Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6642 Entscheidungen
„Sind Polizisten Rassisten, wenn sie Afrikaner kontrollieren?“ titelt eine Boulevardzeitung online. Hintergrund für den Artikel ist ein Gerichtsurteil, nach dem Polizisten niemanden wegen seiner Hautfarbe kontrollieren dürfen, weil dies diskriminierend sei. Ein Mann mit dunkler Hautfarbe sei von zwei Bundespolizisten kontrolliert worden. Dieser hatte gegen die Kontrolle geklagt. Im Beitrag kommen zahlreiche Politiker zu Wort, die fordern, dass nicht die Hautfarbe, sondern nur ein konkreter Verdacht der Grund für eine polizeiliche Kontrolle sein dürfe. Eine Leserin der Zeitung kritisiert die Bezeichnung „Afrikaner“. Es möge zwar sein, dass es in Afrika mehr Menschen mit dunkler Hautfarbe gebe als solche mit heller Haut. Aber in Afrika gebe es auch Menschen mit heller Hautfarbe und in den USA und Europa auch Menschen mit dunkler Hautfarbe. In dem Urteil sei es um die Hautfarbe gegangen und nicht um Afrika. Wenn die Zeitung nun schreibe, Menschen mit dunkler Hautfarbe kämen aus Afrika, dann sei dies Rassismus. Die Beschwerdeführerin fordert, man sollte die Zeitung wegen Volksverhetzung anzeigen. Der Chefredakteur der Zeitung hält die Beschwerde für absurd. Der Autor des Beitrages habe den Sachverhalt neutral und distanziert geschildert. Im Urteil des Gerichts habe es geheißen, Kontrollen nur aufgrund der Hautfarbe des Kontrollierten verstießen gegen das verfassungsrechtlich definierte Diskriminierungsverbot. Die deutsche Justiz halte es mit anderen Worten für rechtswidrig, wenn Polizisten eine Person allein wegen ihrer Hautfarbe kontrollieren. Der Chefredakteur fragt: Über ein solches Urteil solle man nicht berichten dürfen?
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Eine Zeitschrift berichtet über die Liebesbeziehung einer namentlich genannten Rechtsextremismus-Forscherin mit einem Funktionär der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB). Der sei zwar von seinem Posten inzwischen zurückgetreten, doch scheine ein Gesinnungswandel wenig wahrscheinlich. Die Forscherin habe in einem Artikel gefordert, Hochschulen sollten Betroffenen rechter Agitation von sich aus Unterstützung anbieten und diese vor rechtsextremer Propaganda und Übergriffen schützen. Gemeint seien offensichtlich diejenigen, die Rechte aufzuwiegeln versuchten. Von Opfern rechter Gewalt sei nicht die Rede. Beschwerdeführerin ist in diesem Fall die im Artikel genannte Rechtsextremismus-Forscherin. Sie sieht in der Erwähnung einer Liebesbeziehung mit dem IB-Funktionär einen Verstoß gegen die Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht). Die Aussage sei dahingehend falsch, als dass die betroffene Person kein IB-Funktionär sei. Außerdem bestehe keine Liebesbeziehung. Der Hinweis, auf den sich die Zeitschrift stütze, stamme aus einer Privatnachricht an Freundinnen. Sie sei zu keiner Zeit öffentlich gewesen. Das Veröffentlichen ihrer Privatnachrichten stelle einen schweren Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte nach Ziffer 8 des Pressekodex dar. Die Zeitschrift nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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Eine Boulevardzeitung veröffentlicht online einen Beitrag unter der Überschrift „Afghane (17) vergewaltigt 18-Jährigen“. Sie informiert über die Festnahme eines jungen Mannes, der im Verdacht steht, einen fast Gleichaltrigen vergewaltigt zu haben. Der Verdächtige stamme aus Afghanistan und sei Flüchtling. Ein Leser der Zeitung kritisiert den Hinweis auf den Flüchtlingsstatus des Verdächtigen. Dies sei ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Ziffer 12 des Kodex. Der Chefredakteur der Zeitung betont in seiner Stellungnahme, dass die Redaktion an der in derartigen Fällen regelmäßig vertretenen Auffassung festhalte. Die Öffentlichkeit habe insbesondere bei spektakulären Straftaten, die sich im öffentlichen Raum ereigneten, ein besonderes Interesse daran, von den Medien umfassend informiert zu werden. Dass dieses presseethische Verständnis branchenüblich sei, zeige im konkreten Fall die nahezu identische Berichterstattung anderer Medien. Die Redaktion habe auf den Flüchtlingsstatus hingewiesen, weil die Information journalistisch zur Geschichte gehöre. Die Leser hätten ein Recht auf diese Information. Die Nennung der Herkunft führe nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens. Im Übrigen sei ohnehin ein begründetes öffentliches Interesse an der Nennung des Flüchtlingsstatus gegeben. Eine Verurteilung des Tatverdächtigen zu einer Haftstrafe von nicht unter zwei Jahren sei wahrscheinlich, was aufenthaltsrechtlich zu einer besonderen Gewichtung des staatlichen Ausweisungsinteresses führen könne. Da somit in der Verhandlung mittelbar auch über die Bleibeperspektive des Verdächtigen entschieden werde, sei die Nennung des Flüchtlingsstatus nicht zu beanstanden.
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„Rechtsextremer Anschlag motiviert den Widerstand“ so überschreibt eine Regionalzeitung einen Bericht, in dem es um das ein Jahr zurückliegende Fahrzeugattentat eines Neonazis im amerikanischen Charlottesville geht. Dabei war eine junge Frau getötet worden. Zum Artikel gestellt ist ein Foto, das zeigt, wie Menschen von dem Auto durch die Luft gewirbelt werden. Ein Leser der Zeitung hält die Veröffentlichung des Fotos für eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt im Sinne der Ziffer 11 des Pressekodex. Die Chefredaktion der Zeitung teilt mit, dass es sich bei dem Foto um ein Dokument der Zeitgeschichte handele, das in abschreckender Weise die Folgen von Gewalt zeige. Es habe aufklärerischen Charakter. Die Opfer würden weder in unangemessener Weise gezeigt noch zum bloßen Objekt herabgewürdigt. Weiterhin seien sie auf dem Bild nicht identifizierbar zu erkennen. Schon deshalb würden sie nicht zur Schau gestellt.
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„Flüchtling bedroht seine Ehefrau“ - so überschreibt eine Regionalzeitung den Bericht über einen Fall von Gewalt in der Ehe. Ein afghanischer Flüchtling, der 2015 nach Deutschland gekommen und seitdem immer wieder durch Gewalt gegen seine Ehefrau aufgefallen sei, mache den Behörden das Leben schwer. Die Liste der Anzeigen gegen Said-Esmatullah R. sei lang. Dreizehnmal in zwei Jahren sei die Polizei wegen des 34-Jährigen im Übergangswohnheim angerückt. Dort habe der Mann immer wieder seine Frau bedroht, körperlich misshandelt und drangsaliert. Ihre vorsichtige Hinwendung zum – in den Augen des Mannes – dekadenten westlichen Lebensstil sei dem gläubigen Moslem ein Dorn im Auge. Als sie schließlich das Kopftuch abgelegt habe, sei die Lage eskaliert. Wie die Zeitung berichtet, sei die Polizei relativ machtlos. Diese nehme jeweils die Anzeigen auf und machte die sogenannte Gefährderansprache. „Eine Handhabe, den Mann in Gewahrsam zu nehmen, haben wir nicht“, sage ein Polizeisprecher. Herr des Verfahrens sei die Staatsanwaltschaft. Die für die Flüchtlingsunterbringung und -betreuung zuständige Sozialdezernentin gebe sich der Redaktion zufolge rigoroser: „Meiner Ansicht nach gehört der Mann so schnell wie möglich hinter Gitter!“ Für sie sei der Afghane eine tickende Zeitbombe. Der Beschwerdeführer – ein Geistlicher – sieht in der Berichterstattung zahlreiche falsche Tatsachenbehauptungen. Die Autorin habe mit einer Bekannten der Ehefrau gesprochen und dabei deren Geschichte erfahren. Die Zeitung nenne den eher seltenen Vornamen des Ehemannes. Er werde auch durch die Nennung als afghanischer Flüchtling verleumdet. Die Journalistin habe die einfachsten Regeln der journalistischen Sorgfalt verletzt und keinerlei Gegenrecherche betrieben. Der Pfarrer nennt einige Beispiele als Grundlage seiner Kritik. Die Familie von Herrn R. habe niemals an dem Ort gewohnt, den die Autorin genannt habe. Ein Anruf bei der Heimleitung hätte gereicht, um dies zu erfahren. Entsprechend sei die Polizei dort nie angerückt. Herr R. sei kein gläubiger Moslem, sondern engagierter Christ. Bei Besuchen der ganzen Familie in der Gemeinde habe die Frau nie ein Kopftuch getragen. Nach Auskunft der Heimleitung ist R. nie negativ aufgefallen. Die Sozialdezernentin habe sich mittlerweile bei Herrn R. für ihre Äußerung entschuldigt und von einer Verwechslung gesprochen. Die Chefredaktion der Zeitung lässt die Autorin auf die Beschwerde antworten. Danach hat sie in dem Fall gründlich recherchiert. Sie bleibt bei ihrer Darstellung, die sich auch auf Behördeninformationen stütze. Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft habe den Eingang mehrerer Strafanzeigen gegen R. bestätigt. Bei einer Diskussion habe sich eine Mitarbeiterin der Sozialdezernentin zu Wort gemeldet. Nach ihrer Darstellung sei die Stellungnahme der Dezernentin auf eine Verwechslung zurückzuführen.
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In einer Regionalzeitung wird eine Karikatur veröffentlicht, die eine Frau – offenbar die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles – zeigt, wie sie dem an einem Abgrund hängenden türkischen Präsidenten Erdogan ein Seil anbietet, das mit „Finanzhilfen“ betitelt ist. Erdogan selbst hängt an einem anderen Mann, der ein rotes T-Shirt mit türkischer Flagge anhat und der sich an einem Ast festhält. Dieser Mann soll wohl die Türkei darstellen. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass die Karikatur muslimen- und türkenfeindliche Stereotypen reproduziert und entsprechende Ressentiments bedienen könnte. Der Beschwerdeführer verweist auf die verzerrten und in die Länge gezogenen Nasen der am Abgrund hängenden Personen. Insgesamt seien die Gesichtszüge grob verunstaltet und knüpften an Publikationen Martin Luthers an, die sich heute in Pegida-Hassreden äußerten. Der Chefredakteur der Zeitung kann an der Karikatur keine muslim- oder türkenfeindlichen Stereotypen erkennen. Dies schon deshalb, weil auch die deutsche Protagonistin – also Frau Nahles – ein ebenso mächtiges Riechorgan verpasst bekommen habe. Unter welche Stereotype – so der Chefredakteur – würde dann dieser Teil der Karikatur fallen? Nach seiner Kenntnis sei es vielmehr der Stil des Karikaturisten, Männer mit gewaltigen Nasen zu (über)zeichnen, während er Frauen in der Regel mit Stupsnasen darstelle. Die Beschwerde habe jedoch den positiven Aspekt, den Blick der Redaktion zu schärfen.
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Eine überregionale Zeitung kommentiert online, der Fall eines LKA-Mitarbeiters auf einer Pegida-Demonstration in Dresden offenbare einen fatalen Korpsgeist bei der Polizei. Die Autorin spricht von einem Alarmsignal für ganz Deutschland. Der Kommentar beginnt mit den Sätzen: „Nein, es geht nicht nur um einen Deppen mit Deutschlandhut, leider. Es geht auch nicht mehr um ostdeutsche Befindlichkeiten“. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Formulierung „Depp mit Deutschlandhut“. Dies sei eine Verunglimpfung. Die Formulierung erfülle den Straftatbestand der Beleidigung, zumal es sich um eine konkrete Privatperson gehandelt habe, die so angegriffen worden sei. Die Rechtsvertretung der Zeitung erklärt, der Beschwerdeführer wende sich gegen ein indirektes Zitat, das im Rahmen eines Kommentars über den bekannt gewordenen Fall eines LKA-Mitarbeiters verwendet worden sei. Der habe am Rande einer Pegida-Demonstration gegen die Presse gehetzt und sei handgreiflich geworden. Die Autorin nenne den Mann nicht direkt einen „Depp“. Sie greife ein Idiom auf, dass die Presse für die besagte Person zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Kommentars ständig verwendet habe. Ganz Deutschland debattiere über die Rolle des pöbelnden LKA-Mitarbeiters, der sich mit seinem merkwürdig anmutenden Deutschlandhut in der Öffentlichkeit präsentiert und, bezahlt aus Steuergeldern, gegen die Pressefreiheit gepöbelt und Mitarbeiter der Presse aktiv behindert habe. Justiziariat und Redaktion sind der Ansicht, dass es im Rahmen eines Kommentars über ein solches Verhalten auch zulässig gewesen wäre, den Mann direkt als Deppen zu bezeichnen. Das sei aber hier nicht der Fall gewesen.
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Eine Regionalzeitung berichtet über das Bundesliga-Comeback nach Maß für BVB-Trainer Favre. Dessen Dortmunder Elf hatte gegen Leipzig 4:1 gewonnen. In der Berichterstattung wird der Leipziger Verein als „Red Bull Leipzig“ bezeichnet. Ein Leser der Zeitung weist darauf hin, dass der Leipziger Verein nicht „Red Bull“, sondern „Rasenballsport“ Leipzig heiße. Die von der Redaktion gewählte Bezeichnung sei falsch und habe zudem einen Werbeeffekt für den Getränkehersteller. Der Chefredakteur der Zeitung weist den Vorwurf zurück, ohne auf ihren Inhalt näher einzugehen.
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Leserbrief. Der Autor äußert sich darin zu einem Interview der Zeitung mit dem bayerischen Landesvorsitzenden der AfD. Am Ende des Briefes bezeichnet er die Abgeordneten der AfD als „Volksschädlinge“. Der Beschwerdeführer, ein Leser der Zeitung, bezeichnet das Wort „Volksschädling“ als einen Begriff, der häufig von der NS-Propaganda verwendet worden sei. Es sei unerträglich, dass eine Zeitung einen Leserbrief abdrucke, in dem Menschen mit diesem Wort belegt würden. Mit der Wahrung der Menschenwürde habe dies wenig zu tun. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung teilt mit, dass es sich um eine zugespitzte Form der Meinungsäußerung handele, die grundsätzlich unter den Schutz des Artikels 5 des Grundgesetzes falle. Diese Meinung sei auch nicht von der Redaktion, sondern von einem Dritten in Form eines Leserbriefes geäußert worden. Nach Richtlinie 2.6 des Kodex solle in Leserbriefen auch Raum für Meinungen und Äußerungen sein, die die Redaktion selbst nicht teile. Die Zeitung habe am Ende des Leserbriefs ausdrücklich drauf hingewiesen und hafte daher nicht für den Inhalt der Einsendung. Im Interview habe die Redaktion die Äußerungen des AfD-Kandidaten unverfälscht wiedergeben. Deshalb sehe es die Redaktion auch als notwendig an, die Reaktionen darauf in Leserbriefen möglichst ungefiltert zu veröffentlichen.
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Eine Regionalzeitung informiert über die Verurteilung eines 18-Jährigen zu einer Haftstrafe wegen Vergewaltigung einer 23-jährigen Frau. Der Autor teilt mit, dass der junge Mann aus Syrien stamme. Ein Leser der Zeitung hält die Angabe der Nationalität des Täters für das Verständnis des Geschehens für irrelevant. Sie sei geeignet, eine diskriminierende Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens zu befördern. Der Chefredakteur nimmt Stellung. Der Artikel beschreibe den Prozess um eine Vergewaltigung, die am Verlagsort großes Aufsehen erregt habe. Nach Einschätzung der Redaktion habe daher eine für die Stadt schwere und außergewöhnliche Straftat vorgelegen, die ein großes öffentliches Interesse erregt habe. Während des Strafverfahrens habe der Status des Angeklagten als Flüchtling eine wichtige Rolle gespielt.
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