Entscheidungen finden

Wie hat der Presserat entschieden?

Rüge, Missbilligung oder Hinweis, wie hat der Presserat entschieden? Hier können Sie online in der Spruchpraxis des Presserats eine Auswahl an Beschwerdefällen von 1985 bis heute recherchieren.

Bitte beachten: Im Volltext abrufbar sind nur Entscheidungen mit den Aktenzeichen ab 2024, z.B. 0123/24/3!

Nach detaillierten Richtlinien (z.B. 8.1) können Sie erst ab den Fällen aus 2024 recherchieren. Ältere Fälle werden nur unter der entsprechenden Ziffer (z.B. 8) angezeigt.

Sie haben Fragen zu unseren Sanktionen? Hier finden Sie Erläuterungen.

 

Entscheidungsjahr
6642 Entscheidungen

Verdächtiger identifizierbar dargestellt

„Hat 37-jähriger Kinder sexuell missbraucht?“ titelt eine Regionalzeitung. Sie berichtet über die Festnahme eines Mannes wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs und des Besitzes von kinderpornografischem Material. Die Redaktion teilt auch mit, dass der Verdächtige in einer namentlich genannten Straße wohne. Ein anonymisierter Beschwerdeführer kritisiert, dass der Verdächtige durch die Angabe von Alter und Straße identifizierbar sei. Dies habe negative Folgen für seine Familie. Der Chefredakteur teilt mit, dass er mit der Anonymisierung des Beschwerdeführers nicht einverstanden ist. Auf Nachfrage habe ihm die Geschäftsstelle des Presserats mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer um Anonymisierung gebeten habe: Begründung: Er bekleide im Verbreitungsgebiet der Zeitung mehrere öffentliche Ämter. Regelmäßig werde über seine Aktivitäten berichtet. Das sei – so der Chefredakteur – nicht akzeptabel. In einem solchen Fall sei es wichtig, dass die medienethische Diskussion im Dialog vor Ort geführt werden könne. Er werde selbstverständlich zu der Beschwerde Stellung nehmen, sofern er Namen und Kontaktdaten des Beschwerdeführers erfahre.

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Naturschützer und Motorsportler im Streit

Eine Lokalzeitung berichtet über einen Streit zwischen einem Naturschutzbund (Nabu) und einem Motorsportclub (MSC). Beide sind an einem Ort des Verbreitungsgebietes angesiedelt. Es geht um das Vorhaben des Clubs, am Ort eine Trainingsanlage für Motorsportler einzurichten. Wie die Zeitung berichtet, hat der Nabu mit einem Schreiben an die Fraktionen in der Stadtvertretung zu dem Vorhaben Stellung genommen. Darin heißt es: „Der Nabu (…) hält ein neues Motorsportgelände, das auf klimaschädliche, unfassbar laute und technologisch veraltete Verbrennungsmotoren setzt, in der heutigen Zeit für nicht mehr vermittelbar und zudem für hoffnungslos rückwärtsgewandt.“ Der Sprecher des Motorsportclubs (MSC) zeigt sich von der Stellungnahme überrascht. „Wir hatten verabredet, eng zusammenzuarbeiten.“ Dass der Nabu sich jetzt ohne ein Gespräch mit dem MSC zu den Plänen geäußert habe, könne er nicht verstehen. Weiter berichtet der MSC-Sprecher von einem Gedankenaustausch mit einem Nabu-Mitglied, das mit vollem Namen zitiert wird. Das Nabu-Mitglied ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Er kritisiert die Zeitung, die aus einer Mail und einem Telefongespräch zwischen ihm und einem Vertreter des MSC irreführend zitiere. Vor der Veröffentlichung habe der Autor des Beitrages keinen Versuch unternommen, mit ihm als Betroffenem Kontakt aufzunehmen. So sei es zu einem Artikel gekommen, der die MSC-Sicht einseitig darstelle. Die Meinung des Nabu sei dabei nicht berücksichtigt worden. Die Chefredaktion der Zeitung lässt die Autorin auf die Beschwerde antworten. Diese räume selbstkritisch ein, dass sie es versäumt habe, den Beschwerdeführer zu kontaktieren. Der Zeitdruck in der Produktion habe dies verhindert. Zusammenfassend stellt die Redaktion fest, dass es richtig gewesen wäre, den Beschwerdeführer mit den Aussagen des MSC-Vertreters zu konfrontieren. Dass dies unterblieben ist, bedauere sie. Den Vorwurf, der Bericht sei irreführend, hält die Redaktion nicht für gerechtfertigt.

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Fußballerinnen wollen gleiche Bezahlung

Eine Nachrichtenagentur berichtet unter der Überschrift „US-Frauen-Nationalteam scheitert mit Klage auf gleiche Bezahlung“ über eine gescheitere Forderung der US-Fußballerinnen, die die gleiche Bezahlung wie ihre männlichen Kollegen erreichen wollen. Die Mannschaft hatte den eigenen Verband wegen Diskriminierung verklagt. In einer weiteren Meldung am nächsten Tag geht es erneut um die Klage auf gleiche Bezahlung. Zitiert wird aus der Urteilsbegründung der Richterin. Darin heiße es unter anderem, das Frauen-Team habe in der Vergangenheit das Angebot abgelehnt, gemäß der gleichen Strukturen wie das Männer-Team bezahlt zu werden. Danach würden die Männer etwa spielgebunden entlohnt. Insofern könnten sie nun nicht argumentieren, was sie auf Basis dieser Bezahlstruktur bekommen hätten. Über die Vorwürfe, dass sie schlechtere Reisebedingungen und medizinische Unterstützung als ihre männlichen Kollegen hätten, sollte es aber demnächst zu einer Verhandlung kommen. Ein Leser kritisiert, der Artikel erwecke den Anschein, als wäre den Damen übel mitgespielt worden und der US-Fußball sei im Kern sexistisch. Die Rechtsabteildung der Agentur nimmt zu der Beschwerde Stellung. Agentur und Beschwerdeführer seien sich darin einig, dass die kritisierte Meldung insofern korrekt sei, dass alles darin Mitgeteilte korrekt berichtet worden sei. Es gehe also nicht um eine falsche Behauptung, sondern um einen falschen Eindruck, den der Bericht beim Leser erwecke. Es sei nicht zutreffend, dass die Meldung die Botschaft transportiere, dass „den Damen hier übel mitgespielt worden sei“ und dass „der US-Fußball im Kern sexistisch sei“. Es werde lediglich mitgeteilt, dass die Fußballerinnen mit ihrer Klage gegen den eigenen Verband gescheitert seien.

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Der Begriff „Mord“ steht auch im Autopsie-Bericht

Eine Großstadtzeitung berichtet online unter der Überschrift „Der Fall Diogo: Wie aus einem tragischen Unfall ein brutaler Neonazi-Mord wurde“ über eine Anfrage im Brandenburger Landtag zum Tod eines Mannes aus Mosambik aus dem Jahr 1986. In diesem Zusammenhang wird auch auf den Tod von George Floyd Bezug genommen, der in den USA „von einem Polizisten ermordet“ wurde. Ein Leser der Zeitung kritisiert einen Verstoß gegen die Ziffer 13, Richtlinie 13.1, des Kodex (Vorverurteilung). Die Passage vom Tod des George Floyd stelle eine Vorverurteilung dar. Das sei besonders „pikant“ vor dem Hintergrund, dass es im Artikel um die Widerlegung von Mythen über einen angeblichen Mord an einem Schwarzen gehe. Die Rechtsabteilung des Verlages hält die Beschwerde für unbegründet. Der fragliche Artikel befasse sich mit den Hintergründen des Todes des Mosambikaners Manuel Diogo, der am 30. Juni 1986 in der DDR tot aufgefunden worden sei. Für die DDR-Behörden sei es ein Unfall gewesen. Ein westdeutscher Historiker spreche Jahrzehnte später von einem rassistischen Verbrechen. Nach einer Anfrage im Brandenburger Landtag durch eine Abgeordnete der Partei „Die Linke“ habe die Staatsanwaltschaft neue Ermittlungen eingeleitet. In diesem Zusammenhang werde auch kurz der Fall George Floyd erwähnt, der weltweit Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst habe. Die Bezeichnung der Tat als Mord sei zumindest im umgangssprachlichen Sinne sachgerecht. Die Tat sei unter den Augen der Öffentlichkeit begangen worden. Der Begriff „Mord“ sei auch im offiziellen Autopsie-Bericht zu finden.

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Nationalität eines Tatverdächtigen genannt

Eine Regionalzeitung berichtet online, dass an einer Gaststätte in einer Stadt des Verbreitungsgebietes zum wiederholten Male Sonnenschirme angezündet worden seien. Unter dem Tatverdacht der Sachbeschädigung sei ein 48-jähriger Mann aus dem Kosovo festgenommen worden. Gegen ihn – so die Zeitung – werde auch wegen Exhibitionismus ermittelt. Ein Leser der Zeitung ist der Auffassung, dass die Angabe der Nationalität des Verdächtigen nicht durch ein besonderes öffentliches Interesse gedeckt ist. Der stellvertretende Chefredakteur nimmt zu der Beschwerde Stellung. In einer ersten Meldung zu dem Vorgang habe man sich auf die Tat sowie den Zeugenaufruf der Polizei bezogen. In einer aktualisierten Web-Version habe die Redaktion die von der Polizei bekannt gegebenen Informationen über den dringend Tatverdächtigen wiedergegeben. Da die Polizei unter Bekanntgabe dieser personenbezogenen Angaben weiterhin um Zeugenhinweise gebeten habe, seien die Angaben so veröffentlicht worden. Der stellvertretende Chefredakteur sieht das begründete öffentliche Interesse durch diesen Sachverhalt als gegeben an.

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„Roma-Familien leben nach ihren eigenen Regeln“

Eine Regionalzeitung berichtet gedruckt und online nahezu textidentisch über eine Massenschlägerei mit 60 Beteiligten aus zwei Roma-Familien. Die Vorgänge rund um ein bestimmtes Mietshaus (der Autor nennt die genaue Adresse) werden näher beleuchtet. Die Massenschlägerei, zu der die eine Hälfte der Beteiligten mit Autos angekommen war, habe zu einem großen Polizeieinsatz geführt. Im Beitrag kommt ein Sozialarbeiter zu Wort, der Teile einer Familie betreut habe. Er wird mit den Worten zitiert, es habe sich wohl um eine Familienfehde gehandelt. Vorstellbar sei auch, dass es um Bettelreviere im Zentrum einer Großstadt gegangen sei. Der Sozialarbeiter spricht über das Grundproblem der Roma-Familien, die streng patriarchalisch organisiert seien und nach ihren eigen Regeln lebten. Der Autor des Beitrages geht auch auf die grundsätzliche Entwicklung der Bevölkerungsstruktur im Zusammenhang mit Roma-Familien ein. Ein Arbeitskreis „Kritische Soziale Arbeit“ ist in diesem Fall der Beschwerdeführer. Er sieht einen Verstoß gegen die Richtlinie 8.8. Danach sind Angaben über den Wohnsitz zu vermeiden, wie in dem kritisierten Beitrag geschehen. Der Arbeitskreis kritisiert diskriminierende Ausführungen über die „schwer oder gar nicht integrierbaren“ Zugewanderten, die ihre Heimatländer nur verließen, um in Deutschland Kindergeld zu beantragen. Viele von ihnen würden kriminell. In dem Bericht – so der Arbeitskreis - würden altbekannte antiziganistische Bilder aufgegriffen und unreflektiert wiederholt. Beispiele: Diese Menschen lebten auf dem Müll oder verursachten Müll, Großfamilien, teure Autos, Bettelei, mangelnde Bildung, Sozialbetrug. Der Arbeitskreis beklagt altbekannte antiziganistische Bilder. Es bleibe völlig unklar, woher der Autor oder der zitierte Sozialarbeiter wüssten, dass es sich bei den beteiligten Personen um „Roma“ handele. Der Chefredakteur der Zeitung teilt mit, die Redaktion stehe mit dem als Beschwerdeführer auftretenden Arbeitskreis seit vielen Jahren in Kontakt. Dabei werde die in Teilen dramatisch unterschiedliche Anschauung immer wieder deutlich. Diese habe sich in einem sehr ausführlichen Gespräch, das die jeweiligen Teams geführt hätten, leider nicht überwinden lassen. Die Redaktion habe über eine massive öffentlich ausgetragene Schlägerei im Zentrum einer Großstadt berichtet. Sie habe es als journalistischen Standard begriffen, es nicht bei der alltäglichen nachrichtlichen Berichterstattung zu belassen. Sie sei dem Vorgang und seinen Ursachen noch einmal nachgegangen. Der Chefredakteur stellt sich vor seine Redaktion. Sie habe einen differenzierten und keinesfalls stigmatisierenden Text veröffentlicht.

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Kein Anhaltspunkt für Irreführung

Ein Nachrichtenmagazin berichtet online unter der Dachzeile „Östlich von Jerusalem“ und der Überschrift „Israelische Soldaten erschießen Palästinenser an Grenzübergang“ über einen Vorfall in Abu Dis. „Ein Mann soll mit seinem Auto schnell auf eine Grenzpolizistin zugefahren sein. Israelische Soldaten töteten ihn“, heißt es im Vorspann. Die Redaktion berichtet dann weiter, der Mann habe versucht, eine Beamtin der Grenzpolizei zu überfahren. Das habe die Polizei mitgeteilt. Im Beitrag heißt es weiter, ein Verwandter des Erschossenen habe einer Nachrichtenagentur gesagt, es sei „ausgeschlossen“, dass sein Neffe einen Anschlagsversuch unternommen habe. Drei Leser des Magazins wenden sich mit einer Beschwerde an den Presserat. Sie sehen in der Berichterstattung Verstöße insbesondere gegen die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex. Eine Auswahl der Beschwerde-Argumente: Ein Beschwerdeführer teilt mit, de Berichterstattung über einen antiisraelischen Terroranschlag enthalte eine Täter-Opfer-Umkehr. Ein Video zeige eine klassische „Carramming-Attacke“. Es gebe wohl auch mehrere Bekennervideos des Attentäters. Dennoch berichte die Redaktion, dass israelische Sicherheitskräfte nahe Jerusalem einen Palästinenser erschossen hätten. Dass es sich um die Erschießung eines Angreifers handele, werde nicht nur verschwiegen, sondern in das Gegenteil verkehrt. Ein anderer Beschwerdeführer moniert, der Titel lege nahe, dass israelische Soldaten grundlos einen Palästinenser erschossen hätten. Ein Leser ist der Auffassung, es entstehe der Eindruck, Israels Grenzsoldatinnen und -soldaten töteten unschuldige Menschen. Die Rechtsabteilung des Magazins macht einen Personalengpass geltend. Deshalb komme man derzeit nicht dazu, mit der Redaktion wegen einer Stellungnahme zu den Beschwerden zu sprechen. Sie bittet, die Beschwerde vorerst auszusetzen.

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Sexuelle Belästigung in aller Öffentlichkeit

„13-Jährige in (…) von Pakistaner sexuell belästigt“ titelt eine Regionalzeitung. Der Beitrag informiert über die Ermittlungen gegen einen 31-jährigen Mann wegen sexueller Belästigung. Die Redaktion gibt nicht nur in der Überschrift, sondern auch im Text an, dass es sich um einen Pakistaner handele. Ein Leser der Zeitung ist der Auffassung, dass die Erwähnung der Nationalität des Verdächtigen nicht durch ein begründetes öffentliches Interesse gedeckt ist. Der Chefredakteur der Zeitung betont in seiner Stellungnahme, dass die Berichterstattung im Einklang mit dem Pressekodex stehe. Die Redaktion habe erwähnt, dass der Verdächtige aus Pakistan stamme, da man dem Vorwurf habe entgegentreten wollen, dass man die Nennung von Nationalitäten absichtlich unterlasse. Dieser Vorwurf werde regelmäßig von Lesern erhoben. Des Weiteren habe der berichtete Vorfall am helllichten Tag unter den Augen einer breiten lokalen Öffentlichkeit stattgefunden. Der Mann sei zu diesem Zeitpunkt stark alkoholisiert gewesen. Er habe unter anderem mehreren Frauen an die Brust gefasst und eben auch eine 13-Jährige sexuell belästigt. Der Berichterstattung hätten die Angaben der Polizei zugrunde gelegen. Diese gelte als privilegierte Quelle. Im Verbreitungsgebiet der Zeitung sei es wiederholt zu sexuellen Belästigungen durch Männer aus muslimisch geprägten Nationen gekommen. Über diese Vorfälle habe die Zeitung immer wieder berichtet. Der Chefredakteur betont, dass sich die Zeitung stets gegen Fremdenfeindlichkeit gestellt habe und stelle. Wenn zur Wahrheit allerdings gehöre, dass laut Polizeiinformation sexuelle Gewalt von Menschen nichtdeutscher Herkunft ausgegangen sei, müsse die Presse auch darüber berichten.

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Doppelfunktionen sind den Lesern mitzuteilen

Eine Lokalzeitung veröffentlicht zahlreiche Artikel zu kommunalen Themen. Alle sind mit unterschiedlichen Kürzeln versehen, die dem jeweiligen Autor zugeordnet sind. Ein Leser der Zeitung beklagt in seiner Beschwerde eine nach seiner Meinung merkwürdige Praxis der Zeitung. Die kommunalpolitischen Beiträge würden nicht von Redakteuren der Zeitung, sondern von Dritten (Presseämter, Parteifunktionäre, Parteien, Firmen, Städte und Gemeinden etc.) verfasst. Autoren und Quellen würden nicht genannt. Der Beschwerdeführer nennt viele Beispiele von Kürzeln, die im Impressum nicht mit Klarnamen aufgeführt seien. Der Herausgeber der Zeitung nimmt Stellung. Die maßgeblichen Redakteure seien mitsamt ihrem Kürzel im Impressum aufgeführt. Pressemeldungen von Vereinen, Verbänden, der Polizei und städtische Verlautbarungen würden mit Kürzel veröffentlicht. Ihre Urheberschaft gehe in aller Regel aus dem Artikel hervor. Im Übrigen prüften Redakteure sehr sorgfältig die Beiträge auswärtiger Autoren. Allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer sämtliche Kürzel selbst habe identifizieren können, spreche dafür, dass er sehr wohl den Ursprung kenne.

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Teilnehmer sind nicht „die Deutschen“

Eine überregionale Zeitung veröffentlicht online unter der Überschrift „49 Prozent der Deutschen wünschen sich eine schwarz-grüne Koalition“ einen Beitrag, der sich mit dem Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest/Dimap beschäftigt. Diese habe ergeben, dass sich eine Mehrheit der deutschen Wähler eine schwarz-grüne Regierung wünscht: „Danach bevorzugen 49 Prozent der Befragten eine Koalition von Union und Bündnis 90/Die Grünen. Nur 34 Prozent finden ein Zusammengehen von SPD- Grünen und Linkspartei attraktiv.“ Ein Leser der Zeitung kritisiert die Berichterstattung. Die Überschrift sei eine Irreführung im Hinblick auf das Umfrageergebnis. Nicht 49 der Wähler wünschten sich eine schwarz-grüne Regierung, sondern 49 Prozent der Befragten. Andere Antwortoptionen, z. B. Schwarz-rot oder Jamaika, habe es nicht gegeben. Die Überschrift suggeriere also, dass CDU/Grüne bundesweit eine 49-prozentige Zustimmung der Gesamtwählerschaft haben. Das sage das Ergebnis jedoch nicht aus. Der Chefredakteur der Online-Ausgabe der Zeitung teilt mit, aus der Umfrage von Infratest/Dimap, die die Redaktion exklusiv in Auftrag gegeben habe, gehe klar hervor, dass eine Mehrheit der Befragten ein schwarz-grünes Bündnis bevorzugen würde. Der veröffentlichte Artikel mache genau darauf aufmerksam und beschreibe die Ergebnisse objektiv und ohne eine Meinung vorzugeben. Die Überschrift verkürze die Sachlage und verenge sie damit auch. Das aber sei das Wesen einer Überschrift. Die Redaktion könne hier keinen Fehler erkennen.

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