Schlagzeilen über Prominente: Viel heiße Luft
Die drei Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserats tagten vom 10. bis 12.09.2013 in Berlin. Sie behandelten insgesamt 125 Beschwerden. 10 Veröffentlichungen wurden gerügt. Grobe presseethische Verstöße erkannte der Beschwerdeausschuss in Veröffentlichungen von fünf Publikationen der Regenbogenpresse. Gerügt wurden die Zeitschriften FRAU AKTUELL, DAS NEUE BLATT, PROMI WELT, MEINE FREIZEIT und FREIZEIT EXPRESS.
FRAU AKTUELL hatte im Hinblick auf den Volksmusiker Stefan Mross von einem „Alkoholschock“ gesprochen und die Frage gestellt „Wer kann ihm jetzt noch helfen?“. In dem Beitrag wurden jedoch keinerlei Belege für mögliche Alkoholprobleme des Musikers geliefert. Es wurde lediglich mitgeteilt, dass – wenn man bei Google seinen Namen eingebe – dieser schon bei den ersten Treffern mit Alkohol in Verbindung gebracht werde. Der Presserat erkannte daher eine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex und des Persönlichkeitsschutzes nach Ziffer 8 des Pressekodex.
Ebenfalls gegen die Sorgfaltspflicht verstieß FREIZEIT EXPRESS mit der Veröffentlichung von angeblichen Fotos des ungeborenen Babys von Prinz William und Prinzessin Kate. Nach Ansicht des Presserats hätten die Bilder als Symbolfotos gekennzeichnet werden müssen.
Einen Verstoß gegen das Wahrheitsgebot nach Ziffer 1 des Pressekodex sowie die journalistische Sorgfaltspflicht sah der Presserat in einer Veröffentlichung von MEINE FREIZEIT über Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Zeitschrift hatte auf der Titelseite von einer ‚Verheimlichten Scheidungstragödie‘ gesprochen und „Alles über die unbekannte Vergangenheit der Kanzlerin“ angekündigt. Im Innenteil wurden lediglich bekannte Details aus dem Leben Angela Merkels mitgeteilt. Die Schlagzeilen beurteilte der Presserat daher als grobe Irreführung der Leser.
Ein harmloser Blogeintrag von Steffi Graf führte in PROMI WELT zu wilden Spekulationen über mögliche Probleme des ehemaligen Tennisstars. Graf hatte an ihre Fans die Frage gestellt, „wie man das Leben einen Gang runterschalten könnte?“. Die Zeitschrift bezeichnete dies als „alarmierenden Hilferuf“ und sprach von einem „Absturz in die Lebenskrise“. In dieser Darstellung sah der Presserat eine unwahrhaftige Berichterstattung, bei der jegliche Sorgfaltspflichtaspekte außer Acht gelassen wurden.
DAS NEUE BLATT schließlich sprach auf der Titelseite im Hinblick auf das ‚Bauer sucht Frau‘-Paar Josef & Narumol von einem „Scheidungsschock“ und stellte fest: „Dabei war es doch die ganz große Liebe“. Erst im Innenteil wurde klar, das nicht Josef und Narumol, sondern eine anderes Paar aus der Sendereihe sich trennt. Die Schlagzeilen beurteilte der Presserat als irreführend und stellte auch hier Verstöße gegen die Ziffern 1 und 2 des Pressekodex fest.
B.Z. Online erhielt für zwei Artikel Rügen wegen Verstoßes gegen Ziffer 8 des Pressekodex. In beiden Beiträgen war über einen Mann berichtet worden, der – offenbar weil er an einer schizophrenen Störung litt – nackt und mit einem Messer bewaffnet in den Brunnen am Alexanderplatz in Berlin gestiegen war, Polizisten bedroht hatte und beim darauf folgenden Polizeieinsatz erschossen worden war. Beide Artikel enthielten zahlreiche persönliche Details, durch die der Mann für einen weiten Personenkreis identifizierbar wurde. Für den zweiten Artikel hatte der Autor offenbar die Wohnung des Toten aufgesucht und den Inhalt von dort gefundenen Dokumenten veröffentlicht. Der Beschwerdeausschuss sah in der Berichterstattung einen Verstoß gegen die Richtlinien 8.1 und 8.6 des Pressekodex. Über den psychisch kranken und möglicherweise schuldunfähigen Mann hätte nur anonymisiert und in zurückhaltender Weise berichtet werden dürfen.
Gerügt wurde auch die Schach-Zeitschrift „Rochade Europa“ für ihre Berichterstattung über den Sieger eines Turniers. Der ältere Mann war auf dem ganzseitigen Titelfoto abgebildet. Auf seiner Hose war ein großer nasser Fleck zu sehen. Dadurch entstand der Eindruck, dass er sich eingenässt haben könnte. Der Ausschuss sah darin einen Verstoß gegen die Ziffern 1 und 9 des Pressekodex. Danach achtet die Presse Würde und Ehre des Menschen. Die Redaktion hätte das Foto des Mannes nicht veröffentlichen dürfen, auch wenn es – wie die Zeitschrift mitteilte – mit seinem Einverständnis gemacht wurde.
Eine Rüge erhielt BILD (Thüringen) für die Berichterstattung über einen Strafprozess. Ein Mann hatte gestanden, sein eigenes Kind getötet zu haben. Die Zeitung zeigte den Mann im Bild und machte ihn dadurch für einen erweiterten Personenkreis identifizierbar. An dem Prozess und der Tat an sich besteht zwar ein öffentliches Interesse, nicht aber an der identifizierenden Abbildung des Täters, urteilte der Beschwerdeausschuss. Das Gremium wertete die Berichterstattung deshalb als Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8, Richtlinie 8.1 des Pressekodex.
Ebenfalls gerügt wurde die Online-Ausgabe der AUGSBURGER ALLGEMEINE. In einem Beitrag über eine innerparteiliche Auseinandersetzung auf Kreisebene hatte das Blatt eine Äußerung von der Facebook-Seite eines der Kontrahenten wiedergegeben. Dort spekulierte dieser über eine außereheliche Affäre seines Parteikollegen. Die Veröffentlichung dieses Gerüchtes verletzt den Schutz der Persönlichkeit nach
Ziffer 8.
Insgesamt wurden in den drei Ausschüssen 125 Beschwerden behandelt.
Die Ergebnisse: 10 öffentliche Rügen, 13 Missbilligungen, 23 Hinweise. 51 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet. In 18 Fällen wurden die Beschwerden als begründet angesehen, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet.