Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Foto stand nur 15 Minuten lang im Netz

Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung berichtet über eine Bluttat auf dem Hamburger Jungfernstieg. Ein Mann hatte dort seine Ex-Frau und die gemeinsame Tochter niedergestochen. Zum Text gestellt ist ein Foto, das die Frau mit entblößter Brust beim Abtransport mit einem Krankenwagen zeigt. Mehrere Leser der Zeitung kritisieren die Berichterstattung in Form einer Beschwerde an den Presserat. Sie sehen die Persönlichkeitsrechte des Opfers verletzt. Dieses werde mit freiem Oberkörper gezeigt und damit in schamverletzender Weise bloßgestellt. Der Chefredakteur entgegnet auf die Vorwürfe, er sei auch bei nochmaliger gründlicher Betrachtung des Fotos nicht sicher, ob darauf eine entblößte Brust zu sehen sei. Genau diesen Verdacht hätten jedoch auch einige seiner Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion geäußert, so dass man das Foto vorsichtshalber aus dem Netz genommen habe. Insgesamt sei es lediglich 15 Minuten lang online gewesen.

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Tote Kinder können im Bild gezeigt werden

Aus einem Verdacht eine Tatsache gemacht

Eine überregionale Tageszeitung berichtet gedruckt und online über einen Erfolg der Polizei. Diese habe einen Anschlag auf den Berliner Halbmarathon verhindert, indem sie sechs Männer aus dem privaten Umfeld des Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz festgenommen habe. In der Wohnung eines der Verdächtigen hätten speziell auf Sprengstoff trainierte Polizeihunde angeschlagen. Ein ranghoher Polizeiführer habe der Zeitung gesagt: „Wir werten noch aus. Aber das war wahrscheinlich knapp.“ Eine konkrete Gefährdungslage habe nicht bestanden, weil ein mobiles Einsatzkommando den Verdächtigen seit langem nicht aus den Augen gelassen habe. Die Veranstalter des Marathons und dessen Teilnehmer hätten aus den Nachrichten von dem vereitelten Terroranschlag erfahren. Ein Leser der Zeitung begründet seine Beschwerde beim Presserat mit der Schlagzeile, mit der die Zeitung erschienen sei. Diese habe gelautet: „Polizei verhindert Terroranschlag in Berlin“. Der Artikel beginne mit dieser Passage: „Spezialkräfte der Berliner Polizei haben nach Informationen von (…) einen Anschlag während des 38. Berliner Halbmarathons am Sonntag verhindert. Die Polizei der Hauptstadt bestätigt den Bericht inzwischen.“ Diese Darstellung sei falsch, stellt der Beschwerdeführer fest. Die Menschen, die die Polizei vorübergehend festgenommen habe, hatten nach Angaben der Polizei keine konkreten Anschlagspläne. Die Polizei habe den Bericht der Zeitung, dass sie einen Anschlag verhindert habe, auch nicht bestätigt. Die Zeitung habe an ihrer Darstellung auch noch festgehalten, als die Polizei ihrer Darstellung bereits ausdrücklich widersprochen habe. Die Redaktion habe aus einem tatsächlichen Anfangsverdacht eine Tatsache gemacht. Der zuständige Ressortleiter der Zeitung nimmt zu der Beschwerde Stellung. Bei der Polizei habe die Sorge vor einer möglichen Tat beim Halbmarathon durchaus bestanden, also das, was der Beschwerdeführer einen „Anfangsverdacht“ nenne. Es habe Hinweise darauf gegeben, dass die sechs festgenommenen Männer „an der Vorbereitung eines Verbrechens im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung“ beteiligt gewesen sein könnten. Der Ressortleiter stellt fest, dass die Berichterstattung in einem konjunktivischen Ton gehalten sei. Es sei sicher nicht darum gegangen, aus Ermittlungshinweisen und indiziengestützten Mutmaßungen eine Tatsachenbehauptung zu machen. Der ganze Bericht inklusive der Unterzeile sei im Geist des hier sehr wichtigen Wörtchens „offenbar“ geschrieben. Was habe die Redaktion getan? Sie habe gewusst, dass sich die Polizei wegen eines möglichen Anschlags Sorgen mache. Sie greife ein und nehme fest. Das habe man aufgeschrieben.

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Welche Komponenten machen ein OB-Gehalt aus?

Die Redaktion einer Regionalzeitung kritisiert mit einer Meldung unter der Überschrift „Der OB verdient nicht mehr“ einen Leserbrief, den sie am Vortag veröffentlicht hatte. Inhaltlich sei es falsch, dass der OB mehr verdienen würde, wenn seine Stadt kreisfrei würde. Beschwerdeführer ist der Verfasser des Leserbriefes. Er wehrt sich dagegen, dass sein Leserbrief von der Redaktion inhaltlich korrigiert wurde. Die Korrektur sei undurchsichtig erfolgt und korrigiere einen Vorgang, den er – der Beschwerdeführer -nicht kennen konnte. Einer Mail der Redaktion habe er entnehmen können, dass der OB schon jetzt mehr Geld bekomme als ihm zustehe. In der Korrektur der Redaktion werde behauptet, dass sich das Gehalt des Oberbürgermeisters ausschließlich an der Einwohnerzahl orientiere. Dies sei falsch. Neben dem Grundgehalt gehörten auch Dienstaufwandentschädigungen dazu, bei denen unter anderem auch die Kreisfreiheit der Gemeinde eine Bewertungsgröße sei. Dies sei von ihm – dem Beschwerdeführer – in einer Mail an die Redaktion angemerkt worden. Der Chefredakteur nimmt Stellung: Der Fehler der Redaktion habe darin bestanden, diesen Brief ungeprüft veröffentlicht zu haben.

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„Transen“ mit Flaschen beworfen

Eine Großstadtzeitung berichtet online über die Probleme von transsexuellen Prostituierten. Sie würden häufig mit Flaschen beworfen oder mit Wasser bespritzt, berichten Betroffene. Die „Männer in Frauenkleidern“ würden vermehrt beschimpft und angegriffen. Sie hofften auf mehr Schutz, teilt die Zeitung mit. Die Transsexuellen werden im Artikel auch „Transen“ genannt. Der Autor zitiert einen „Dönermann aus dem Kiez“ mit den Worten: „Wenn es stimmt, dass jemand die Transen geschlagen hat, finde ich das gut.“ Mehrere Leser der Zeitung wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie finden den Artikel gewaltverherrlichend, transphob und diskriminierend. Die Verwendung des Schimpfwortes „Transe“ verletze die Würde der Betroffenen. Auch die sexualisierte Darstellung sei sensationslüstern. Ein O-Ton – gemeint ist der zitierte „Dönermann“ – rufe zur Gewalt auf. Auch sei es inakzeptabel und eine Diskriminierung, Transsexuelle als Männer zu bezeichnen. Es sei perfide, gleich noch Ausländer und Geflüchtete als besonders gewalttätig und übergriffig darzustellen und damit zwei Randgruppen gegeneinander auszuspielen. Damit meint einer der Beschwerdeführer die folgende Passage: „Und die Kunden, die kommen, wollen oft wenig zahlen. (…) Manchmal kommen syrische Flüchtlinge, die sagen, sie seien gut ausgestattet und wollen nur fünf Euro bezahlen. Das geht nicht.“ Die Redaktion nimmt zu den Beschwerden nicht Stellung.

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Zurückhaltung bei Berichten über Suizide

„Avicii beendete sein Leben mit einer Glasscherbe“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Im Bericht geht es um den Freitod eines bekannten DJs. Unter Berufung auf die Berichterstattung einer Boulevard-Website schreibt die Zeitung, Avicii habe eine Weinflasche zertrümmert und sich mit einer der Glasscherben das Leben genommen. Genauere Angaben zur Art und Weise werden nicht gemacht. Eine Leserin der Zeitung sieht in dem Artikel, vor allem jedoch in der Überschrift, einen Verstoß gegen die im Pressekodex (Ziffer 8, Richtlinie 8.7) gebotene Zurückhaltung, die sich die Presse bei der Berichterstattung über Suizide auferlegt hat. Nach Ansicht des Chefredakteurs der Zeitung habe der Tod des „weltberühmten DJ Avicii die ganze Welt bewegt.“ Wenn eine derart prominente Persönlichkeit so jung aus dem Leben scheide, bestehe naturgemäß ein großes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Gleichwohl sei sich die Redaktion bewusst, dass die Berichterstattung über Suizide immer heikel sei. Deshalb sei in den Artikel ein gut sichtbarer Hinweis auf die Kontaktmöglichkeiten mit der Telefonseelsorge eingebaut worden. Angemessener könne man nach seiner – des Chefredakteurs – Ansicht den Konflikt zwischen dem berechtigten Informationsinteresse und den denkbaren Gefahren bei Berichterstattungen über Suizide nicht lösen.

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Wenn Menschen „entsorgt“ werden sollen

In der Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung geht es um eine Rede des scheidenden AfD-Landesvorsitzenden Petr Bystron. Der habe gesagt, dass er „urlaubende Flüchtlinge entsorgen wolle. Ein Beschwerdeführer teilt mit, er habe sich die vollständige Rede auf Youtube angesehen. Bystron habe die beschriebene Aussage nicht gemacht. Dieser habe gesagt, dass die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Özoguz, entsorgt werden müsse. Ganz eindeutig habe er sich auf die Ministerin bezogen und nicht auf Flüchtlinge. Die Online-Ausgabe der Zeitung verweist auf eine Agenturmeldung und beruft sich auf das Agenturprivileg. Der Beschwerdeausschuss bewertet die Beschwerde aufgrund dieses Umstandes als unbegründet und beschließt die Einleitung eines Beschwerdeverfahrens gegen die Agentur. In der dem Online-Artikel zugrunde liegenden Agenturmeldung heißt es: "Abgelehnte Flüchtlinge müssten rasch ausgewiesen werden. Flüchtlinge, die in Deutschland lebten, aber dann in ihren angeblich unsicheren Heimatländern Urlaub machten, müssten ´selbstverständlich entsorgt werden´, sagte er.“ Die Agentur versendet eine in diesem Punkt korrigierte Meldung. Darin heißt es zu dem streitauslösenden Punkt: „Bystron wendet sich gegen Politiker, die Verständnis dafür hätten, dass Flüchtlinge in ihren Heimatländern Urlaub machten. ´Solche Menschen müssen wir selbstverständlich entsorgen´, sagte er. Diese Aussage beziehe sich nicht auf die Flüchtlinge, sondern auf die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, betonte Bystron. Die Rechtsvertretung der Agentur betont, dass die Zuordnung des Zitats „Solche Menschen müssen wir selbstverständlich entsorgen“ geändert worden sei. Ergebnis umfangreicher Recherchen: Der umstrittene Satz ist zumindest missverständlich.

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Wohnzimmer-Foto veröffentlicht

Ein vorbestrafter Kinderschänder wird festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, eine Bekannte vor den Augen zweier Kinder vergewaltigt zu haben. Eine Boulevardzeitung berichtet online über den Fall. Zum Artikel gestellt ist ein Foto, das das Wohnzimmer zeigt, in dem die Tat stattgefunden haben soll. Eine Leserin der Zeitung sieht die Persönlichkeitsrechte des Opfers durch die Veröffentlichung des Wohnzimmer-Fotos verletzt. Der Chefredakteur der Zeitung weist den Vorwurf zurück, da eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten nicht vorliege. Jeder zufällig vorbeikommende Passant habe in die im Parterre liegende Wohnung hineinschauen können. Das Fotografieren einer Wohnung, die ohnehin für jedermanns Blicke zugänglich sei, könne keine unlautere Recherchemethode sein. Der Chefredakteur weist auch den Vorwurf einer Persönlichkeitsrechtsverletzung zurück, da an der Ablichtung der Wohnung ein besonderes öffentliches Interesse bestanden habe. Der einschlägig vorbestrafte Martin B. habe offenbar eine junge Frau vergewaltigt. Und dies noch im Beisein zweier Kinder. Die Wohnung als Tatort zu zeigen, diene dem besseren Verständnis des besonderen Sachverhalts, so der Chefredakteur abschließend.

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Werbung im redaktionellen Teil

Eine Frauenzeitschrift berichtet online unter der Überschrift „Entschlüsselt: Warum Homöopathie so gut hilft“ über die Wirksamkeit homöopathischer Mittel. Wirke Homöopathie oder sei sie reine Glaubenssache, fragt die Redaktion. Ihr zufolge ist dies für 60 Prozent der Deutschen eine überflüssige akademische Diskussion. Denn unabhängig von wissenschaftlichen Studien spürten sie am eigenen Leib; dass die über 200 Jahre alte Homöopathie ihnen helfe. Die Redaktion nennt eine Fülle von Beispielen und Untersuchungen, bei denen es um die Wirksamkeit der Heilmethode gehe. Ein Leser der Zeitschrift bemängelt, dass der Artikel nicht als Werbung oder Anzeige gekennzeichnet ist. Im letzten Absatz jedoch werde auf eine Werbemaßnahme eines namentlich genannten Herstellers hingewiesen. Der Text suggeriere eine nachgewiesene Wirksamkeit homöopathischer Mittel, die unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht belegt sei. Die Chefredakteurin der Zeitschrift merkt an, dass der Beschwerdeführer sich bereits an die Redaktion gewandt habe. Da man bei einem so heiklen Thema lieber auf „Nummer sicher“ habe gehen wollen, habe sich die Redaktion zur Löschung des Beitrages entschieden. Insofern sei die Beschwerde bereits gegenstandslos. Wenn die redaktionelle Darstellung zur Homöopathie aus Sicht des Presserats zu positiv ausgefallen sei und der Hinweis auf die Initiative des Herstellers unangemessen gewesen sein sollte, so bedauere man dies. Man sei beim Schreiben des Textes davon ausgegangen, dass es sich um nützliche Informationen für die Nutzer handele.

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Vergebliche Bitte, ein Foto zu löschen

Eine Regionalzeitung berichtet online unter der Überschrift „Drei Konfirmanden helfen tüchtig mit“ über ein lange zurückliegendes Sozialprojekt, an dem die jungen Leute mitgewirkt hatten. Zum Artikel gestellt ist ein Foto, auf dem der Beschwerdeführer als einer der Konfirmanden in einer Rettungswache zu sehen ist. Der Besuch auf der Wache war Abschluss des Projekts. Der Beschwerdeführer stellt fest, dass im Online-Angebot der Zeitung das Foto von ihm als Kind zu sehen ist. Er habe den Verlag vergeblich gebeten, das Foto zu löschen. Das Kinderfoto sei ohne seine Einwilligung veröffentlicht worden. Die Zeitung lege mit dieser Veröffentlichung auch seine religiöse Orientierung offen. Der Justiziariat der Zeitung lehnt die Forderung des Beschwerdeführers ab und weist auf das Fehlen eines rechtlichen Anspruchs hin. Es sei ein anerkanntes Interesse der Öffentlichkeit, vergangene lokale Ereignisse von öffentlichem Interesse anhand unveränderter Originalberichte in den Medien zu dokumentieren. Der Beschwerdeführer sieht durch die Bildveröffentlichung seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Er strebt unter Hinweis auf den Datenschutz an, dass die Zeitung das Foto löscht. Die Chefredaktion stellt fest, das fragliche Foto sei in einer öffentlichen Sphäre entstanden und stelle ein Dokument der lokalen Zeitgeschichte dar. Schließlich enthalte die Berichterstattung nichts, was sachlich unrichtig sei oder dem Beschwerdeführer zum Nachteil gereichen könnte. Die Rechtsvertretung der Zeitung hält die damalige – und seinerzeit unwidersprochene – Veröffentlichung des Artikels für ebenso legitim wie die Verfügbarkeit dieser Information für die interessierte Öffentlichkeit im Archiv.

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