Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

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Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

„Wildes Liebesspiel geriet aus dem Ruder“

„Deutscher Freund behauptet: Es geschah beim Sex!“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung online über den Tod einer 22-jährigen Britin in einem Schweizer Hotel am Lago Maggiore. Ein Deutscher gebe zu, seine britische Freundin in einem Hotelzimmer getötet zu haben. Er behaupte, ein wildes Liebesspiel sei aus dem Ruder gelaufen. Ein Hotelangestellter berichte hingegen von einem heftigen Streit. Die Redaktion zitiert eine Schweizer Zeitung. Danach ermittle die Tessiner Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Mordes. Zum Beitrag gestellt sind zwei Fotos des Opfers. Eines zeigt die junge Frau im Bikini, das andere mit tiefem Ausschnitt vor einem Spiegel. Eine Leserin der Zeitung kritisiert einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit). Der Autor nenne den vollen Namen des Opfers. Das Opfer eines Gewaltverbrechens werde zudem mit zwei unverpixelten Fotos gezeigt, die dem Social-Media-Profil der Betroffenen entnommen worden seien. Hinzu komme die skandalisierende Art der Berichterstattung, die die Gewalt gegen Frauen verharmlose („Es geschah beim Sex“, „ein wildes Liebesspiel sei aus dem Ruder gelaufen“). Der Chefredakteur der Zeitung weist die Vorwürfe zurück. Er rechtfertigt die Berichterstattung. Eine Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen finde nicht statt. Im Gegenteil: Der geständige Freund der getöteten Britin gebe im Zusammenhang mit der Tat zu, seine Freundin „versehentlich“ beim Sex in einem Hotelzimmer getötet zu haben. Das sei keine Erfindung der Redaktion, sondern schlicht die sachliche Wiedergabe eines Sachverhalts, über den die Redaktion von den Ermittlungsbehörden informiert worden sei. Die Tatsache, dass die junge Frau namentlich genannt werde, ergebe sich daraus, dass sämtliche ausländische Medien, darunter jene aus dem Herkunftsland des Opfers, ebenfalls mit voller Namensnennung berichtet hätten. Könne nach deutschem Verständnis etwas unethisch sein, was der Rest der Welt für selbstverständlich halte? Die von der Beschwerdeführerin kritisierten Fotos stammten aus öffentlich zugänglichen Quellen. Das Opfer selbst habe sich zu Lebzeiten gerne verführerisch in knapper Bekleidung gezeigt und entsprechende Fotos bewusst auf mehreren Social-Media-Kanälen veröffentlicht. Sie habe sich offenbar gerne als „sexy Jetset-Girl“ inszeniert.

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Gespräch als Interview veröffentlicht

„Die Abiturprüfung beginnt: Jetzt hilft nur noch beten“ – unter dieser Überschrift veröffentlicht eine Regionalzeitung ein Interview mit drei Abiturienten über die anstehenden Prüfungen und das Leben danach. Beschwerdeführer in diesem Fall ist einer der drei Interviewten. Das Gespräch habe stattgefunden. Einige Aussagen seien auch sinngemäß so getroffen worden. Keine Aussage werde jedoch wörtlich wiedergegeben. Manche sei aus dem Zusammenhang gerissen worden. Im Interview entstehe zum Beispiel der Eindruck, als ob er auf die Frage „Um 9 Uhr fangt ihr (…) mit den Abiturprüfungen an. Was ist das für ein Gefühl?“ seine Verletzungsgeschichte ausgepackt habe. Tatsächlich sei er explizit nach dem Grund für die Krücken und dem Unfall gefragt worden. Er habe weder auf die Frage nach seinem dritten Abiturfach mit dem Beruf seines Vater oder der Wahl seiner Schule geantwortet, noch Vokabular dahingehend benutzt, dass „Langsame den ganzen Laden aufhalten“. Dies seien nur einige Beispiele. Auch die Aussagen der beiden Mädchen seien oft falsch und nie wörtlich wiedergegeben worden. Der Beschwerdeführer stellt weiter fest, dass das Gespräch weder per Tonbandaufnahme noch per Steno aufgezeichnet worden sei. Auch sei es den Interviewten nicht zur Autorisierung vorgelegt worden. Sie hätten bis zum Erscheinungstag nicht gewusst, dass dieses Gespräch als Interview veröffentlicht würde, da sich der Redakteur nur Stichworte notiert habe. Sie hätten gedacht, dass das Gespräch in einen Artikel einfließen werde. Der Beschwerdeführer hat nach eigenen Angaben den Autor nach der Veröffentlichung angerufen. Der habe geantwortet, dass seine Vorgehensweise gängige Praxis in der Redaktion sei und er nicht das komplette Gespräch wiedergeben könne. Der Autor des Beitrages nimmt zu der Beschwerde Stellung. Ihm sei bewusst, dass die Schülerinnen und Schüler vermutlich wenig Medienerfahrung hätten. Daher habe er auch einiges erklärt – etwa, dass er es vom Verlauf des Gesprächs abhängig machen wolle, ob er danach die journalistische Darstellungsform eines Berichts oder eines Interviews wähle. Auf ein Interview sei seine Wahl deshalb gefallen, weil es ihm lebendiger und unmittelbarer erschienen sei. Im Gegensatz zur Behauptung des Beschwerdeführers sei jedenfalls von ihm nichts verdreht oder falsch abgedruckt worden. Er habe auch nicht gesagt, dass ein „zusammengeschustertes“ Interview“ gängige Praxis in der Redaktion sei. Ein Fehler, den er sich im Nachhinein ankreiden lassen müsse, sei der, dass den Abiturienten aus terminlichen Gründen das Interview nicht noch einmal vorgelegt worden sei. Für eine Richtigstellung gebe es aber keinen Grund.

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Fotos von minderjährigen Tatverdächtigen

Unter der Überschrift „Wir können diese Gewaltexzesse nicht dulden“ berichtet eine Boulevardzeitung online über eine Prügelattacke von Migranten in Amberg und die politische Diskussion bzw. Konsequenzen daraus. Der Betrag ist bebildert mit Fotos der Opfer, die sich gegenüber der Zeitung äußern. Im Bild gezeigt werden auch zwei mutmaßliche Täter. Der Beschwerdeführer übt Kritik an der Veröffentlichung der Fotos von mutmaßlich minderjährigen Verdächtigen. Die Tat selbst sei beschämend. Dies gebe der Zeitung aber kein Recht, gegen Gesetze zu verstoßen. Er sieht die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verletzt. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt Stellung zu der Beschwerde. Wer sich in der Gruppe so stark fühle, dass er nachweislich auf wehrlose Passanten – darunter auch Kinder - einprügele und diese teilweise schwer verletzt, müsse es aushalten, dass über seine Gewaltexzesse berichtet und sein Foto in diesem Zusammenhang veröffentlicht werde. Die Öffentlichkeit habe ein berechtigtes Interesse an der Berichterstattung über derartige Straftaten. Neben der Schilderung des Tathergangs, der in dem Artikel mit der gebotenen Zurückhaltung erfolgt sei, gehöre es auch zu den Aufgaben der Presse, die Öffentlichkeit durch entsprechende Fotoveröffentlichungen vollständig zu informieren. Die Leser müssten die Möglichkeit haben, sich ein Bild von den Geschehnissen und auch von den Tätern zu machen. Der Chefredakteur vertritt die Ansicht, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit klar die Interessen der Täter überwiege. Von Verletzungen presseethischer Grundsätze könne somit nicht die Rede sein.

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„Bezahlte Partnerschaft“ mit Krankenkasse

Eine Boulevardzeitung kündigt auf Facebook eine Anzeige mit einem Video der AOK auf ihrer Website an. Unter der Überschrift steht der Hinweis „Bezahlte Partnerschaft“. Ein anonymer Beschwerdeführer bittet den Presserat um Prüfung, ob der Hinweis „Bezahlte Partnerschaft“ als Kennzeichnung eines Teasers (Anreißers) ausreichend ist, der zu einem werblichen Beitrag führt. Der Chefredakteur der Zeitung sieht keinen Verstoß gegen Ziffer 7 des Kodex (Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten). Die Redaktion sei ihrer Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit ausreichend nachgekommen, indem sie die Veröffentlichung gleich zu Beginn mit dem Hinweis auf die „Bezahlte Partnerschaft“ versehen habe. Für die Leser werde durch diese Formulierung sofort erkennbar, dass der Beitrag gegen ein Entgelt veröffentlicht worden sei. Der Chefredakteur vertritt die Meinung, dass durch die Kennzeichnung die presseethisch geforderte Transparenz gewahrt werde.

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Anzeigen sind als solche zu kennzeichnen

Eine Fachzeitschrift für medizinische Themen veröffentlicht eine Anzeige der Pharmafirma Vifor mit dem Titel „Patient Blood Management“. In der gleichen Ausgabe berichtet die Zeitschrift unter der Überschrift „Veränderungen der Transfusionspraxis durch die Einführung von Patient Blood Management“ über eine Studie zu einem neuen Managementsystem bei Bluttransfusionen. Unter den Autoren findet sich der leitende Journalist der Zeitschrift, der gleichzeitig Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie des Universitätsklinikums Frankfurt ist. Ein Leser der Zeitschrift sieht in der Veröffentlichung einen Fall von Schleichwerbung nach Ziffer 7 des Pressekodex. Die Firma Vifor habe eine Anzeige geschaltet, die korrekt mit dem Wort „Anzeige“ gekennzeichnet sei. Am Ende des Beitrages stehe: Symposium der Vifor Pharma Deutschland GmbH. Fordere man bei dieser einen Sonderdruck an (übliche Standardformulierung für einen Nachdruck eines wissenschaftlichen Beitrages), so erhalte man einen Sonderdruck, der das Wort Anzeige nicht mehr enthalte. Die Redaktion der Zeitschrift verweist darauf, dass der fragliche Nachdruck für jeden fachkundigen Leser eindeutig als nichtwissenschaftlicher Beitrag zu erkennen und eindeutig als Symposiumsbericht der Firma Vifor Pharma gekennzeichnet sei. Falls es aber gegen den Kodex verstoßen sollte, dass ein Unternehmen eine von ihm bezahlte Anzeige per Nachdruck zu Werbezwecken nutze, ohne dies noch einmal gesondert zu kennzeichnen, werde man natürlich den Verlag anweisen, derartige Sonderdrucke künftig entsprechend zu kennzeichnen. Vom Beschwerdeführer angeführte Interessenkonflikte vermag die Redaktionsleitung nicht zu erkennen. Insgesamt – so die Redaktion – könne man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es dem Beschwerdeführer weniger um den Pressekodex gehe, sondern vielmehr um die Austragung eines Konflikts mit einem der Herausgeber der Zeitschrift.

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Transitgebühren in privaten Taschen

Ein Nachrichtenmagazin berichtet online unter der Überschrift „Die Sabotage“ über die politische Konfusion wegen des Baus der Gaspipeline Nord Stream 2. Der US-Botschafter drohe deutschen Firmen mit Strafen. Berlin hält an der Pipeline fest. US-Botschafter Grenell habe geschrieben, das Projekt untergrabe die Sicherheit der Ukraine und Europas. Die Redaktion beantworte mehrere Fragen und Kritikpunkte, heißt es im Vorspann. Unter Punkt 5 schreibt die Redaktion: „Seit Jahrzehnten ist die Ukraine der wichtigste Transitkorridor für Erdgas von russischen Förderstellen nach Westen.“ Dafür gebe es Transitgebühren. „Allerdings landete in der Vergangenheit auch ein erheblicher Teil der ukrainischen Einnahmen aus Gasgeschäften aus Russland nicht im Staatshaushalt, sondern in privaten Taschen und in schwarzen Kassen. In die Instandsetzung des Pipeline-Systems wurde hingegen kaum investiert. Die Leitungen durch die Ukraine sind Berichten zufolge deshalb heute 14-mal häufiger von Störungen betroffen als andere.“ Ein Leser des Nachrichtenmagazins wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat, weil im zitierten Punkt 5 keine Quelle für die Behauptung angegeben werde. Davor stehe ein Hinweis auf einen Text aus dem Jahr 2010. Es gehe aber um die aktuelle Situation und die Frage, warum die aktuelle ukrainische Regierung genauso korrupt sein sollte wie die vorherige. Der Beschwerdeführer teilt mit, er habe bei seinen Recherchen keine entsprechenden Hinweise gefunden. Die Berichterstattung mache Stimmung für Nord Stream 2 und gegen die Lieferung über die Ukraine. Das Justitiariat des Magazins teilt mit, aus dem Artikel und der Natur der Sache ergebe sich, dass es nicht um offizielle Studien und Berichte gehen könne, denn solche existierten nicht. Die Redaktion zitiere Berichte aus gut informierten Kreisen, von Experten, Mitarbeitern, Kooperationspartnern etc. Außerdem würden Schätzwerte wiedergegeben, ohne dass dies durch ein „ca.“ noch klarer gemacht werden müsste.

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Tatverdächtigen identifizierbar dargestellt

„Das ist der Kinderschänder vom Camping-Platz“ titelt eine Boulevardzeitung online. Der Beitrag informiert über den Verdacht gegen einen Mann wegen sexuellen Missbrauchs seiner Pflegetochter. Der Verdächtige wird als Andreas V. bezeichnet. Ein zum Beitrag gestelltes Foto zeigt den Mann mit Augenbalken. Ein Leser des Magazins hält die Veröffentlichung für vorverurteilend. Der Verdächtige werde als Täter dargestellt, ohne dass dies von einem Gericht festgestellt worden sei. Der Chefredakteur der Zeitung nimmt Stellung. Von einer reißerischen Aufmachung oder gar Denunzierung könne keine Rede sein. Der Beschwerdeführer beanstande, dass die Redaktion Andreas V. als Kinderschänder in der Überschrift benenne. Er bringe es selbst auf den Punkt, wenn er in seiner Beschwerde feststelle: „Erst durch Lesen des Artikels wird klar, dass er nicht der verurteilte Täter ist.“ Der Chefredakteur stellt dazu fest, dass das Lesen eines Artikels immer die Voraussetzung für die presseethische Einordnung getroffener Aussagen ist. Das gelte auch für die Einordnung von Überschriften, die immer im Gesamtzusammenhang mit dem darauffolgenden Text zu bewerten sei. Es sei das Wesen einer Überschrift, dass diese plakativ und in gebotener Kürze auf den Inhalt der Berichterstattung hinweist. Dass im Artikel vom „Kinderschänder vom Campingplatz“ die Rede sei, sei nicht vorverurteilend. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung hätten die von der Staatsanwaltschaft gesammelten Beweise keinen ernsthaften Zweifel aufkommen lassen, dass Andreas V. der Täter sei. Trotzdem habe die Redaktion alle presseethischen Grundsätze eingehalten und den Täter in Wort und Bild anonymisiert.

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Forscher als „falsche Kronzeugen“

Die Uni Mainz hat in einer wissenschaftlichen Studie die Flüchtlings-Berichterstattung verschiedener Medien untersucht. Dabei kommt eine Boulevardzeitung aus ihrer Sicht zu einem sehr positiven Ergebnis. Sie berichtet über ihr Abschneiden in der Studie und stellt fest, dass sie etwa gleich viele positive wie negative Bewertungen der Zuwanderer bekommen habe. Die Redaktion veröffentlicht einen Kommentar zu dem Thema. Darin heißt es. „Eine aufwändige Studie der Uni Mainz belegt: Als einzige der untersuchten Medienmarken hat (…) 2015 und 2016 ausgewogen über die Flüchtlingskrise berichtet. Positive wie negative Geschichten erschienen gleichermaßen in (…), wir berichteten über Chancen und Probleme, über Erfolgsgeschichten, aber auch über Skandale und Verbrechen.“ Der Beschwerdeführer, ein bekannter Blogger, sieht einen Verstoß gegen die Ziffer 2 des Pressekodex (Journalistische Sorgfaltspflicht). Natürlich habe eine Zeitung die Freiheit, die Ergebnisse einer solchen Studie zu interpretieren und sich auf bestimmte Aspekte zu fokussieren. Die Zeitung erwecke jedoch sowohl im Bericht als auch im Kommentar einen eindeutig falschen Eindruck über die Ergebnisse der Studie. Sie mache die Forscher zu falschen Kronzeugen für eine positive Bewertung ihrer eigenen Arbeit. Die oben zitierten Passagen, so der Beschwerdeführer, seien falsch. Die Studie sage keineswegs, dass die Zeitung ausgewogen über die Krise berichtet habe. Ihre Macher hätten drei Faktoren untersucht: 1. Die Bewertung der Akteure (kommen Flüchtlinge positiv oder negativ vor), 2. Die Bewertung des Sachverhalts und 3. Ob den Bedürfnissen der Zuwanderer oder der einheimischen Bevölkerung Vorrang eingeräumt werde. Bei den Faktoren 1 und 3 berichte die Zeitung relativ ausgewogen. Beim zweiten Indikator jedoch liege die Zeitung bei minus 62 Prozent. Das sei der negativste Wert von allen untersuchten Medien. Der Chefredakteur der Zeitung vertritt die Auffassung, dass weder die Berichterstattung der Redaktion zu den Ergebnissen der Studie noch der entsprechende Kommentar presseethisch zu beanstanden seien. Die Redaktion habe die Ergebnisse der Studie zutreffend und medienübergreifend dargestellt.

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Kanzler werden wegen der Erbanlagen?

Eine Wochenzeitung berichtet gedruckt und online unter der Überschrift „Ich werde Kanzler“ in einem ausführlichen Artikel über den Einfluss der Gene/Erbanlagen auf den Menschen. Wissenschaftler könnten aus den Genen so viel vorhersagen wie noch nie, selbst bei Neugeborenen Intelligenz, Gewicht und Gesundheit. Der Beitrag berichtet unter anderem über das „Genome-wide polygenic score“ (GPS). Dies sei ein Verfahren zur Berechnung der erblichen Veranlagung beim Menschen. Eine Leserin der Zeitung wirft dieser vor, mit dieser Passage pressethische Grundsätze zu verletzen: „Misst man die Intelligenz bei Erwachsenen, sind 80 Prozent der Unterschiede ererbt. Und das gilt auch für zahllose psychische Merkmale (…).“ Diese Zahlenangabe stelle keinen belastbaren wissenschaftlichen Konsens dar, werde aber so dargestellt. Die Beschwerdeführerin führt dazu zahlreiche andere Studien an, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Der von der Zeitung beauftragte Anwalt und der Autor des Beitrages bestehen darauf, dass mit dem Artikel nicht gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen worden sei. Erst recht würden in dem Artikel keine falschen Hoffnungen auf Heilung bestimmter Krankheiten oder ähnliches gemacht. Der Autor erwähne in seinem Beitrag lediglich künftige Möglichkeiten der Wissenschaft und bewerte deren Wahrscheinlichkeiten. Die Möglichkeiten selbst würden nicht einmal eindeutig positiv oder negativ bewertet.

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Umstrittenen Referenten eingeladen

Eine örtliche Zeitung veröffentlicht einen Artikel, in dem es um die Kritik der israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg (IKNG) am Auftritt von Shir Hever bei einer Veranstaltung des Nürnberger Evangelischen Forums für den Frieden (NEFF) in einem evangelischen Gemeindezentrum geht. Der Geschäftsführer der IKNG sieht Hever als einen Aktivisten der israelfeindlichen Kampagne BDS (Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen). Er beanstandet, dass Shir Hever als Referent in Räumlichkeiten der evangelischen Kirche habe auftreten dürfen. Der Beschwerdeführer spricht für NEFF, indem er sich mit einer Beschwerde an den Presserat wendet. Er moniert, dass die Kritik an NEFF und an dem Referenten ohne Rücksprache mit der Organisation und dem Betroffenen veröffentlicht worden sei. Im Hinblick auf die Sorgfaltspflicht hätte die Redaktion dem Friedensforum Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, dass er in Vorbereitung des kritisierten Artikels umfangreiche Recherchen zur Person des Referenten Shir Hever durchgeführt habe. Dabei sei er auf ein Interview mit Hever gestoßen. Darin distanziere sich dieser von der „rassistischen Staatlichkeit“ Israels. Er nenne Israel eine „kolonialistische Gesellschaft“. Vor diesem Hintergrund – so der Chefredakteur – sei auch unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt die Einholung einer nochmaligen Äußerung von Hever bzw. des Beschwerdeführers nicht erforderlich gewesen.

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