Presserat gegen staatlichen Einfluss auf Wirtschaftsberichterstattung
Die geplante Novellierung des Wertpapierhandelsgesetzes darf nicht zu einer Einschränkung der Pressefreiheit führen. „Der Deutsche Presserat sieht die Gefahr einer Kontrolle der Finanzmarktberichterstattung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – dies habe ich heute Bundesfinanzminister Eichel sowie den Berichterstattern im Finanzausschuss nochmals geschrieben“, erklärte die Sprecherin des Presserats, Dr. Ilka Desgranges, in Bonn. „Die Pressefreiheit umfasst auch eine von staatlichen Einflüssen freie Information und Kommentierung von Vorgängen auf dem Finanzmarkt“, so Desgranges. Der mit dem Gesetzentwurf verfolgte Anlegerschutz wird vom Presserat ausdrücklich begrüßt. Allerdings enthält der Gesetzentwurf, der von der Bundesregierung als besonders eilbedürftig eingestuft wird und am 30. Juni 2004 im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages bereits abschließend beraten werden soll, verfassungsrechtlich bedenkliche Passagen.
Sowohl die Regelungen zur pressemäßigen Wiedergabe von Finanzanalysen als auch solche zum Verbot von Marktmanipulationen sehen eine weitreichende Prüfungsbefugnis der staatlichen Kontrollbehörde vor. Die „BaFin“ soll nach der amtlichen Begründung des Entwurfes im Rahmen ihrer allgemeinen Aufsicht überprüfen, ob die Mechanismen der Selbstregulierung mit den europarechtlich vorgegebenen Grundsätzen vereinbar sind. Darüber hinaus kann die Behörde gegenüber den Medien feststellen, dass die „bestehende Selbstkontrolle den gesetzlichen Maßstäben derzeit nicht genügt“. Zudem schweben dem Gesetzgeber Anzeigepflichten für die journalistische Arbeit vor. Im Einzelnen müssen die Verlage zukünftig Verzeichnisse führen mit den Namen derjenigen Redakteure, die für die journalistische Bearbeitung von Finanzanalysen verantwortlich sind. Aus Sicht der Presse werden damit die europarechtlichen Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie in verfassungsrechtlich angreifbarer Weise umgesetzt.
Der Deutsche Presserat und die ihn tragenden Verleger- und Journalistenorganisationen – BDZV, VDZ, DJV und dju in Ver.di – setzen dem eine wirksame Selbstregulierung mit „best practice“-Verhaltensregeln entgegen. Dies haben sie dem Gesetzgeber zusammen mit den verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber den Plänen und verbunden mit dem Vorschlag einer Sonderregelung für die journalistische Arbeit mitgeteilt. Die gemeinsame Stellungnahme ist auf der Homepage des Deutschen Presserats unter www.presserat.de abrufbar.
Unternehmenskodizes, die bereits in vielen Pressehäusern existieren, publizistische Grundsätze und Empfehlungen für die journalistische Praxis sind aus seiner Sicht besser geeignet, eine unabhängige und korrekte Finanzmarktberichterstattung zu erreichen, als Gesetze mit staatlichen Kontrollmechanismen. Der Pressekodex, das beim Presserat eingerichtete Beschwerdeverfahren sowie eine wirksame Selbstbindung der Branche machen aus Sicht der Presse Einschränkungen der journalistischen Arbeit durch den Gesetzgeber überflüssig. Der Presserat appelliert deshalb an den Gesetzgeber, sich im Rahmen eines interfraktionellen Antrags auf Mechanismen der freiwilligen Selbstregulierung bei der Finanzmarktberichterstattung zu verständigen.