Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6642 Entscheidungen
„Russen-Tief schiebt Märzwinter nach Deutschland“ titelt die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Im Beitrag geht es um eine Wetterprognose: In den nächsten Tagen werde es wieder kälter, da russische Kaltluft nach Deutschland ströme. Beschwerdeführer ist in diesem Fall ein in Deutschland lebender Russe, der sich nach eigenen Angaben als Russe in Deutschland von der Zeitung regelmäßig verunglimpft fühlt. Das Präfix Russen-XYZ werde immer wieder von der Redaktion verwendet und solle immer etwas Negatives symbolisieren. Bei anderen Nationalitäten verwende die Zeitung Adjektive und nicht den Nationalitäten-Präfix. Dieser erinnere – so der Beschwerdeführer – an die Nazizeit. Er sei rassistisch und verunglimpfend. Leserbriefe zum Thema seien von der Redaktion bislang immer ignoriert worden. Der Chefredakteur der Zeitung hält die Beschwerde für absurd. Die Formulierung „Russen-Tief“ sei erkennbar eine zugespitzte Bezeichnung für ein Tief, das Mitteleuropa aus Richtung Osten erreicht. Die zum Beitrag gestellte Karte zur Großwetter-Lage mache deutlich, dass sich das Tief zum Zeitpunkt der Berichterstattung noch über Russland befunden habe. Mit der gewählten Formulierung sei keinerlei Diskriminierung verbunden.
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Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Dachzeile „Syrien-Massaker – Nervengift-Anschlag in Europa – Mays Ultimatum ignoriert“ und der Überschrift „Wie weit geht Putin noch?“ über Reaktionen auf einen Gift-Anschlag in Großbritannien und Luftangriffe in Syrien. Zwei Leser der Zeitung wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie sehen in der Überschrift einen Verstoß gegen Richtlinie 13.1 des Pressekodex (Vorverurteilung). Weder ein Massaker in Syrien noch ein Gift-Anschlag in Großbritannien seien nachgewiesen. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, es sei offizielle Position der Bundesregierung (und etwa 30 anderer Staaten), dass Russland hinter dem Nervengiftanschlag auf Sergey Skripal und seine Tochter stecke. Deshalb habe die Bundesrepublik russische Diplomaten ausgewiesen. Bei den „Massakern in Syrien“ sei es um russische Bombenangriffe auf Ost-Ghouta gegangen, denen in den ersten Monaten des Jahres 2018 nach Schätzungen etwa 1700 Zivilisten zum Opfer gefallen seien. Amnesty International habe die Luftangriffe Russlands als Kriegsverbrechen bezeichnet. Auch Human Rights Watch habe die russischen Angriffe als „gesetzeswidrig“ verurteilt. Sie seien ausgeführt worden, um Ost-Ghouta „auszulöschen“.
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Das Cover eines Nachrichtenmagazins zeigt eine Überschrift „Todesgrüße aus Moskau“ und die Unterzeile „Der Giftanschlag und der neue Kalte Krieg“. Damit kündigt die Redaktion eine umfangreiche Berichterstattung im Innern des Heftes zu dem Giftanschlag auf den Ex-Agenten Sergej Skripal in Großbritannien an. Ein Leser des Magazins kritisiert die Schlagzeile. Damit unterstelle die Redaktion eine bewiesene Schuld russischer Täter an dem Mordanschlag auf den einstigen Doppelagenten. Da dieser Beweis bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch gefehlt habe, verstoße die Schlagzeile in eklatanter Weise gegen Ziffer 13 des Pressekodex, insbesondere gegen Richtlinie 13.1 (Vorverurteilung). In der Vorprüfung wurde die Beschwerde als offensichtlich unbegründet bewertet. Die Titelseite spiele mit ihrem Titel „Todesgrüße aus Moskau“ hinreichend erkennbar auf den Titel „Liebesgrüße aus Moskau“ eines James-Bond-Films an. Dass die Redaktion mit der Titel-Gestaltung eine redaktionelle Tatsachenbehauptung aufstellen wollte in dem Sinne, dass Russland erwiesenermaßen für die Tat verantwortlich sei, sei nicht ersichtlich. Im Text werde dargestellt, dass die britische Regierung es in hohem Maße für wahrscheinlich halte, dass Russland für den Angriff verantwortlich sei. Es wird auch darauf hingewiesen, dass Moskau dagegenhalte mit der Aussage, nichts mit der Sache zu tun zu haben. Der Beschwerdeführer legt Einspruch gegen die Entscheidung in der Vorprüfung ein. Der Nachweis, dass seine Beschwerde „offensichtlich unbegründet ist“, sei in der Begründung nicht geführt worden. Grundlage der Prüfung sei Ziffer 2 (Journalistische Sorgfaltspflicht) des Pressekodex gewesen. Er – der Beschwerdeführer – habe seine Beschwerde jedoch unter Berufung auf Ziffer 13, Richtlinie 13.1 (Vorverurteilung) eingereicht. Er stellt auch einen Befangenheitsantrag gegen ein Mitglied des Beschwerdeausschusses. Dieses arbeite als Justiziarin in dem Verlag, der Großaktionär des Magazin-Verlages sei.
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Wissenschaftler sollen das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat in Speiseeis-Proben aus Deutschland und drei weiteren europäischen Ländern gefunden haben. Die Online-Ausgabe einer Regionalzeitung berichtet über den Vorgang. Im Text heißt es, der festgestellte Glyphosat-Wert befinde sich unterhalb der Grenzwerte, berge aber aufgrund der veralteten Richtwerte ein Gesundheitsrisiko. Der Hersteller des Speiseeises weise die Vorwürfe zurück. Der Artikel ist illustriert mit einem Symbolbild, das die Beschriftung „Glyphosat (360g/l)“ zeigt. Diese ist unterlegt mit einem orange-farbenen Totenkopf. Der Bildtext lautet: „Glyphosat wird weltweit zur Unkrautvernichtung eingesetzt. Quelle: Imago/Christian Ohde“. Der Beschwerdeführerin geht es bei ihren diversen Beschwerden gegen mehrere Medien um das verwendete Foto. Ihrer Meinung nach handele sich dabei um eine Fotomontage. Auf der Website des als Urheber genannten Fotografen sei eine Reihe von Bildern zu sehen. Eindeutig werde bei Durchsicht der Bilder belegt, dass es sich bei der Totenkopf-Abbildung auf dem Glyphosat-Bild um eine Montage des genannten Fotografen handele. Diese sei nicht als solche gekennzeichnet. Die Darstellung suggeriere dem Leser, das Glyphosat stark giftig sei. Diese Beiträge verstießen somit allesamt gegen die Richtlinie 2.2 des Pressekodex (Symbolfoto).Die Montage könnte beim flüchtigen Lesen als dokumentarische Abbildung aufgefasst werden. Die Montage hätte entsprechend kenntlich gemacht werden müssen oder – besser noch – gar nicht erst verwendet werden dürfen. Ein Vertreter des Verlags teilt mit, das kritisierte Bild sei ohne den Montage-Hinweis über Imago verbreitet worden. Die gezeigte Abbildung passe zur Textberichterstattung, gegen die sich die Beschwerde nicht richte. Die Beschwerdeführerin schreibe selbst zutreffend, dass das Totenkopfsymbol für „giftig“ stehe. Genau dies sei die Aussage des Textes: Forscher vertreten die Auffassung, dass Glyphosat in Lebensmitteln auch in Konzentrationen unterhalb des Grenzwertes bei regelmäßigem Verzehr giftig sei. Insoweit sei die Aussage des Bildes, anders als die Beschwerdeführerin schreibe, nicht irreführend oder sachlich falsch, sondern entspreche den Forschungsergebnissen, über die im Text berichtet werde.
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Eine politische Wochenzeitung schreibt über den ersten App-gesteuerten Supermarkt von Amazon. Das Neue daran: „Der Kunde kann die Waren einfach mitnehmen, registriert und bezahlt werden sie durch eine App, der Gang zur Kasse entfällt.“ Der Kommentar unter der Überschrift: „Abstinenz und Misstrauen: So beginnt der Kampf gegen die Macht der Tech-Monopole“ setzt sich kritisch mit dem neuen Konzept auseinander. Ein Leser stört sich an diesem Satz aus dem Kommentar: „Man muss kein Nostalgiker sein, der den Plausch mit der Kassiererin vermissen wird, um sich dafür zu fürchten, was das für Folgen hat – oder sich Sorgen zu machen um die Menschen, für die es aufgrund ihrer Armut durchaus wichtig sein kann, dass sie im Supermarkt bisher auch einmal etwas mitgehen lassen konnten.“ Der Beschwerdeführer sieht darin eine diskriminierende Verallgemeinerung im Sinne der Ziffer 12 des Pressekodex, weil sie suggeriere, dass Ladendiebe überwiegend arme Menschen sind. Die Autorin stilisiere ein strafrechtlich relevantes Verhalten zu einer notwendigen Überlebensstrategie hoch. Nach Ansicht des Beschwerdeführers ist dies skandalös und mit seriöser Pressearbeit auf der Basis unserer Verfassungs- und Rechtsordnung nicht zu vereinbaren. Deshalb sieht der Beschwerdeführer auch einen Verstoß gegen das Wahrhaftigkeitsgebot nach Ziffer 1 des Pressekodex. Schließlich verletze die Behauptung die Menschenwürde von armen Menschen. Die Zeitung nimmt zu der Beschwerde nicht Stellung.
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„Urinieren an Tankstelle führt zu Eskalation – Vier Festnahmen“ titelt eine Regionalzeitung. Sie berichtet über eine Schlägerei am Verlagsort. Die Redaktion informiert darüber, dass es sich bei zwei der Beteiligten um Syrer, bei einem Dritten um einen Pakistani handele. Ein Leser der Zeitung sieht in der Angabe der Staatsangehörigkeit einen Verstoß gegen die Ziffer 12 des Pressekodex (Diskriminierungen). Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung sieht das anders und weist den Vorwurf der Diskriminierung zurück. Anders als vielleicht bei Angaben über die ethnische Zugehörigkeit (etwa Sinti und Roma) oder Hautfarbe sieht er in der Angabe der Staatsangehörigkeit absolut neutrale Informationen. Diese seien üblich in der Zeitung, die in einem Dreiländereck erscheine und in der auch häufig über Vorfälle mit österreichischen und tschechischen Staatsbürgern berichtet werde.
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Eine Regionalzeitung berichtet online über ein Tötungsdelikt. Eine 41-jährige Frau sei umgebracht worden. Die Polizei habe ihren 48-jährigen Ehemann vorläufig festgenommen. Aktuell werde ermittelt, ob der Tat ein Familiendrama zugrunde liege. Der Beschwerdeführer, ein beim regionalen Mitbewerber für die Online-Redaktion zuständiger Redakteur, kritisiert diese Passage im Bericht der Konkurrenz: „Bei der betroffenen Familie handelt es sich laut Nachbarn um jugendliche Flüchtlinge, die erst seit kurzem in dieser Unterkunft leben. Zur genauen Tat konnten die Einsatzkräfte am späten Ostersonntag noch nichts sagen.“ Zwar mache die Redaktion die Aussage als Gerücht kenntlich. Er halte die Darstellung gleichwohl für geeignet, das Ansehen der Presse zu schädigen. Tatsächlich lebten in dem Gebäude, in dem sich das Tötungsdelikt zugetragen habe, mehrere unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in einer Wohngruppe. Über sie sei in den Medien häufig berichtet worden. Der Verdacht, das Tötungsdelikt habe sich unter diesen jugendlichen Flüchtlingen abgespielt, müsse für den Leser klar sein. Das sei aber falsch. Die Tat habe sich auf einer anderen Etage des Hauses zugetragen, in einer anderen Familie. Es sei die Tat eines Ehemannes gewesen, der in keinerlei Zusammenhang zu den Flüchtlingen stehe. Dadurch, dass die Regionalzeitung diese Falschinformation auf den „Markt geworfen“ habe, seien alle anderen korrekt berichtenden Medien in eine unglückliche Situation geraten. Sie hätten sich dafür rechtfertigen müssen, diese Information nicht genannt zu haben bzw. zu verschweigen. Das schade nach Ansicht des Beschwerdeführers letztlich dem Ansehen und der Glaubwürdigkeit aller Medien. Die Rechtsvertretung der Zeitung weist die Vorwürfe des Beschwerdeführers zurück. Dieser versuche offenkundig, die Zeitung als Wettbewerber zu diskreditieren. Sie bleibt dabei, dass die Redaktion korrekt berichtet habe.
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Ein Unfall mit neun Radfahrern auf Mallorca ist Thema in der Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung. Sie titelt: „So etwas Schlimmes habe ich noch nie gesehen“. Bebildert ist der Text mit mehreren Fotos vom Unfallort. Das letzte Foto hat die Unterzeile: „Ein Verletzter wird für den Abtransport auf der Rolltrage vorbereitet.“ Man sieht einen Verletzten, der mit einer Folie zugedeckt ist und von Sanitätern versorgt wird. Das Gesicht ist von der Seite her sichtbar. Es ist nicht verfremdet. Ein Leser der Zeitung kritisiert vor allem die Veröffentlichung des Fotos, auf dem das Gesicht des Verletzten erkennbar ist. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe teilt mit, man habe sich in der Redaktion das fragliche Foto mehrmals intensiv angesehen und sei sich nach wie vor nicht sicher, ob hier tatsächlich das Gesicht eines Unfallopfers zu erkennen sei. Trotzdem habe die Redaktion das Foto aus dem Online-Angebot entfernt.
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„Gymnasium gegen Inklusion: Ungesundes Volksempfinden“ – so überschreibt die Online-Ausgabe eines Nachrichtenmagazins einen Kommentar. Darin geht es um die Klage der Leiterin eines Bremer Gymnasiums gegen die Unterrichtung von Kindern mit Handicaps an ihrer Schule. Der Autor vergleicht das Verhalten der Schulleiterin mit dem eines „Warlords im Schurkenstaat“. Sie missachte die Menschenrechte von Behinderten, in diesem Fall das „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“, eine bindende UN-Konvention. Fünf Leser des Nachrichtenmagazins wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie sehen eine Beleidigung und Ehrverletzung der Schulleiterin durch den Vergleich mit einem Warlord und in der Aussage, dass sie die Menschenrechte missachte. Zudem werde sie durch den Hinweis auf das „gesunde Volksempfinden“ mit einer Nationalsozialistin verglichen. Die Frau werde als Befürworter der Rassentrennung dargestellt und gleichgesetzt mit Rassisten, Verbrechern und Völkermördern. Das Justiziariat des Nachrichtenmagazins weist darauf hin, dass es sich bei dem Beitrag um einen Kommentar handele, der die persönliche Haltung seines Verfassers zum Ausdruck bringe. Ein solcher Debattenbeitrag dürfe auch scharf formuliert sein und polarisieren. Dies umso mehr, wenn die Stimme wie in diesem Fall für eine besonders schutzbedürftige Minderheit erhoben werde. Eine Woche nach dem Erscheinen des Kommentars habe die Redaktion einem Publizisten und Pädagogen in Form einer Gegenrede die Gelegenheit eingeräumt, Stellung zu dem kritisierten Beitrag zu nehmen. Damit sei der Diskursfreiheit Genüge getan. Das Justiziariat weiter: Die Überschrift „Ungesundes Volksempfinden“ knüpfe zwar an den Terminus an, den das NS-Regime genutzt habe. Eine Gleichsetzung der vom Autor kritisierten Haltung mit den während der NS-Zeit unter diesem Begriff verübten Verbrechen vollziehe der Beitrag aber nicht. Dass der Kommentar sich personalisierend an der Schulleiterin abarbeite, sei von der Meinungsfreiheit gedeckt und von der Frau hinzunehmen. Die Rechtsvertretung räumt ein, dass mit einzelnen Formulierungen die Grenzen der Polemik ausgereizt worden seien.
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Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung veröffentlicht einen Artikel über den Amoklauf von Münster. Die Redaktion teilt mit, dass sie das „Jammer-Manifest des Münster-Mörders„ gelesen habe. So bezeichnet sie das 92-seitige Abschieds-Schreiben des Sauerländers. Ein Leser der Zeitung hält es für unprofessionell, unethisch und reißerisch, einen Tag nach der Tat einen offenbar psychisch gestörten Täter als „Jammerlappen“ zu bezeichnen und ihm Weinerlichkeit vorzuwerfen. Die Zeitung schüre Hass auf einen Täter, dessen psychische Verfassung von den Behörden ermittelt und nicht in reißerischen Überschriften ausgeschlachtet werden sollte. Der Artikel berge die Gefahr, dass psychisch Kranke keine Hilfe suchten, aus Angst, als „Jammerlappen“ abgetan zu werden. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe hält dagegen, die umfassende Berichterstattung über das Attentat von Münster mit zwei Toten und zwanzig Verletzten sei weder presserechtlich noch presseethisch zu beanstanden. Die Formulierungen „Jammer-Manifest“ und „Jammer-Lappen“ seien zulässige Wertungen. Dies vor dem Hintergrund, dass der 92-seitige Abschiedsbrief des Täters von Münster vor Weinerlichkeit und Selbstmitleid triefe.
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