Der Deutsche Presserat steht für Grundrechte der Demokratie ein: Die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit. 1956 als Gegenentwurf zu staatlicher Kontrolle gegründet, hat der Presserat eine lange und wechselhafte Geschichte hinter sich: Vom Widerstand gegen den Entwurf zur "Lex Soraya" über drei Jahre Zwangspause wegen des ungeklärten Abdrucks von Rügen bis hin zur Zuständigkeit für Online-Medien.
20. November 1956: Als Reaktion auf die geplante Einführung eines Bundespressegesetzes gründen fünf Zeitungsverleger und fünf Journalisten den Deutschen Presserat und rufen damit eine freiwillige Instanz der publizistischen Selbstkontrolle ins Leben. Vorbild ist der 1953 gegründete British Press Council. Ein Jahr später tritt der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger dem Selbstkontrollorgan bei.
1958: Mit seiner Stellungnahme zur Berichterstattung über Soraya, der geschiedenen Frau des Schahs von Persien, rückt der Presserat erstmalig ins Licht der großen Öffentlichkeit. Der Presserat wendet mit Erfolg die "Lex Soraya" ab. Der Gesetzesentwurf sah eine Verstärkung des Ehrenschutzes für ausländische Staatsoberhäupter vor.
10. Dezember 1958: Die drei Trägerverbände verabschieden die erste Geschäftsordnung des Deutschen Presserats, die am 1. Januar 1959 in Kraft tritt.
17. Dezember 1959: Das Hanseatische Oberlandesgericht stellt klar, dass die Tätigkeit des Presserats durch die Grundrechte der Meinungs- und Kritikfreiheit sowie der Vereinigungsfreiheit voll gedeckt ist. Der Vorwurf der Zensur ist unbegründet. Das Verfahren war von Henri Nannen, dem Verleger und Herausgeber der Zeitschrift Stern, angestrengt worden.
1960: Als vierter Berufsverband tritt dem Presserat die IG Druck und Papier mit der ihr angehörenden Journalisten-Union bei. Der Presserat legt einen Modellentwurf für ein Landespressegesetz vor und setzt sich in den folgenden Jahren für eine einheitliche Pressegesetzgebung in den Ländern ein.
1962: Wegen der „Spiegel-Affäre“ spricht der Presserat eine öffentliche Warnung zum Schutz der Pressefreiheit aus. Er verurteilt die Verhaftung des Spiegel-Herausgebers Rudolf Augstein und seines Chefredakteurs Conrad Ahlers, denen publizistischer Landesverrat vorgeworfen worden war.
1964: Der Presserat kritisiert die Schließung des dpa-Büros in Moskau und verurteilt die schwere Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Falschmeldung vom angeblichen Tod des sowjetischen Ministerpräsidenten Chruschtschow.
1966: In nahezu allen Bundesländern treten neue, dem Grundrecht der Pressefreiheit entsprechende, Pressegesetze in Kraft, an deren Durchsetzung der Presserat in Zusammenarbeit mit den Trägerverbänden seit 1960 mitgewirkt hat.
1972: Das Plenum des Presserats verabschiedet eine Beschwerdeordnung für die Arbeit des Beschwerdeausschusses. In Folge des erhöhten Beschwerdeaufkommens gründet das Plenum den "Fördererkreis Deutscher Presserat e.V."
12. Dezember 1973: Der Presserat schreibt die Grundsätze für die publizistische Arbeit im „Pressekodex“ fest und überreicht diesen Bundespräsident Gustav W. Heinemann. Mit dem Pressekodex ist ein Instrumentarium entwickelt worden, an dem seither alle journalistischen Leistungen gemessen werden, die das Gremium zu beurteilen hat.
1975: Die „Abhör-Affäre“ des Stern führt zu einer öffentlichen Rüge des Presserats. Das Nachrichtenmagazin hatte ohne vorheriges Einverständnis der Gesprächspartner die Aufzeichnung eines Telefongesprächs zwischen dem CDU-Generalsekretär Kurt Biedenkopf und dem Vorsitzenden der CDU, Helmut Kohl, abgedruckt. Die Kopie der Aufzeichnung war dem Stern nach eigenen Angaben anonym zugeschickt worden.
25. August 1976: Der Deutsche Bundestag verabschiedet das „Gesetz zur Gewährleistung der Unabhängigkeit des vom Deutschen Presserat eingesetzten Beschwerdeausschusses“. Dieser finanzielle Zuschuss des Bundes, der an keine Gegenleistung geknüpft ist, schafft die Voraussetzung für den erweiterten Tätigkeitsrahmen des Beschwerdeausschusses.
1980: Der Presserat beschäftigt sich intensiv mit den Beschwerden über die Undercover-Recherchen des Publizisten Günter Wallraff in der Hannoveraner Redaktion der Bild-Zeitung.
1982 - 1985: Der Presserat steckt in einer Krise. Wegen der ungeklärten Frage des Abdrucks öffentlicher Rügen lassen die Journalisten ihre Mitarbeit ruhen. Der Presserat stellt seine Arbeit vorübergehend ein.
25. Februar 1985: Die Krise ist überwunden, der Presserat formiert sich auf einer neuen Geschäftsgrundlage. Die vier Trägerverbände - BDZV, DJV, IG Medien/Fachgruppe Journalismus und VDZ - gründen den „Trägerverein des Deutschen Presserats“. Zuvor hatte die Mehrheit aller Verlage in Deutschland dem Abdruck öffentlicher Rügen in den eigenen Publikationen zugestimmt.
25. November 1987: In der als „Kieler Affäre“ bekannt gewordenen Kontroverse um den Tod und die unlauteren Wahlkampfmethoden von Uwe Barschel, dem damaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, macht der Presserat die konstitutive Bedeutung der Pressefreiheit deutlich. Er kommt zu dem Schluss, dass die Berichterstattungen von Spiegel und Stern keine Basis für summarische Verurteilungen der Presse sein können, wie sie wiederholt von maßgebenden Politikern ausgesprochen wurden.
3. Februar 1988: Als Konsequenz der „Kieler Affäre“ fordert der Presserat hinsichtlich der Verquickung von journalistischen Aufgaben und der Wahrnehmung von Regierungsfunktionen eine strikte Trennung der beiden Bereiche, um das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Presse zu gewährleisten.
7. September 1988: Zu der dreitägigen Geiselnahme von Gladbeck im August stellt der Presserat fest, dass es „Interviews mit Geiselnehmern während des Geschehens nicht geben darf“. Es sei nicht die Aufgabe von Journalisten, eigenmächtig Vermittlungsversuche zu unternehmen.
14. Februar 1990: Der Presserat verabschiedet eine Neufassung des Pressekodex und gibt kurz danach erstmals sein „Schwarzweißhandbuch“ heraus, eine Sammlung der Spruchpraxis von 1985-89.
3. Oktober 1990: Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung weitet der Presserat seine Zuständigkeit auf die neuen Bundesländer aus.
20. Februar 1991: Der Presserat fordert ein Ende der Pressezensur im Golfkrieg. Die Journalisten vor Ort waren fast ausschließlich auf Informationen angewiesen, die die kriegführenden Parteien verbreiteten. Dies laufe der wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit zuwider.
18. September 1991: Im Zusammenhang mit dem Strafprozess gegen die Berliner Mauerschützen verurteilt der Presserat die wiederholte Veröffentlichung von Fotos eines erschossenen Mauerflüchtlings. Der Presserat ruft dazu auf, die Persönlichkeitsrechte von Personen zu wahren, die von der Aufarbeitung der DDR-Geschichte betroffen sind.
26. November 1993: Die Verhaltensgrundsätze für Presse/Rundfunk und Polizei werden beschlossen. Ziel ist es einerseits, Behinderungen bei der Polizeiarbeit zu vermeiden, und andererseits die freie Ausübung der Presse zu gewährleisten. Beschlossen werden die Verhaltensgrundsätze von der Innenministerkonferenz gemeinsam mit dem Deutschen Presserat, den Zeitungs- und Zeitschriftenverlegerverbänden, ARD, ZDF, dem Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation sowie den journalistischen Berufsverbänden.
1994: Der Presserat protestiert mit Nachdruck gegen Durchsuchungsaktionen verschiedener Tageszeitungen und des Nachrichtenmagazins Focus. In den Aktionen von Polizei und Staatsanwaltschaft sieht der Presserat den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit missachtet und fordert die Erweiterung des Zeugnisverweigerungsrechts auch auf selbstrecherchiertes Material.
23. November 1994: Der Presserat äußert sich zum Umgang der Presse mit dem Geiseldrama von Fulda/Driesdorf am 31.10./1.11.1994. Die Mehrzahl der Medienvertreter hätte sich korrekt verhalten. Somit hätten sich die schlimmen Erfahrungen aus dem Geiseldrama von Gladbeck insgesamt positiv niedergeschlagen, so das Fazit. Zwei Fälle werden vom Beschwerdeausschuss jedoch sanktioniert: Eine Zeitung erhielt eine Rüge, nachdem sie ein telefonisches Interview mit den Geiselnehmern während der Tat geführt und veröffentlicht hatte. Eine zweite Zeitung erhielt eine Missbilligung für die Veröffentlichung eines Interviews in Auszügen, das von einem TV-Sender geführt worden war.
23. November 1994: Ausgelöst durch die wachsende Bereitschaft zu "Amigo-Verhalten" unter Journalisten beschließt der Presserat die Überarbeitung der Richtlinie 15.1 des Pressekodex. Die Neufassung weist explizit darauf hin, dass Recherche und Berichterstattung durch eine mittels Vergabe bzw. Annahme von Geschenken, Rabatten oder Einladungen bedingte Gewährung von Informationen weder beeinflusst noch behindert werden darf.
7. April 1995: Bundespostminister Wolfgang Bötsch überreicht in Bonn dem Presserat die Sonderbriefmarke „Freiheit der Meinungsäußerung“.
14. Februar 1996: Der Presserat beschließt eine weitere Neufassung des Pressekodex. Der Kodex wird für die Nutzer übersichtlicher und praktikabler.
20. November 1996: Der Presserat feiert sein vierzigjähriges Jubiläum und legt zu diesem Anlass sein zweites "Schwarzweißbuch" vor, in dem die Spruchpraxis von 1990 bis 1995 dokumentiert ist.
31. August/1. September 1997: Aus Anlass des tödlichen Unfalls von Prinzessin Diana in Paris erinnert der Presserat nachdrücklich an die Einhaltung der publizistischen Grundsätze, die bei der Recherche und der Veröffentlichung über Unfallereignisse zu beachten sind. Der Presserat warnt vor "Paparazzi"-Methoden und appelliert an die Medien, die Persönlichkeitsrechte und die Würde des Menschen höher zu bewerten als kommerzielle Interessen.
19. November 1997: Der Presserat fordert bei der gesetzlichen Regelung zur akustischen Wohnraumüberwachung ('Großer Lauschangriff') das Zeugnisverweigerungsrecht der Presse und des Rundfunks sicherzustellen. Außerdem müsse die Vertraulichkeit zwischen Journalist und Informant gewährleistet sein. Zur Wahrung der Pressefreiheit und der Sicherung des Informantenschutzes müsse die Überwachung von Redaktionsräumen von vornherein durch Gesetz ausgeschlossen werden.
25. November 1998: Der Presserat protestiert gegen die zunehmende Praxis von Polizei und Staatsanwaltschaft, bei ihren Ermittlungen die Telefondaten von Journalisten zu nutzen. Er weist auf den von sämtlichen Medienorganisationen im Oktober 1997 vorgelegten Gesetzesvorschlag zur Novellierung des Zeugnisverweigerungsrechts hin. Er appelliert an den Gesetzgeber, die Beratungen hierzu wieder aufzunehmen.
14. Juni 1999: Der Deutsche Presserat gründet in London mit weiteren europäischen Presseräten das Netzwerk "Unabhängige Presseräte in Europa", die AIPCE (Alliance of Independent Press Councils of Europe).
18. November 1999: Der Deutsche Presserat warnt vor der geplanten Änderung des Datenschutzgesetzes, das die Pressefreiheit massiv bedroht. Die Bundesregierung zieht nach der Kritik des Presserats und dem dadurch verursachten öffentlichen Druck den Gesetzesentwurf zurück.
9. Mai 2000: Bundesinnenminister Otto Schily und der Deutsche Presserat stellen das gemeinsame Konzept für den Datenschutz im Medienbereich vor. Nach diesem Modell wird das novellierte Bundesdatenschutzgesetz die Standards für den technischen Datenschutz vorgeben. Der Deutsche Presserat verpflichtet sich hingegen, eine wirksame freiwillige Selbstkontrolle der redaktionellen Datenverarbeitung zu schaffen. Diese soll durch ein Beschwerdeverfahren gewährleistet werden. Damit beginnt für den Presserat ein neues Kapitel in seiner 45-jährigen Geschichte.
28./29. September 2000: Auf Einladung des Deutschen Presserats treffen sich in Bonn die Vertreter von 15 Medienselbstkontrollorganen aus Europa. Es ist nach der Gründung 1999 das 2. Treffen der Alliance of Independent Press Councils of Europe (AIPCE). Die Delegierten diskutieren u. a. über die Kodifizierung der Europäischen Grundrechtecharta.
5. Oktober 2000: Gemeinsam mit den Presseräten aus Österreich und der Schweiz appelliert der Presserat an den europäischen Gesetzgeber, bei der Kodifizierung der Grundrechtecharta die Grundrechte der Informations- und Pressefreiheit verantwortungsvoll zu respektieren. Der bisherige Entwurf missachte diese Anforderungen.
28. November 2001: Eine Neufassung des Pressekodex wird Bundespräsident Johannes Rau überreicht. Berücksichtigt wird darin die neue Zuständigkeit für den Redaktionsdatenschutz.
19. September 2001: Anlässlich der Berichterstattung zu den Terroranschlägen in den USA ruft der Presserat die Medien dazu auf, besonnen und kritisch zu berichten. Die Berichterstattung über die Anschläge dürfe nicht Feindbildern Vorschub leisten.
29. Juni 2002: Marianne Birthler, Bundesbeauftragte für Unterlagen der Stasi, diskutiert mit dem Presserat über die Novellierung des Stasi-Unterlagen Gesetzes. Der Deutsche Presserat spricht sich für eine zügige Novellierung aus und vertritt die Meinung, dass Stasi-Aufarbeitung und Opferschutz sich nicht widersprechen.
29. Januar 2004: Der Deutsche Presserat stellt den ersten Tätigkeitsbericht „Datenschutz in Redaktionen“ der Öffentlichkeit vor. Der Bericht dokumentiert die Ergebnisse nach zwei Jahren Freiwilliger Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz. Er wird Bundesinnenminister Otto Schily in Berlin überreicht.
22. September 2004: Der Presserat veranstaltet eine Diskussionsrunde mit Experten zum Thema: „Presseethik zwischen Jugendschutz und Pressefreiheit - Wie sind Gewaltfotos in Zeitungen und Zeitschriften zu bewerten?“ Anlass war die Häufung von Beschwerden über Fotos von Menschen, die bei Unfällen zu Tode kamen oder durch Verbrechen und Kriege.
2. März 2005: Das Plenum des Deutschen Presserats erweitert Ziffer 12 des Pressekodex. Auf Anregung von Behindertenverbänden und Betroffenen fügt der Presserat einen Passus gegen die Diskriminierung von Behinderten in die Publizistischen Grundsätze ein.
9. Juni 2005: Der Presserat fordert eine klare Kennzeichnung von Werbung. Er appelliert an Zeitungen und Zeitschriften, Werbung und redaktionellen Teil strikt zu trennen und werbliche Inhalte klar zu kennzeichnen.
2. März 2006: Der Pressekodex wird um eine spezielle Richtlinie zur Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung erweitert. Der Presserat reagiert damit auf eine Novellierung des Wertpapierhandelsgesetzes. Die Regelungen dieses Gesetzes, soweit sie die Erstellung und Veröffentlichung von Finanzanalysen behandeln, werden nun für Journalisten durch die freiwillige Selbstkontrolle ersetzt.
11. Juli 2006: Der Presserat darf Verlage missbilligen und auf journalistische Sorgfaltsverstöße hinweisen. Das stellt das Oberlandesgericht Köln in einem Urteil klar. Die Berechtigung des Deutschen Presserats folge aus dem Recht zur freien Meinungsäußerung aus Art. 5 GG. Seine Sanktionen seien durch ethische Vorstellungen geprägt. Damit bestätigt das Gericht ein Grundsatzurteil aus dem Jahr 1959 zur Beschwerdearbeit. Anlass für das Urteil war ein Rechtsstreit zwischen der Zeitschrift Öko-Test und dem Presserat. Die Zeitschrift hatte eine Rüge des Presserats als Eingriff in die redaktionelle Unabhängigkeit und als willkürlich bezeichnet.
20. November 2006: Der Deutsche Presserat wird 50! Die Mitglieder begrüßen bei ihrem Jubiläum in Berlin Bundespräsident Horst Köhler. Dieser unterstreicht die Bedeutung des Presserats als Organ der freiwilligen Selbstkontrolle. Köhler erhält eine novellierte Fassung des Pressekodex. Außerdem wurde die Beschwerde- und Geschäftsordnung überarbeitet. Wichtigste Neuerung: Der Presserat bringt mehr Transparenz in die einzelnen Abläufe des Beschwerdeverfahrens. In die Überarbeitung der Publizistischen Grundsätze sind Erkenntnisse aus den Beschwerdeausschüssen, aktuelle Entwicklungen sowie externer Sachverstand eingeflossen.
16. März 2007: Der Deutsche Presserat begrüßt das „Cicero“-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das Gericht stärkt die Pressefreiheit mit der Feststellung, dass die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses nicht ausreicht, Durchsuchungen in Redaktionen zu begründen.
17. April 2007: Der Presserat und andere Medienverbände fordern das Bundeskabinett auf, den Gesetzesentwurf zur Telekommunikationsüberwachung und zur Vorratsdatenspeicherung nicht zu verabschieden. Er gefährdet die Pressefreiheit und höhlt den Informantenschutz aus. Journalisten können so ihren Informanten nicht mehr garantieren, dass sie geschützt sind. Der Presserat erhebt in den kommenden Monaten immer wieder seine Stimme und organisiert parallel zu den Beratungen im Bundestag ein öffentliches Hearing.
19. März 2008: Der Presserat begrüßt mit anderen Medienverbänden den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 2008 zur Vorratsdatenspeicherung als einen „Etappensieg für den Informantenschutz". Das Bundesverfassungsgericht hatte an diesem Tag einzelne Bestandteile des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung vorläufig gestoppt.
23. und 24. Oktober 2008: Das 10. Treffen europäischer Presseräte, der Alliance of Independent Press Councils of Europe (AIPCE), findet in Berlin statt. Schwerpunkt des Treffens ist die Selbstregulierung journalistischer Inhalte im Internet.
27. November 2008: Gemeinsam mit ARD, ZDF, Verleger- und Journalistenverbänden positioniert sich der Presserat zum BKA-Gesetz („Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt“). Der Presserat appelliert nachdrücklich an den Gesetzgeber, das Zeugnisverweigerungsrecht für Berufsgeheimnisträger ohne Einschränkungen sicherzustellen.
1. Januar 2009: Mit Beginn des neuen Jahres ist der Deutsche Presserat auch für die Bearbeitung von Beschwerden über Telemedien mit journalistisch-redaktionellem Inhalt zuständig, die in der Verantwortung von Verlagen stehen.
12. Januar 2009: Vertreter des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma sowie des Deutschen Presserats treffen sich in Berlin zu einem Erfahrungsaustausch. Gemeinsames Anliegen ist, diskriminierende Stereotype und Vorurteile in der medialen Thematisierung von Minderheiten zu vermeiden. Gleichwohl existieren unterschiedliche Auffassungen über die geeigneten Mittel, dieses Ziel im Rahmen der Pressefreiheit zu erreichen.
19. Mai 2009: 79 Beschwerden zur Berichterstattung über den Amoklauf von Winnenden gehen beim Presserat ein. 47 Fälle werden in den Beschwerdeausschüssen behandelt. Zwei öffentliche und eine nicht-öffentliche Rüge werden ausgesprochen. Für besonders viel Kritik sorgt die ganzseitige Fotomontage einer Boulevardzeitung, die den Amoktäter in einem Kampfanzug in heroischer Poste zeigt. Auch eine Grafik, die die Situation in einem Klassenzimmer nachzeichnet, wird gerügt. Im September des gleichen Jahres diskutiert der Presserat gemeinsam mit Experten aus der Wissenschaft über die möglichen Folgen der Berichterstattungen über Amokläufe.
10. Mai 2009: Der Presserat und andere Medienverbände nehmen zum geplanten Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in der Informationstechnik des Bundes (IT-Sicherheitsgesetz) Stellung. Die Überwachungsbefugnisse seien zu weitgehend. Mindestens müsste der Schutz der beruflichen Kommunikation von Journalistinnen und Journalisten gewährleistet sein. Der Informantenschutz dürfe auf diesem Weg nicht ausgehöhlt werden.
3. März 2010: Der Deutsche Presserat begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Gesetzgebung zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt. Das Plenum appelliert an den Gesetzgeber, bei einem neuen Gesetz unbedingt die schutzwürdigen Interessen der Journalistinnen und Journalisten zu berücksichtigen.
3. März 2010: Der Presserat appelliert an das Justizministerium, seinen Referentenentwurf zur Änderung der Strafprozessordnung zu überarbeiten. Der dort behandelte § 160a muss umfassender als bislang Journalisten vor Ermittlungsmaßnahmen schützen. Die Plenumsmitglieder unterstreichen das Anliegen der Medienverbände, die Journalisten in den Personenkreis der geschützten Berufsgeheimnisträger aufzunehmen.
14. September 2010: Die Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg, bei der 21 Menschen starben, beschäftigt den Presserat intensiv. Mehr als 240 Beschwerden liegen den Beschwerdeausschüssen über Berichterstattungen vor. Schwerpunkt ist vor allem die Darstellung der Massenpanik in Fotostrecken und Videos sowie die Darstellung der Opfer in Fotos und Artikeln. Die Beschwerden werden zu 13 Sammelbeschwerden zusammengefasst. Die Bilanz: eine Rüge, fünf Missbilligungen und drei Hinweise, vier Beschwerden waren unbegründet.
15. September 2010: Der Deutsche Presserat veranstaltet in Berlin eine Diskussionsrunde zum Thema „Grenzen der Recherche im People-Journalismus – Anforderungen an eine lautere Recherche“. Hintergrund sind die Vorwürfe in den Medien über die Methodenwahl eines bekannten Magazins im Rahmen von Rechercheaktivitäten bei prominenten Politikern.
15. September 2010: Der Presserat erklärt sich auch für moderierte Online-Foren auf Verlagsseiten zuständig, deren Inhalte vorab geprüft werden. Inhalte unmoderierter Foren werden vom Presserat nicht geprüft und bewertet, weil es sich dabei um Äußerungen handelt, die vor der Veröffentlichung nicht der redaktionellen Kontrolle unterliegen.
22. September 2010: Der Deutsche Presserat veröffentlicht seinen vierten Tätigkeitsbericht zum Redaktionsdatenschutz. Darin sind Beschwerden über Print- und Online-Berichterstattungen dokumentiert.
11. Oktober 2010: Die Fälle des Presserats der vergangenen 25 Jahre sind jetzt auch auf der Homepage einsehbar. In einer Datenbank kann nach einzelnen Fällen oder Fallgruppen gesucht werden.
31. Dezember 2010: Mit Blick auf die Beschwerden ist das Jahr 2010 für den Presserat ein Rekordjahr. 1661 Beschwerden werden von Lesern eingereicht, so viel, wie noch nie zuvor. Rund 200 Beschwerden richteten sich gegen ein Titelbild der Satire-Zeitschrift Titanic, mehr als 240 gegen die Berichterstattung über das Loveparade-Unglück.
24. März 2011: Die Wikileaks-Veröffentlichungen sind Thema beim Presserat. Der Spiegel hatte die Dokumente neben anderen Zeitungen exklusiv erhalten. Eine Beschwerde wegen einer Monopolstellung des Spiegels lehnt der Presserat ab. Das Angebot, die Unterlagen exklusiv zu erhalten, sei von Wikileaks gekommen, nicht vom Nachrichtenmagazin. Der Pressekodex kann einem Informanten nicht vorschreiben, dass er sich an mehrere Redaktionen wenden muss. Entscheidend ist, dass nicht die Redaktion diejenige ist, die einem Informanten die Infos als Exklusivmeldung abkauft und damit ein Informationsmonopol anstrebt.
28. März 2011: Der Presserat und andere Medienverbände fordern die Bundestagsfraktionen auf, das Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit endlich zu beschließen. Der Gesetzgeber müsse die freie Recherchearbeit sichern. Bereits einige Monate zuvor hatte der Bundesrat entschieden, das Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit passieren zu lassen. Die Länderkammer schloss sich nicht den Bedenken ihres Rechtsausschusses an, der das geplante Gesetz als überflüssig erachtet hatte. Damit war der Weg frei für die Lesung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag. Das Gesetz zielt auf eine Entschärfung des Paragraphen 353b des Strafgesetzbuches ab. Damit soll ausgeschlossen werden, dass Journalisten von Staatsanwaltschaften allein schon deshalb der Beihilfe zum Geheimnisverrat beschuldigt werden können, weil sie ihnen zugespieltes Material veröffentlichen.
15. September 2011: Der Bombenanschlag in Oslo und der Amoklauf in Utoya beschäftigen den Presserat. Der Presserat kritisiert zwei Veröffentlichungen, in denen eine Vielzahl von Opfern mit Bild und vollem Namen dargestellt wird. Das Gremium diskutiert bei der ethischen Bewertung intensiv die Frage, ob es nach einer derart außergewöhnlichen Tat gerechtfertigt ist, die Opfer zu zeigen. Der Presserat hat eine klare Position: Nur weil Menschen zufällig Opfer eines schrecklichen Verbrechens werden, rechtfertigt dies nicht automatisch eine identifizierende Berichterstattung über ihre Person.
8. Dezember 2011: 49 Beschwerden erhält der Presserat zur Berichterstattung über den Tod des libyschen Diktators Gaddafi. Der Beschwerdeausschuss diskutiert über die Frage, ob ein getöteter Diktator in Fotos und Videos gezeigt werden darf und wenn ja, in welcher Form. Grundsätzlich ist der Presserat der Auffassung, dass der Tod von Diktatoren auch in Bildern festgehalten werden darf. Eine Tabuisierung des Todes in den Medien sollte es nicht geben. Daher werden die meisten Bilder als Dokumente der Zeitgeschichte eingeschätzt. Zwei Boulevardzeitungen zeigen den blutverschmierten Toten jedoch gezoomt und vergrößert auf der Titelseite. Mit Blick auf den Jugendschutz gehen die Art der Darstellung und die Platzierung jedoch zu weit. Die Veröffentlichungen werden missbilligt.
14. März 2012: Die Persönlichkeitsrechte bei der Berichterstattung über Straftaten stehen im Blickpunkt einer Diskussionsrunde des Presserats. Gemeinsam mit Journalisten und Juristen diskutiert das Plenum über eine Novellierung der Ziffer 8. Eine Arbeitsgruppe wird beauftragt, die bisherigen Regeln der Ziffer 8 zu überarbeiten. Ziel ist es, die Regeln für die Kriminalberichterstattung zu konkretisieren. Sie sollen besser anwendbar werden für Redaktionen.
7. Juni 2012: 72 Beschwerden gegen eine Kolumne in der BILD/BILD Online weist der Beschwerdeausschuss zurück. Den Vorwurf der Diskriminierung oder Herabwürdigung von Homosexuellen sieht das Gremium nicht gegeben. Der Kommentar stellte sich kritisch zu dem Gesetzesentwurf, homosexuelle Lebenspartnerschaft mit der Ehe gleichzustellen. Die kritische und zugespitzte Positionierung, die als Meinungsäußerung zu erkennen war, lässt erkennbar Raum für Interpretationen der Leser. Die Ansicht des Autors muss man nicht teilen, sie ist aber vom Recht auf freie Meinungsfreiheit gedeckt, urteilt der Beschwerdeausschuss.
7. Juni 2012: Jubiläum auf der Sitzung des Ausschusses für den Redaktionsdatenschutz. 10 Jahre gibt es den Ausschuss bereits, 136 Fälle wurden seitdem behandelt. Die zunehmende Anzahl an Fällen zeigt die Bedeutung des Ausschusses und die Sensibilität der Bevölkerung für den Schutz ihrer persönlichen Daten im Internetzeitalter. Insgesamt sprach das Gremium seit 2002 sieben Rügen aus.
18. September 2012: Soziale Netzwerke sind Thema beim Presserat. Auf seiner Jahrespressekonferenz in Berlin appelliert Sprecherin Ursula Ernst, mit Inhalten aus Facebook und Co. sorgsam umzugehen. Grundsätzlich gehört Recherche zum legitimen journalistischen Handwerkszeug. Aber nicht alles, was verfügbar sei, dürfe auch ohne Einschränkung veröffentlicht werden. Journalisten müssten zwischen dem Recht der Öffentlichkeit auf Information und dem Recht der Person auf Schutz des Privatlebens sorgfältig abwägen. Hintergrund ist die Zunahme von Beschwerden, in denen Leser die Veröffentlichung von Fotos und Informationen aus sozialen Netzwerken kritisieren.
27. September 2012: Die Zeitschrift Titanic erhält eine Rüge des Presserats wegen ihrer Titelseite. Das Satiremagazin hatte den Papst mit gelb befleckter Soutane gezeigt. Die Überschrift: „Halleluja im Vatikan – die undichte Stelle ist gefunden“. Diese Darstellung ist entwürdigend und ehrverletzend, stellt der Presserat fest. 182 Leser hatten Beschwerde eingereicht.
13. März 2013: Der Presserat hat seine Regeln zum Schutz der Persönlichkeit überarbeitet (Ziffer 8). Insbesondere die ethischen Regeln für die Straftäter- und Opferberichterstattung wurden novelliert. Die neue Fassung beschließt das Plenum am 13. März 2013. Neu ist, dass es jetzt eine getrennte Richtlinie zur Opferberichterstattung und eine eigene Richtlinie zur Kriminalberichterstattung gibt, die sich speziell mit den Tätern und Tatverdächtigen beschäftigt.
14. März 2013: Die diversen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktionen in Redaktionen und bei einzelnen Journalisten veranlassen den Presserat, auf den Quellen- und Informantenschutz hinzuweisen. Außerdem auf den Grundsatz unabhängiger Berichterstattung. Die Aktionen zeigen nach Ansicht des Presserats die Schwäche des Pressefreiheitsgesetzes von 2012. Das Gesetz weist noch Lücken im Schutz gegen Ermittlungsmaßnahmen auf.
14. März 2013: Der Presserat setzt sich kritisch mit den Empfehlungen einer von der EU-Kommission eingesetzten Beratergruppe auseinander, die Vorschläge zur Sicherung der Presse- und Medienfreiheit erarbeitet hat. Er hält den Überlegungen für eine Co-Regulierung das funktionierende System der Freiwilligen Selbstkontrolle entgegen, wie es in Deutschland seit Jahrzehnten praktiziert wird. Eine Überwachung auf Initiative des Staates – auch auf europäischer Ebene – reduziert die Medienfreiheit nach Auffassung des Presserates.
18. April 2013: „Zimperlieschen? Wie deutsche Journalisten mit Kritik umgehen“ – unter diesem Titel veranstaltet der Presserat gemeinsam mit dem Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus der TU Dortmund in Berlin eine Podiumsdiskussion. Vor dem Hintergrund des Leveson-Reports in Großbritannien und den Empfehlungen der EU High-Level Group on Media Freedom and Pluralism geht es um die Frage, wie gut unser System der Medienselbstkontrolle im europäischen Vergleich funktioniert.
6. Juni 2013: Ein Kommentar der taz zum neu gewählten Papst wird gerügt. 50 Beschwerden gehen beim Presserat ein. Der Kommentar erscheint online unter der Überschrift „Alter Sack der Xte“, in der Print-Ausgabe unter der Überschrift „Junta-Kumpel löst Hitlerjunge ab“. Der Inhalt des Kommentars sowie die Online-Überschrift werden nicht beanstandet. Die Print-Überschrift wird vom Beschwerdeausschuss gerügt. Hier wird eine nicht bewiesene Tatsachenbehauptung aufgestellt. Die Erkenntnisse über die Nähe des Papstes zur argentinischen Militärdikatur reichen nicht aus, um sie in der Überschrift so zuzuspitzen. Den Vorwurf der Religionsschmähung sieht der Presserat nicht gegeben.
6. Juni 2013: Der Presserat nimmt einen aktuellen Fall zum Anlass, um an die Pflichten des Berufsgeheimnisses (Ziffer 5) zu erinnern. Das bedeutet im Einzelfall, dass Journalisten vollständigen Gebrauch von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht machen, um einen Informanten zu schützen. Dies schließt insbesondere den Informantenschutz bei zeugenschaftlichen Vernehmungen im Rahmen von Ermittlungsverfahren ein.
13. September 2013: Fünf Rügen erteilt der Presserat der Regenbogenpresse. Fünf Publikationen waren bei Promi-Berichterstattungen zu weit gegangen und hatten mit wilden Spekulationen und Gerüchten gegen das Wahrheitsgebot sowie die Sorgfaltspflicht verstoßen.
12. März 2014: Der Deutsche Presserat fordert den Erlass eines Presse-Auskunftsgesetzes auf Bundesebene. Die Mitglieder appellieren an Bundesregierung und Bundestagsfraktionen, den journalistischen Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden auch spezialgesetzlich zu verankern.
13. März 2013: Der Presserat rügte einen Beitrag in der FAZ.NET zu Spekulation über Bischof Tebartz-van Elst. Die Redaktion hatte Gerüchte über eine mögliche psychische Erkrankung des Bischofs von Limburg wiedergegeben. Eine Stellungnahme des Bischofs oder seines Bruders zu den Spekulationen enthielt der Artikel nicht. Damit hat die Redaktion die Privatsphäre des Bischofs verletzt sowie die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Kodex.
16. Juni 2014: Der Presserat veröffentlicht seinen 5. Tätigkeitsbericht zum Redaktionsdatenschutz. Dieser enthält verschiedene Fallbeispiel für Redaktionen. „Datenschutz ist ein großes Wort, er beginnt aber im Kleinen“, sagt Katrin Saft, Vorsitzende des Ausschusses.
9. September 2014: 215 Beschwerden erreichen den Presserat zum Kommentar "Islam als Integrationshindernis", der in der BILD AM SONNTAG/BILD Online erscheint. Der Presserat rügt die Berichterstattung und stellt fest, dass "die Grenze der Meinungsfreiheit deutlich überschritten" wurde. Durch pauschale Aussagen über den Islam fühlten sich Muslime herabgewürdigt.
Der Presserat beschäftigt sich zudem mit 30 Beschwerden zum Absturz des Fluges MH17. Einige Medien verstoßen mit identifizierbaren Abbildungen von Opfern gegen den Opferschutz nach Ziffer 8, Richtlinie 8.2 des Pressekodex, weshalb sich der Presserat zur Aussprache von Missbilligungen und Hinweisen veranlasst sieht.
10. September 2014: Bei Facebook & Co. gilt für Redaktionen der Pressekodex. Der Presserat erkennt damit seine Zuständigkeit für publizistische Produkte in Social-Media-Kanälen an. Wenn Redaktionen ihre Veröffentlichungen in sozialen Medien verbreiten, unterliegen diese auch dort den ethischen Grundsätzen des Pressekodex.
10. November 2014: Diskriminierende Untertöne in der Berichterstattung über Minderheiten sind seltener geworden, kommen aber immer noch vor. Dabei wären sie zu vermeiden, ohne dass damit die Pressefreiheit eingeschränkt würde. Dieses Fazit ziehen Fachleute und Medienvertreter im Rahmen des Medien-Symposiums „Über Zuwanderung schreiben ohne diskriminierenden Unterton“, zu dem der Deutsche Presserat und der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma eingeladen hatten.
5. Dezember 2014: Es kommt im Jahr 2014 mit 2009 eingereichten Beschwerden zu mehr Eingaben als je zuvor.
24. März - 4. Juni 2015: Die Berichterstattung über den Absturz der Germanwings-Maschine löst eine regelrechte Beschwerdeflut aus. Rund 430 Leser reichen Beschwerden ein. Ein großes Thema ist die Namensnennung des Co-Piloten. Hier entscheidet der Presserat, dass die Nennung akzeptabel ist. Das öffentliche Interesse an der Tat, an den Umständen und Motiven überlagert die Persönlichkeitsrechte des Co-Piloten. Auch die Frage, ob es sich um einen Suizid handelt und damit eine besondere Zurückhaltung geboten wäre, tritt aufgrund von 149 weiteren Todesopfern in den Hintergrund. Dagegen bewertet der Presserat die Veröffentlichung von Fotos und Namen der Opfer und deren Angehörigen in der Regel als unzulässig, es sei denn, es liegt eine ausdrückliche Zustimmung vor oder es handelt sich um Personen des öffentlichen Lebens. Entsprechende Berichterstattungen rügt der Presserat.
1. Dezember 2015: Der Presserat bezieht Stellung in Bezug auf die Gültigkeit und Relevanz des Kodex im Bereich der Online-Medien. HUFFINGTON POST Online und BILD/BILD Online veröffentlichen Sammlungen sogenannter "Hass-"Kommentare unter der Einbeziehung von Profilbild und Name des jeweiligen Users. Die Kritik, die User würden an den Pranger gestellt, erachtet der Ausschuss als unbegründet, da es sich nicht um private, sondern erkennbar um politische Äußerungen der User in öffentlich einsehbaren Foren handelt. Hieran besteht ein öffentliches Interesse, das die Persönlichkeitsrechte überlagert.
3. Dezember 2015: Das Bild eines ertrunkenen vierjährigen Jungen am Strand von Bodrum geht durch die Medien und wird aufgrund einer Vielzahl von Beschwerden auch zum Thema des Presserats. Das Foto durfte gezeigt werden, es ist von großem öffentlichen Interesse. Es symbolisiert die Folgen von Kriegen, die Gefahren des Schlepperwesens und der Überfahrt nach Europa. Aus Sicht des Presserats handelt es sich um ein Dokument der Zeitgeschichte, das weder unangemessen sensationell ist noch die Menschenwürde des Jungen verletzt.
Dezember 2015: Der Deutsche Presserat verzeichnet einen absoluten Beschwerderekord. Mit 2.358 Beschwerden gehen bei weitem mehr Eingaben als in den Jahren zuvor ein.
Januar 2015: Die Berichterstattung über die gewaltsamen Übergriffe auf Frauen in der Silversternacht in Köln beschäftigen den Presserat. Rund zwei Dutzend Beschwerden gehen zu dem Thema ein. Im Blickpunkt steht bei der Bewertung die Frage, ob die Nennung der Nationalität der mutmaßlichen Täter genannt werden durfte. Aus dieser Frage entwickelt sich eine allgemeine Diskussion um Ziffer 12, Richtlinie 12.1 des Pressekodex in den Redaktionen, aber auch in der Öffentlichkeit.
9. März 2016: Der Diskriminierungsschutz im Pressekodex bleibt bestehen. Das beschließt das Plenum des Deutschen Presserats. Die Mitglieder machen deutlich, dass sich Journalisten bei der Berichterstattung über die Herkunft von Straftätern stets in einer anspruchsvollen Entscheidungssituation befinden. „Sie müssen im Einzelfall verantwortlich entscheiden, ob Informationen über die Herkunft von Straftätern von Gewicht sind, um den berichteten Vorgang verstehen oder einordnen zu können. Dabei folgen sie ihrer grundlegenden, professionellen Aufgabe, aus einer Flut von Informationen stets eine Auswahl nach Bedeutung zu treffen. Immer, wenn die Veröffentlichung einer Information die Gefahr diskriminierender Effekte enthält, ist besonders hohe Sensibilität gefordert. Den Vorwurf des Verschweigens und der Zensur weist der Presserat ausdrücklich zurück. Wenn Redaktionen Informationen nicht veröffentlichen, weil ihre Bedeutung für das Verständnis gering, die Diskriminierungsgefahr aber hoch ist, handeln sie nicht unlauter, sondern verantwortungsbewusst“, fasst Manfred Protze, Sprecher des Presserats, die Haltung des Presserats zusammen. Es gibt kein Verbot, die Herkunft von Straftätern oder Tatverdächtigen zu nennen. Es gibt lediglich das Gebot, diese Herkunftsinformation zu unterlassen, wenn die Diskriminierungsgefahr höher zu veranschlagen ist als die Information zum Verständnis des berichteten Vorgangs beiträgt. Ziel des Diskriminierungsschutzes ist es, jeweils die Gruppe, der ein Straftäter angehört, nicht durch das Fehlverhalten einzelner Angehöriger im Ansehen herabzusetzen.
11. März 2016: Das Zugunglück von Bad Aibling beschäftigt den Presserat. Als unangemessen sensationell bewertete der Presserat die Veröffentlichung eines Augenzeugen-Videos vom Zugunglück und spricht eine Rüge aus. Die ABENDZEITUNG hatte in der Online-Ausgabe ein mehrminütiges Video veröffentlicht, das unmittelbar nach dem Zusammenstoß der Züge im Wageninneren aufgenommen worden war. Zu sehen sind chaotische Szenen mit verletzten Menschen, zu hören sind Schmerzensschreie. Mit Blick auf das Leid der Betroffenen und Hinterbliebenen ist die Darstellung nicht akzeptabel.
15. September 2016: Die Berichterstattung über Gerichtsverfahren ist Thema. Der Presserat fordert, das Verbot der Bildberichterstattung aus Prozessen zu lockern. Anlass ist der Beschluss der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf zur Novellierung des Gerichtsverfassungsgesetzes. Das Vorhaben soll das seit 1964 bestehende Verbot von Ton- und Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal leicht lockern. Die beabsichtigten Schritte sind aus Sicht des Presserats unzureichend. „Die Erfahrungen mit dem NSU-Prozess haben dies gezeigt. In einer modernen Demokratie müssen die Bürgerinnen und Bürger über den Ablauf von Gerichtsverhandlungen mittels aktueller Berichterstattung informiert werden. Hier geht es um Transparenz der Rechtsprechung“, sagt Manfred Protze, Sprecher des Presserats.
16. September 2016: Beschwerden über die Berichterstattung über Krisen und Konflikte bilden in diesem Jahr einen Schwerpunkt in der Arbeit des Presserats. Konkret führen Berichterstattungen über die Terroranschläge von Paris, Brüssel, Würzburg, Nizza und Istanbul sowie der Amoklauf in München zu einer Vielzahl an Beschwerden. Im Kern geht es hierbei um die Frage, ob und wie über Opfer von Terroranschlägen berichtet werden darf und ob über den Täter identifizierbar berichtet werden darf.
20. November 2016: Der Deutsche Presserat blickt auf sein 60-jähriges Bestehen zurück. Getragen von Journalisten- und Verlegerverbänden ist der Deutsche Presserat damit eine der ältesten Institutionen der Medienselbstkontrolle in Europa. Heute wie vor 60 Jahren sind die beiden wichtigsten Ziele des Presserats, für die Pressefreiheit einzutreten und das Ansehen der Presse zu wahren. Der Deutsche Presserat begeht das Jubiläum mit einem Festakt am 1. Dezember 2016 in Berlin.
22. März 2017: Das Plenum des Presserats beschließt eine Neufassung der Regeln für die Kriminalitätsberichterstattung. Demnach hat die Presse darauf zu achten, dass die Berichterstattung über das Fehlverhalten einzelner nicht diskriminierende Verallgemeinerungen fördert. Den Redaktionen obliegt die Pflicht, stets sorgfältig zu prüfen, ob die Erwähnung der Herkunft von Straftätern durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt ist. Bloße Neugier dagegen ist kein geeigneter Maßstab für presseethisch verantwortliche Abwägungsentscheidungen. Mit der Weiterentwicklung der entsprechenden Richtlinie 12.1. im Pressekodex entspricht der Presserat dem Bedarf vieler Redaktionen, die Regeln als zeitgemäße und praktische Handlungshilfe zu formulieren.
31. Mai 2017: Der Deutsche Presserat veröffentlicht Leitsätze, die die Regeln für die Kriminalberichterstattung in Richtlinie 12.1 des Pressekodex ergänzen. Sie beinhalten Kriterien, die für oder gegen ein begründetes öffentliches Interesse und damit eine mögliche Nennung der Zugehörigkeit von Tätern und Tatverdächtigen zu einer Minderheit sprechen.
September 2017: Fotos von Beteiligten beim G20-Gipfel in Hamburg beschäftigen den Presserat. "Wer kennt diese G20-Verbrecher" - unter dieser Überschrift berichtet die BILD-Zeitung über die Proteste beim G20-Gipfel in Hamburg und zeigt Einzelfotos von Randalierern in Aktion. Der Presserat erhält zahlreiche Beschwerden hierzu, die im Kern eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten kritisieren. Am 12. September entscheidet der Beschwerdeausschuss: Aufgrund des überragenden öffentlichen Interesses an dem Geschehen liegt kein Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 des Kodex vor. Die Demonstranten mussten damit rechnen, dass sie während des Ereignisses fotografiert werden. Jedoch verstößt die Art der Darstellung – mit Foto und eingeklinktem Porträtbild – in Verbindung mit dem Fahndungsaufruf gegen den Pressekodex. Die Abgebildeten werden hierdurch an einen Medienpranger gestellt. Der Presserat spricht eine Missbilligung aus.
Das Corona-Jahr 2020 ist auch für den Presserat ein Ausnahmejahr: 4085 Personen wenden sich an den Presserat, so viele wie nie zuvor. Grund dafür sind außergewöhnlich viele Massenbeschwerden sowie 581 Einreichungen zum Thema Corona.
September 2020: Der Beschwerdeausschuss lehnt 382 Beschwerden über die polizeikritische Kolumne "All cops are berufsunfähig" in der linken Tageszeitung TAZ als unbegründet ab. Dass die Autorin des umstrittenen Artikels sich als Arbeitsplatz für arbeitslose Polizisten nur die Mülldeponie vorstellen konnte, hielten die Beschwerdeführer - unter ihnen auch der Bundesinnenminister - für einen Verstoß gegen die Menschenwürde von Polizeiangehörigen. Der Presserat sah in dem Beitrag eine klar erkennbare Satire, die aktuelle Kritik an der Polizei verarbeitete und erklärte die Beschwerden für unbegründet.
Dezember 2020: Die Veröffentlichung eines vertraulichen WhatsApp-Chat beschäftigt den Presserat. Mehrere Zeitungen hatten die WhatsApp-Nachrichten des einzigen überlebenden 11-Jährigen eines fünffachen Kindsmordes in Solingen veröffentlicht. Der Presserat sah darin einen Verstoß gegen die Menschenwürde der Beteiligten sowie eine übertrieben sensationelle Berichterstattung. Gerügt wurden für die Veröffentlichung BILD.DE, die RHEINISCHE POST sowie die Online-Ausgabe der SUEDDEUTSCHEN ZEITUNG. Insgesamt beschwerten sich über die Berichterstattung 173 Leserinnen und Leser.