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Presserat veröffentlicht Leitfaden zum Trennungsgebot

Der Sprecher des Presserats, Manfred Protze, und Geschäftsführer Lutz Tillmanns informierten auf der Jahrespressekonferenz des Deutschen Presserats am 22. Oktober 2009 in Berlin u.a. über folgende Themen:
- Veröffentlichung eines Leitfadens zum Trennungsgebot
- Erste Erfahrungen mit der Online-Zuständigkeit
- Steigendes Beschwerdeaufkommen
- BKA-Gesetz bleibt in der Kritik


Am heutigen Donnerstag hat der Deutsche Presserat auf seiner Jahrespressekonferenz in Berlin eine Fallsammlung zum Trennungsgebot vorgestellt. Der Leitfaden zur Ziffer 7 des Pressekodex  soll Journalisten eine Orientierung bei häufigen Fragestellungen im Redaktionsalltag geben. In einzelnen Fallgruppen dokumentiert der Leitfaden, wie die Beschwerdeausschüsse entschieden haben und nach welchen Kriterien.  Journalisten finden hier Beispiele aus lokalen und überregionalen Publikationen für zulässige und unzulässige Berichterstattungen. Die Spruchpraxis des Deutschen Presserates zu Ziffer 7 hat in den vergangenen Jahren sukzessive an Bedeutung gewonnen. Im diesem Jahr gab es  bis September 2009 bislang 46 Eingaben zur Ziffer 7 (2008 insgesamt: 40). Die Beschwerdeausschüsse sprachen allein aufgrund der Verstöße gegen die Ziffer 7 in diesem Jahr bereits sechs Rügen und 16 Missbilligungen aus.

In den Redaktionen stehen u. a. folgende Fragen im Vordergrund: Wie muss Werbung kenntlich gemacht werden? Was ist bei der Berichterstattung über Unternehmen und Produkte zu berücksichtigen? Was ist bei Sonderveröffentlichungen zu beachten? Um Redakteuren den Umgang mit diesen und anderen Fragen zu erleichtern, hat der Deutsche Presserat einen „Praxis-Leitfaden Ziffer 7“ entwickelt.  Das 52-seitige Papier ist seit heute auf der Homepage des Deutschen Presserates als PDF abzurufen und herunterzuladen und auch zum Durchblättern aufrufbar: http://www.presserat.info/index.php?id=328

729 Eingaben gab es 2008 von denen 514 anhand des Pressekodex zu überprüfen waren. Von den Beschwerdeausschuss-Vorsitzenden und der Geschäftsstelle wurden insgesamt 140 Fälle im Vorverfahren als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen (Vorjahr 182). In drei Fällen gelang eine Vermittlung. Insgesamt 202 Beschwerden aus den Eingaben 2008  wurden in den Beschwerdeausschüssen behandelt. Dazu kamen noch 92 aus dem Vorjahr, so dass die Beschwerdeausschüsse 2008 insgesamt 294 Beschwerden behandelt haben (Vorjahr 328).

Neben 15 öffentlichen Rügen (Vorjahr 31) gab es drei nicht-öffentliche Rügen (Vorjahr 4). Es wurden 52 Missbilligungen ausgesprochen (Vorjahr 74) sowie 56 Hinweise (Vorjahr 48). In 10 Fällen wurde die Beschwerde als begründet angesehen, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet, da die Redaktion mit der Beschwerde in geeigneter Weise umgegangen  war (Vorjahr 16). Drei Beschwerden waren nicht aufklärbar. Die Anzahl der ausgesprochenen Maßnahmen ist geringer als die Zahl der behandelten Beschwerden, da sich in einigen Fällen mehrere Beschwerdeführer über dieselbe Veröffentlichung beschwerten, die dort gewählte Maßnahme jedoch nur einmal gezählt wird. 116 Beschwerden wurden als unbegründet zurückgewiesen (Vorjahr 135).

Schwerpunkt bei den Eingaben/Beschwerden sind seit Jahren die vermuteten und tatsächlichen Verstöße gegen die Ziffer 2 des Pressekodex (Sorgfaltspflicht) mit 153  Eingaben/Beschwerden (Vorjahr 161). Gefolgt werden diese erneut von den Eingaben/Beschwerden zum Persönlichkeitsrecht (Ziffer 8) mit 71 in 2008 (Vorjahr 93) sowie von den Beschwerden zu Ziffer 12. Diese stiegen deutlich von nur 31 in 2007 auf 62 in 2008.

Der Deutsche Presserat steuert auf einen Höchststand bei den eingegangenen Beschwerden (Eingaben) zu. Seit Anfang des Jahres haben sich schon 1030 Leserinnen und Leser über Berichterstattungen von Zeitschriften und Zeitungen in Print- und/oder Online-Ausgaben beschwert. Der Presserat rechnet damit, dass die Anzahl der Eingaben bis Jahresende auf gut 1200 steigen wird. Von den 1030 Eingaben in diesem Jahr wurden 261 bereits als Beschwerden in den Ausschüssen behandelt. Im vergangenen Jahr verzeichnete der Presserat 729 Eingaben und  294 in den Ausschüssen behandelte Beschwerden.

Ursache für die neuen Rekordzahlen ist die seit Januar in Kraft getretene erweiterte Zuständigkeit auf journalistisch-redaktionelle Online-Angebote von Presseverlagen. Neu ist seit diesem Jahr auch, dass Leser und Leserinnen die Möglichkeit haben, sich online auf der Homepage des Presserates gegen ihrer Ansicht nach presseethische Verstöße zu beschweren. Dieses Angebot wird inzwischen von einer Vielzahl von Einsendern genutzt. Nicht zuletzt diese einfachere Form des Sich-Beschwerens führt nach Ansicht des Sprechers des Presserats, Manfred Protze (dju in Ver.di), zu der gestiegenen Anzahl der Beschwerden: „Früher mussten Beschwerdeführer einen Brief schreiben und eine Kopie des beanstandeten Artikels beilegen. Heute lassen sich alle Angaben auf der Homepage des Presserats machen. Artikel können dabei als Link oder als Screenshot angehängt werden. Das reduziert den Aufwand für Beschwerden über vermeintliche Verstöße gegen die Presseethik erheblich.“

Im Zuge der Online-Erweiterung kristallisieren sich allerdings neue Aufgaben in der Beschwerdearbeit heraus. So lagen den Beschwerdeausschüssen des Deutschen Presserates in seinen Sitzungen erstmals Fotostrecken zur Beurteilung vor, außerdem Videobeiträge und 3-D-Animationen. Hierzu stellt der Presserat fest, dass die Regeln des Pressekodex grundsätzlich auch für Bewegtbilder gelten, die den Online-Ausgaben von Printmedien beigestellt werden und dort abrufbar sind. Zu den weiteren neuen Bausteinen der Beschwerdearbeit gehören die Behandlung von Foren und Kommentaren. So hielten die Beschwerdeausschüsse es im Einzelfall für zulässig, auch Leserkommentare zu löschen, solange die Löschung seitens der Redaktion nicht willkürlich erfolgte. In den meisten Nutzungsbedingungen werden die Leser von den Verlagen auf diese Praxis hingewiesen. Der Deutsche Presserat hält es insbesondere bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und Ehrverletzungen durch einen Kommentar sogar für unerlässlich, dass der Forenbetreiber eingreift. Bei der Nichtveröffentlichung von Leserkommentaren/Forenbeiträgen, die ebenfalls regelmäßig Gegenstand von Beschwerden sind, entschieden die Beschwerdeausschüsse, dass es grundsätzlich dem Betreiber einer Seite überlassen ist, was er auf seiner Seite veröffentlicht. Anpassungen des Regelwerks wird der Presserat, wie in den vergangenen Jahrzehnten auch, immer dann vornehmen, wenn sie aufgrund neuer Entwicklungen zweckmäßig und sinnvoll erscheinen.

Der Presserat hat in den vergangenen Wochen damit begonnen, die Branche um Unterzeichnung der so genannten Selbstverpflichtungserklärung zu bitten. Mit der Selbstverpflichtungserklärung haben sich bislang bereits über 90% aller Verlage in Deutschland verpflichtet, sich an den Kodex zu halten, die Selbstkontrolle im Redaktionsdatenschutz anzuerkennen und gegebenenfalls vom Presserat ausgesprochenen Rügen auch abzudrucken. Jetzt soll das ausdrückliche Bekenntnis zur Selbstregulierung im journalistisch-publizistischen Online-Bereich folgen. Schon in den ersten Wochen der Aktion zeigt sich eine breite Unterstützung durch die Verlage. So haben die meisten Großverlage – aber auch eine große Anzahl an kleineren publizistischen Einheiten – die Erklärung bereits abgegeben.

Schwerpunkt der Beschwerdearbeit in diesem Jahr war die Berichterstattung über den Amoklauf von Winnenden. 79 Leserinnen und Leser beschwerten sich beim Presserat. 47 Fälle wurden im Beschwerdeausschuss behandelt. Im September diskutierte das Plenum des Deutschen Presserates mit Wissenschaftlern über die Wirkung von Amok-Berichterstattung. Das Fazit lautete: Wenn über einen Amoklauf berichtet wird, muss der Opferschutz im Vordergrund stehen. Um mögliche Nachahmungstäter nicht zu bestärken, sollten Journalisten zudem nicht den Täter und seine Motive in den Vordergrund stellen, sondern die Tat. Journalisten sollten eine Heroisierung von Tätern vermeiden. Im Mittelpunkt sollte nicht der Täter und seine Motive, sondern die Tat und ihre Folgen stehen. Alle Beteiligten waren sich einig, dass Journalisten dabei jeweils in einem schwierigen Spannungsverhältnis zwischen dem begründeten öffentlichen Interesse an der Berichterstattung über derartige Ereignisse und den Interessen der Angehörigen und Opfer stehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Angehörige und Opfer ihrer Rolle als authentische Quellen für eine verlässliche Berichterstattung  nicht austauschbar sind.

Der Presserat hofft, dass mit der neuen Bundesregierung auch eine neue Diskussion über das in den Medien umstrittene BKA-Gesetz möglich wird, das dem Bundeskriminalamt Online-Durchsuchungen und die Überwachung der Telekommunikation einräumt. Eine Stärkung des Informantenschutzes sowie eine Verbesserung des Zeugnisverweigerungsrechts sind dabei insbesondere zu nennen. Eine Gleichstellung aller Berufsgeheimnisträger muss berücksichtigt werden, denn mit dem bisherigen Gesetz, können Journalisten ihre Informanten nicht wirksam schützen. Damit bliebe die Presse- und Rundfunkfreiheit in Deutschland weiter eingeschränkt. Zwar hat sich die Position Deutschlands in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter-ohne-Grenzen (ROG) von Rang 20 auf Rang 18 verbessert, dennoch bewertet der Presserat diese Entwicklung nur als eine relative Verbesserung.

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