Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6642 Entscheidungen
Eine Zeitschrift veröffentlicht einen Beitrag unter der Überschrift „Angebote der Woche“. Im Beitrag aufgelistet sind diverse Non-Food-Angebote verschiedener Filialunternehmen und eines Fernsehsenders. Ein Leser der Zeitschrift sieht in der Veröffentlichung einen Fall von Schleichwerbung. Vor allem der Hinweis auf ein Kochset bei dem TV-Sender sei werblicher Art. Nach Ansicht der Rechtsabteilung der Zeitschrift ist die Presse berechtigt, auf aktuelle Produktangebote hinzuweisen und diese auch positiv und/oder negativ zu beschreiben. Dies sei nicht zu beanstanden, solange die Berichterstattung einen redaktionellen Sachbezug habe. Im vorliegenden Fall diene die Berichterstattung dem Zweck, die Leser darüber zu informieren, wo sie am günstigsten einkaufen könnten. Besonders bei dem Kochset handele es sich um ein „Schnäppchen“. Es sei deutlich günstiger, als wenn die Original-Produkte der Marke einzeln gekauft würden. Zudem sei das Set auch bei keinem anderen Unternehmen erhältlich. Damit sei der redaktionelle Sachbezug gegeben. Die Rechtsabteilung weist darauf hin, dass die Veröffentlichung keine Werbewirkung habe, da sie primär aus Texten bestehe. Werbliche Botschaften würden ebenso fehlen wie andere Werbeelemente. Die Produktangaben dienten lediglich zum Zweck der Informationsbeschaffung für den Leser.
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„Hallo Doktor! Gibt es gegen Erkältungen auch sanfte Mittel?“ Unter dieser Überschrift berichtet eine Programmzeitschrift über die Frage einer Leserin an einen Heilpraktiker und Apotheker. Es geht darum, ob bei Erkältungen auch homöopathische Arzneien helfen können. Der Heilpraktiker bejaht dies und weist auf die Wirksamkeit von Präparaten aus drei aufbereiteten Naturstoffen hin. Ein Produkt wird als Beispiel namentlich genannt. Ein Leser der Zeitschrift vermutet einen Fall von Schleichwerbung. Die Redaktion habe das Trennungsgebot nach Ziffer 7 des Pressekodex missachtet. Die Rechtsabteilung des Verlages teilt mit, dass es sich bei dem Beitrag um eine redaktionelle Veröffentlichung handele, die nicht durch Dritte finanziert worden sei. Der Artikel beschäftige sich mit einem allgemeinen Gesundheitsthema von öffentlichem Interesse. Dem Leser werde Gelegenheit gegeben, sich eine Meinung über die Einsatzmöglichkeiten homöopathischer Wirkstoffe zur Vorbeugung gegen Erkältungskrankheiten zu bilden. Die Erwähnung des genannten Medikaments habe mit Schleichwerbung nichts zu tun. Die Nennung eines Produkts im Rahmen einer redaktionellen Berichterstattung könne grundsätzlich auch einen Werbeeffekt für das Produkt bewirken. Dieser sei jedoch hinzunehmen, wenn ein öffentliches Interesse an der Produktnennung bestehe. Das genannte Präparat habe ein Alleinstellungsmerkmal, das eine namentliche Erwähnung rechtfertige.
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Eine überregionale Tageszeitung berichtet gedruckt und online über den Prozess gegen ein homosexuelles Paar, das nicht nur ein bekanntes Hotel in Berlin betrieben, sondern auch Rauschmittel verkauft haben soll. Beide seien HIV-infiziert, berichtet die Autorin. Weitere Details aus ihrem Privatleben werden im Beitrag erwähnt, so auch der Umstand, dass jeder der beiden einen Partner wegen einer Aids-Erkrankung verloren habe. Die Berliner Aids-Hilfe tritt in diesem Fall als Beschwerdeführer auf. Sie beschwert sich über das unerlaubte und unautorisierte Outing der beiden Männer als HIV-Positive. Weder die Homosexualität noch die HIV-Infektion seien für die Berichterstattung relevant, so dass neben der zweifachen Verletzung der Persönlichkeitsrechte die Berichterstattung auch tendenziös sei. Sie bediene das alte Klischee von „Drogen + schwul = HIV“. Der Bericht habe für die beiden Männer schwerwiegende Folgen. Sie hätten sich im geschlossenen Vollzug befunden und hätten somit keinen Zugang zu Tageszeitungen oder Online-Medien gehabt. Sie befänden sich seit Mitte 2017 im offenen Vollzug. Die vorliegende HIV-Infektion sei öffentlich nicht bekannt gewesen. Die Kenntnis der Infektion führe seither zu Ausgrenzung, Beschimpfungen und Verunglimpfungen. Die Autorin nimmt auf dem Weg über die Rechtsvertretung der Zeitung Stellung zu der Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, dass sie gegen keine Gepflogenheiten der Gerichtsberichterstattung verstoßen habe. Sie habe den Prozess gegen die beiden Männer vor dem Berliner Landgericht verfolgt. Um den Lesern die Beweggründe der beiden Angeklagten näherzubringen, habe sie deren Biographie nachgezeichnet. Zu dieser gehöre für sie die Homosexualität der beiden, denn durch diese hätten sie verstärkten Kontakt zu einer Klientel gehabt, die nach Drogen verlangt habe. Im Übrigen sei die HIV-Erkrankung maßgeblich für die Urteilsfindung gewesen. Die Staatsanwaltschaft habe wegen der Berliner Rekordmenge von 4500 Gramm Crystal Meth und der hohen Gewinne eine Straferwartung von acht Jahren Haft geäußert. Der Richter habe dies deutlich unterboten und ein Urteil über fünf Jahre und drei Monate gesprochen. Begründung: Er habe die gesundheitliche Situation berücksichtigt.
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Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Warum passiert guten Menschen so etwas Schreckliches?“ über einen schweren Autounfall auf der A5. Ein Lkw habe fast eine ganze Familie ausgelöscht – Vater, Mutter und Tochter. Eine weitere Tochter habe überlebt. Die Eltern seien in der Kinderkrebshilfe engagiert gewesen. Bebildert ist der Beitrag mit Fotos der Opfer sowie einem Unfallfoto, das den zerquetschten Wagen und Blutspuren zeigt. Ein Leser der Zeitung sieht in der Veröffentlichung der Fotos einen Verstoß gegen die Ziffern 8 (Persönlichkeitsschutz) und 11 (Sensationsberichterstattung) des Pressekodex. Der Chefredakteur erläutert, dass seine Zeitung in letzter Zeit mehrfach über die tödliche Gefahr berichtet habe, die von Lastwagen ausgehe, da die Fahrer aufgrund von Übermüdung ein Stauende übersehen und haltende Autos gerammt hätten. Angesichts der Staudichte auf den Autobahnen und der Häufigkeit derartiger Unfälle sei es für die Redaktion besonders wichtig, über dieses Phänomen zu berichten. Der Zeitung sei es darauf angekommen, dieses Thema mit einer emotionalen Ansprache der Leser noch einmal aufzugreifen.
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Eine Regionalzeitung veröffentlicht gedruckt und online häufig Berichte mit zwei unterschiedlichen Kürzeln ein und derselben Agentur. Dazu erreicht den Presserat eine Beschwerde eines Lesers. Er kritisiert, dass die Agentur das Presseorgan einer Stadt im Verbreitungsgebiet der Zeitung ist. Der Agenturinhaber begleite den Bürgermeister zu Terminen als Fotograf und übernehme bei öffentlichen Anlässen moderierend die Aufgabe eines Pressesprechers. Seine Agentur kommuniziere zudem sämtliche Veröffentlichungen der Stadt, auf deren Homepage sowie im Amtsblatt bzw. Bürgerbrief. Gleichzeitig schreibt die Agentur unter einem zweiten Kürzel regelmäßig redaktionelle Texte für die beiden großen regionalen Tageszeitungen und Anzeigenblätter.
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Die Online-Ausgabe einer Boulevardzeitung zeigt das Video eines Mordversuchs an einer jungen Frau (17) aus Libyen. Unter dem Titel „Scharia-Gericht im Kinderzimmer“ wird in Wort und Bild darüber berichtet, dass ein junger Mann seine Schwester umbringen will, weil sie sich als verheiratete Frau in einen anderen Mann verliebt hat. Die Staatsanwaltschaft hat die Zeitung mittlerweile aufgefordert, das Video aus ihrem Online-Angebot zu nehmen. Im Artikel wird beschrieben, was auf dem Handy-Video zu sehen ist. Es sei unmittelbar nach dem Messerangriff im „Kinderzimmer“ entstanden, dauere 15 Sekunden und sei vom Täter an den Geliebten der Schwester und seine Familie geschickt worden. Mehrere Leserinnen und Leser der Zeitung kritisieren, dass das Video die Persönlichkeitsrechte des Opfers nach Ziffer 8 des Pressekodex verletze. Sie kritisiert auch den Sensationscharakter der Veröffentlichung. Zudem sei der Anreißer auf Facebook sehr aufbauschend. Er verweise auf das Video, das nur im Bezahlbereich abrufbar sei. Dies verletze Ziffer 1 des Kodex. Eine Beschwerdeführerin sieht in der im Text verwendeten Formulierung „Ehrenmord“ eine Hetze gegen Muslime (Ziffern 10 und 11 des Kodex). Ein Beschwerdeführer sieht in der Beschaffung des Videos die Grenzen der Recherche verletzt (Ziffer 4). Der Chefredakteur der Zeitung versteht die Aufregung der Beschwerdeführer nicht. Die Zeitung berichte in Wort, Bild und Video unter Beachtung aller presseethischen Vorgaben über den schockierenden Fall eines versuchten Ehrenmordes. Das junge Opfer sei unkenntlich gemacht worden. In keiner Weise könne er – der Chefredakteur – die Vorwürfe nachvollziehen, dass Teile der Berichterstattung nur im kostenpflichtigen Angebot der Zeitung abrufbar seien: Es sei schon in der analogen Print-Welt gang und gäbe, dass Veröffentlichungen auf der Titelseite „angerissen“ würden, jedoch nur dann vollständig gelesen werden könnten, nachdem die ganze Zeitung gekauft worden sei.
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Die Redaktion einer Regionalzeitung übernimmt eine Facebook-Meldung, der zufolge eine junge Frau vermisst wurde. Freunde hätten einen Aufruf gestartet und um die Mithilfe der Bevölkerung gebeten. Eine Freundin schrieb bei Facebook, dass die Vermisste einen Suizid-Versuch angekündigt habe. Die Polizei wird in dem Artikel der Zeitung mit einer Bestätigung des Vorgangs zitiert. Sie sehe die Gefahr aber nicht so bedrohlich wie geschildert. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Beitrag Verstöße gegen die Menschenwürde, die journalistische Sorgfaltspflicht und die gebotene Zurückhaltung bei Suiziden. Er stelle sich die Frage, ob ein Facebook-Eintrag die Berichterstattung rechtfertige und welchen Nutzen der Bericht habe. Der Beitrag sei auch kein Suchaufruf, denn es würden keine Angaben zum Verschwinden und kein Foto veröffentlicht. Gleichzeitig lasse es die Zeitung zu, dass auf ihrer Facebook-Seite auf das Facebook-Profil der vermeintlich Suizidgefährdeten verlinkt werde. Der Chefredakteur zeigt sich verwundert über die Beschwerde, weil sich bis heute niemand sonst bei der Zeitung beschwert habe. Dass die Redaktion mit dem Artikel gegen presseethische Grundsätze verstoßen haben soll, könne er nicht verstehen. Die Zeitung habe lediglich zu helfen versucht. Hätte sich jemand gemeldet, dass ihn der Text störe, hätte ihn die Redaktion aus dem Online-Angebot genommen.
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In einer Zeitschrift erscheint ein Beitrag unter der Überschrift „Mit Schleier im Hörsaal“. Es geht um einen Verhaltenskodex zur Religionsausübung an der Hamburger Universität. Die Autorin schreibt unter anderem: „Nur in einem säkularen Staat, nicht in einer Theokratie, wie sie zum Beispiel Ajatollah Khomeini im Iran durchgesetzt hat, oder im Staat Israel, der die Bürger jüdischer Religion privilegiert und Bürger anderer Religionen diskriminiert, ist freie Religionsausübung oder Religionslosigkeit möglich.“ Ein Leser der Zeitschrift wendet sich gegen die Behauptung, im Staat Israel würden Bürger jüdischer Religion privilegiert und Angehörige anderer Religionen diskriminiert. Eine freie Religionsausübung oder Religionsfreiheit sei dort nicht möglich. Das sei – so der Beschwerdeführer - nicht richtig. Es bedürfe keiner großen Recherche, um die falschen Informationen zu widerlegen. Israel sei ein demokratischer Staat, der allen Bürgern, unabhängig von der Religion, die gleichen Rechte zuerkenne. Er wirft der Autorin vor, sie habe gegen die Ziffer 1 des Pressekodex (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde) verstoßen. Die Redaktion habe nach entsprechenden Hinweisen von Lesern nicht ihre falschen Informationen korrigiert, sondern eine Debatte über das Thema Pluralismus in Israel begonnen. Der geschäftsführende Herausgeber stellt fest, dass es sich bei dem Text um einen Meinungsbeitrag unter der Rubrik „Doppelpunkt“ handele. Dort würden essayistische und kommentierende Texte von nicht zur Redaktion zählenden Gastautoren veröffentlicht, die im Sinne der offenen Gesellschaft eine Debatte um Werte und Ziele anregten. Innerhalb dieser Debatte seien Pro- und Contra-Stimmen zu Wort gekommen. Über die Position der Autorin könne man sehr wohl streiten. Ein Beschwerde-Anlass sei aber aus Sicht der Zeitschrift nicht zu erkennen.
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Eine Regionalzeitung informiert darüber, dass in einem Ort des Verbreitungsgebietes die Leiche einer Frau gefunden worden sei. Die Redaktion veröffentlicht ein Foto des Hauses, in dem die Leiche gefunden wurde. Sie nennt auch die Straße, in der das Haus steht. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass sowohl die Tote als der unter Tatverdacht stehende Lebensgefährte durch die in der Berichterstattung enthaltenen Angaben identifizierbar seien. Der Chefredakteur teilt mit, dass seine Zeitung zwei Tage vor dem Erscheinen des kritisierten Berichts online über den Fall berichtet habe. Dabei sei die Straße, in der der Tatort liege, nicht genannt worden. Dann habe sich die Voraussetzung für die Berichterstattung geändert. Die Lage des mutmaßlichen Tatorts sei in der Region nicht mehr länger ein Geheimnis gewesen. Dadurch, dass Einsatzfahrzeuge von Polizei und Rettungskräften die Straße angesteuert hätten, sei bekannt geworden, wo die Tat geschehen sei. Beschleunigt durch die sozialen Netzwerke habe die Nachricht von der Gewalttat schnell die Runde gemacht. Deshalb habe die Redaktion in der Folgeberichterstattung den Namen der Straße genannt. Den Namen nicht zu nennen, hätte den Ruf der Zeitung, fundiert und faktengetreu über die Region zu berichten, unterminiert und den Gerüchten über den Ort des Geschehens Vorschub geleistet. Er gewaltsame Tod der Frau sei ein in dieser ländlichen Region ungewöhnlich schweres Verbrechen gewesen. Die Berichterstattung sei deshalb auch in der vorliegenden Form vom öffentlichen Interesse gerechtfertigt gewesen.
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Die Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung kommentiert unter der Überschrift „So Haram wie ein Schwein“ die Initiative von französischen prominenten Frauen, die sich kritisch zur #MeToo-Bewegung äußern. Die Autorin schreibt, die Frauen machten sich zu „Komplizinnen“ des Systems, zu dem „bekanntlich nicht nur Männer gehören, die ihre Macht verteidigen, sondern auch Komplizinnen“. Auch sie seien „Schweine“, heißt es in dem Kommentar. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Beitrag die folgenden Zitate als ehrverletzend, unangemessen sensationell in der Darstellung sowie diskriminierend an: „Es bietet sich in Fällen wie diesem an, die Meinung auf einen Zettel zu schreiben, diesen ganz klein zu falten, anzufeuchten und ihn mit etwas Gleitgel in den Hintern zu schieben“. Und weiter: „…Komplizinnen, die genau dieses System stützen: Auch sie sind Schweine. … Oder würdet ihr trotzdem das #MeToo-Bullshit-Bingo um Begriffe wie ´Freiheit´, ´Flirten´ und ´Ficken in der Kirche´ erweitern?“ Die Autorin des Artikels nimmt Stellung. Die Beschwerde setze sich lediglich aus Zitaten vulgärer Formulierungen in ihrer Kolumne zusammen. Glossen und Kolumnen bewegten sich nah am echten Leben, in dem es polemischer, krasser und humorvoller zugehe als in Nachrichtenmeldungen,. Davon lebe die Textsorte. Was sei linker und feministischer Journalismus noch wert, wenn er sich strikt und bieder an Höflichkeitsregeln halten würde? Ihre Texte – so die Autorin – sollten gleichermaßen zum Nachdenken und Lachen anregen, gesellschaftspolitische und politische Diskurse in Umgangssprache packen, und provozieren, ohne auf Kosten von Minderheiten reißerisch zu sein. Die Formulierung „Schweine“ sei ein Zitat aus der französischen Kampagne.
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