Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Keinen Staubsauger, sondern Körper verkauft

Ein Nachrichtenmagazin berichtet online über das Leben des Sugarbabes Angelina. Überschrift: „Ich verkaufe ja keinen Staubsauger, sondern meinen Körper“. Die Redaktion schreibt, Angelina habe neben ihrer Ausbildung auf dem Straßenstrich gearbeitet, weil ihr Einkommen nicht zum Leben gereicht habe. Die Nebeneinkünfte als Prostituierte seien zwar eine finanzielle Absicherung, aber auf Dauer keine Lösung gewesen. Sie habe unter der Internet-Adresse „mysugardaddy.eu“ nach einem zahlungswilligen älteren Mann gesucht und diesen auch gefunden. Die Konditionen der Beziehung könnten ganz individuell zwischen „Sugardaddy“ und „Sugarbabe“ verhandelt werden. Oft überweise der Sugardaddy monatlich einen vereinbarten Festbetrag. Was darin enthalten sei, variiere. Von Abendessen über Theaterbesuche bis hin zum gemeinsamen Urlaub sei alles drin. Sex sei nicht selten ein Teil der Vereinbarung. Ein Leser des Nachrichtenmagazins kritisiert, dass dieses nicht nur Schleichwerbung mit diversen Links betreibe, sondern auch die Prostitution im Ganzen als lukrativen und sicheren Nebenerwerb darstelle. Die stellvertretende Chefredakteurin der Online-Ausgabe des Nachrichtenmagazins stellt fest, die Autorin habe den Beitrag in ihrem Auftrag aus rein journalistisch-redaktionellem Interesse geschrieben. Es handele sich dabei keinesfalls um Schleichwerbung. Die Redaktion sei auf das Portal aufmerksam geworden und habe sich gefragt, was Menschen motiviere, dort als „Sugardaddy“ bzw. „Sugarbabe“ zu agieren. Wirtschaftliche Vorteile oder Beziehungen zu dem Portal gebe es nicht. Im Online-Journalismus sei es absolut normal, dass man auf Portale verlinke, über die man schreibe.

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Heimtückisch Ermordete im Bild gezeigt

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht gedruckt und online einen Artikel unter der Überschrift „Das dunkle Geheimnis des Kopfschuss-Killers“. Es geht dabei um die Ermittlungen gegen einen 30jährigen Mann wegen Mordes an einer 46jährigen Cafébesitzerin in Duisburg. Die Zeitung veröffentlicht ein Bild des Mannes und nennt ihn „Constantin S.“ Sie zeigt auch ein Foto der Ermordeten. Eine Leserin der Zeitung kritisiert die Verletzung des Persönlichkeitsschutzes des Verdächtigen durch die Veröffentlichung des Fotos. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt Stellung. Die Redaktion halte in derartigen Fällen an der von ihr vertretenen Auffassung fest, dass die Öffentlichkeit bei spektakulären Straftaten ein besonderes Interesse daran habe, von den Medien umfassend, auch unter Einbeziehung von Einzelschicksalen und dann grundsätzlich personalisierend, informiert zu werden. Bei der Straftat in diesem Fall handele es sich um die wahllose und heimtückische Ermordung einer Mutter an ihrem Arbeitsplatz, die offenbar in keiner Verbindung zu dem Täter gestanden habe. Somit liege eine außergewöhnlich schwere oder auf ihre Art besondere Straftat im Sinne der Richtlinie 8.1 des Pressekodex vor. Das öffentliche Interesse überwiege in diesem Fall die schutzwürdigen Belange des Täters. Zudem sprächen im konkreten Fall auch die Intensivität des Tatverdachts, sowie die Schwere des Vorwurfs (heimtückischer Mord) dafür, in einer Gesamtabwägung die Belange des Verdächtigen hinter den berechtigten Interessen der Öffentlichkeit zurücktreten zu lassen. Der Chefredakteur stellt sich auf den Standpunkt, dass auch die identifizierende Darstellung des Opfers gerechtfertigt sei. Das Foto zeigt das Opfer positiv und lebensbejahend bei der Ausübung seines Berufes als Café -Besitzerin.

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Publizistische Eigenverantwortung missachtet

„Polizeipräsident und SPD Innenminister verharmlosen Gefahr in Hamburg“ – so überschreibt eine Regionalzeitung einen Online-Beitrag, der mit dem Namen eines der AfD angehörenden Lesers gezeichnet ist. Neben dem Artikel heißt es unter „Hinweis“ und der Überschrift „Inhalte Drittanbieter“: „Die in diesem Ressort aufgeführten Artikel und Meldungen stammen nicht von der (…)-Redaktion, sondern von den Vereinen, Parteien und Behörden aus der Region. Die Inhalte dieser Pressemeldungen spiegeln nicht die Meinung der Redaktion. Die (…)-Redaktion übernimmt für die Inhalte der Artikel keine Haftung…“ Ein Leser sieht in mehreren Zitaten einen ethischen Verstoß gegen die Ziffern 2.7 und 10 des Pressekodex, weil hier offenkundig die religiöse Überzeugung des Islam geschmäht werde und Muslime pauschal zu „Islamisten erklärt würden. Auch sei die Redaktion der Sorgfaltspflicht bei der Überprüfung und Freigabe des Textes nicht nachgekommen, wenn z. B. Nichtchristen für eine „Umformung der Gesellschaft“ verantwortlich gemacht würden. Es reiche nicht aus, unter der Kennzeichnung „Hinweis“ auf die „Inhalte Drittanbieter“ hinzuweisen. Diese vier Zitate sind die Basis der Beschwerde. 1. „Dabei könnte man es eher genau andersherum deuten, indem er kurz vor der Abschiebung noch im Namen Allahs einen Menschen tötet und fünf zum Teil schwer verletzt! Diese Zeitbomben werden immer mehr und wir sehen uns gesetzlich nicht in der Lage, solche Leute zu inhaftieren.“ 2. „Zum Jahrestag des Terroranschlages von Ansbach darf dann eine Asylfachanwältin im Bayerischen Rundfunk für die psychisch kranken Asylbewerber Partei ergreifen und die Verschärfungen im Straf- und Asylrecht als Eingriffe in die Bürgerrechte anprangern! Es gilt gerade, die Bürger vor solchen islamischen Terroristen zu schützen!“ 3. „Dies bedeutet ganz klar, dass in Deutschland bei Beherzigen dieser Studie bis 2050 mehr Islamisten als Christen in Deutschland leben würden! Dies bedeutet eine Umformung der Gesellschaft auf allen gesellschaftlichen Ebenen von der Kinderkrippe bis zur Uni und im Umgang später in der Familie usw.!“ 4. „Kein Jude und kein Christ würden sich mit einem Sprengstoffgürtel in einem Bus möglichst mit Andersgläubigen in die Luft sprengen, aber muslimische Erwachsene oder sogar Kinder und Jugendliche schon!“ Der Chefredakteur äußert sich zu den Inhalten des kritisierten Gast-Beitrages: Die Aussagen des AfD-Mannes seien populistisch und zum Teil auch volksverhetzend. Aber es blieben letztendlich die offiziellen Aussagen der AfD-Politiker, die sie auf Wahlkampfveranstaltungen pausenlos wiederholten. So lange die AfD eine anerkannte Partei sei und öffentlich solche Aussagen zum Besten geben dürfe, wolle man sich nicht dem Vorwurf der „Lügen-und Systempresse“ aussetzen, indem man solche Gastbeiträge – mehrfach als „Inhalte Drittanbieter“ gekennzeichnet – lösche.

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Nicht akzeptable Verwechslungsgefahr

Ein Anzeigenmagazin veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Fulfillment“. Im Text geht es um eine Firma, die mit ihrem Dienstleistungsangebot im Bereich des Vertriebs von Waren an Hersteller und Fachhandel unterwegs ist. Sie steht im Mittelpunkt des Berichts und richtet ihre Beschwerde – anwaltlich vertreten – an den Presserat, weil sie darin nicht kenntlich gemachte Werbung sieht. Nur auf der ersten Seite des Beitrags sei rechts unten der Vermerk „Promotion“ zu lesen. Da auch das Layout der Werbung im Stil des redaktionellen Teils gehalten sei, seien die Anforderungen der Richtlinie 7.1 des Pressekodex (Trennungsgebot) nicht erfüllt. Die Rechtsvertretung des Magazins will zunächst geklärt wissen, was es mit der Firma auf sich hat. Ein Unternehmen mit dem angegebenen Namen gebe es nach ihren Recherchen in der betreffenden Stadt nicht. Dies habe die Negativauskunft des Gewerbeamtes der Stadt ergeben. Hintergrund der Beschwerde ist nach Auskunft der Rechtsvertretung des Magazins, dass der Sohn der Geschäftsführerin der Firma die Anzeige im Magazin vermutlich ohne Kenntnis seiner Mutter in Auftrag gegeben habe. Die Rechtsvertretung teilt mit, die Verlegerin des Magazins sei davon ausgegangen, dass die Nennung der Firmendaten am Ende des Beitrags ausreichend sei, um den Beitrag korrekt als Werbung zu kennzeichnen. Auch sei ihr nicht bewusst gewesen, dass der „Promotion“-Hinweis auf der ersten Seite des Artikels nicht ausreichend sei, um diesen als Werbung zu kennzeichnen. Das Magazin werde sich künftig in vergleichbaren Fällen selbstverständlich an die Regeln halten.

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Kaffee-Resümee: „Wir sind süchtig!“

Ein Leser legt dem Presserat 20 Instagram-Postings aus den letzten zwölf Monaten vor. Sie stammen aus der Onlineausgabe einer Jugendzeitschrift. 16 Postings haben eine bekannte Kaffee-Kette zum Thema. Beispielsweise teilt die Redaktion anlässlich des „Nationalcoffeeday“ den Lesern ihre Kaffee-Favoriten mit und fragt, welchen Kaffee die Leser am liebsten trinken. In einem anderen Posting schreibt die Redaktion, sie hätte sich bestimmte Kaffee-Sorten einverleibt. Sie kommt zu dem Resümee: „Soo lecker – wir sind süchtig!“ Drei Postings befassen sich mit Oktoberfest-Dirndln eines bestimmten Herstellers. Auch hier wird nicht mit der positiven Darstellung der Produkte gespart. Als Zugabe gibt es noch die Präsentation zweier Redaktionsdamen. Die zeigen ihre Beine und versichern, diese würden nur dank einer bestimmten Rasierklinge so perfekt aussehen. Der Beschwerdeführer sieht durch die Veröffentlichungen die Ziffer 7 des Pressekodex verletzt, in der das Trennungsgebot zwischen redaktionellen und werblichen Inhalten definiert ist. Dem widerspricht die Rechtsabteilung der Zeitschrift. Nach ihrer Meinung verkenne der Beschwerdeführer die Funktion von Instagram und die Aktion der Zeitschrift. Instagram sei die Plattform, mit deren Hilfe weltweit besonders viel gekaufte Marken von ihren Nutzern hervorgehoben würden. Die Fans würden auf Instagram ihre Marken feiern. Instagram sei Mainstream. Fans dürften hier Fans sein und posteten um die Wette Fotos von sich und ihren Lieblingsmarken. Die Redaktion entscheide dabei frei und unabhängig, in welchen Fällen sie mitfeiere. Die Instagram-Aktivitäten würden weder bezahlt noch seien sonstige Vermögenswerte gewährt worden.

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Wenn Fans per Zeitschrift ihre Marken rühmen

Eine Jugendzeitschrift veröffentlicht in zwei unterschiedlichen Ausgaben online je einen Artikel über eine Rasierklingenmarke und eine Kaffee-Kette. Im ersten Beitrag geht es um eine sogenannte „Venus-Embrace-Serie“, deren Produkte durchweg positiv dargestellt werden. Textbeispiel: „Mach deine Beine mit dem Venus Embrace Sensitive fit für den großen Auftritt.“ Linksbündig wird die Autorin des Beitrags im Bild vorgestellt; rechtsbündig steht das Wort „Anzeige“. Dem Text beigestellt sind drei Produktfotos und der Namenszug der Produktserie. Später berichtet die Zeitschrift – ebenfalls online – erneut über das schon vorher vorgestellte Produkt. Danach „verrät dieses die besten Tipps, wie du den Sommer voll und ganz genießen kannst“. Unter der Rubrik „Unser Tipp“ erwähnt die Redaktion wieder mehrmals die Venus-Produkte. Auch dieser Beitrag ist mit dem Wort „Anzeige“ versehen. In einer späteren Ausgabe stellt die Zeitschrift eine Kaffee-Kette vor, die als Neuerung kleinere Becher auf den Markt bringt. Schlussfolgerung der Autorin über den kleinen Becher: „Sieht der nicht süß aus!“ Im Text geht es weiter mit der durchweg positiven Vorstellung der Ketten-Produkte. Ein Leser der Zeitschrift bemängelt in beiden Fällen, dass der Hinweis auf den Werbecharakter der Veröffentlichung durch das Wort „Anzeige“ viel zu klein sei. Er stellt sich und dem Presserat die Frage, wie Kinder und Jugendliche – die Zielgruppe der Zeitschrift – angesichts einer solchen Kennzeichnung redaktionelle und werbliche Inhalte auseinanderhalten sollten. Den Kaffee-Ketten-Bericht hält der Beschwerdeführer für einen klaren Fall von Schleichwerbung nach Ziffer 7 des Presskodex. Die Rechtsabteilung der Zeitschrift wehrt sich gegen den Vorwurf der Schleichwerbung mit dem Hinweis auf Instagram als Quelle der beanstandeten Beiträge. Bei Instagram handele es sich um eine der größten sozialen Online-Plattformen weltweit, auf denen unzählige Trendmarken – wie auch jene in diesem Fall - von Mitgliedern der Plattform gerühmt und hervorgehoben würden. Instagram sei dafür bekannt, dass die Fans dort ihre Marken „feiern“. Bei Instagram – so die Rechtsabteilung – geschehe nichts heimlich. Die Nutzer der Plattform wüssten, wofür Instagram stehe. Die Redaktion entscheide frei und unabhängig, welche Produkte sie als Fan mitfeiere. Die Instagram-Aktivitäten würden weder bezahlt noch seien sonstige Vermögensvorteile gewährt worden.

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Würde eines Mordopfers verletzt

„Maria L. vergewaltigt und ertrunken“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Tags darauf folgt ein weiterer Bericht über das Verbrechen. Überschrift diesmal: „Nach der Uni-Party traf Maria (19) ihren Mörder“. Die Redaktion berichtet von einem 17jährigen Flüchtling aus Afghanistan, den die Polizei verhaftet habe. Er stehe nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft unter dem dringenden Verdacht, die Studentin vergewaltigt und ermordet zu haben. Der erste Artikel enthielt ein unverpixeltes Porträtfoto des Opfers. Nach Angaben von einem der drei Beschwerdeführer war ein Bild der jungen Frau auch im Folgebericht unverpixelt abgedruckt worden. Dieses Foto liegt dem Presserat jedoch nur verpixelt vor. Ein Beschwerdeführer sieht mit der Berichterstattung mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Die Veröffentlichung des Fotos der ermordeten Studentin sei pietätlos und für die seriöse Berichterstattung über den Mord nicht notwendig. Andere Medien hätten auf den Abdruck verzichtet. Es gehe hier um einen schweren Verstoß gegen die Menschenwürde, die auch über den Tod hinaus zu achten sei. Die Zeitung hatte neben dem Porträtfoto auch drei Bilder von der dem Verbrechen vorangegangenen Uni-Party gezeigt, bei der auch das abgebildete Mordopfer ausgelassen gefeiert habe. Es bestehe keine Rechtfertigung dafür, Bilder aus dem privaten Bereich an die Öffentlichkeit zu zerren. Ein dritter Beschwerdeführer schließlich kritisiert die Nennung der Herkunft des Täters. Seine Eigenschaft als Flüchtling stehe nicht im Zusammenhang mit dem Verbrechen, sei aber geeignet, die Diskriminierung von Flüchtlingen insgesamt zu fördern. Die Chefredaktion der Online-Ausgabe der Zeitung teilt mit, das kritisierte Foto sei nach etwa fünf Stunden verpixelt und später ganz aus dem Netz genommen worden. Im Fall der Nennung der Ethnie des Täters stellt die Chefredaktion die rhetorische Frage, warum es unethisch sein soll, wenn eine Zeitung die Öffentlichkeit nach einem aufsehenerregenden Verbrechen umfassend informiert und dabei auch täterbezogene Details des Geschehens mit in die Berichterstattung einbezieht. Dies sei in anderen Fällen selbstverständlich und noch nie presseethisch beanstandet worden. Die Tatsache, dass der tatverdächtige Flüchtling aus Afghanistan stamme, gehöre einfach zu einer professionellen, umfassenden Presseberichterstattung über das Freiburger Geschehen. Kein aufgeklärter Leser halte nach der Lektüre des Artikels alle Afghanen für Vergewaltiger und Mörder.

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Zeitung missachtet gebotenen Opferschutz

Eine Boulevardzeitung berichtet online über einen Verkehrsunfall mit zwei Toten. Eines der beiden Opfer, ein 18jähriges Mädchen, wird im Bild gezeigt. Sie heiße Fenja K., sei Auszubildende in einer Molkerei und bei der örtlichen Feuerwehr aktiv gewesen. Die Redaktion nennt den Ort. Ein Leser der Zeitung sieht in der Veröffentlichung des Fotos und in der Nennung weiterer Details eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der jungen Frau. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe der Zeitung teilt mit, dass die lokale bzw. regionale Öffentlichkeit bei derart tragischen Ereignissen ein besonderes Interesse daran habe, von den Medien umfassend und gegebenenfalls auch personalisierend informiert zu werden.

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Familiendrama: Wohnung erkennbar gemacht

Ein Mann stürzt sich vom Dach eines Kaufhauses in der Frankfurter Innenstadt, überlebt aber. Jemand versucht, die Frau des Mannes über den Vorfall zu unterrichten, findet diese jedoch erschlagen auf. Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über das Familiendrama. Mit vier Fotos wird die Tätigkeit der Spurensicherung in dem Haus der Familie in einem Ort bei Frankfurt illustriert. Die Redaktion nennt die Straße, in der das Haus liegt. Auf einem der Fotos ist die Hausnummer zu erkennen. Die Beschwerdeführerin – sie vertritt Jugendschutz.net, eine im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag vorgesehene länderübergreifende Einrichtung des Jugendschutzes in den Medien – sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Persönlichkeitsschutz). Die Zeitung beachte nicht die nach Richtlinie 8.7 gebotene Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbsttötung. Auch sei Richtlinie 8.8 verletzt, nach der der private Wohnsitz sowie andere private Aufenthaltsorte besonderen Schutz genießen. Nach Auffassung der Rechtsabteilung der Zeitung handelt es sich bei dem Familiendrama um ein hochgradig öffentlich wahrnehmbares Ereignis, über das in zulässiger Weise und mit der gebotenen Anonymisierung berichtet worden sei. Der Suizid-Versuch habe sich in Frankfurts Haupteinkaufspassage vor den Augen unzähliger Passanten ereignet. Augenzeugen hätten die tragischen Momente ins Internet gestellt. Einer von ihnen habe der Redaktion sogar ein Video angeboten, das diese jedoch aus presseethischen Gründen nicht veröffentlicht habe. Große Teile der Einkaufsstraße seien abgeriegelt worden, was ein erhebliches öffentliches Interesse an dem Geschehen noch verstärkt habe. Was die Richtlinie 8.2 (Schutz des Aufenthaltsortes) angehe, sei eine Identifizierung nur anhand des Straßennamens nicht möglich.

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Zeugin denkt sich rassistischen Vorfall aus

Eine Online-Zeitung berichtet unter der Überschrift „Berliner Tram-Fahrer weigert sich, ein Mädchen mit Kopftuch zu befördern“ über einen rassistischen Vorfall. Verlinkt ist der Beitrag auch auf der Facebook-Seite der Zeitung. Ganz am Ende des Beitrages heißt es: „Update (…):Wie sich herausstellte, hatte sich die Zeugin die Geschichte ausgedacht.“ Ein Leser der Zeitung wirft dieser vor, die Korrektur schlecht gekennzeichnet zu haben. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, die Redaktion habe den Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Berichterstattung gemeldet. Dass es sich bis dahin nur um einen Vorwurf gehandelt habe, der überprüft werde, ergebe sich aus dem Artikel an mehreren Stellen. Weniger als 24 Stunden später habe es neue Erkenntnisse gegeben, die die Redaktion umgehend in einem weiteren Artikel unter der Überschrift „Wegen Kopftuch aus Tram verwiesen? Nicht die Kleidung war das Problem“ aufbereitet habe. Außerdem habe die Redaktion den ursprünglichen Artikel mit einem Update versehen, wonach die Geschichte nur ausgedacht gewesen sei. Dieser Hinweis sei durch fette Schrift hervorgehoben worden. Wesentlich wichtiger als die Anmerkung im Ursprungsartikel sei aber die völlig unmissverständliche, ergänzende Berichterstattung durch den zweiten Beitrag. Inzwischen habe die Redaktion den ersten Artikel aus ihrem Angebot entfernt. Der Chefredakteur legt Wert auf die Feststellung, dass die Redaktion sofort und lange vor Bekanntwerden der Beschwerde die inhaltliche Aussage von sich aus korrigiert habe.

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