Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Schulleiter fühlt sich an Pranger gestellt

„Üble Nachrede im Internet: Musikschulleiter (…) muss zahlen“ – titelt eine Regionalzeitung. Im Bericht geht es darum, dass der Musikschulleiter einer Kleinstadt vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt worden sei, die das Gericht jedoch als Verwarnung für ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt habe. Stattdessen müsse er 1000 Euro als „Schmerzensgeld“ an den Betroffenen zahlen. Der Musikschulleiter wird im Bericht mehrmals mit seinem vollen Namen genannt. Die Zeitung veröffentlicht auch ein Foto des Mannes. Der Beschwerdeführer in diesem Fall ist der Musikschulleiter. Er kritisiert, dass die Berichterstattung nicht dem tatsächlichen Prozessverlauf entspreche. Sie werde inhaltlich auch nicht dem Urteil gerecht. Die Überschrift „(…) muss zahlen“ sei inhaltlich falsch und habe eine reißerische Tendenz. Er fühle sich herabgewürdigt und in seinem öffentlichen Ansehen gefährdet. Die dominant platzierte, inhaltlich falsche Berichterstattung eines in der Sache vom urteilenden Richter als wenig bedeutend beurteilten Vorgangs gefährde seine persönliche und berufliche Existenz. Es widerspreche journalistischer Ethik, ihn mit einer so unangemessenen Darstellung in Wort und Bild in seiner Ehre zu verletzen. Das Ziel von Berichterstattung – so der Beschwerdeführer – dürfe nicht eine soziale Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines Medien-Prangers sein. Die Berichterstattung hat nach Darstellung des Beschwerdeführers direkte Auswirkungen auf einen Beurteilungsprozess des Gemeinderats gehabt. Ein seit vielen Jahren gewährter Zuschuss für ein von ihm veranstaltetes Festival sei für das kommende Jahr gestrichen worden. Die tendenziöse Berichterstattung der Zeitung habe die Meinungsbildung innerhalb des Gemeinderats stark beeinflusst. So seien Verdächtigungen publiziert worden, die nachweislich nicht zu belegen gewesen seien. Der Chefredakteur der Regionalzeitung hält die Berichterstattung für völlig korrekt. Er ist der Auffassung, dass auch die Überschrift sachlich formuliert ist. Dass der Beschwerdeführer sich herabgewürdigt fühle und sein öffentliches Ansehen beschädigt sehe, habe ausschließlich mit seinem eigenen Verhalten – der üblen Nachrede im Internet zu tun. Der Beschwerdeführer sei in der Region eine bekannte Person. Als Leiter der Musikschule habe ein Einkommen aus öffentlichen Mitteln. Hier überwiege eindeutig das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen des Beschwerdeführers. Deshalb widerspreche es nicht der journalistischen Ethik, in Wort und Bild über den Mann und sein Verhalten zu berichten.

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Streit um „Tot schweigen“ und „Tot machen“

Unter der Überschrift „Das Schweigen der Bürgerschaft“ veröffentlicht eine Regionalzeitung einen Kommentar, dessen Autorin sich kritisch mit einem Antrag der örtlichen AfD-Fraktion auseinandersetzt. Diese hatte Maßnahmen zur Beendigung vermeintlicher nächtlicher Ruhestörungen in einer Flüchtlingsunterkunft gefordert. Darauf hatten die anderen Fraktionen nicht reagiert. Einige Tage später beschreibt die gleiche Autorin, wie die anderen Parteien in der Bürgerschaft mit der AfD umgehen wollen. Die AfD-Fraktion wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie kritisiert einen Passus aus dem Artikel „Das Schweigen der Bürgerschaft“, der lautet: „Da hätte die AfD Farbe bekennen müssen. Und der Farbton wäre braun gewesen. Die Chance, das sichtbar zu machen, haben die Politiker vertan.“ Mit der Beschreibung der AfD als „braun“ rücke die Zeitung die Mitglieder der AfD-Fraktion ohne weiteren Beleg und nicht auf Tatsachen gestützt in die Nähe des Nationalsozialismus. Sie würden durch die Gleichsetzung und vor dem Hintergrund der von den Nationalsozialisten begangenen schweren Verbrechen in ihrer Ehre und Menschenwürde verletzt. Die AfD stört sich auch an dem zweiten Artikel der gleichen Autorin. Darin steht diese Passage: „Vor allem: die Bürgerschaft hat die AfD totgeschwiegen – aber nicht tot gemacht. Im Gegenteil – sie befördert den Zustrom zu dieser Partei“. Die Beschwerdeführer gehen davon aus, dass die Autorin den Begriff „tot machen“ präferiere und einforderte. Während für die Wendung „tot schweigen“ landläufig ein übertragener Sinnzusammenhang bekannt sei, der nicht den physischen Tod der totgeschwiegenen Person bedeute, sei ihnen ein übertragener Sinn für den Begriff „totmachen“ nicht bekannt. Personen tot machen habe nur die Bedeutung, sie zu töten. Hierin sehen die Beschwerdeführer eine gewaltbezogene Formulierung außerhalb des für sie Vorstellbaren und eine Verletzung der Menschenwürde. Der Chefredakteur der Zeitung betont, dass es sich um einen Meinungsartikel handele. Die Autorin kommentiere darin den Umgang in der Bürgerschaft mit der AfD-Fraktion. Mit dem zweiten Artikel sei der Zeitung ein Fehler passiert. Der Online-Bearbeiter habe offensichtlich eine Ergänzung durch die Autorin übersehen.

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„Autor macht sich zum Erfüllungsgehilfen“

Eine Regionalzeitung berichtet gedruckt und online über Pläne für ein künftiges Fitnessstudio der Kette „Viva Fitness“ in den Räumen eines leerstehenden ehemaligen Supermarktgebäudes in einer Ortschaft des Verbreitungsgebietes. Der Geschäftsführer der Kette wird ausführlich zitiert. Der Autor nennt auch die Vertragskonditionen und Einstiegsangebote. Nach Auffassung eines Lesers der Zeitung verstößt der Artikel gegen Richtlinie 7.2 des Pressekodex (Schleichwerbung). Das noch nicht existierende Fitnessstudio werde derzeit massiv mit den Aussagen beworben, die genauso in dem Artikel enthalten sind. Ein Absatz sei reine Werbung, um schnell viele Mitglieder zum Vertragsabschluss zu animieren. Hier lasse der Autor jede Distanz zum Unternehmer vermissen. Er mache sich zum Erfüllungsgehilfen für schnelle Vertragsabschlüsse. Der Chefredakteur weist den Vorwurf des Kodex-Verstoßes zurück. Das leerstehende Gebäude sei als Supermarkt ein besonderer Magnet in dem kleinen Ort gewesen. Ein besonderes öffentliches Interesse sei also gegeben und rechtfertige eine umfangreiche Berichterstattung. Bei seinen Recherchen habe sich der Autor des Berichtes keinesfalls auf PR-Material gestützt. Viele Untersuchungen belegten, dass Printleser und Online-Nutzer ein hohes Interesse an serviceorientierten Nachrichten hätten. Die Beschwerde habe die Redaktion veranlasst, sich den beanstandeten Text noch einmal genau anzusehen. Dabei habe man erkannt, dass der Hinweis, die ersten 200 Neukunden hätten einen dauerhaften Rabatt von 50 Euro zu erwarten, doch recht werblich sei. Aus diesem Grund habe man die Passage inzwischen aus dem online abrufbaren Artikel gelöscht.

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In einer Kneipe Wehrmachtslied gegrölt

Eine Großstadtzeitung berichtet, dass Mitglieder der CDU-Jugendorganisation Junge Union ausgerechnet am 9. November in einer Berliner Kneipe ein Wehrmachtslied gesungen hätten. Überschrift: „Empörung nach Wehrmachts-Eklat der Jungen Union“. Dem Online-Artikel ist ein Video beigefügt, das eine Zeugin des Vorgangs gedreht hat. Die Zeitung berichtet weiter, die Junge Union-Mitglieder, die auf einer Berlin-Exkursion gewesen seien, hätten in der Kneipe mit dem Grölen von Parolen und Liedern auf sich aufmerksam gemacht. Der Beschwerdeführer in diesem Fall, ein Mitglied der Jungen Union, sieht durch den Artikel mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Der Autor verleumde die jungen Leute und behaupte falsche Tatsachen. In der Berichterstattung sei von Gegröle, homophoben Äußerungen und der Zustimmung zu einer Videoaufnahme die Rede. Diese Behauptungen und Vorwürfe seien nicht zu belegen. Sie seien unwahr. Der Beschwerdeführer spricht von einer medialen Hetzjagd. Die Zeitung habe den Eindruck erweckt, es handele sich bei den Junge Union-Leuten um rechtsradikale Feinde der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Die falsche Berichterstattung hätte sich nach Meinung des Beschwerdeführers vermeiden lassen, wenn man Gerüchten und Unterstellungen mit einem Minimum an Sorgfalt begegnet wäre. Ein Mitglied der Chefredaktion der Zeitung weist darauf hin, dass Anlass des Besuchs eine politische Bildungsfahrt der Jungen Union (JU) Hessen gewesen sei, die vom Bundestag, vom RCDS Hessen und der JU Hessen gefördert worden sei. Wie aus der Folgeberichterstattung hervorgehe, habe eine in Berlin aufgewachsene und dort lebende Jüdin den Vorfall gefilmt. Angehörige aus deren Familie seien seinerzeit von den Nazis verschleppt und ermordet worden. Wie der Vertreter der Zeitung anmerkt, sei der JU-Gruppe durchaus bewusst gewesen, dass ihr Kneipen-Auftritt gefilmt worden sei.

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Sich selbst in die Öffentlichkeit begeben

Eine überregionale Zeitung berichtet online über einen Abtreibungsgegner, der mehrere Ärztinnen und Ärzte wegen Verstößen gegen das Werbungsverbot für Abtreibungen angezeigt hat. Die Zeitung schreibt, der Mann überziehe derzeit Redaktionen mit Abmahnungen, die ihn mit seinem Namen nennen. Und das, obwohl er sich selbst in die Öffentlichkeit gestellt habe. Ein Leser der Zeitung kritisiert diese, weil sie den Namen des Abtreibungsgegners nenne. Anzeigenerstatter hätten ein Recht auf Anonymität, weil sie sonst Angst haben müssten vor Repressalien aus der Bevölkerung oder von Seiten der Angezeigten selbst. Die von der Redaktion beauftragte Anwaltskanzlei hält die Beschwerde für unbegründet. Sie beruft sich auf ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf, das einem Online-Portal das Recht zugesprochen habe, den Namen des Abtreibungsgegners zu nennen. Die Namensnennung verletze weder das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen noch sein Recht auf Anonymität. In der Abwägung überwiege das öffentliche Informationsinteresse.

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In einer Kneipe das Westerwald-Lied gegrölt

Ein Nachrichtenmagazin veröffentlicht online einen Artikel unter der Überschrift „Mitglieder der Jungen Union singen Wehrmachtslied“. Im Bericht geht es darum, dass ein von einer Augenzeugin aufgenommenes Video die Junge Union (JU) in Erklärungsnot bringe. Mehrere JU-Mitglieder aus Hessen seien am 9. November beim Singen des Westerwald-Liedes in einer Berliner Kneipe gefilmt worden. Das Video ist in den online veröffentlichten Beitrag eingebettet. Ein Leser des Magazins sieht mit der Veröffentlichung presseethische Grundsätze verletzt. Zum einen werde durch die Überschrift suggeriert, das Westerwaldlied sei von den Personen im Zusammenhang mit dem Gedenken an den Jahrestag der Reichspogromnacht gesungen worden. Dass sich der Vorfall am 9. November abgespielt habe und in keinem Zusammenhang mit dem Gedenken an die Pogromnacht stehe, werde von der Redaktion ignoriert. Der Beschwerdeführer hält einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit) für besonders gravierend. Durch die Veröffentlichung von nicht genehmigtem und auch später nicht autorisiertem Videomaterial werde das Recht auf informelle Selbstbestimmung verletzt. Auf die Beschwerde antwortet das Justiziariat des Verlages. Die meisten Veröffentlichungen erfolgten ohne Einwilligung der betroffenen Personen. Dafür sei der Rechtsgedanke des Paragrafen 23, Absatz 1, Nr. 1 KUG (Kunst-Urhebergesetz) da. Dieser schütze auch Veröffentlichungen, die die Betroffenen lieber nicht sehen würden. Bei zeitgeschichtlicher Relevanz dürfe auch gegen den Willen der Betroffenen berichtet werden. Diese Relevanz sei in diesem Fall gegeben, selbst wenn die JU-Mitglieder in der Kneipe einen Geburtstag gefeiert hätten. Auch an dem Verhalten von Nachwuchspolitikern bestehe ein berechtigtes öffentliches Interesse.

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Grenze zur Schleichwerbung nicht überschritten

Eine überregionale Zeitung veröffentlicht einen Artikel über die Kooperation des TV-Herstellers Philips mit dem Akustik-Spezialisten Bowers & Wilkins (B&W). Für die neueste Reihe der Philips-Geräte habe B&W den Sound entwickelt, schreibt der Autor. Eine Leserin der Zeitung sieht in der Veröffentlichung Schleichwerbung für die Fernsehgeräte von Philips. Ihre Beschreibung sei detailliert und ausschließlich positiv und werblich. Konkurrenzprodukte würden nicht genannt. Die Zeitung lässt den Autor des Beitrages auf die Beschwerde antworten. Er weist darauf hin, dass es in der Rubrik „Technik und Motor“ üblich sei, einzelne Produkte zu besprechen, ohne sie in einen direkten Vergleich mit Wettbewerbsfabrikaten zu stellen. Im konkreten Fall gehe es vor allem um die Kooperation von Philips mit dem renommierten englischen Lautsprecherhersteller Bowers & Wilkins. Unter den Lautsprecherherstellern habe B&W einen Rang, der etwa mit der Bedeutung der Marke Porsche unter den Autobauern vergleichbar sei. Insofern wecke allein diese Kooperation die Aufmerksamkeit von Marktbeobachtern. Sie provoziere bei Testern die Frage, ob man es mit einer reinen Marketingbotschaft zu tun habe oder tatsächlich ein Produkt entstanden sei, das den hohen Erwartungen gerecht werde. Tatschlich übertreffe die Tonqualität des Geräts sehr deutlich alles, was andere Geräte mit vergleichbar großen Lautsprechereinbauten zu leisten vermögen, so der Autor. Seine umfassende Produktkenntnis im TV-Bereich erlaube ihm dieses Urteil. Hätte der Hersteller in diesem Punkt enttäuscht, wäre dies auch in seinem Artikel klar benannt worden.

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Geschäftseröffnung: Trennungsgebot missachtet

Eine Regionalzeitung veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Hannover: Kind freut sich über neues Geschäft“. Im Bericht geht es um die Feier aus Anlass der Wiedereröffnung eines Geschäfts von Hannover 96-Chef Martin Kind und seinem Sohn Alexander. Der Laden war umgebaut und neugestaltet worden. Angeboten werden nun unter einem Dach Brillen und Hörgeräte. Ein Leser der Zeitung sieht in dem Beitrag eine Anzeige, die nicht als solche gekennzeichnet ist. Der Chefredakteur der Zeitung bezeichnet die Veröffentlichung als einen redaktionellen Beitrag. Die Redaktion habe über die Eröffnung des neuen Ladens eines bekannten hannoverschen Unternehmens berichtet. An der Veranstaltung hätten zahlreiche prominente Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Sport teilgenommen, unter anderem Hannovers Oberbürgermeister und der Regionalpräsident. Daher könne man durchaus von einem bedeutenden gesellschaftlichen Ereignis sprechen. Der Chefredakteur betont abschließend, dass die Verbindung von Martin Kind zu dem Verlag, in dem die Zeitung erscheint, von kritischer Distanz geprägt sei.

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„Bewusst Empörung bei Lesern erzeugt“

Die Broschüre „Ene mene, muh und raus bist du! Ungleichwertigkeit und frühkindliche Erziehung“ ist Thema in einer Boulevardzeitung. Der Online- und der Print-Artikel haben zum Großteil den gleichen Inhalt, sind aber nicht identisch. In beiden werden die gleichen Fallbeispiele genannt. Die Zeitung zitiert auch den CDU-Innenpolitiker Bernstiel. Der finde es unfassbar, dass eine mit Steuergeld finanzierte Broschüre junge Mädchen, die Zöpfe und Kleider tragen, als potenziell völkisch bezeichne. Auf den 60 Seiten fänden sich – so wird Bernstiel weiter zitiert – noch weitere haarsträubende Behauptungen und Handlungsempfehlungen, wie auffällige Eltern umerzogen werden sollten. Frau Giffey, die Bundesfamilienministerin, solle die Broschüre schnellstmöglich zurückrufen und überarbeiten lassen. Frau Giffey wird in den Beiträgen der Zeitung ebenfalls zitiert. Es sei nicht Aufgabe des Staats zu prüfen, wie Eltern leben, was sie denken und wie sie ihre Kinder erziehen. Aber auch Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher hätten eine Verantwortung für die Kinder, die sie betreuten. Diese wolle man mit Informationen unterstützen. Ein Leser der Zeitung wendet sich mit einer Beschwerde an den Presserat, weil er presseethische Grundsätze verletzt sieht. In den Beiträgen werde die Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung vollkommen verkürzt wiedergegeben. Er spricht von einer bewussten Verkürzung des Inhalts, um Empörung in der Leserschaft zu erzeugen. Das sei keine wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit. Die Recherche sei nicht mit der gebotenen Sorgfalt erfolgt, die Texte nicht wahrheitsgetreu wiedergegeben worden. Der Chefredakteur der Zeitung stellt fest, der Inhalt der Broschüre sei in den kritisierten Beiträgen wesentlich verkürzt dargestellt worden. Das entspreche alltäglicher journalistischer Praxis. Das Zitieren einzelner Passagen aus der Broschüre diene nicht dem Erzeugen von Empörung, sondern solle dem Leser den notwendigen Kontext zu der im Artikel angeführten Stellungnahme von Herrn Bernstiel erläutern. Dieser beziehe sich nämlich auf den Beispielsfall mit den Zöpfe tragenden Mädchen und verweise auf weitere nach seiner Meinung haarsträubende Passagen. Fazit des Chefredakteurs: Statt zeitgemäßen Fallbeispielen fände man in der Broschüre uralte Rollenbilder und schaffe auch weitere Vorurteile.

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Psychopharmaka in Getränken des Chefs

Eine Boulevardzeitung veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „Giftanschlag im Chefbüro“. Im Bericht geht es um die Verurteilung einer Frau wegen gefährlicher Körperverletzung. Sie hatte ihrem Chef Psychopharmaka in Getränke gemischt. Die Zeitung nennt den Vornamen der Frau, den abgekürzten Nachnamen, ihren Arbeitgeber, ihren Beruf und die portugiesische Herkunft. Zum Bericht gestellt ist ein Foto der Beschuldigten. Ihr Gesicht ist mit einem Augenbalken verfremdet. Der Autor schreibt, die Frau sei vermindert schuldfähig. Sie leide nach Aussagen eines Psychiaters an einer schizophrenen Persönlichkeitsstörung. Ein Leser der Zeitung vertritt die Auffassung, dass die Frau identifizierbar dargestellt worden sei. Dadurch sei ihr Persönlichkeitsschutz verletzt worden. Der Beschwerdeführer kritisiert auch den Hinweis auf ihre psychische Erkrankung. Der Chefredakteur verweist in seiner Stellungnahme auf Richtlinie 8.1, Absatz 2, des Pressekodex. Die Redaktion habe über eine außergewöhnlich schwere Straftat berichtet. Dies sei nach der genannten Richtlinie gerechtfertigt. Im Interesse einer ordnungsgemäßen Unterrichtung der Öffentlichkeit sei die Berichterstattung in dieser Form zwingend erforderlich gewesen. Es sei eine zentrale Aufgabe der Medien, über derartig hinterhältig begangene Straftaten zu berichten. Die sachliche Darstellung einer ärztlich diagnostizierten Persönlichkeitsstörung sei im konkreten Fall nicht zu beanstanden. Dieser Umstand habe sich für die Frau strafmildernd ausgewirkt. Schließlich werde der Persönlichkeitsschutz der Beschuldigten gewahrt. Ihr Name werde nicht genannt, ihr Gesicht nicht erkennbar dargestellt. Die Frau lebe in einer Millionenstadt und nicht auf einem Dorf. Eine Identifizierbarkeit sei somit ausgeschlossen.

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