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Presserat spricht zwei Rügen aus

Der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats hat auf seiner vierten Sitzung des laufenden Jahres am Dienstag in Bonn zwei Rügen ausgesprochen. Betroffen war in beiden Fällen die BILD-Zeitung.

Die Zeitung hatte in einem Artikel vorverurteilend über einen Rentner berichtet, der eine Schlagersängerin an einer Supermarktkasse verprügelt haben soll. Die Sängerin hatte Strafanzeige gegen den Rentner gestellt. Dieser bestritt die Tat und stellte den Vorgang der Zeitung gegenüber völlig anders dar als die Künstlerin. Dennoch wurde der weitgehend identifizierbare Rentner in der Berichterstattung als "Prügler" und "Supermarkt-Rowdy" bezeichnet. Das wertete der Beschwerdeausschuss als Vorverurteilung in einem nicht abgeschlossenen Strafverfahren. Ziffer 13 des Pressekodex sagt aus, dass die Berichterstattung über schwebende Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren frei von Vorurteilen erfolgen muss:

"Die Presse vermeidet deshalb vor Beginn und während der Dauer eines solchen Verfahrens in Darstellung und Überschrift jede präjudizierende Stellungnahme. Ein Verdächtiger darf vor einem gerichtlichen Urteil nicht als Schuldiger hingestellt werden. Über Entscheidungen von Gerichten soll nicht ohne schwerwiegende Rechtfertigungsgründe vor deren Bekanntgabe berichtet werden."

Eine nicht-öffentliche Rüge* erhielt die BILD-Zeitung, weil sie in der Berichterstattung über das jüngste Busunglück in Ungarn den tödlich verunglückten Busfahrer groß-formatig in einer Weise abgebildet hatte, dass er zumindest für seine Familie und für Menschen aus dem näheren persönlichen Umfeld erkennbar blieb. Sein Vorname, der erste Buchstabe des Familiennamens und das Alter wurden berichtet. Dem Foto beigestellt hatte die Redaktion die Schlagzeile „Er lenkte den Todes-Bus“. Der Beschwerdeausschuss wertete die Veröffentlichung als schwere Verletzung von Ziffer 8 Richtlinie 8.1 des Pressekodex. Sie sagt:

"Die Nennung der Namen und die Abbildung von Opfern und Tätern in der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren (siehe auch Ziffer 13 des Pressekodex) sind in der Regel nicht gerechtfertigt. Immer ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen."

Für eine identifizierbare Darstellung des Busfahrers gab es nach Auffassung des Beschwerdeausschusses kein öffentliches Informationsinteresse, das die schutzwürdigen Belange des Betroffenen und seiner Angehörigen überlagert hätte. Die Verletzung von Persönlichkeitsrechten wurde noch durch die Schlagzeile „Er lenkte den Todesbus“ vertieft. Sie rückt den Toten in der Wahrnehmung von Lesern in die Rolle eines Täters. Dafür gab es jedoch keinen entsprechenden Tatsachenbezug.

Der Presserat missbilligte im Komplex der Busunglücks-Berichterstattung auch drei Fotos, die Leichen von Opfern zeigen. Sie waren auf den Fotos zwar nicht zu identifizieren. Der Beschwerdeausschuss wertete die Veröffentlichungen jedoch als unangemessen sensationelle Darstellung. In Ziffer 11 des Kodex ist festgehalten, dass die Presse auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt und Brutalität verzichtet. In Ziffer 11 Richtlinie 11.3 des Kodex heißt es:

"Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden."

Insgesamt behandelte der Ausschuss auf seiner Sitzung 26 Beschwerden. Dabei sprach er außer den beiden Rügen fünf Missbilligungen und sechs Hinweise aus. Elf Beschwerden wurden als unbegründet angesehen. Eine Beschwerde konnte nicht hinreichend aufgeklärt werden.

* Nicht-öffentliche Rügen spricht der Presserat aus, wenn durch die geforderte Veröffentlichung einer Rüge in dem betreffenden Medium die Persönlichkeitsrechtsverletzungen wiederholt oder vertieft werden.

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