Wie hat der Presserat entschieden?
Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.
Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!
Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.
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6642 Entscheidungen
Eine Lokalzeitung berichtet online über die Festnahme einer Frau im Zusammenhang mit einer drei Tage zuvor aufgefundenen Babyleiche. Die 22-jährige Deutsche habe den Ermittlern gestanden, ihren Jungen kurz nach der Geburt getötet zu haben. Dem Artikel ist ein Foto beigestellt, das das Haus der Mutter zeigt. Auf dem Grundstück sei die Leiche gefunden worden. Drei Tage später berichtet die Zeitung unter der Überschrift „Nach Tötung eines Babys erneut schwanger“ darüber, dass die 22-Jährige im siebten Monat schwanger sei. Ein Leser der Zeitung kritisiert, durch die Bebilderung des Artikels mit dem Wohnhaus der Tatverdächtigen werde deren Identität der Öffentlichkeit preisgegeben und damit gegen ihre Persönlichkeitsrechte verstoßen. Des Weiteren würden auch die Eltern der Tatverdächtigen erkennbar dargestellt. In einem weiteren Artikel würden die ehemalige Schule der Tatverdächtigen sowie ihr Abi-Jahr genannt, was in Verbindung mit dem Haus eine problemlose Identifizierung zulasse. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, die Redaktion habe die nach Ziffer 8 des Kodex erforderliche Abwägung zwischen den berechtigten Interessen der Öffentlichkeit und den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen sorgsam vorgenommen. Dies sehe auch der Anwalt der jungen Frau so, mit dem der Autor der Beiträge in regelmäßigem Kontakt stehe.
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Eine Lokalzeitung veröffentlicht gedruckt einen Beitrag unter der Überschrift „Was geschah im Haus 9b?“ In der Online-Version lautet die Überschrift „Kindermord-Prozess: Was geschah im Haus 9b?“ Die Artikel sind nahezu textidentisch. Thema ist jeweils der Prozess gegen Sylvia D., die ihren Pflegesohn Jan getötet haben soll. Die Tat ereignete sich Ende der achtziger Jahre. Mutter und Vater waren Mitglieder einer sektenähnlichen Gruppe, wie die Redaktion schreibt. Ein Aussteiger habe schwere Vorwürfe gegen die Sekte erhoben. 2015 seien Ermittlungen aufgenommen und 2017 die Mordanklage erhoben worden. Der Sohn soll in einem Sack geknebelt und verschnürt worden sein. Im Beitrag wird die genaue Adresse genannt; die Hausnummer wird auch im Bild gezeigt. Der Beschwerdeführer – ein Leser der Zeitung – sieht einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit). Die Veröffentlichung der genauen Adresse der Angeklagten sei eine grobe Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte. Die Adresse – so der Beschwerdeführer – trage zu dem Fall keine Sachinformation bei und könne daher nicht im Interesse der Öffentlichkeit sein. Die Veröffentlichung gefährde die Angeklagte. Dies vor allem, wenn man die ganze abwertende und verunglimpfende Berichterstattung hinzunehme. So bewertet der Beschwerdeführer die Begriffe „Sekte“, „Sektenführerin“, „Aussteiger“ etc. Die Art der Berichterstattung leiste einem Sensationstourismus Vorschub. Die Redaktionsleiterin spricht von einem der spektakulärsten Fälle der jüngeren Stadtgeschichte, der auch bundesweit für ein großes Medienecho gesorgt habe. Augenscheinlich gehe es in diesem Fall um eine sektenähnliche Gruppierung mit Frau D. als Anführerin. Die Staatsanwaltschaft werfe ihr vor, vor dreißig Jahren ihren kleinen Pflegesohn ermordet zu haben. Nach Darstellung der Redaktionsleiterin habe die Adresse der Frau im Prozess eine zentrale Rolle gespielt. Sie sei von der Verteidigung und von der Staatsanwaltschaft mehrmals erwähnt worden. Zum anderen lebten neben dem kleinen Jan auch andere Pflegekinder bei dem Ehepaar.
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Ein Online-Portal veröffentlicht einen Artikel unter der Überschrift „So beeinflussen Online-Casinos die TV-Landschaft“. Der Autor beschäftigt sich mit dem Thema am Beispiel eines namentlich genannten Anbieters. Dessen Auftreten in einem Fernsehsender und sein Portfolio werden ausführlich und durchweg positiv beschrieben. Ein Nutzer des Portals sieht in der Veröffentlichung eine redaktionell getarnte Werbung. Die Verantwortlichen des Online-Portals nehmen zu der Beschwerde nicht Stellung.
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Eine TV-Zeitschrift berichtet unter der Rubrik „Hallo Doktor!“ in mehreren Artikeln über Leserfragen zu medizinischen Themen, auf die jeweils ein Experte antwortet. In den Antworten wird werbend und lobend auf ein bestimmtes Medikament hingewiesen, mit dem den jeweiligen Beschwerden beizukommen ist. Ein Leser der Zeitung wendet sich an den Presserat. Er bittet um Prüfung, ob es sich hier um einen Fall von Schleichwerbung handelt. Das Justiziariat der Zeitschrift hält die Beschwerde für unbegründet. Gemessen an den Maßstäben der Ziffer 7 entsprächen Verlag und Redaktion dem Trennungsgebot nach Ziffer 7 des Kodex. Zur Berichterstattung gehöre es, dass ein in der Apotheke erhältliches Produkt beispielhaft genannt wird. Die Auswahl der genannten Produkte basiere ausschließlich auf redaktionellen Erwägungen. Absprachen mit Herstellern, Apotheken, Pharmaunternehmen oder sonstigen Interessenverbänden habe es nicht gegeben. Die Redaktion habe sich bei der Auswahl mehrerer genannter Produkte von der aktuellen Studienlage zu eben diesen Medikamenten und deren besonderer Wirkungsweise leiten lassen. Es sei zu berücksichtigen, dass die Redaktion die Produkte mit dem Hinweis „zum Beispiel“ versehen habe.
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Schauplatz ist eine Berliner Kita: Ein Junge beißt dem fünfjährigen Ilyas K. in den Penis. Eine Boulevardzeitung berichtet online über den Vorfall und veröffentlicht ein Foto, das den verletzten Jungen in seinem Bett im Krankenhaus zeigt. Die Zeitung berichtet zitierend über Aussagen des Jungen selbst und seiner Schwester. Eine Leserin der Zeitung kritisiert die identifizierende Darstellung des Kindes. Unabhängig von einer möglichen Einwilligung der Eltern in die Veröffentlichung des Bildes liege eine Verletzung des Persönlichkeitsschutzes des Jungen vor. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, die Redaktion halte an der regelmäßig vertretenen presseethischen Überzeugung fest, dass die Öffentlichkeit insbesondere bei außergewöhnlichen Geschehnissen ein besonderes Interesse daran habe, von den Medien unter Einbeziehung von Einzelschicksalen und dann gegebenenfalls auch personalisierend informiert zu werden. Im vorliegenden Fall überwiege das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen. Im Beitrag gehe es um die Verletzung der Aufsichtspflicht durch Erzieherinnen einer staatlichen Kindertagesstätte. Es sei zu befürchten, dass das Opfer der Beißattacke niemals Geschlechtsverkehr haben kann. Die Presse dürfe nicht verschweigen, wenn ein junger Mensch in einer staatlichen Einrichtung Verletzungen erleide, die für sein ganzes Leben einschneidende Folgen haben könnten.
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Eine Zeitschrift berichtet unter der Überschrift „Mach´s wie die Notenbanken“ über zehn Gründe, warum Anleger Gold kaufen sollten. Die Berichterstattung wird auf dem Titel mit der Überschrift „Wer Verstand hat, kauft Gold“ angekündigt. Dazugestellt ist ein Porträtfoto des Ex-Fed-Chefs Alan Greenspan. Online teilt die Zeitschrift mit, der einstige US-Notenbankchef rate zum Goldkauf. Sie nennt unter Berufung auf Greenspan zehn Gründe, warum „Sie jetzt zuschlagen sollten“. Nach Auffassung des Beschwerdeführers in diesem Fall müsse der Leser davon ausgehen, dass es sich um Zitate von Alan Greenspan handele. Sie stammten aber nicht von diesem, sondern von der Redaktion. Diese führe ihre Leser bewusst in die Irre. Damit verstoße die Zeitschrift gegen die Ziffern 1 (Ansehen der Presse) und 2 (Journalistische Sorgfaltspflicht) des Pressekodex. Der Chefredakteur hält die Beschwerde für unbegründet. Greenspan habe den Satz „Wer Verstand hat, kauft Gold“ nicht wörtlich gesagt. Das ursprüngliche Zitat sei für die Titelseite zu lang gewesen. Greenspans Aussage sei im Innern des Heftes ausführlich wiedergegeben worden. Für den Titel sei die Aussage „komprimiert“ worden. Entscheidend sei es für ihn – den Chefredakteur – nicht, ob das Zitat wörtlich stimme, sondern ob es den Inhalt des Textes richtig widerspiegele. Das sei hier eindeutig der Fall.
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„Doppel-Lawine tötet Mathe-Lehrer“ – so überschreibt eine Boulevardzeitung gedruckt und online ihren Bericht über einen Skifahrer, der von einer Lawine verschüttet und getötet worden war. Im Bericht enthalten sind Fotos des Verunglückten. Die Redaktion nennt zudem seinen Vornamen, den abgekürzten Nachnamen, das Alter, den Beruf und den Wohnort. Zwei Leser der Zeitung sehen den Persönlichkeitsschutz des Opfers verletzt. Die Fotos habe die Redaktion dem Facebook-Account des Lehrers entnommen. Der Chefredakteur der Zeitung vertritt die Auffassung, dass es sich bei dem Unfall um ein spektakuläres Geschehen handele, das großes öffentliches Interesse hervorgerufen habe. Unter diesem Gesichtspunkt sei es nicht zu beanstanden, dass über das Opfer identifizierend berichtet worden sei. Dessen schutzwürdige Interessen müssten hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurückstehen. Ein öffentliches Interesse an einer identifizierenden Berichterstattung habe vorgelegen, da der Winter 2018/2019 von Schneemassen in den Skigebieten geprägt gewesen sei. Mehrere Unfälle hätten eine umfassende öffentliche Diskussion um die Risikobereitschaft von Wintersportlern entfacht.
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Eine Boulevardzeitung berichtet unter der Überschrift „Gericht verbietet Bilder von G20-Plünderin“ über ein Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main. Das Gericht hatte der Zeitung verboten, unverfremdete Fotos einer Frau zu zeigen, die bei den G20-Ausschreitungen vom Juli 2017 einen Drogeriemarkt „plündert“. Sie ist auf den Fotos zu sehen, wie sie sich der Drogerie nähert, sich am Eingang bückt und mit vollen Händen weitergeht. Das Gericht stellte fest, dass die Bilder das Persönlichkeitsrecht der Frau verletzen, weil auf ihnen allenfalls ein „Diebstahl geringwertiger Sachen“ zu erkennen sei. Die Frau – so der Autor des Berichts – habe gegen die Veröffentlichung der Fotos geklagt. Die Zeitung zeige die Fotos trotzdem, ohne die Person zu verfremden, „weil die Abbildung von Straftaten, gerade im Zusammenhang mit schweren Krawallen, Plünderungen und Landfriedensbruch bei einem so wichtigen Ereignis wie dem G20-Gipfel zum Auftrag der Presse gehört.“ Drei Leser der Zeitung wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Ihre Kritik richtet sich dagegen, dass die Zeitung trotz des richterlichen Beschlusses, wonach in diesem Fall die Persönlichkeitsrechte der Frau überwiegen, die Fotos weiterhin unverfremdet veröffentliche. Wegen mehrerer laufender Verfahren im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Fotos bittet der Chefredakteur mehrmals während eines halben Jahres um die Aussetzung des Verfahrens. Der juristische Streit in dieser Causa sei nach wie vor in vollem Gange.
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Eine Berliner Zeitung berichtet online über eine zwanzigminütige Sperrung von zwei Bahnsteigen am Berliner Hauptbahnhof wegen eines „Personenunfalls“. Die Zeitung schreibt: „Offenbar handelt es sich um einen Suizidversuch, wie ein Sprecher der Bundespolizei gegenüber der (…) bestätigte.“ Am Ende des Beitrages teilt die Redaktion mit, dass sie in der Regel nicht über Suizidversuche berichte. Sie weist auch auf Hilfsangebote bei Depressionen (u. a. Telefonseelsorge) hin. Ein Vertreter der Berliner S-Bahn wendet sich wegen der Berichterstattung über den Suizidversuch mit einer Beschwerde an den Presserat. Der Nachahmungseffekt („Werther“-Effekt) werde von der Redaktion in Kauf genommen. Der Hinweis auf die Telefonseelsorge reiche nicht aus, um der Gefahr zu begegnen. Im Pressekodex werde eine zurückhaltende Berichterstattung gefordert. Es hätte ausgereicht, sachlich über den Unfall zu berichten, ohne den Suizidversuch zu erwähnen. Die Rechtsvertretung der Zeitung hält die Beschwerde für unbegründet. Lediglich in einem Satz werde auf den Suizidversuch hingewiesen. Es habe ein öffentliches Berichterstattungsinteresse bestanden. Dies vor allem deshalb, weil die Sperrung von zwei Bahnsteigen und Gleisen zu Verspätungen geführt und zahlreiche Fahrgäste beeinträchtigt habe. Für die Reisenden sei es eine wichtige Information, dass die Verspätung nicht auf ein Verschulden der Bahn zurückgehe. Die Mitteilung, dass es sich um einen Suizidversuch gehandelt habe und die Rettungsmaßnahmen nun abgeschlossen seien, hätte deutlich zur Beruhigung der Leser beigetragen. Es werde lediglich im Fließtext und nicht in der Aufmachung auf den Suizidversuch hingewiesen. Nähere Begleitumstände würden nicht genannt. Auch werde die Person nicht identifizierbar gemacht. Fotos habe die Redaktion nicht veröffentlicht.
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Eine Lokalzeitung berichtet über einen Brand, der ein Todesopfer gefordert hat. In dem Artikel wird die Straße genannt, in der das Unglück geschehen ist. Der Autor gibt den Hinweis, dass das Haus in der Nähe des örtlichen Hallenbades liege. Auch ein Foto des intakten Wohnhauses ist zu dem Artikel gestellt. Ein anderes zeigt das brennende Gebäude aus einiger Entfernung. Unter den Artikel hat die Redaktion eine Karte mit der genauen Adresse und einer entsprechenden Hausmarkierung gestellt. Beschwerdeführer in diesem Fall ist der Bruder des bei dem Feuer Verstorbenen. Er sieht mehrere presseethische Grundsätze verletzt. Die Zeitung berichte mit der vollständigen Adresse des Unglücksortes. Dadurch werde der Sensationstourismus öffentlich gefördert und den Angehörigen, welche an dem genannten Ort lebten, die Zeit zur Trauer genommen. Der Chefredakteur hält es in seiner Stellungnahme für üblich, dass zumindest die Straße, in der sich ein Unglück ereigne, im Rahmen der Lokalberichterstattung genannt werde. Der Artikel sei überregional nicht sonderlich prominent platziert gewesen. Somit sei der Vorwurf, einen Sensationstourismus zu fördern, gegenstandslos. Der Unglücksort sei im engsten lokalen Umfeld auch ohne die Berichterstattung bekannt. Auch die Polizei habe die genaue Adresse mitgeteilt, doch hätte die Redaktion die Hausnummer weglassen können. Der Chefredakteur bedauert, dass die Angehörigen sich an der Form der Berichterstattung gestört hätten. Die Redaktion habe nach Eingang des Presseratsschreibens in der Online-Version sofort Hausnummer und Karte entfernt.
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