Presseräte aus ganz Europa tagten in Bonn
Am 28. und 29. September trafen sich in Bonn auf Einladung des Deutschen Presserats die Vertreter von 15 Medienselbstkontrollorganen aus ganz Europa. Es war das zweite Treffen der Alliance of Independent Press Councils of Europe (AIPCE), dem Zusammenschluss der unabhängigen Presseräte in Europa, der im vergangenen Jahr in London gegründet worden war.
Professor Robert Schweizer eröffnete als amtierender Sprecher des Deutschen Presserats die Veranstaltung mit einem Grundsatzreferat über Probleme des europäischen Presserechts. Er verwies unter anderem auf die Schwierigkeiten, die durch eine Kodifizierung der Grundrechte in einer gemeinsamen Grundrechtscharta der Europäischen Union entstehen können. Dadurch werde die Pressefreiheit in Konkurrenz zu anderen Grundrechten möglicherweise eingeschränkt, warnte Schweizer. Als Beispiele nannte er u.a. den Konflikt zwischen Pressefreiheit und Datenschutz und die Begrenzung der Werbefreiheit.
Auf allgemeine Zustimmung stieß die Feststellung, dass der europäische Gesetzgeber dringend bei der Kodifizierung der Grundrechtscharta die Grundrechte der Informations- und Pressefreiheit respektieren muss. Dieser Respekt verlange auch, diese Grund-rechte im Spannungsfeld zu anderen Grundrechten in einem angemessenen Verhältnis zu würdigen. Der bislang vorliegende Entwurf einer Grundrechtscharta der Europäischen Gemeinschaft missachte diese Mindestanforderungen, so Schweizer. Einige Teilnehmer betonten, dass die vorgeschlagenen Kapitel der Charta über Persönlichkeits- und Datenschutz so abgeändert werden müssen, dass sie die Pressefreiheit nicht beschränken.
Ein weiterer Schwerpunkt der Beratungen in Bonn war die Herausforderung der Presse und der Publizistischen Selbstkontrolle durch das Internet. Verschiedene Redner verwiesen darauf, dass eine Selbstkontrolle nicht mehr möglich sei, wenn die Quellen der Berichterstattung nicht mehr nachvollziehbar sind. Der schwedische Ombudsmann für die Medien, Pär-Arne Jigenius, hob in einem Vortrag über die Selbstkontrolle von Online-Medien in Schweden hervor, dass es keine doppelten Standards für Druck- und Online-Publikationen geben dürfe. In den Beiträgen verschiedener Redner kam die Sorge zum Ausdruck, dass durch das Internet bisherige Konzepte des Journalismus in Frage gestellt würden. Nicht alles, was professionell aufgemacht werde, sei professioneller Journalismus. Es sei die Aufgabe der publizistischen Selbstkontrolle, die hohen ethischen Standards des Pressejournalismus auch auf den Online-Journalismus auszudehnen.
Guy Black, Direktor der britischen Press Complaints Commission, stellte die Regelung in Großbritannien vor, Datenschutz und publizistische Selbstkontrolle zu vereinbaren. Das britische Datenschutzgesetz sei ein Beispiel dafür, so Black, dass die Presse-freiheit durch den Persönlichkeitsschutz nicht beeinträchtigt werden müsse.
Als Mitglied der Independent Media Comission berichtete Dieter Loraine von seinen Erfahrungen mit dem Aufbau eines unabhängigen Presserats in Bosnien-Herzegowina. Das Selbstkontrollorgan wurde eine Woche vor der Veranstaltung offiziell ins Leben gerufen. Noch heute, so Loraine, gebe es in der früheren jugoslawischen Provinz massive Einschüchterungsversuche gegenüber der Presse. Starke ethnische Gegensätze erschwerten den Aufbau einer freien Presse und die Zusammenarbeit zwischen den Journalisten. Vor allem durch die Unterstützung anderer europäischer Presseräte und internationaler Journalistenvereinigungen könne der Presserat in Bosnien-Herzegowina jedoch nun mit einer glaubwürdigen Arbeit beginnen und einen wesentlichen Beitrag zur Pressefreiheit leisten.
Im Rahmen einer intensiven Diskussion über den in den Niederlanden inhaftierten Journalisten, Koen Voskuil, forderten verschiedene Teilnehmer die Beachtung des Informantenschutzes für Presse und Journalisten. Auf breite Zustimmung stieß die Aussage von Manfred Protze, Vorsitzender des Beschwerdeausschusses des Deutschen Presserats, der Informantenschutz gehöre zu den elementaren Existenzbedingungen einer freien Presse. Die niederländische Justiz wurde aufgefordert, den Journalisten Koen Voskuil sofort aus der Beugehaft zu entlassen. Voskuil wurde in Haft genommen, um die Preisgabe eines Informanten zu erzwingen.