Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Redaktion korrigiert eine Unschärfe

„60 Vermummte stürmen Privatgrundstück eines Polizisten“ titelt eine überregionale Tageszeitung online. Die Polizei spreche von „einer neuen Qualität der Gewalt“. Vor dem Sturm auf das Haus hätten die Täter lautstark versucht, die Familie einzuschüchtern. Ein Leser der Zeitung stellt in seiner Beschwerde fest, die zentrale Behauptung „in … haben am Freitagabend rund 60 zum überwiegenden Teil vermummte Personen das Grundstück und private Wohnhaus eines Polizisten im niedersächsischen … gestürmt“ sei unwahr. Dies sei zum Zeitpunkt der Veröffentlichung auch von der Polizei nicht behauptet worden. Der Chefredakteur der Digitalausgabe der Zeitung teilt mit, es habe die Belagerung des Privatgrundstücks zweifelsfrei gegeben. Niemand bestreite, dass die Mehrzahl der Personen vermummt gewesen sei. Es habe sich zweifelsfrei um eine Vergeltungsaktion gegen einen Polizisten gehandelt. Eine linksautonome Webseite habe zuvor die Adresse des Polizisten und seiner Familie veröffentlicht. Bei der Berichterstattung habe sich die Redaktion auf Mitteilungen der Polizei gestützt. Der Autor des Beitrages habe – wie viele andere Medien auch – den von der Polizei gewählten Begriff „heimgesucht“ als „gestürmt“ interpretiert. Heimsuchen bedeute, etwas zu betreten. Dass die Wirkung des Vorgehens keine friedliche, sondern vor allem für die Familie eine überaus bedrohliche war, liege auf der Hand. Die Verwendung des Begriffs „gestürmt“ sei eine Unschärfe gewesen, die die Redaktion korrigiert habe.

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„Unwohlsein“ bei der Auswahl eines Fotos

Eine überregionale Tageszeitung veröffentlicht auf Twitter einen Beitrag, der auf eine Berichterstattung in der Digitalausgabe des Blattes verlinkt. Illustriert ist der Post mit einem Foto, das augenscheinlich Vermummte beim Steinewerfen zeigt. Hintergrund des Berichtes ist die Attacke einer Gruppe von etwa 60 Personen auf das Wohnhaus eines Polizisten und seiner Familie. Der Beschwerdeführer, der für ein Journalistenbüro arbeitet, weist darauf hin, dass das Foto mit der beschriebenen Situation nichts zu tun habe. Es sei auch nicht als „Symbolbild“ gekennzeichnet und wäre auch als solches noch grob irreführend gewesen. Der Chefredakteur der Digitalausgabe stellt fest, es habe die Belagerung des Privatgrundstücks zweifelsfrei gegeben. Niemand bestreite, dass die Mehrzahl der Personen vermummt gewesen sei. Es habe sich um eine Vergeltungsaktion gegen einen Polizisten gehandelt. Eine linksautonome Webseite habe die Adresse des Polizisten und seiner Familie publik gemacht. Aus Mangel an authentischen Fotos habe die Redaktion ein Symbolfoto verwendet. Den bearbeitenden Kollegen sei bei der Bebilderung „unwohl“ gewesen, weshalb das Bild entfernt worden sei.

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Streit um die Grundsicherung im Alter

Unter der Überschrift „Jammern gilt nicht“ berichtet eine überregionale Tageszeitung über die Grundsicherung im Alter anhand eines beispielhaften Rentners in einer Großstadt. Ein Leser der Zeitung hält die Zahlen, die die Redaktion zur Höhe der Grundsicherung im Alter sowohl minimal wie maximal wiederholt veröffentlicht habe, für eklatant falsch. Weder gebe es, wie behauptet, eine Grundsicherung „unter 700 Euro monatlich“, noch gebe es eine maximale Grundsicherungsleistung von lediglich „etwas mehr als 900 Euro“. Wahr sei, dass die minimale Grundsicherung bei etwa 900 Euro liege und die maximalen Leistungen deutlich über 1.300 Euro. Die richtigen Zahlen seien der Redaktion sowohl in einem Leserbrief als auch in einem Brief an den Autor detailliert vorgerechnet worden. Ergänzend habe er die Chefredaktion um Korrektur gebeten. Dies sei bislang nicht geschehen. Die Rechtsvertretung der Zeitung widerspricht dem Beschwerdeführer. Der Beitrag sei korrekt und die genannten Zahlen richtig. Der Verfasser des Artikels nimmt ebenfalls Stellung. Er habe dem Beschwerdeführer mit einer ausführlichen E-Mail geantwortet und dabei darauf hingewiesen, dass die von der Zeitung genannten Zahlen korrekt seien. Er verwahrt sich gegen den Vorwurf, mit falschen Zahlen operiert zu haben, ein „Wiederholungstäter“ zu sein oder gar einer „Lügenpresse“ anzugehören. Der Autor des beanstandeten Artikels geht davon aus, dass dies der Presserat genauso sieht.

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Persönlicher Racheakt eines Autoren?

Um einen ehemaligen Teilnehmer an der RTL II-Sendung „Traumfrau gesucht“ geht es in Berichten, die in einer Boulevardzeitung in Print und Online erscheinen. Der Mann – Inhaber einer PR-Beratung – müsse sich vor Gericht unter dem Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs verantworten. Er stehe unter dem Vorwurf, sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen bei einem befreundeten Ehepaar mehrere tausend Euro geliehen zu haben. Das Gericht – so die Zeitung weiter - habe den Beschuldigten zur Zahlung von 4150 Euro plus Zinsen verurteilt. 1300 Euro fehlten immer noch, wird die Gläubigerin zitiert. Jetzt müsse das Gericht klären, ob der Mann das Paar absichtlich betrogen habe. Nach Informationen der Zeitung sei er bei der Polizei schon mehrere Male als Beschuldigter in Erscheinung getreten, u.a. wegen Betrugs oder Fahrens ohne Führerschein. Auf Anfragen der Redaktion habe er sich nicht geäußert. Der Betroffene ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Die Zeitung habe seine Persönlichkeitsrechte bewusst missachtet, um ihn in der Öffentlichkeit zu denunzieren. Er weist die Behauptung, er habe sich wegen gewerbsmäßigen Betrugs strafbar gemacht. Er habe seine Schulden in monatlichen Raten zurückgezahlt. Die Gläubigerin sei wegen offensichtlicher Falschbehauptungen in diesem Fall vom Gericht zur Unterlassung verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sieht in der Berichterstattung einen persönlichen Racheakt des Verfassers. Schon in der Vergangenheit sei gegen ihn wegen der Missachtung der journalistischen Sorgfaltspflicht vorgegangen worden. Der Chefredakteur der Zeitung fragt sich, wie diese Beschwerde überhaupt das Stadium der Vorprüfung habe passieren können. In diesem Fall gehe es nicht um presseethische, sondern ausschließlich um rechtliche Belange, die sich bereits im Stadium der juristischen Klärung befänden. Es sei weder Aufgabe des Presserats, noch liege es in seiner Kompetenz, komplexe Sachverhalte rechtlich zu bewerten. Hierfür gebe es die ordentliche Gerichtsbarkeit, die schon lange vor der aktuellen Beschwerde mit dem Fall befasst gewesen sei.

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Karikaturen sind überzeichnete Darstellungen

In einer Regionalzeitung erscheint eine Karikatur. Diese zeigt ein Paar, das einem Arzt gegenübersteht. Die Frau sagt: „Herr Doktor, ich hätte viel lieber einen Test zur Früherkennung von Rassismus, Gewalttätigkeit, Geldgier und Fanatismus….“ Einige Wochen später bringt die Zeitung eine weitere Karikatur mit zwei grobschlächtigen Glatzköpfen. Der eine sagt: „Die Ausländer und die Idioten sind Analphabeten.“ Der andere entgegnet: „Aber ich kann buchstabieren: A, F, D…“ Ein Leser der Zeitung kritisiert, die erste Zeichnung nehme Bezug auf die Umstrittenheit von Früherkennungstests für Schwangere, weil sie eine höhere Abtreibungsrate bewirken könnte. Die Zeichnung suggeriere, dass ein solches Vorgehen dann sinnvoll wäre, wenn Rassisten, Gewalttätige, Geldgierige und Fanatiker auf diese Weise erkannt würden. Es gehe also darum, diese Menschen als lebensunwert zu charakterisieren. Die Qualifizierung bestimmter Menschen als lebensunwert sei unerträglich. Es handele sich bei der Karikatur um einen Aufruf zur Tötung lebensunwerter Menschen. Die zweite Karikatur – so der Beschwerdeführer – würdige die größte Oppositionspartei herab. Sie stelle AfD-Anhänger als dumpfe Schlägertypen dar. Er sieht mit Blick auf beide Zeichnungen eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit beim Karikaturisten. Der Chefredakteur antwortet dem Beschwerdeführer mit dem Hinweis, dessen Kritik an der Qualität der Karikaturen könne er nachvollziehen. Die Redaktion glaube jedoch, dass der Vorwurf, sie habe einen Aufruf zur Tötung Andersdenkender veröffentlicht, etwas zu weit gehe.

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Genannte Zahlen sind nicht vergleichbar

Eine Boulevardzeitung berichtet über Zahlen des Sächsischen Innenministeriums, die auf eine AfD-Anfrage hin veröffentlicht worden seien. Die Überschrift lautet: „Kriminalität an Dresdens Grundschulen um 224 Prozent gestiegen.“ Im vergangenen Jahr hätten sich 107 Straftaten ereignet. Ein Jahr zuvor seien es dagegen 33 gewesen. Dies sei ein Anstieg von 224 Prozent. Ermittelt wurde dem Bericht zufolge wegen Körperverletzung, Brandstiftung und Diebstahl. Etwa 72 Prozent der Täter an Grund-, Mittel- und Oberschulen seien Deutsche. Auch in den Berufsschulen werde die Situation mit einem Anstieg von 77 Prozent gegenüber 2017 immer gefährlicher. An den Gymnasien sei die Zahl der Straftaten um 60 Prozent gestiegen. Die Zeitung zitiert Sachsens CDU-Generalsekretär, demzufolge die Eltern in der Pflicht seien, man aber auch die Sozialarbeit an den Schulen deutlich aufgestockt habe. Der CDU-Mann fordert außerdem eine konsequente Anwendung des Jugendstrafrechts. Ein Leser der Zeitung stört sich an den von der Zeitung genannten Zahlen. Er kritisiert auch, dass im Beitrag mehrfach von Tätern und nicht von Tatverdächtigen die Rede sei. Auch die Behauptung, dass 72 der mutmaßlichen Täter Deutsche seien, widerspreche nach seiner Ansicht den Grundsätzen der Wahrhaftigkeit der Berichterstattung und der Sorgfaltspflicht nach Ziffer 1 und 2 des Pressekodex. Der Beschwerdeführer fährt fort, dass die Zahlen für die einzelnen Jahre aufgrund von Aussonderungs- und Löschfristen nicht miteinander vergleichbar seien. Der Chefredakteur der Zeitung bekennt, dass der Redaktion bei der Auswertung der Antwort der sächsischen Staatsregierung ein Fehler unterlaufen sei. So etwas passiere leider im Redaktionsalltag zuweilen. Nach Erscheinen des Artikels habe die Dresdner Lokalredaktion zahlreihe Hinweise zu den Unstimmigkeiten der berichteten Zahlen erhalten. Mit Ausnahme des Beschwerdeführers habe niemand einen Verstoß gegen presseethische Grundsätze erkannt. Die Redaktion sei zu dem Ergebnis gekommen, dass sie einen wichtigen Hinweis in einer Vorbemerkung der Antwort auf die Kleine Anfrage übersehen habe. Der Fehler sei umgehend korrigiert worden.

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Kein Grund zum Schütteln des Kopfes

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Barley blamiert sich mit Satz zum Zweiten Weltkrieg“. Im Beitrag geht es um eine Aussage der damaligen Bundesjustizministerin im Hinblick auf den 8. Mai 1945: „Nicht nur für uns Deutsche ist dieser Tag ein Tag der Befreiung“. In der Überschrift und der Dachzeile heißt es dazu, dieses Zitat habe Kopfschütteln ausgelöst und die Politikerin habe sich damit blamiert. Ein Leser der Zeitung kritisiert, dass die Aussagen in Dachzeile und Überschrift durch den Artikel nicht gedeckt seien. Aus dem Text gehe nicht hervor, bei wem Kopfschütteln ausgelöst worden und was der Grund für eine Blamage sei. Aus Sicht des Chefredakteurs der Zeitung geht aus dem Artikel klar hervor, warum der von Frau Barley gesagte Satz auch kritisch gesehen werden könne. Was bedeute „für uns Deutsche“? Deutsche seien ja nicht primär die Leidtragenden im Krieg gewesen, sondern vor allem die 60 Millionen Kriegsopfer und die sechs Millionen ermordeten Juden. Der Chefredakteur erinnert an die Botschaft des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag des Kriegsendes. Das Kriegsende sei nicht mehr nur als Niederlage zu verstehen, sondern als Befreiung von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Nach Weizsäcker sei das Kriegsende auch eine neue Chance gewesen. In dem Meinungsartikel werde zum Ausdruck gebracht, dass die damalige Justizministerin ihre Ansicht wohl falsch wiedergegeben und daraus eine völlig andere Aussage abgeleitet habe. Die Äußerung Barleys könne bei geschichtsbewussten Lesern durchaus Kopfschütteln auslösen, was in der Überschrift auch deutlich gemacht worden sei.

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Opfer einer Attacke namentlich genannt

Eine Berliner Zeitung veröffentlicht online einen Artikel unter der Überschrift „Hermannplatz: Palästinenser gehen auf Israeli los“. Im Beitrag geht es um eine körperliche Auseinandersetzung zwischen zwei Besuchern eines palästinensischen Folklore-Events und einem israelischen Staatsbürger. Dieser soll nach Angaben der Polizei bei der Veranstaltung in alkoholisiertem Zustand Pro-Israel-Parolen gerufen haben. Der Autor teilt mit, dass es sich bei dem Israeli um einen jungen Mann handele, der gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder in Berlin studiere. Die Zeitung nennt die Namen der beiden. Ein Leser kritisiert die Namensnennung. Er beschwert sich beim Presserat auch darüber, dass die Redaktion mitteile, wo die Brüder studieren. Dadurch entstehe die Gefahr einer israelfeindlichen Attacke. Die Rechtsabteilung der Zeitung sieht keine Verletzung des Persönlichkeitsschutzes. Der namentlich genannte Daniel Gurfinkel habe zu dem Vorgang öffentlich Stellung genommen. Auf einer Webseite habe er ausführlich beschrieben, wie sich der Vorfall abgespielt habe. Die Stellungnahme mache deutlich, dass er mit der Nennung seines Namens einverstanden gewesen sei. Die Rechtsabteilung weiter: Unabhängig davon bestehe an der identifizierenden Berichterstattung ein berechtigtes öffentliches Interesse. Der Artikel thematisiere unter anderem den israelisch-palästinensischen Konflikt, der von öffentlichem Interesse sei. Der Vorfall habe viel Aufmerksamkeit erregt. Überdies stünden die beiden Brüder als Klarinettisten in der Öffentlichkeit. Erst kürzlich habe eine Berliner Zeitung ein Interview mit den beiden gebracht. Dabei sei auch ein Bezug zu Israel hergestellt worden.

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Brief an die Opfer eines schweren Unfalls

Eine Boulevardzeitung lässt online einen Autor einen Brief an die Opfer eines schweren Flixbus-Unfalls in der Nähe von Leipzig schreiben. Darin wird die Frage gestellt, warum die Opfer in den Flixbus gestiegen seien. Seien die Fahrgäste verunglückt, weil sie knapp bei Kasse gewesen seien? Hätten die teurere Bahn oder das Flugzeug sie sicherer nach München gebracht, fragt der Kolumnist. Eine Passage aus dem Beitrag: „Mit den kleinen Hämmern oben am Bus schlugen sie die Fenster auf und krochen blutend heraus. Es ist ein Unfall, mehr nicht. Der Busfahrer hatte einen Sekundenschlaf gehabt. Die Autobahn war mehrere Stunden gesperrt. Am nächsten Morgen fuhren Autofahrer wie immer, als wäre nichts geschehen. Ich stelle mir vor, wie sie alle dösten im Bus, wie sie sich sicher fühlten. Der Student, die alleinerziehende Mutter. Die Mutter, die ihren Sohn besuchen will. Das alles kann im Zug und im Flugzeug passieren. Das Schicksal hat kein Erbarmen.“ Vier Leser der Zeitung wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie kritisieren, dass der Artikel mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Genannt werden die Ziffer 1 des Pressekodex (Menschenwürde), sowie die Ziffer 9 (Ehre der Opfer). Außerdem werfen sie der Zeitung Sensationsberichterstattung (Kodex-Ziffer 11) vor. Der Autor schreibe, die Opfer seien nur gestorben, weil sie unbedingt möglichst billig verreisen wollten. Er gebe also den Opfern Schuld an ihrem eigenen Tod. Der Chefredakteur sieht die Berichterstattung als zulässig an. Sie sei von der Meinungsfreiheit gedeckt. Bei den Passagen „Seid Ihr verunglückt, weil Ihr knapp bei Kasse wart?“ oder „Sterben wegen Billigtickets“ handele es sich um Meinungsäußerungen. Der Autor verdeutliche an mehreren Stellen, dass die Verunglückten gerade nicht „selbst schuld“ an ihrem Schicksal seien Er kritisiere vielmehr die Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegenüber einer solchen Tragödie („Am nächsten Morgen fuhren Autofahrer wie immer, als wäre nichts geschehen“). Von einem Verstoß gegen Ziffer 1 (Menschenwürde) und gegen Ziffer 9 (Schutz der Ehre) könne nicht gesprochen werden, da die Ehre etwas Höchstpersönliches sei. Keines der Opfer sei jedoch identifizierend dargestellt worden.

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Messerstecher verletzt kleinen Jungen

„Flüchtling sticht Jungen (11) mit Messer nieder“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung online über den Prozess gegen einen 26-jährigen eritreischen Flüchtling wegen des Verdachts, einen Jungen mit einem Messer verletzt zu haben. Der Verdächtige wird als Abdulrahman M. bezeichnet. Die Zeitung zeigt ihn im Bild. Ein Leser des Blattes ist der Auffassung, dass die Berichterstattung den Persönlichkeitsschutz des Verdächtigen verletzt. Gleichzeitig werde er durch die Nennung seiner Herkunft diskriminiert. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt Stellung. Er denkt, dass im konkreten Fall das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen überwiege. Die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sei außergewöhnlich schwer und in ihrer Art und Dimension besonders. Von daher sei die identifizierende Berichterstattung nicht zu beanstanden. Auch die Angabe seiner Herkunft und seines Flüchtlingsstatus verstößt nach Meinung des Chefredakteurs nicht gegen den Pressekodex, da es Aufgabe der Presse sei, das Geschehen so authentisch wie möglich zu schildern. Es handele sich dabei um relevante und sachlich gehaltene Informationen für die Leser.

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