Gebrauchsanweisung für illegale Software
Die beiden Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserats sowie der Beschwerdeausschuss zum Redaktionsdatenschutz tagten am 3., 4. und 5. März 2009 in Bonn.
Ziffer 1 des Pressekodex verletzt sah der Beschwerdeausschuss durch eine Berichterstattung der Zeitschrift PC-WELT. Diese hatte über die „15 illegalsten Hacker-Tools“ berichtet und deren Funktionsweise ausführlich dargestellt. Eine solche Berichterstattung über nicht legale Programme entspricht nicht den journalistischen Grundsätzen. Das Ansehen der Presse gerät in Gefahr, wenn eine Zeitschrift „Gebrauchsanweisungen“ für verbotene Software gibt. Ziffer 1 besagt:
Ziffer 1 - Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.
Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.
Gegen die Zeitung RHEINPFALZ (Zweibrücker Rundschau) hat der Beschwerdeausschuss eine nicht-öffentliche Rüge ausgesprochen. Sie habe gegen das Persönlichkeitsrecht verstoßen, das in Ziffer 8, Richtlinie 8.4 des Pressekodex geschützt wird, urteilte das Gremium.
Die Redaktion hatte eine mit zahlreichen Rechtschreibfehlern durchsetzte Pressemitteilung einer Partei im Original abgedruckt. Dadurch wurde der Absender, der offensichtlich an einer Rechtschreibschwäche leidet, öffentlich bloßgestellt. Der Ausschuss erkannte hier einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Der Abdruck der Pressemitteilung war nicht durch ein öffentliches Interesse legitimiert und erfolgte sogar im Wissen um die Schwäche des Absenders. Außerdem veröffentlichte die Zeitung mehrere Leserbriefe, in denen sich Leser über die schwache Orthografie lustig machten. Der Ausschuss hielt beides für eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte.
Richtlinie 8.4 - Erkrankungen
Körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden fallen grundsätzlich in die Geheimsphäre des Betroffenen. Mit Rücksicht auf ihn
und seine Angehörigen soll die Presse in solchen Fällen auf Namensnennung und Bild verzichten und abwertende Bezeichnungen der Krankheit oder der Krankenanstalt, auch wenn sie im Volksmund anzutreffen sind, vermeiden. Auch Personen der Zeitgeschichte genießen über den Tod hinaus den Schutz vor diskriminierenden Enthüllungen.
Die BILD-Zeitung (Ausgaben Ostwestfalen und Münsterland) wurde gerügt für die Berichterstattung über einen Verkehrsunfall, bei dem drei junge Leute starben. Beigestellt waren Fotos der Toten und die Schlagzeile „Das letzte Foto – Drei Stunden später ist dieses Liebespaar tot“. Im Text wurde über die Unfallopfer mit Vor- und abgekürzten Nachnamen berichtet. Durch die Veröffentlichung der Bilder und die Namensangaben wurden die Betreffenden eindeutig identifizierbar. Dies verletzt das Persönlichkeitsrecht nach Richtlinie 8.1, Abs. 1. Dort heißt es:
Richtlinie 8.1 - Nennung von Namen/Abbildungen
Bei der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren veröffentlicht die Presse in der Regel keine Informationen in Wort und Bild, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. Mit Rücksicht auf ihre Zukunft genießen Kinder und Jugendliche einen besonderen Schutz. Immer ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse allein können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen.
Den Hinweis in einer Bildunterzeile, eines der Opfer sei „zerquetscht“ worden, wertete der Beschwerdeausschuss zudem als unangemessene Darstellung nach Ziffer 11:
Ziffer 11 - Sensationsberichterstattung, Jugendschutz
Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Die Presse beachtet den Jugendschutz.
Wegen Schleichwerbung verhängte der Beschwerdeausschuss eine Rüge gegen die KÖLNER ILLUSTRIERTE. Dem Ausschuss lagen Belege dafür vor, dass die Zeitschrift redaktionelle Beiträge und Anzeigen als Paket an Werbetreibende verkauft hat. Das verstößt gegen den in Ziffer 7 Pressekodex festgehaltenen Grundsatz, dass Werbung und Redaktion klar voneinander getrennt werden müssen und redaktionelle Berichterstattung unabhängig von finanziellen Gegenleistungen erfolgen muss. Richtlinie 7.2 besagt:
Richtlinie 7.2 - Schleichwerbung
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird.
Wegen der Veröffentlichung zweier Artikel über das Sultanat Oman sowie ein Wellness-Hotel wurde die Zeitschrift REISEFIEBER gerügt. Bei den Veröffentlichungen handelt es sich um nicht als Werbung erkennbare, bezahlte PR-Artikel. Während der Beitrag über das Hotel völlig ohne Kennzeichnung erfolgte, wurde der Artikel über Oman zwar als „Promotion“ bezeichnet. Nach der geltenden Spruchpraxis des Presserats reicht dieser Begriff jedoch nicht aus, um dem Leser den Werbecharakter zu verdeutlichen. Dadurch lag ein Verstoß gegen Ziffer 7 Richtlinie 7.1 vor.
Richtlinie 7.1 – Trennung von redaktionellem Text und Anzeigen
Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass sie als Werbung für den Leser erkennbar sind. Die Abgrenzung vom redaktionellen Teil kann durch Kennzeichnung und/oder Gestaltung erfolgen. Im Übrigen gelten die werberechtlichen Regelungen.
Die Zeitschrift YOGA- AKTUELL wurde wegen eines Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung gerügt, die in Ziffer 13 des Pressekodex festgeschrieben ist. Sie hatte in einem Beitrag über einen prominenten Yoga-Lehrer berichtet, dieser sei von mehreren Frauen des sexuellen Missbrauchs bezichtigt worden. Der Lehrer wurde mit vollem Namen genannt, ein ungepixeltes Foto war zum Text gestellt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gab es lediglich einen Verdacht gegen den Lehrer. Das hätte die Zeitschrift deutlich machen müssen. Die vorliegende Berichterstattung wurde als Verstoß gegen das Gebot der Unschuldsvermutung angesehen.
Ziffer 13 – Unschuldsvermutung
Die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse.
Insgesamt wurden in den drei Beschwerdeausschüssen 97 Beschwerden behandelt. Dabei wurden neben den Rügen 16 Missbilligungen und 21 Hinweise ausgesprochen. In 32 Fällen wurden die Beschwerden als unbegründet erachtet. In vier Fällen wurde die Beschwerde als begründet angesehen, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet. Drei Beschwerden waren nicht aufklärbar. In fünf Fällen hatten sich mehrere Beschwerdeführer gegen dieselbe Veröffentlichung beschwert, hier wird das Ergebnis nur einmal gezählt.