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Viertes Berliner Medien-Gespräch

Lebhaft und kontrovers diskutierten die Podiumsteilnehmer des „4. Berliner Medien Gesprächs“ der Landesmedienanstalt Saarland (LMS) und des Deutschen Presserates in der saarländischen Landesvertretung in Berlin die Frage nach dem Verhältnis von Journalismus und Pressefreiheit in Bezug auf Faktoren wie Politik, Religion und Kommerz.

Wie der Gastgeber, LMS-Direktor Dr. Gerd Bauer, ausführte, böten Schleichwerbung, Product Placement, Karikaturenstreit und „Kampf der Kulturen“ hinreichend Anlass zur Diskussion über die Frage, wie unabhängig von politischen, gesellschaftlichen, religiösen oder kommerziellen Interessen und Einflussnahmen redaktionelle Tätigkeiten heute überhaupt ausgeübt werden können. Bauer erläuterte, dass die LMS den gesetzlichen Auftrag hat, u.a. über Zulassung und Aufsicht für private Rundfunkveranstalter zu befinden und dafür Sorge zu tragen, dass in den Rundfunkprogrammen die Meinungsvielfalt berücksichtigt wird. „Dabei haben wir die „Interessen der Allgemeinheit" zu vertreten.

Damit bewegt sich die LMS im Spannungsfeld zwischen ihren Aufsichtspflichten und den Freiheitsrechten der Veranstalter, beispielsweise in Fragen der Satirefreiheit, des Jugendschutzes und der Werbekontrolle. Dieser Ansatz erklärt, dass ich mich als Direktor der LMS verpflichtet sehe, über das Tagesgeschäft der Aufsicht hinaus auch allgemeine gesellschaftliche Fragen der Medienentwicklung aufzugreifen: öffentlich und fachöffentlich. Dies wollen wir mit dem heutigen Thema des 4. Berliner Medien Gespräches einmal mehr tun“, so Bauer.

In seiner Keynote setzte sich der Chef der Saarbrücker Staatskanzlei, Minister Karl Rauber, der für Medienpolitik im Saarland zuständig ist, kritisch mit den Aufgaben von Journalisten einerseits und Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit andererseits auseinander: „Journalisten haben die Aufgabe, frei von Interessen und unabhängig über Sachverhalte und Ereignisse zu berichten, mehrere Quellen zu nutzen, abzuwägen, zu prüfen und zu einem eigenständigen Urteil zu kommen. PR ist dagegen immer interessengeleitet und auftragsorientiert. Es geht um bestellte Wahrheiten, um die Kommunikation von Wettbewerbsvorteilen, um gezieltes Auslassen von Fakten, die nicht ins Bild passen."

In seinem Grußwort für den Deutschen Presserat hinterfragt Fried von Bismarck, Sprecher des Presserats, die Rolle der Medien in den heutigen kommerziellen Strukturen. Er betonte, dass die Stichworte der Tagung – Politik, Religion und Kommerz – zwar im Spannungsfeld zum Journalismus stehen könnten, jedoch nicht einen Gegensatz bilden dürften. „Qualitätsjournalismus kann nur auf Grundlage der Pressefreiheit entstehen. Er sollte sich kritisch distanziert mit Politik und Religion befassen und kann dann auch kommerziell erfolgreich sein“, so von Bismarck in seiner Grußadresse.

Der Deutsche Presserat, der in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag begeht, habe mit all den Themen der heutigen Tagung ständig zu tun. Seine Beschwerdeausschüsse bewerteten seit Jahrzehnten die Berichterstattung in deutschen Printmedien anhand des Pressekodex. Diese ethischen Richtlinien beinhalten Verhaltensregeln für Journalisten und Verleger. So soll unter anderem das sittliche und religiöse Empfinden von Personengruppen nicht verletzt werden (Ziffer 10) und redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftlicher Interessen Dritter beeinflusst werden (Ziffer 7).

In der anschließenden ersten Diskussionsrunde zum Thema „Journalismus zwischen Pressefreiheit, Politik und Religion“ unter der Leitung des Chefredakteurs der Saarbrücker Zeitung, Peter Stefan Herbst, zeigten sich schnell Meinungsunterschiede zwischen den Vertretern der Politik, Ministerpräsident Peter Müller, Bundesminister a.D. Otto Schily, Volker Beck, MdB und Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, und den Repräsentanten des Journalismus, dem Bundesvorsitzenden des DJV Michael Konken und Peter Kloeppel, Chefredakteur von RTL. Konken legte zu Beginn die Grundsätze des Journalismus dar und betonte, die Pressefreiheit sei eines der wichtigsten Grundgüter in einer demokratischen Gesellschaft: „Dies umfasst auch die freie Meinungsäußerung gegenüber politischen, wirtschaftlichen und religiösen Handlungen und Handelnden. Zudem ist die Unabhängigkeit von politischen, religiösen und kommerziellen Interessen und Beeinflussungen eine grundlegende Bedingung für die umfassende Erfüllung der journalistischen Aufgabe.“

Der Ministerpräsident des Saarlandes Peter Müller bezog sich auf das „Spannungsfeld zwischen objektiver Pressefreiheit und subjektiver Verflechtung von Medien mit Wirtschaft, Politik und Gesellschaft“. Die Medien neigen seiner Meinung nach zunehmend dazu, selbst die Agenda zu bestimmen. „Sie nutzen die zunehmende Boulevardisierung und Trivialisierung für einen atemlosen Meutenjournalismus aus Zuspitzung, Verknappung, Emotionalisierung und fehlender Differenzierung. Für Politiker ist nicht mehr entscheidend, was sie sagen, sondern was aus dem, was gesagt wurde, gemacht werden kann. Information und Aufklärung treten in den Hintergrund – die demokratische Kultur leidet“, so Peter Müller.

Otto Schily, Bundesminister des Innern a.D., unterstrich dazu noch aus innenpolitischer Sicht: „Pressefreiheit bedeutet nicht die Freiheit, die Augen vor offensichtlichen Straftaten zu verschließen oder diese gar zu fördern. Zudem hat der Staat das Recht und die Pflicht, sich gegen den Verrat von sicherheitsrelevanten Geheimnissen zu schützen: Sobald wichtige öffentliche Interessen gefährdet sind, muss der Staat eingreifen.“

Volker Beck bezog sich in seinem Statement u.a. auf die aktuelle Diskussion über Karikaturen und Satire: „Nicht alles was erlaubt ist und unbestraft bleibt, muss man schon für geschmackvoll und akzeptabel halten. Meinungsfreiheit meint aber gerade, dass nicht nur die von allen akzeptierten Meinungen und Haltungen geäußert werden dürfen. Pressefreiheit schließt daher auch das Recht ein, Religion und Kirche zu kritisieren oder gar zu verspotten, selbst wenn damit die Grenzen des guten Geschmacks verletzt werden. Ob Mohammed-Karikaturen oder Sendungen wie Popetown: Muslime, christliche Kirchen und  Juden müssen Kritik und Satire ertragen. Bei allen religiösen Bekenntnissen muss die gleiche Elle angelegt werden."

Peter Kloeppel forderte von seinen Kollegen, wieder mehr Verantwortungsbewusstsein für den eigenen Beruf und den Auftrag zu entwickeln: „Die Verantwortung der Medienmacher wächst. Über das Internet sind Medieninhalte weltweit verfügbar, und immer häufiger sind Nicht-Journalisten für die Erstellung oder Verbreitung verantwortlich. Religiöse Gefühle können – eventuell auch bewusst – verletzt werden, politische und kommerzielle Interessen sind nicht immer durchschaubar. Umso wichtiger sind deshalb journalistische Standards, die von verantwortungsbewussten Redaktionen nicht nur benannt, sondern auch eingehalten werden."

Das zweite Panel, das von Dr. Volker Lilienthal, Verantwortlicher Redakteur epd Medien und Preisträger des diesjährigen Leipziger Medienpreises, moderiert wurde, befasste sich mit dem Thema „Journalismus zwischen Unabhängigkeit und Kommerz“. Der Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Fritz Raff, Intendant des Saarländischen Rundfunks, sprach sich in Bezug auf eventuelle kommerzielle Interessen für die Wahrung des gesellschaftspolitischen Auftrages von Journalisten und im Speziellen für die Aufgaben der Öffentlich-Rechtlichen aus: „Ohne objektiven und unabhängigen Journalismus kann eine Demokratie nicht funktionieren. Wenn heute in manchen Medien die Grenzen zwischen Journalismus und PR oder Information und Werbung nicht mehr erkennbar sind, wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Korrektiv noch wichtiger. Die Gebührenfinanzierung schafft die Voraussetzung dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen gesellschaftspolitischen Auftrag auch in Zukunft wahrnehmen kann - unabhängig von kommerziellen Interessen.“

Hubertus Meyer-Burckardt, Vorstandsmitglied der ProSiebenSat.1 AG und damit Repräsentant der privaten Medien zitierte Hanns-Joachim Friedrichs, der sagte, man erkenne einen guten Journalisten daran, dass er sich nie gemein mache mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache. „Insofern ist mir um unabhängigen Journalismus nicht bange, denn wir haben überwiegend ausgezeichnete Journalisten, die Unabhängigkeit als die elementare Voraussetzung für ihren Beruf empfinden“, so Meyer-Burckhardt.

Während der Vorstandsvorsitzende der Scholz & Friends AG, Sebastian Turner, betonte, unabhängiger Journalismus sei auch kommerziell erfolgreicher, machte sich Medienunternehmer Moritz Hunzinger Gedanken über die journalistische Unabhängigkeit im Allgemeinen: „Bundespräsident Johannes Rau mahnte vor exakt zwei Jahren, Journalisten müssten unabhängig von ökonomischen Interessen sein. Und er fragte, wie eigentlich Themen entstehen, die uns wochen-, manchmal auch monatelang beschäftigen? Natürlich durch aktuelle Ereignisse. Immer öfter aber stellt sich doch die Frage, was der eigentliche Anlass großer Debatten in unserem Land ist. Auch das hat mit Unabhängigkeit zu tun, allerdings nicht mit ökonomischer, sondern mit geistiger Unabhängigkeit.

Hier sehe ich den Orientierungsrahmen.“ Die Sprecherin des Deutschen Presserates bis März dieses Jahres, Dr. Ilka Desgranges, setzte sich während der Diskussion vehement für die Unabhängigkeit des Journalismus ein: „Journalisten dürfen sich bei ihrer Arbeit nicht von kommerziellen Interessen beeinflussen lassen – dies fordert auch der Pressekodex.“ Desgranges wies ebenfalls auf die Bedeutung des Presserats in Bezug auf die Pressefreiheit in Deutschland hin. „Neben all den Beschwerden, die der Presserat zu bearbeiten hat, ist ein weiterer wichtiger Schwerpunkt die Lobbyarbeit für die Pressefreiheit. Der Presserat ist hier seit Jahrzehnten ein gefragter Gesprächspartner für die Politik. Zu verschiedenen Gesetzentwürfen, die die Pressefreiheit in Deutschland tangieren, wird auch der Presserat als Freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien immer aufs Neue befragt und um Stellungnahmen gebeten. Er begleitet viele Gesetzesvorhaben kritisch und warnt vor Gesetzeslücken in deutschen Gesetzen.“

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