Rügen für Video und Fotos von Messerangriff in Mannheim
Video von Messerattacke in Mannheim bedient Sensationsinteressen
SCHWAEBISCHE.DE erhielt eine Rüge für die Veröffentlichung eines im Internet kursierenden Videos vom Messerangriff in Mannheim im vergangenen Mai. Unter dem Titel „Messer-Attentat in Mannheim: Ermittler sprechen von islamistischem Motiv” zeigte das Video den vollständigen Hergang der Tat. Zu sehen war auch, wie der Angreifer dem Polizisten, der später an seinen Verletzungen starb, rücklings ein Messer in den Hals rammt. Diese Darstellung war nicht mehr vom öffentlichen Interesse gedeckt, sondern bediente Sensationsinteressen nach Ziffer 11 des Pressekodex. Das Video war zudem dazu geeignet, die Gefühle der Angehörigen des Verstorbenen und den Jugendschutz zu verletzen.
Gezoomtes Bild von Messerangriff verletzt Würde des Opfers
Ebenfalls als übertrieben sensationell nach Ziffer 11 des Pressekodex wertete der Presserat Berichte bei BZ-BERLIN.DE, u.a. unter der Überschrift „Kaum noch Hoffnung für den Polizisten” zum Messerangriff in Mannheim. Die Redaktion zeigte ein Standbild aus dem Internet-Video, auf dem der Angreifer kurz davor ist, dem Polizisten das Messer in den Hals zu rammen. Die Szene, die mit einem Zoom vergrößert war, verletzte zudem die Würde des Opfers nach Ziffer 1 des Pressekodex und war dazu geeignet, die Gefühle von dessen Angehörigen und den Jugendschutz zu verletzen.
Rüge für Fotos vom Tathergang in Mannheim
Auch BILD.DE verletzte mit Standbildern aus dem Internet-Video die Würde des Opfers nach Ziffer 1 des Pressekodex. In mehreren Artikeln, u.a. unter der Überschrift „Brutaler Messerangriff auf Islam-Kritiker in Mannheim”, zeigte die Redaktion den Angreifer mit Messer in der Hand und wie er auf den später verstorbenen Polizisten einsticht. Die Veröffentlichung der Bilder vom Tathergang waren nicht vom öffentlichen Interesse gedeckt, sondern übertrieben sensationell nach Ziffer 11 des Pressekodex. Außerdem waren sie dazu geeignet, die Gefühle der Angehörigen des Opfers sowie den Jugendschutz zu verletzen.
Foto von falschem Tatverdächtigen gezeigt
Die B.Z. erhielt eine Rüge wegen mangelnder Sorgfalt in einem Artikel zu Klima-Aktivisten der Letzten Generation. Unter der Überschrift „Klima-Kriminelle kommen in Tatort-Klamotten ins Gericht“ ging es um zwei Männer, die das Brandenburger Tor mit oranger Farbe beschmiert haben sollen und in der Folge im März 2024 vor Gericht standen. Beide Angeklagte wurden mit jeweils zwei Bildern gezeigt. Eines der Fotos, das die Redaktion einem der Angeklagten zuschrieb, zeigte jedoch einen anderen Mann. Dieser stand an diesem Tag nicht vor Gericht. Der Presserat erkannte in der Verwechslung einen schweren Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex.
Keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme
Die BAYERISCHE RUNDSCHAU erhielt eine Rüge wegen mangelnder Konfrontation einer Betroffenen. Die Zeitung hatte unter der Überschrift „Ex-Stasi-Frau unterrichtet an Schule“ berichtet, die Betroffene habe u.a. für die Stasi gearbeitet und wegen Betrugs in Haft gesessen. Vermutlich habe sie falsche Angaben über ihre Lebensgeschichte, ihren Namen und vielleicht sogar ihren Glauben gemacht. Die Redaktion gab gegenüber dem Presserat an, die Frau sei zur IM-Tätigkeit und weiteren Vorwürfen mehrfach von einer anderen Regionalzeitung befragt worden und habe zudem auf die Kontaktaufnahme einer Redakteurin per Telefon und Messenger nicht reagiert. Aus Sicht des Presserats genügte dies jedoch nicht der journalistischen Sorgfalt nach Ziffer 2 des Pressekodex. Die Redaktion hätte die Frau zwingend selbst mit dem schweren Vorwurf, über relevante Bereiche ihres Lebens mutmaßlich gelogen zu haben, konfrontieren müssen, da dieser geeignet ist, sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch herabzuwürdigen.
Irreführende Überschrift zu Fritz Weppers Testament
Die FREIZEIT REVUE erhielt eine Rüge für einen Artikel, in dem Einzelheiten über das Testament von Fritz Wepper angekündigt wurden. Mit der Überschrift „Sein geheimes Testament – Jetzt kommt die ganze Wahrheit ans Licht“ hatte die Zeitschrift den Eindruck erweckt, als enthalte der Beitrag Details zum letzten Willen des verstorbenen Schauspielers. In der Veröffentlichung wurden jedoch keine entsprechenden Informationen geliefert. Der Presserat erkannte daher eine unwahrhaftige Berichterstattung nach Ziffer 1 und eine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex, da die Leserschaft im Hinblick auf den Inhalt des Artikels grob in die Irre geführt wurde.
Über Todesursache einer Minderjährigen spekuliert
SCHWAEBISCHE.DE erhielt eine Rüge für einen Artikel, der über den plötzlichen Tod einer 16-jährigen Sportlerin berichtete. Die Redaktion verband den Todesfall mit einer möglichen Corona-Infektion oder einer Impfung gegen das Virus, ohne Informationen vorzulegen, ob die Verstorbene tatsächlich infiziert oder geimpft war. Im Gegenteil: Die Zeitung spekulierte über die Hintergründe des Todesfalls und schädigte damit potenziell das Ansehen der Presse nach Ziffer 1 des Pressekodex. Außerdem verletzte die Redaktion mit ihren Vermutungen die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 und die Grundsätze der Medizinberichterstattung nach Ziffer 14 des Pressekodex.
Einzelheiten eines Missbrauchs geschildert
Die LANDSHUTER ZEITUNG erhielt eine Rüge wegen der Nennung von Details aus einem Missbrauchsprozess. Die Redaktion schilderte im Einzelnen die dem Angeklagten vorgeworfenen Handlungen. Diese Darstellung war nach Ansicht des Presserats nicht mehr vom öffentlichen Interesse an dem Prozess gedeckt. Die detaillierte Schilderung der vorgeworfenen Missbrauchstaten war zudem geeignet, das Opfer erneut zum Opfer zu machen. Der Presserat sah in der Berichterstattung einen schweren Verstoß gegen dessen Persönlichkeitsschutz nach Ziffer 8 sowie eine unzulässige Sensationsberichterstattung nach Ziffer 11 des Pressekodex.
Brisante Behauptungen nicht hinreichend eingeordnet
BILD.DE wurde für einen Beitrag unter der Überschrift „Kinder konvertieren aus Angst zum Islam“ gerügt. In dem Artikel hieß es unter Berufung auf eine lediglich als „Staatsschützer“ bezeichnete Quelle u.a., an deutschen Schulen tobe ein „Religionskrieg”, die „männlichen muslimischen Schüler” träten „sehr drohend und teilweise gewalttätig” auf. Es entstünden regelrechte „Parallelgesellschaften auf den Schulhöfen”. Aus Sicht des Presserats blieb offen, ob es sich um eine verlässliche Quelle handelte. Weitere Quellen wurden im Text nicht genannt. Die Behauptung „Kinder konvertieren aus Angst zum Islam“ wurde ohne Distanzierung als Tatsache dargestellt, ohne sie zu belegen. Daher verstieß die Darstellung gegen Ziffer 2 des Pressekodex.
Überschrift nicht von Informationen im Artikel gedeckt
Wegen einer irreführenden Überschrift wurde die VOLKSSTIMME gerügt. Die Redaktion titelte „Mehr ausländische Straftäter”. Aus dem Artikeltext ging jedoch nur hervor, dass lediglich die Anzahl nichtdeutscher Tatverdächtiger leicht gestiegen war, die tatsächlich von Ausländern begangenen Straftaten hingegen leicht zurückgegangen waren. Die Aussage der Überschrift war insofern nicht hinreichend von den vorliegenden Informationen gedeckt und war dazu geeignet, einen falschen Eindruck bei einem ohnehin sensiblen Thema zu erwecken. Der Beschwerdeausschuss stellte einen schweren Verstoß gegen die in Ziffer 2 des Pressekodex festgeschriebene journalistische Sorgfaltspflicht fest.
Redaktion zeigt Angehörige von getötetem Politiker
BILD.DE erhielt eine Rüge wegen der identifizierbaren Darstellung von Angehörigen eines 24-jährigen Lokalpolitikers, der von seinem eigenen Vater erschossen worden war. Die Redaktion zeigte gepixelte Aufnahmen der Mutter und der Schwester des Getöteten, die bei der Tat schwer verletzt worden waren. In Verbindung mit der Nennung ihrer Vornamen und des Familiennamens sowie einem Foto des Wohnhauses wurden sie nach Ansicht des Presserats erkennbar. Gemäß Ziffer 8, Richtlinie 8.2 hätte die Redaktion Schwester und Mutter bzw. deren Angehörige vor der Veröffentlichung um Erlaubnis bitten müssen, da es sich bei ihnen nicht um Personen des öffentlichen Lebens handelt.
Opfer und Verdächtiger einer Beziehungstat wurden erkennbar
BILD.DE erhielt eine Rüge, weil die Redaktion identifizierbar über ein Tötungsdelikt berichtete. Unter der Überschrift „Polizei findet Blutspuren im Haus von Maries Freund” zeigte BILD.DE ein gepixeltes Foto des Opfers, welches jedoch Merkmale wie Figur und Haarfarbe zeigte. In Verbindung mit zusätzlichen Angaben im Text wie der Berufsbezeichnung wurde es für einen weiteren Personenkreis erkennbar. Ein Einverständnis der Angehörigen lag nicht vor. Wegen des lediglich mit einem Augenbalken versehenen Gesichts und eines Fotos seines Wohnhauses wurde auch der Tatverdächtige erkennbar. In beiden Fällen sah der Presserat schwere Verstöße gegen den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 und die Richtlinien 8.1 und 8.2.
Bericht über Prozess war vorverurteilend
BILD.DE wurde für einen übertrieben sensationellen Prozessbericht unter der Überschrift „Kulturwissenschaftlerin (46) vergewaltigte Ex-Mann (69)” gerügt. Die Redaktion schilderte Einzelheiten von sexuellen Handlungen und stellte diese auch als Tatsachen dar, obwohl es sich zum Zeitpunkt des Prozesses lediglich um Vorwürfe handelte. Die Redaktion verstieß damit gegen Ziffer 13 des Pressekodex, wonach Medien nicht vorverurteilen dürfen. Die detaillierte Schilderung der intimen Handlungen ging zudem über das öffentliche Interesse heraus und bediente Sensationsinteressen nach Ziffer 11 des Pressekodex.
Fotos von Todesopfer gezeigt
BILD.DE wurde gerügt wegen eines schweren Verstoßes gegen den Opferschutz nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2 des Pressekodex. Unter der Überschrift „Vermisster Jay (19) lag tot in der Schlucht” zeigte die Redaktion mehrere Porträts eines Verunglückten, obwohl die Suche nach ihm bereits abgeschlossen war. Eine Einwilligung der Angehörigen zur Veröffentlichung lag offenbar nicht vor.
Produktbeschreibung in Superlativen
PROFIFOTO.DE wurde gerügt für einen Beitrag unter der Überschrift „Für den perfekten Fotodruck“. Der Artikel pries einen Inkjet-Fotodrucker in werblicher Sprache und mit zahlreichen Superlativen an, ohne die durchweg positive Bewertung gegenüber anderen Produkten am Markt oder anhand objektiver Kriterien einzuordnen. Der Beschwerdeausschuss sah darin einen schweren Verstoß gegen das Verbot von Schleichwerbung gemäß Ziffer 7, Richtlinie 7.2 des Pressekodex.
„Verlagsangebot“ ist kein Synonym für „Anzeige“
Wegen eines schweren Verstoßes gegen das Gebot der Trennung von Werbung und Redaktion aus Ziffer 7 des Pressekodex wurde die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG gerügt. Der Verlag hatte in der Print- und Onlineausgabe ein Ranking zu privaten Vorsorgeprodukten eines verlagseigenen Instituts in Kooperation mit einem weiteren namentlich genannten Institut veröffentlicht. Die Veröffentlichungen waren u.a. als „Verlagsangebot“ gekennzeichnet. Gemäß der Stellungnahme des Verlags gegenüber dem Presserat handelte es sich jedoch um Anzeigen und damit um nicht-redaktionelle Inhalte. Als solche hätten sie jedoch eindeutiger gekennzeichnet werden müssen. In der vorliegenden Form entstand hingegen für die Leserschaft der Eindruck einer – den journalistischen Standards folgenden – redaktionellen Sonderveröffentlichung.
Lingerie-Schleichwerbung
Mit einem Interview unter der Überschrift „Heidi und Leni Klum im Interview“ über eine gemeinsame Lingerie-Kampagne überschritt GLAMOUR.DE deutlich die Grenze zur Schleichwerbung. In dem Interview mit den beiden Models wurde die Unterwäsche mehrfach in Wort und Bild werblich dargestellt. Am Ende des Artikels war zudem der Online-Shop der Modemarke verlinkt. Der Beschwerdeausschuss sah die Berichterstattung in dieser Form als nicht mehr von einem öffentlichen Interesse gemäß Richtlinie 7.2 des Pressekodex gedeckt an.
Testbericht verschleiert werblichen Charakter
Einen schweren Verstoß gegen den Pressekodex sah der Presserat in einem Produkttest unter der Überschrift „Die Top-Produkte im Nasensprays-Vergleich“ auf WELT.DE. Der Beitrag hatte trotz der Nennung eines Kooperationspartners eine weitgehend redaktionelle Anmutung. In dem umfangreichen Produktvergleich waren neben Kennzeichnungen wie „Vergleichssieger“ oder „Preis-Leistungs-Sieger“ auch „Highlight“-Produkte aufgeführt, die als Anzeigen gekennzeichnet waren. Alle Produkte waren mit sogenannten Affiliate-Links zu Online-Shops versehen. Erst am Ende des umfangreichen Artikels (angegebene Lesedauer: 31 Minuten) erfolgte ein Hinweis, dass die Inhalte der Seite von dem Kooperationspartner bereitgestellt seien und keine redaktionelle Prüfung erfolgt sei. Nach Ansicht des Beschwerdeausschusses verstößt diese Konstruktion deutlich gegen die in Ziffer 7 des Pressekodex geforderte klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.
Link erweckt redaktionellen Anschein
NORDBAYERN.DE wurde gerügt für die Veröffentlichung eines Links mit dem Text „Neuer Top-Mähroboter ohne Begrenzungskabel: Mit Vierrad-Antrieb für Steigungen von bis zu 80 %“ in einem redaktionellen News-Ticker. Der Link führte zu einer Anzeige für Mähroboter. Der Presserat beanstandete, dass die Verlinkung nicht als Bestandteil der Anzeige erkennbar war und stellte einen Verstoß gegen Ziffer 7, Richtlinie 7.1 des Pressekodex fest. Der Link hätte als Werbung gekennzeichnet werden müssen, da er einen redaktionellen Anschein erweckte.
Luxuswohnungen angepriesen
Die LÜBECKER NACHRICHTEN erhielten eine Rüge für einen Artikel unter dem Titel „Luxus in Traumlage: So könnte man wohnen …“. Der Beitrag beschäftigte sich mit zur Vermietung angebotenen Luxuswohnungen. Der Presserat erkannte in der Veröffentlichung Schleichwerbung nach Ziffer 7, Richtlinie 7.2 Pressekodex, da die Wohnungen in anpreisender Art und Weise beschrieben wurden.
Statistik:
20 öffentliche Rügen, 19 Missbilligungen und 20 Hinweise. 47 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet, 1 Beschwerde war begründet, es wurde aber auf eine Maßnahme verzichtet. Insgesamt behandelt wurden 123 Beschwerden. Bei 16 Beschwerden handelte es sich um Einsprüche und Wideraufnahmen.