Presserat bereitet sich auf Selbstkontrolle für Online-Presse vor
Der Deutsche Presserat beabsichtigt, seine Zuständigkeit auf journalistisch-redaktionelle Inhalte der elektronischen Presse auszudehnen. Hierzu hat er eine Expertenkommission einberufen, die bereits am 3. März tagte. Neben der Klärung der Verantwortung für Inhalte und mögliche Ergänzungen desPressekodex sind die Anforderungen an das Beschwerdeverfahren sowie der Umfang der Selbstverpflichtung der Verlage zu klären. Die Arbeitsgruppe wird im April weiter beraten und plant, Mitte dieses Jahres den Entschlussgremien des Presserats konkrete Vorschläge zur Erweiterung zu unterbreiten.
Im Rahmen seiner Plenumssitzung diskutierte das Gremium ebenfalls über die Ziffer 12 und die Richtlinie 12.1 des Pressekodex. Die Ziffer 12 des Pressekodex lautet:
Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.
In der Richtlinie heißt es:
In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.
Anlass war neben einer aktuellen Beschwerde, die vom Beschwerdeausschuss 1 in das Plenum zur Klärung gereicht worden war, auch die Kritik von Lesern und Chefredakteuren an der Richtlinie. Bei der Berichterstattung über Straftaten wurde nach bisheriger Spruchpraxis des Presserats auf den „begründbaren Sachbezug“ abgezielt. Wird über eine Straftat unter Nennung der Ethnie oder der Staatszugehörigkeit ohne einen solchen begründbaren Sachbezug berichtet, so erkennt der Presserat in der Regel einen Verstoß gegen die Richtlinie. Einige Chefredakteure sowie viele Leser sehen hierin jedoch eine Kollision mit der Wahrheitspflicht von Journalisten. Die Leser wollten „Ross und Reiter“ genannt bekommen. Das Verschweigen derartiger Tatsachen nütze niemandem, so die Argumentation.
Das Plenum erkannte in der Diskussion, dass die Formulierung der Ziffer 12 in Verbindung mit der Richtlinie 12.1 Anlässe für Missverständnisse bietet. Es strebt an, alsbald eine klarere Formulierung als bisher in den Kodex aufzunehmen. Hierzu wird es im September eine öffentliche Veranstaltung mit Fachleuten geben.
Das Plenum des Presserats begrüßt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 2008 zur Online-Durchsuchung ausdrücklich. Der Presserat stellt jedoch gleichzeitig klar, dass ein komplettes Verbot ein deutlicheres Zeichen für die Pressefreiheit gewesen wäre. Das Gericht hatte das nordrhein-westfälische Gesetz zu Online-Durchsuchungen für nichtig erklärt. Staatlichen Ermittlern sei die Durchsuchung von Computern nur dann erlaubt, wenn „überragend wichtige Rechtsgüter wie Menschenleben oder der Bestand des Staates konkret gefährdet sind“, so das Urteil. Auch sei eine vorherige richterliche Anordnung grundsätzlich notwendig. Der Kernbereich privater Lebensführung sei so umfassend wie möglich zu schützen. Der Presserat erkennt an, dass hohe rechtliche Hürden für den diskreten Zugriff auf Online-Daten durch das Urteil gesetzt worden sind. Die tatsächliche Anwendung müsse jetzt jedoch beweisen, dass diese auch beachtet werden. „Ein Passus im Gesetz, der den Schutz von Journalisten und anderen Berufsgeheimnisträgern vorsieht, würde für die Pressefreiheit ein noch deutlicheres Zeichen setzen“, so Manfred Protze, neuer Sprecher des Presserats, auf der Sitzung.