Pressemitteilungen und Aktuelles

Erfundener Terroranschlag in Mannheim schadet Ansehen der Presse

Erfundener Terror-Anschlag in Mannheim schadet dem Ansehen der Presse

Der Presserat rügt den RHEINNECKARBLOG für die Erfindung eines Terror-Anschlags. Unter der Überschrift „Massiver Terroranschlag in Mannheim“ hatte der Blog detailliert über einen Terroranschlag und ein „Blutbad apokalyptischen Ausmaßes“ mit 136 Toten berichtet, die es gar nicht gegeben hatte. Die Redaktion gab an, der Text sei so übertrieben gewesen, dass jeder durchschnittliche Leser hätte stutzig werden müssen. Der Presserat folgt der Kritik der Beschwerdeführer, dass über den fiktionalen Charakter des Berichts erst hinter einer Bezahlschranke aufgeklärt wurde. Unabhängig von der Absicht, die die Redaktion mit dem erfundenen Bericht verfolgte, hat sie damit dem Ansehen der Presse massiv geschadet, befand der Presserat.

Aktuelles Foto von Gladbeck-Täter Degowski durfte nicht gezeigt werden

BILD erhält eine Rüge für die Abbildung eines aktuellen Fotos des aus der Haft entlassenen Gladbeck-Geiselnehmers Dieter Degowski. Unter der Überschrift „Es ist eine Schande, dass Degowski frei herumläuft“ hatte die Redaktion ihn zum 30. Jahrestag des Geiseldramas auf einer Parkbank sitzend gezeigt. Der Presserat sieht darin einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex, nach der bei zurückliegenden Straftaten im Interesse der Resozialisierung die Fotoveröffentlichung eines Täters unterbleiben soll. Ähnliches gilt auch für den zweiten Gladbeck-Täter Hans-Jürgen Rösner, den BILD ebenfalls mit einem aktuellen Foto aus dem Gefängnis zeigte. Auch dieser soll im Hinblick auf eine mögliche Entlassung nicht gezeigt werden. Kritisch sah der Ausschuss auch die Abbildung des von Degowski ermordeten Emanuele de Giorgi kurz nach der Tat. Das Foto des verblutenden Jungen ist 30 Jahre später nicht vom öffentlichen Interesse gedeckt und verletzt den Schutz des Opfers und der Angehörigen.

Netanjahu-Karikatur in der Süddeutschen Zeitung von der Meinungsfreiheit gedeckt

Der Deutsche Presserat sieht in der Netanjahu-Karikatur in der Süddeutschen Zeitung keinen Verstoß gegen den Pressekodex. Die Grenze zur Diskriminierung von Juden nach Ziffer 12 Pressekodex ist nicht überschritten, entschied das Gremium der freiwilligen Selbstkontrolle der Presse mehrheitlich. Die Gesichtszüge des israelischen Premierministers sind zwar überzeichnet, im Rahmen der Meinungsfreiheit ist dies aber zulässig. Die Karikatur wurde im zuständigen Ausschuss gründlich erörtert. Einige Mitglieder kritisierten eine stereotype Bildsprache und hielten die Beschwerden für begründet. Zu sehen ist der israelische Regierungschef Netanjahu im Gewand der Eurovision Song Contest-Gewinnerin Netta. Er hält eine Rakete in der Hand, die mit einem Davidstern markiert ist. Im Hintergrund sieht man einen weiteren Davidstern. Die Rolle des Davidsterns als religiöses und auch staatliches Symbol wurde im Ausschuss unterschiedlich bewertet. Acht Leserinnen und Leser hatten sich beim Presserat beschwert, weil sie sich u.a. an Zeichnungen aus dem nationalsozialistischen „Stürmer“ erinnert fühlten.

Redaktion versäumt Kennzeichnung einer Agentur als Pressestelle und Zulieferer journalistischer Inhalte

Der Presserat rügt den KÖLNER STADT-ANZEIGER und die KÖLNISCHE RUNDSCHAU für schwere Verstöße gegen Transparenzpflichten aus den Ziffern 1 und 6 des Pressekodex. Die Redaktionen hatten in den Printausgaben und Online-Auftritten Pressemitteilungen für die Leser nicht nachvollziehbar gekennzeichnet (Richtlinie 1.3) und die Doppelfunktion einer Agentur nicht offengelegt (Richtlinie 6.1). Die Agentur arbeitet im Verbreitungsgebiet der Zeitungen als Pressestelle einer Kommune und gleichzeitig als Zulieferer von journalistischen Inhalten für die Redaktionen. In ihrer Funktion als Pressestelle verantwortet sie die Pressemitteilungen der Stadtverwaltung und beantwortet Medienanfragen. Als Zulieferer der Redaktionen berichtet sie zudem über diverse lokale Themen. Alle diese Beiträge wurden in gleicher Weise mit Namen bzw. dem Kürzel der Agentur gekennzeichnet. Den Lesern bleibt dadurch unklar, ob es sich bei den Artikeln um städtische Pressemitteilungen handelt, ob die Agentur in ihrer Funktion als Pressesprecher der Kommune auf redaktionelle Anfragen antwortet oder ob sie den Text im Auftrag der Redaktion erstellt hat. Eine solche Praxis gefährdet nach Ansicht des Presserats massiv die Glaubwürdigkeit der Medien.

Kritik an ungeprüfter Übernahme von Informationen anderer Medien

Der Presserat sieht in der Veröffentlichung ungeprüfter Aussagen aus anderen Medien einen Verstoß gegen den Pressekodex. Er appelliert an die Redaktionen, eigene Recherchen trotz Zeitnot nicht zu vernachlässigen. Beim Presserat hatte sich ein Leser wegen mehrerer Berichte über eine Berliner Demonstration gegen die geplante Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem beschwert. Bundesweit hatten Medien behauptet, aus der Demonstration heraus sei von einer signifikanten Menge minutenlang „Tod den Juden“ skandiert worden. Später stellte sich heraus, dass diese Meldung falsch war und es nur vereinzelt solche Zwischenrufe gab. Zahlreiche Medien hatten sich auf einen regionalen Zeitungsbericht verlassen, in dem ein Fehler unterlaufen war. Dies verletzt die journalistische Sorgfaltspflicht.

Berichterstattung über Mordversuch an 17-Jähriger: Entwürdigende Opferdarstellung

Der Presserat rügt BILD Online für die Berichterstattung rund um die Veröffentlichung eines Handy-Videos, das die Sekunden nach einem Mordversuch an einem 17-jährigen Mädchen zeigt. Zahlreiche User hatten sich beim Presserat beschwert, weil in dem Video zu hören ist, wie das unkenntlich gemachte, schwer verletzte Opfer seine Angreifer anfleht. Das Video wurde nach der Veröffentlichung von der Seite entfernt. Die Berichterstattung insgesamt verstößt jedoch gegen die Persönlichkeitsrechte und die Menschenwürde des Opfers. In den gezeigten Bildausschnitten aus dem Video sieht der Beschwerdeausschuss eine übertrieben sensationelle Berichterstattung nach Ziffer 11 des Pressekodex und einen Verstoß gegen die Menschenwürde. Die Kritik der Beschwerdeführer, dass das Video für die User nur hinter einer Bezahlschranke abrufbar war, war für den Presserat dagegen nicht relevant. Bei dieser Frage geht es um ein Geschäftsmodell und nicht um ein ethisches Thema, das anhand des Pressekodex zu erörtern wäre.

Kriminalstatistik reißerisch und irreführend dargestellt

TAG24.DE wird für eine reißerische und irreführende Überschrift zum Thema Sexualstraftaten gerügt. Das Online-Medium hatte für Leipzig einen „dramatischen Anstieg von Vergewaltigungen“ von 670 Prozent binnen zwei Jahren gemeldet. Im zweiten Absatz wird erwähnt, dass nicht nur Vergewaltigungen, sondern auch Fälle von schwerer sexueller Nötigung in die Statistik mit einbezogen wurden. Erst am Ende des Artikels klärt die Redaktion auf, dass der enorme Anstieg wesentlich auf eine Verschärfung des Sexualstrafrechts zurückgeht. Der Presserat sieht darin eine grobe Irreführung der User und einen schweren Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht. Die Redaktion hatte die Überschrift im Nachhinein zwar geändert, jedoch fiel dies für die Entscheidung nicht ins Gewicht, da vor der Änderung bereits 25.000 User auf der Seite verzeichnet waren, die die Nachricht gesehen hatten.

Namen und sexuelle Orientierung von Angeklagten durfte nicht genannt werden

Der Beschwerdeausschuss Redaktionsdatenschutz spricht gegen die TAZ eine Rüge aus wegen eines Verstoßes gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Ziffer 8 des Pressekodex. Im Rahmen eines Prozessberichts wurden die sexuelle Orientierung und Krankheitsgeschichte der Angeklagten erwähnt, da sie für die Urteilsfindung relevant waren. Gleichzeitig wurden die Angeklagten durch eine Vielzahl von Angaben im Text, wie die Nennung ihrer Vornamen, ihrer Unternehmen und des Stadtteils für einen erweiterten Personenkreis identifizierbar. In dieser Kombination wurden Details aus der Intimsphäre der Betroffenen bekannt gemacht, ohne dass daran ein öffentliches Interesse besteht.

Abbildung von verunglücktem Ehepaar verstößt gegen den Opferschutz

BILD erhält eine Rüge für die Abbildung von Unfallopfern. Unter der Überschrift „Warum passiert guten Menschen so etwas Schreckliches?“ berichtete BILD über einen schweren Autounfall auf der A5. Der Bericht zeigt neben dem zerquetschten Unfallwagen private Fotos des ums Leben gekommen Ehepaars. Beide hätten sich in der Kinderkrebshilfe engagiert. Der Presserat sieht in der Verwendung der privaten Porträts eine massive Verletzung des Opfer- und Angehörigenschutzes. Auch wenn die Redaktion nach eigenen Worten mit den Abbildungen die Opfer „besonders würdigen“ wollte, ist die Verwendung ihrer Fotos ohne Einwilligung der Angehörigen presseethisch nicht vertretbar.

Schleichwerbung für Discounter und ein Medikament

Gerügt wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der klaren Trennung von Redaktion und Werbung nach Ziffer 7 Pressekodex wurden die Zeitschriften AUF EINEN BLICK und GONG. AUF EINEN BLICK hatte unter der Überschrift „Angebote der Woche“ einen Beitrag veröffentlicht, in dem diverse Non-Food-Angebote von Lidl, Norma und Tchibo aufgelistet waren und auf ein Angebot des Shopping-Fernsehsenders QVC hingewiesen wurde. In dem Text erfolgte keine journalistische Einordnung der Angebote, eine redaktionelle Begründung für ihre Hervorhebung wurde nicht genannt. Ein öffentliches Interesse an dieser Veröffentlichung erkannte der Presserat nicht und sah die Grenze zur Schleichwerbung als deutlich überschritten an. GONG hatte einen Beitrag unter der Überschrift „Hallo Doktor! Gibt es gegen Erkältungen auch sanfte Mittel?“ veröffentlicht. In dem Artikel antwortete ein Heilpraktiker auf die Frage einer Leserin, ob bei Erkältungen auch homöopathische Arzneimittel helfen können. Er bejahte dies und wies auf die Wirksamkeit von Medikamenten aus Naturstoffen hin. Im Text wird nur ein einziges Präparat genannt und mehrfach ein Marketing-Begriff benutzt, der nur diesem Präparat zuzuordnen ist. Nach Ansicht des Presserates überschreitet dies die Grenze zur Schleichwerbung.

Die Ergebnisse: 10 öffentliche Rügen, 12 Missbilligungen und 24 Hinweise. Der Presserat bewertete 7 Beschwerden als begründet, verzichtete jedoch auf eine Maßnahme. 55 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet.

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