Rüge für BILD-Bericht "Schmutzkampagne der SPD"
BILD hatte unter dem Titel „Neue Schmutzkampagne bei der SPD“ über einen angeblichen Mailverkehr zwischen Juso-Chef Kevin Kühnert und einem Russen berichtet, der sich nachträglich als Satire-Aktion der Zeitschrift Titanic herausstellte. Obwohl die SPD in dem Artikel die angeblichen Mails ihres Juso-Chefs mit offensichtlichen Argumenten wie der falschen Endung der Email-Adresse dementierte, veröffentlichte BILD die Geschichte trotzdem. Vor allem aber suggerierte sie dem Leser auf der Titelseite, dass es eine „neue Schmutzkampagne“ bei der SPD gebe – dem nicht so war. Der Presserat sieht darin einen schweren Verstoß gegen das Wahrhaftigkeitsgebot in Ziffer 1 des Pressekodex. Diese Irreführung der Leser beschädigt Ansehen und Glaubwürdigkeit der Presse, so der Presserat, der deshalb eine öffentliche Rüge erteilte.
Missbilligung für „GroKo-Hund Lima“
Die SPD hatte sich beim Presserat beschwert, weil BILD einen Hund als Parteimitglied angemeldet und berichtet hatte, dieser dürfe über die Große Koalition mit abstimmen. Die SPD und weitere Beschwerdeführer warfen BILD einen Verstoß gegen die im Pressekodex festgelegten Grenzen der Recherche (Richtlinie 4.1) und gegen das Wahrhaftigkeitsgebot (Ziffer 1) vor. Der Presserat entschied: Die Recherche unter falschen Angaben verletzt in diesem Fall nicht den Pressekodex, da es ein hohes öffentliches Interesse daran gab, ob die Mitgliederentscheidung anfällig für Manipulationen ist. Allerdings erwähnte der Bericht nicht, dass es mit der Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung vor der Abstimmung über die GroKo durchaus einen Sicherungsmechanismus gegen Manipulation gab. Die Überschrift „Dieser Hund darf über die GroKo abstimmen“ ist deshalb unzutreffend. Diesen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex missbilligt der Presserat.
G20: „Krawall-Barbie“ und andere Verdächtige durften gezeigt werden
Der Presserat hält die Veröffentlichung polizeilicher Fahndungsfotos von mutmaßlichen G20-Straftätern für presseethisch akzeptabel. Unter der Überschrift „Polizei sucht diese Krawall-Barbie“ zeigte BILD im vergangenen Dezember eine junge Frau und weitere Personen, die während der G20-Proteste in Hamburg randaliert haben sollen. Beschwerden darüber wies der Presserat als unbegründet zurück, da die Fotos aus einer öffentlichen Fahndung nach einem entsprechenden Gerichtsbeschluss übernommen wurden. Ebenso musste sich BILD darauf verlassen können, dass die Polizei das Alter der jungen Frau und damit auch den Schutz von Minderjährigen bei der Veröffentlichung berücksichtigt hatte. Die Bezeichnung der abgebildeten mutmaßlichen Täter als „Verbrecher“ oder „Chaoten“ stellt in diesem Fall auch keine Vorverurteilung, sondern eine gerade noch zulässige Zuspitzung dar, zumal BILD im Text immer auch wieder von „Tatverdächtigen“ spricht. Da die G20-Proteste unter den Augen der Weltöffentlichkeit stattfanden, was jedem Teilnehmer damals bewusst sein musste, wurden aus Sicht des Presserats auch keine Persönlichkeitsrechte verletzt.
Dieter Wedel: Verdachts-Berichterstattung war von öffentlichem Interesse
Beschwerden gegen ZEIT Online wegen der Berichterstattung über den Fall Dieter Wedel bewertet der Presserat als unbegründet. ZEIT Online hatte zwei Artikel aus der Printausgabe der ZEIT zusammengefasst, die dem Regisseur schwere sexuelle Nötigung vorwerfen. Schauspielerinnen hatten strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen Wedel erhoben. Dieser hatte sich, mit dem Vorgang konfrontiert, hierzu auch gegenüber der ZEIT geäußert. Der Presserat hält beide Artikel für eine vorbildliche Verdachtsberichterstattung über einen Fall von hohem öffentlichen Interesse. Die Berichterstattung zeigt die Dimension eines bislang wenig beachteten gesellschaftlichen Missstands auf, so das Gremium. Die nach Ziffer 13 maßgebliche Unschuldsvermutung wurde hier ausreichend gewahrt. ZEIT Online konnte nicht nur eine äußerst sorgsame Recherche vorweisen, sondern auch belegen, dass Dieter Wedel ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Vorwürfen erhalten hatte. Einen Medienpranger erkennt der Presserat nicht.
Fotos verletzen Opferschutz
Wegen einer Verletzung des Opferschutzes nach Ziffer 8 Richtlinie 8.2 Pressekodex wurden TZ München und BILD Online gerügt. Die TZ hatte unter dem Titel „Wer hat Katharina auf dem Gewissen“ über den gewaltsamen Tod einer Prostituierten in Regensburg berichtet und ein Foto der Frau veröffentlicht, durch das sie identifizierbar wurde. BILD Online hatte unter der Überschrift „Backpackerinnen in Hostel tot aufgefunden“ über zwei junge Touristinnen informiert, die in Kambodscha tot in ihrer Unterkunft aufgefunden wurden. Der Artikel enthielt die vollen Namen der jungen Frauen sowie Fotos von ihnen. In beiden Fällen war die identifizierende Berichterstattung nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt und stellt einen groben Verstoß gegen den Persönlichkeitsschutz der Opfer dar.
Zeitung bildet Demütigung noch einmal ab
Der Presserat rügt BILD Online wegen eines Verstoßes gegen den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 des Pressekodex und Wahrung der Menschenwürde nach Ziffer 1. Unter der Überschrift „Sieben Jahre Knast für mieses Rache-Video“ berichtete BILD Online über einen Mann, der seine Freundin zwang, nackt auf die Straße zu gehen und sie dabei filmte. Die Redaktion veröffentlichte einen Screenshot des Videos, in dem das Opfer nackt von hinten zu sehen ist. Obwohl die Frau auf dem Foto nicht erkennbar ist, muss sie durch die wiederholte Veröffentlichung ihre Demütigung noch einmal erleben. Dies liegt nicht im öffentlichen Interesse und ist entwürdigend, urteilte der Presserat.
Zeitung übernimmt ungeprüfte Informationen von Facebook
EXPRESS Online erhielt eine Rüge für einen Beitrag unter dem Titel „Nach dem Tod eines Kindes (7): Heftige Vorwürfe gegen Düsseldorfer Notarztpraxis.“ In dem Artikel hatte die Redaktion über einen Facebook-Beitrag einer Frau berichtet, in dem diese behauptete, dass ihr 7-jähriger Sohn gestorben sei, weil er bei drei Arztbesuchen nicht richtig behandelt wurde. Am Ende des Beitrages hieß es zudem, dass die Frau der Salafisten-Szene angehören solle. Der Presserat erkannte hier einen schweren Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 Pressekodex, da die Redaktion die Darstellung der Frau ungeprüft übernommen und zudem einen rein spekulativen Hinweis auf eine Verbindung zu Salafisten hinzugefügt hatte.
Falsche Aussage über schlechte Schüler
„Schüler im Saarland immer schlechter“ überschrieb die BILD in ihrer Regionalausgabe Saarland einen Artikel über eine Bildungsstudie, die einen Leistungsvergleich von Viertklässlern von 2011 auf 2016 enthielt. Die betreffende Studie gab diese Aussage jedoch nicht her. Der Beschwerdeausschuss sieht darin einen schweren Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht und rügte BILD.
Prozessberichte unter der Gürtellinie
Die SCHWÄBISCHE ZEITUNG erhielt eine Rüge für ihre Berichterstattung über ein Strafverfahren, die die Persönlichkeitsrechte eines Verbrechens-Opfers schwer verletzte. Um dem Opfer kein weiteres Leid zuzufügen, ist diese Rüge nicht-öffentlich. Daher ist die Zeitung hier nicht zum Abdruck der Rüge verpflichtet.
Drei Rügen wegen Schleichwerbung
Wegen Schleichwerbung wurden JOLIE de, die WILHELMSHAVENER ZEITUNG und die Zeitschrift KINDER gerügt. JOLIE.de hatte unter dem Titel „Das ist das beste Shampoo aus der Drogerie“ über ein Haarpflegeprodukt berichtet. Diese Art der Darstellung überschreitet die Grenze zwischen einer Berichterstattung von öffentlichem Interesse und Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 Pressekodex. Gleiches gilt für den Artikel mit der Überschrift „Eine Medizin für die ganze Familie“ in der WILHELMSHAVENER ZEITUNG über ein Erkältungsmittel. Das Präparat wurde in dem Beitrag völlig unkritisch und mit werblicher Sprache beschrieben. Auch war weder ein Alleinstellungsmerkmal für das Produkt erkennbar noch wurden Konkurrenzprodukte genannt. Die Zeitschrift KINDER erhielt eine Rüge für ein Kurzinterview mit einer bei einem Lebensmittelkonzern beschäftigten Ökotrophologin, in dem ein konkretes Produkt ihres Arbeitgebers hervorgehoben und wurde, sowie für einen Artikel, der ohne erkennbaren Grund die Batterien eines bestimmten Herstellers herausstellte.
Statistik
Die Ergebnisse: 9 öffentliche Rügen, 1 nicht-öffentliche Rüge, 20 Missbilligungen und 50 Hinweise. Der Presserat bewertete 13 Beschwerden als begründet, verzichtete jedoch auf eine Maßnahme. 89 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet.