zeitung den Artikel verändert. In der entscheidenden Passage heißt es jetzt: „Daraufhin starb nicht nur der Beduine, sondern auch ein Flüchtling aus Eritrea. Er wurde fälschlicherweise für den Attentäter gehalten, angeschossen und schließlich noch misshandelt.“ Unter dem Artikel steht der folgende Hinweis: „Hinweis der Redaktion. Der Artikel wurde geändert. In einer früheren Fassung war davon die Rede, der Eritreer sei ´gelyncht´ worden. Zwar ist er misshandelt worden, doch war die Todesursache der Schuss eines Wachmanns.“

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„Bürgerkriegsähnliche Zustände“

„Übergriffe auf Rettungskräfte?“ – so überschreibt eine Regionalzeitung gedruckt und online ihren Bericht über einen Rettungseinsatz in einer Flüchtlingsunterkunft. Ein Flüchtling sei aus dem dritten Stockwerk des Gebäudes gestürzt. Weiter berichtet die Zeitung, in der Unterkunft sei es zu gewalttätigen Übergriffen gekommen. Nach Recherchen der Redaktion sollen Einsatzkräfte im Bereich der Unterkunft attackiert und massiv bedroht worden sein. Bewohner der Unterkunft sollen sogar versucht haben, einen Rettungshubschrauber zu beschädigen. Zeugen des Geschehens hätten – so die Zeitung – von „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ gesprochen. Sie hätten der Zeitung anvertraut, dass erst ein massives Polizeiaufgebot dafür gesorgt habe, die aufgebrachte Menge zurückzudrängen. Die Besatzung eines Rettungswagens sei eingeschüchtert worden. Eine offizielle Bestätigung der Vorfälle habe es seitens der Polizeileitstelle nicht gegeben. Auf eine Anfrage der Zeitung sei die Auskunft gegeben worden, Attacken auf Rettungskräfte habe es nicht gegeben. Ein Leser der Zeitung sieht mehrere presseethische Grundsätze durch die Berichterstattung verletzt. Alle im Artikel geäußerten Vermutungen entbehrten jeder Grundlage. Am besagten Tag habe sich ein Flüchtling das Leben genommen. In diesem Zusammenhang habe es einen Rettungseinsatz gegeben, der jedoch friedlich verlaufen sei. Der Beschwerdeführer teilt mit, er selbst habe versucht, die im Artikel genannten Straftaten zur Anzeige zu bringen. Die Polizei habe aber gesagt, dass nichts davon wahr sei. Als Vertreter des Ehrenamts in der Unterkunft sei er mehrfach auf die Zeitung zugegangen, habe sie über den Sachverhalt informiert und gebeten, den Artikel zu dementieren und vom Netz zu nehmen. Er habe auch darauf hingewiesen, dass der Artikel leider von rechtslastigen Seiten und Blogs im Internet weiterverbreitet werde. Der Chefredakteur spricht in seiner Stellungnahme von zuverlässigen Quellen, auf denen der Artikel beruhe, die man aber wegen des Quellenschutzes nicht nennen könne. Da die Redaktion selbst nicht vor Ort gewesen sei und es sich bei dem Bericht bei aller Zuverlässigkeit der Quellen um die Wiedergabe der Wahrnehmung Dritter gehandelt habe, habe die Redaktion die Überschrift „Übergriffe auf Rettungskräfte“ mit einem Fragezeichen versehen. Dass die Polizei die Bedrohung von Rettungskräften nicht bestätigt habe, komme in dem Artikel deutlich zum Ausdruck. Aus der Tatsache, dass die Erklärung der Polizei und die Schilderungen der Informanten nicht deckungsgleich seien, ergebe sich nicht zwangsläufig ein Widerspruch. Wie schon „Köln“ gezeigt habe, könne sich bei großen Menschenansammlungen das Lagebild sehr schnell ändern. Das Eintreffen der Polizei könne beruhigend gewirkt haben oder als beruhigend empfunden worden sein. Dabei empfänden Menschen eine aggressive Stimmung und Bedrohung ohnehin unterschiedlich.

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