Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.
6642 Entscheidungen
„Leiche von britischer Millionärstochter (22) gefunden – Mordverdacht gegen ihren Begleiter (26)“ – so überschreibt eine Boulevardzeitung online ihren Bericht über eine Straftat. Unter der Überschrift sind zwei große Fotos der jungen Frau zu sehen. Der volle Name des Opfers wird in dem Artikel mehrfach genannt, ebenso der Name des Vaters. Auch dieser wird – in Tränen aufgelöst – im Bild gezeigt. Ein Leser der Zeitung sieht in der Berichterstattung einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit). Die Zeitung nenne den Klarnamen der Verstorbenen. Es würden Fotos aus einem Twitter-Account einer Angehörigen verwendet. Erschwerend komme hinzu, dass das Foto des Vaters bei einer Pressekonferenz entstanden sei, die vor Eintreffen der Todesnachricht stattgefunden habe. In der PK habe der Vater um Hilfe bei der Suche nach der damals noch als vermisst geltenden Tochter gebeten. Er habe die Medien ausdrücklich gebeten, die Privatsphäre der Familie zu achten. Der Chefredakteur der Zeitung rechtfertigt in seiner Stellungnahme die Art der Berichterstattung. Die Redaktion halte an ihrer regelmäßig vertretenen presseethischen Auffassung fest, dass die Öffentlichkeit insbesondere bei spektakulären Ereignissen, die sich im öffentlichen Raum ereigneten, ein besonderes Interesse daran habe, von den Medien umfassend informiert zu werden. Ziffer 8 des Kodex erlaube ausdrücklich eine identifizierende Berichterstattung bei Sachverhalten von öffentlichem Interesse. Entscheidend sei, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiege. Das sei hier der Fall. Der Fall habe weltweit für Schlagzeilen gesorgt.
Weiterlesen
Ein Nachrichtenmagazin veröffentlicht online eine Kolumne unter der Überschrift „Paragraf 218 – Das kalte Herz der Abtreibungsdebatte“. In der Unterschrift heißt es: „Beim Streit über das Werbeverbot für Abtreibungen geht es um mehr. Die Jusos haben just einen Antrag auf Streichung des Paragrafen 218 beschlossen. Damit wären Schwangerschaftsabbrüche bis zum 9. Monat möglich.“ Der Autor kommentiert die politische Diskussion über die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen (Paragraf 219a StGB). Das eigentliche politische Ziel sei aber Paragraf 218 StGB. Ein Leser des Magazins sieht durch die Veröffentlichung mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Insbesondere kritisiert er den oben zitierten Passus. Der Autor verdrehe mit dieser Erläuterung die Tatsachen und unterstelle im Kontext, dass die Jusos Abtreibungen bis zum neunten Monat billigen und zulassen wollten. Hier mache sich der Autor bewusst Verdrehungen von Tatsachen zu Eigen, welche die AfD in einer aktuellen Stunde des Bundestages vorgetragen habe. Für das Nachrichtenmagazin äußert sich das Justiziariat des Verlages zu der Beschwerde. Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers sei der Beschluss der Jusos eindeutig. Er lasse sich kaum anders verstehen, als dass er darauf abziele, ein Recht auf legale Abtreibung zu begründen, ohne dies mit Fristen zu beschränken. Der Beitrag – so der Vertreter des Verlages – sei im Rahmen der Kolumne „Der Schwarze Kanal“ erschienen und deutlich als Meinungsbeitrag gekennzeichnet worden. Dass es sich bei der beanstandeten Formulierung um eine Meinungsäußerung handele, erschließe sich aus dem Wortlaut des Vorspanns. Aus der unstreitig wahren Tatsachenbehauptung, dass die Jusos „einen Antrag auf Streichung des Paragrafen 218 beschlossen“ hätten, werde in Bewertung dieser Fakten abgeleitet, dass damit „Schwangerschaftsabbrüche bis zum 9. Monat möglich“ seien.
Weiterlesen
„Dubiose Zahlungen aus dem Ausland – Wie Terror-Geld Moscheen in Deutschland finanziert“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Boulevardzeitung gedruckt und online über Pläne der Bundesregierung, mehr Transparenz bei der Finanzierung von Moscheevereinen zu schaffen. Zum Beitrag gestellt ist ein Foto der DITIP-Moschee in Köln. Bislang sei wenig über die Finanzierung bekannt. Auf Anfrage der Redaktion hätten zahlreiche Moscheevereine angegeben, ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge finanziert zu werden. „Dabei sind Einflussnahmen brutaler Regime ganz offensichtlich!“, heißt es im Artikel. Aufgelistet werden Länder wie Iran, Türkei, Saudi-Arabien und deren Geldströme. Zur Türkei heißt es, die Religionsbehörde der türkischen Regierung („Diyanet“) schicke und bezahle Prediger in Gemeinden des Dachverbandes DITIP. Zu Kuwait schreibt die Redaktion, es gebe Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Geldwäsche und Terror-Finanzierung gegen einen Moscheeverein, die den Zusammenhang zwischen Moschee- und Terrorfinanzierung belegten. Verschleierte Spenden seien für den Bau einer Moschee entrichtet worden, dann aber zum Teil an Kampfgruppen in Syrien geflossen. 44 Leser der Zeitung wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Haupttenor: Durch die Berichterstattung werde beim Leser der falsche Eindruck erweckt, als würde der gesamte DITIP-Verband mit seinen Moscheegemeinden in Deutschland von Terrororganisationen unterstützt und vom Ausland aus finanziert. Sie kritisieren eine Medienhetze und Stigmatisierung der in Deutschland lebenden Muslime. Der Chefredakteur vermutet in seiner Stellungnahme, die „Flut der Empörung“ basiere offenbar auf einem zentralen Aufruf gegen die Berichterstattung. Anders sei es nicht zu erklären, dass sich die Beschwerden zum Teil im Wortlaut glichen. Auch inhaltlich seien sie nicht nachvollziehbar. Die Redaktion habe sachlich und neutral über die aktuellen Bestrebungen der Bundesregierung, mehr Transparenz hinsichtlich der Finanzierung der etwa 2600 Moscheen in Deutschland zu erlangen. Diesen Bestrebungen der Exekutive lägen besorgniserregende Informationen von großer öffentlicher Bedeutung zugrunde, die die Redaktion faktenorientiert und ausgewogen aufbereitet habe. Sofern die Überschrift also von der Finanzierung der Moscheen durch Terror-Geld spreche, sei dies eine zulässige Wertung der Redaktion, deren entsprechende Tatsachenanknüpfung sich in der nachfolgenden Berichterstattung finde.
Weiterlesen
„Mörderische Zeiten“ titelt eine Regionalzeitung. Es geht um ungeklärte Morde in einer süddeutschen Großstadt. Der Beitrag berichtet über die Zeiten der Besatzung durch die Amerikaner. Zeiten, in denen die Prostitution Hochkonjunktur hatte und die Besatzungsmächte sehr präsent waren. Detailliert geschildert werden der Fall einer ermordeten Prostituierten, sowie weitere Morde und das Leben mit den GIs in der Stadt. Zitiert werden Polizisten, Kneipenwirte etc. Es geht auch detailliert um das Zusammenleben mit den Soldaten aus Amerika und die Befugnisse der deutschen Polizei. „Die Polizei muss in den 60ern und 70ern auch damit leben, dass verdächtige GIs plötzlich in die USA versetzt worden sind“, heißt es in dem Beitrag weiter. Und diese Passage: „Aber die Amerikaner sind eben auch Besatzungsmacht, und das bekommt die Polizei deutlich zu spüren. Denn am Schlagbaum der Kasernen enden damals die Befugnisse der deutschen Polizei- und Justizbehörden.“ Der Beschwerdeführer, Professor an einer amerikanischen Universität, kritisiert den Bericht wegen verschiedener Behauptungen über amerikanische Soldaten. Er wirft den Journalisten mangelnde Recherche vor. Es sei falsch zu behaupten, dass die Amerikaner Deutschland 50 Jahre lang besetzt hätten. In Wirklichkeit habe die Besatzungszeit zehn Jahre gedauert. Unwahr sei auch die Feststellung, die deutsche Polizei habe keinen Zugang zu US-Kasernen gehabt. Richtig sei, dass jede US-Militärgemeinschaft in Deutschland einen deutschen Verbindungspolizisten gehabt habe. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, für die Berichterstattung hätten zwei Redakteure mehrere Wochen lang recherchiert. Sie hätten mit rund einem Dutzend Zeitzeugen gesprochen, darunter pensionierte und aktive Polizeibeamte, Staatsanwälte, Gastwirte aus jener Zeit und Polizeireporter der Zeitung, die diese Zeiten selbst erlebt hätten. Die Redaktion habe an eine bis heute ungeklärte Serie von Frauenmorden in der Stadt erinnern und in diesem Zusammenhang die Zustände in den Nachkriegsjahren beleuchten wollen, als bis zu 30.000 US-Bürger in der Stadt lebten. Die Schilderungen der Zeitzeugen seien lebhaft und glaubhaft gewesen. Für die Redaktion habe sich das Bild einer wilden Zeit ergeben, in der US-Soldaten die Bars und Bordelle bevölkerten und in der die Rassismus-Probleme zwischen Schwarz und Weiß nach Deutschland getragen worden seien. Schlägereien und Alkohol-Exzesse seien an der Tagesordnung gewesen. Auch Morde seien häufiger geschehen als heutzutage. Es sollte eine Art Sittengemälde der Zeit entstehen. Der Chefredakteur teilt mit, die Redaktion habe an keiner Stelle geschrieben, dass die Besatzungszeit 50 Jahre lang gedauert habe. In einem Info-Kasten stehe lediglich, dass die Amerikaner 50 Jahre lang das Leben in der Stadt mitgeprägt hätten. Theorie sei, dass Amerikaner, die in Deutschland Straftaten begangen hätten, auch in Deutschland verfolgt worden seien. Was die Praxis angehe, hätten die Zeitzeugen, vor allem Polizisten jener Zeit, den Redakteuren mitgeteilt, dass an den Schlagbäumen der US-Kasernen für sie Schluss gewesen sei. Dieselben Zeitzeugen hätten übereinstimmend das Phänomen beschrieben, dass verdächtige amerikanische Soldaten für die deutschen Ermittlungsbehörden plötzlich nicht mehr greifbar gewesen seien. Es sei immer wieder vorgekommen, dass Verdächtige in einem Strafverfahren auf einmal nicht mehr in Deutschland gewesen seien.
Weiterlesen
Eine Regionalzeitung berichtet online, dass ein bisher unbekannter Ausländer nach Angaben der Polizei einen 28-jährigen Deutschen mit einer Stichwaffe verletzt habe. In der Meldung wird der mutmaßliche Täter durchgehend als „Ausländer“ bezeichnet, das Opfer durchgehend als „Deutscher“. Die Redaktion stellt an das Ende der Meldung einen Zeugenaufruf der Polizei. Eine Leserin der Zeitung spricht von einer tendenziösen Berichterstattung, die die ausländische Herkunft des mutmaßlichen Täters und die deutsche Abstammung des Opfers gleich in der Überschrift hervorhebe und somit zur Hetze gegen Ausländer einlade. Sie sieht dadurch Richtlinie 12.1 des Pressekodex (Berichterstattung über Straftaten) verletzt. Der Chefredakteur weist den Vorwurf zurück. Der Kodex enthalte kein Verbot, die Zugehörigkeit von Straftätern und Verdächtigen zu Minderheiten zu erwähnen. Er verpflichte die Redaktion jedoch, in jedem einzelnen Fall verantwortungsbewusst zu entscheiden, ob für die Nennung einer Gruppenzugehörigkeit ein begründetes öffentliches Interesse vorliegt oder die Gefahr der diskriminierenden Verallgemeinerung überwiegt. Diese Entscheidung habe man in diesem Fall verantwortlich getroffen und sich dazu entschieden, die Gruppenzugehörigkeit des mutmaßlichen Täters zu nennen. Am Verlagsort sei es wiederholt zu gewalttätigen Konflikten zwischen Ausländern und Deutschland gekommen. Mit Blick darauf, dass die Polizei die entsprechende Information selbst bekanntgegeben und auch online verbreitet habe, habe die Mitteilung schon aus diesem Grund Nachrichtenwert erlangt.
Weiterlesen
Eine Lokalzeitung berichtet online über eine Hellseherin, die am Verlagsort tätig ist. Ihre Kunden suchten die Frau mit den verschiedensten Fragen auf. Dabei gehe es unter anderem um Beziehungsprobleme. Selbst Skeptiker der Hellseherin – so die Zeitung – seien über deren Trefferquote verblüfft. Die Frau bekommt im Bericht ausgiebig Raum zur Selbstdarstellung. Unter anderem gibt sie an, ihre Quote liege grundsätzlich bei 99 Prozent. Am Ende des Beitrages beantwortet sie Fragen der Redaktion zu lokalen Themen des tags darauf beginnenden neuen Jahres. Ein Leser der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Nach seiner Meinung geht es in dem kritisierten Beitrag nicht um Berichterstattung, sondern um Werbung für eine nach seinen Worten betrügerische Unternehmung. Der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung teilt in seiner Stellungnahme mit, ein freier Mitarbeiter habe die „Wahrsagerin“ zu ihrer Tätigkeit befragt. Die Redaktion gehe davon aus, dass die Leser mit dem Beitrag in die Lage versetzt worden seien, sich eine eigene Meinung zu bilden. Werbliche Elemente kämen in dem Artikel weder in sprachlicher Form, noch in Form von Informationen (Kontakt, Preise usw.) vor.
Weiterlesen
„Hellseherin schaut in die Zukunft: Was 2019 in (…) bringt“ – unter dieser Überschrift berichtet eine Regionalzeitung über eine Hellseherin, die in einem Ort im Verbreitungsgebiet der Zeitung tätig ist. Wie der Autor des Beitrages berichtet, habe die Frau eine erstaunliche Trefferquote, die auch Skeptiker verblüffe. Ihre Kunden wendeten sich mit Alltagsfragen an die Wahrsagerin. Dabei gehe es auch um Beziehungsprobleme. Die Frau bekommt im Beitrag ausgiebig Gelegenheit zur Selbstdarstellung. Unter anderem gibt sie an, ihre Trefferquote liege grundsätzlich bei 99 Prozent. Abschließend beantwortet sie Fragen der Redaktion zu lokalen Themen des tags darauf beginnenden neuen Jahres. Ein Leser der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Nach seiner Ansicht handelt es sich bei dem Artikel nicht um Berichterstattung, sondern um Werbung für ein Unternehmen, das er als „betrügerisch“ bezeichnet. Der Chefredakteur nimmt Stellung. Er kann keinen Verstoß gegen presseethische Grundsätze erkennen. Der Autor – ein freier Mitarbeiter – habe zu der Frau Kontakt aufgenommen und sie zu Wort kommen lassen. Sie habe ihre Arbeit und ihr Vorgehen erläutert. Die Redaktion gehe davon aus, dass die Leser anhand des Artikels in die Lage versetzt worden seien, sich eine eigene Meinung zu bilden. Werbliche Elemente kämen in dem Artikel weder in sprachlicher Form, noch in Form von Informationen (Kontakt, Preise usw.) vor.
Weiterlesen
Eine Onlinezeitung veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Warum die Zucht von Orcas so wichtig ist“. Sie setzt sich kritisch mit der Forderung nach einem Zuchtstopp für Delfine auseinander. Die Zucht in Delfinarien zur Erforschung der Tiere und zum Erhalt bestimmter Populationen sei nötig. Unter dem Zwischentitel „Orca-Schwangerschaft im Loro Parque“ werden die Aktivitäten des Parks positiv beschrieben. Zum Beispiel heißt es, der Park halte seit Jahren erfolgreich Orcas. Jede seriöse Überprüfung der Haltung bezeuge stets die exzellente Haltungsqualität und lasse keinen Zweifel daran, dass es den Tieren dort gut gehe. Ein Leser der Zeitung teilt mit, die Redaktion gestatte es dem Autor seit Jahren, einen Blog zu veröffentlichen, der gezielt gegen Tierschutz und Tierrechtsorganisationen Stimmung macht und gleichzeitig ungefiltert die PR-Botschaften der kommerziellen Delfinarien-Betreiber verbreite. Es liege die Vermutung nahe, dass der Autor von privaten Firmen für seine Beiträge in der Online-Zeitung bezahlt werde. Deutsche Touristen seien eine wichtige Kundengruppe des Loro Parque auf Teneriffa. Trotz seiner mehrfachen Hinweise – so der Beschwerdeführer – habe die Redaktion ihm nie geantwortet. Nach seiner Einschätzung verletze sie ihre Sorgfaltspflicht, indem sie den Delfinarien-Blog als scheinbar journalistisches Produkt eines Experten verbreite. Der Executive Editor der Zeitung teilt mit, der Autor habe auf Nachfrage bestätigt, dass alle seine Aussagen auf nachweisbaren Fakten beruhten. Tatsächlich verlinke er in seinen Texten auch Expertenaussagen, die die Aussagen von Tierschutzorganisationen über die Haltung von Orcas und Delfinen in Zoos widerlegen. Der Vertreter der Zeitung merkt an, Blogbeiträge beschrieben häufig persönliche Überzeugungen und Vorlieben bzw. Ablehnung. Sie seien durch die Personalisierung auch für die Leser klar als Meinungsbeiträge erkennbar. Einen Neutralitätsanspruch wie in anderen journalistischen Textgattungen gebe es also in Blogs nicht zwangsläufig. Deshalb könnten sie auch sehr einseitig sein, also nur die Meinung einer Seite vertreten – in diesem Fall die Unterstützung der Orca- oder Delfin-Haltung in Zoos. Grundsätzlich sei es nicht ungewöhnlich, dass der Zoo Loro Parque positiv besprochen werde. Der Vertreter der Online-Zeitung nennt etwa Spiegel Online, der den Loro Parque „als einen der besten Tierparks der Welt“ bezeichnet habe. Der Autor des beanstandeten Artikels weise den vom Beschwerdeführer geäußerten Verdacht zurück, er bekomme für positive Artikel Geld von dritter Seite. Dennoch sehe die Zeitung den Anschein eines Interessenkonflikts als nicht vollständig ausgeräumt an. Daher habe man redaktionsintern entschieden, die Blogtexte des Autors, die sich mit dem Loro Parque und dem Thema Delfin- und Orca-Zucht befassen, zu löschen.
Weiterlesen
Eine Regionalzeitung veröffentlicht in zwei Teilausgaben einen Leserbrief. Sein Thema ist ein Artikel der Zeitung über den in Deutschland wachsenden Antisemitismus. Tags darauf veröffentlicht die Zeitung einen Brief der jüdischen Gemeinde unter dem Titel „Das hatten wir schon mal in Deutschland“. Darin wird der zuvor veröffentlichte Leserbrief kritisiert. Dessen Autor ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Die Chefredaktion veröffentlicht eine „Anmerkung der Redaktion“. Sie schreibt, dass in Zeiten, in denen Antisemitismus wieder zunimmt, die Redaktion gefordert sei, auch Leserzuschriften besonders kritisch zu prüfen. Leider sei sie in diesem Fall ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht geworden, was die Chefredaktion bedauere. Der Beschwerdeführer und Verfasser des Leserbriefes sieht in der Veröffentlichung mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Er ist sicher, dass sein Brief in einzelnen Regionalausgaben nicht veröffentlicht worden sei, wohl aber der Brief der jüdischen Kultusgemeinde mit einem Statement der Chefredaktion, in dem diese sich deren Diktion zu Eigen mache. Die Leser der Regionalausgaben der Zeitung kennen – so der Beschwerdeführer – zwar den Brief des Vorstandes der Synagogengemeinde und die Stellungnahme der Chefredaktion, hätten aber nicht Gelegenheit gehabt, durch die Lektüre seines Briefes sich ein eigenes Bild zu machen. Ein Mitglied der Chefredaktion der Zeitung antwortet auf die Beschwerde. Der Leserbrief des Beschwerdeführers laufe auf diesen Gedankengang hinaus: Es kann und darf nicht verwundern, dass jüdische Bürger in Deutschland verbalen oder gar tätlichen Übergriffen ausgesetzt sind, weil jüdische Verbandsvertreter in Deutschland sich nicht von der Politik des Staates Israel distanzieren. Dies sei – so der Vertreter der Redaktion – zweifelsfrei ein antisemitischer Topos (Gemeinplatz). Die Chefredaktion stehe dazu, dass sie die Veröffentlichung dieser Einsendung bedauere. Der Beschwerdeführer argumentiere, dass sein Leserbrief in einer anderen Teilausgabe der Zeitung veröffentlicht worden sei als die Reaktion der jüdischen Gemeinde samt der Erklärung der Chefredaktion und weiterer Leserbriefe. Auch die Redaktion hätte eine deckungsgleiche Wiedergabe der fraglichen Texte als stimmiger angesehen. Aus technischen und redaktionellen Gründen habe man sich jedoch zu einem anderen Vorgehen veranlasst gesehen. Die Chefredaktion habe dem Beschwerdeführer mehrfach ein klärendes Gespräch angeboten. Das habe dieser jedoch abgelehnt. Es könne nicht stattfinden, wenn nicht vorher sein Leserbrief nochmals abgedruckt werde.
Weiterlesen
Eine Regionalzeitung veröffentlicht im Nachgang zu dem Artikel „Bundeswehr soll sich heraushalten“ einen Leserbrief unter der Überschrift „Gleiche Stufe“. In der Einsendung heißt es unter anderem, Heike Hänsel von der Fraktion die Linke im Bundestag und andere Politiker versteckten sich bei der Beurteilung von Kriegsverbrechen hinter dem derzeit praktizierten Völkerrecht. „Deshalb tragen sie meiner Meinung nach auch persönlich Mitschuld an Mord, Vergewaltigung und Vertreibung von Frauen, Männern und Kindern in Syrien. Und wer wie Frau Hänsel dann noch die Verantwortung Assads an den Giftgasmorden leugnet, stellt sich auf die gleiche Stufe derer, die noch heute die Naziverbrechen verharmlosen oder gar verleugnen.“ Beschwerdeführerin in diesem Fall ist die genannte Bundestagsabgeordnete. Sie meint, der Leserbrief beinhalte falsche Behauptungen, diffamiere sie persönlich und stelle sie mit Holocaustleugnern auf eine Stufe. An die Chefredaktion habe sie unter anderem geschrieben: „Erstens: Ich habe keinen Giftgasangriff geleugnet, sondern mich auf die Ergebnisse der internationalen Organisation OPCW bezogen, die im Fall des syrischen Douma, worauf es ja im Frühjahr bereits einen ´Vergeltungsschlag´ der USA, Frankreichs und Großbritanniens gab, bis heute nicht klären konnten, wer für den Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich war. Dies ist der international korrekte Stand der Dinge und nicht meine persönliche Meinung. Dies auf eine Stufe mit dem Leugnen des Holocaust zu stellen, ist nicht nur mir gegenüber diffamierend und mehr als beleidigend sondern es ist auch eine unverantwortliche Verharmlosung des Mordes an mehr als sechs Millionen Juden in Europa, und von daher rechtes Gedankengut.“ Der Chefredakteur der Zeitung weist darauf hin, dass die Redaktion seit Jahrzehnten täglich eine bis zu drei Seiten mit Leserbriefen veröffentliche. Dabei werde einem breiten Meinungsspektrum Raum gegeben. Man halte sich dabei an die rechtlichen Vorgaben. Das bedeute, dass keine falschen Tatsachenbehauptungen und Beleidigungen vorkommen dürften. Im Zweifelsfall – etwa wie diesem – lege man das liberal aus. Der Leserbriefschreiber spricht von der „Mitschuld“ der Bundestagsabgeordneten und relativere diese Aussage durch den Hinweis „Meiner Meinung nach“. Die Beschwerdeführerin sei nicht so sachlich, wie sie sich selbst darstelle. Seit Jahren nehme sie sehr einseitig und heftig und auch im Bundestag Stellung bei Menschenrechtsverletzungen. Die einen (Westen) kritisiere sie scharf, die anderen (im früheren Ostblock) verharmlose sie. Der Chefredakteur schließt seine Stellungnahme mit dem Hinweis, die Bundestagsabgeordnete wehre sich gegen Antisemitismus-Vorwürfe, verschweige aber eine Vorgeschichte: Das Simon-Wiesenthal-Zentrum habe sie Ende 2014 auf seine Antisemitismus-Liste gesetzt.
Weiterlesen