Menschen als "Abschaum" bezeichnet
Die drei Beschwerdeausschüsse des Presserats tagten vom 03. bis 04.12.2013 in Berlin. Sie behandelten 103 Beschwerden. 6 Veröffentlichungen wurden gerügt. Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG erhielt eine öffentliche Rüge für einen Kommentar. Darin setzte sich die Redaktion mit Kundgebungen von NPD und linker "Antifa" im Zusammenhang mit der geplanten Einrichtung eines Asylbewerberwohnheims in einem kleinen Ort bei Leipzig auseinander. Der Kommentator hatte die Ansicht vertreten, „der braune und rote Abschaum“ solle sich von dem Ort fern halten. Der Beschwerdeausschuss war der Ansicht, dass die Bezeichnung „Abschaum“ gegen Ziffer 9 des Pressekodex verstößt, weil sie beleidigend ist. Menschen als "Abschaum", also Abfall, zu bezeichnen, verletzt die Menschenwürde der Betroffenen.
Die Ziffer 9 (Schutz der Ehre) lautet:
Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.
Die Zeitung JUNGE FREIHEIT wurde wegen eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot (Ziffer 12 des Pressekodex) gerügt. Die Zeitung hatte sich mit einer Entscheidung des Landessozialgerichts Essen beschäftigt, der zufolge Einwanderer aus Bulgarien und Rumänien Anspruch auf Sozialleistungen in Deutschland haben. In der Überschrift hatte die Zeitung formuliert: „Zigeuner können Sozialhilfe bekommen“ und damit suggeriert, das Gericht habe eine Sonderregelung für eine bestimmte ethnische Minderheit im Sozialrecht geschaffen. Für die willkürliche Heraushebung dieser Minderheit durch die Redaktion sah der Ausschuss keinen sachlichen Grund. Sie wirkt diskriminierend.
Die Ziffer 12 (Diskriminierungen) lautet:
Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.
Eine nicht-öffentliche Rüge sprach der Ausschuss gegen BILD Online aus. Das Medium hatte darüber berichtet, dass eine namentlich genannte Landtagsabgeordnete in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden war. Auch der angebliche Hintergrund der Einweisung wurde mitgeteilt. Körperliche und psychische Erkrankungen gehören gemäß Ziffer 8, Richtlinie 8.6 des Pressekodex in die Privatsphäre. In der Regel soll darüber nicht ohne Zustimmung des Betroffenen berichtet werden. Im kritisierten Fall lag die Einwilligung der Betroffenen offenbar nicht vor.
Wegen einer Verletzung des Grundsatzes der klaren Trennung von Redaktion und Werbung wurde der DINGOLFINGER ANZEIGER gerügt. Die Zeitung hatte die redaktionelle Ankündigung einer Kabarettveranstaltung von der Schaltung einer Anzeige abhängig gemacht. Eine solche Forderung ist ein grober Verstoß gegen Ziffer 7 Pressekodex, da eine redaktionelle Berichterstattung nicht an eine finanzielle Gegenleistung gekoppelt werden darf.
In einem ähnlich gelagerten Fall erhielt die Modellbauzeitung RC-FREIZEIT eine Rüge. Der Chefredakteur der Publikation hatte einem Leser, der nach Testberichten zu bestimmten Produkten gefragt hatte, mitgeteilt, dass man über diese Produkte weder berichtet habe noch berichten werde. Grund sei, dass die Hersteller in der Zeitschrift keine Anzeigen schalteten. Redaktionelle Berichterstattung auf diese Weise von Anzeigenaufträgen abhängig zu machen, ist nicht mit dem Trennungsgrundsatz nach Ziffer 7 Pressekodex vereinbar.
Die Ziffer 7 (Trennung von Werbung und Redaktion) fordert:
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.
Gegen BILD Online sprach der Beschwerdeausschuss eine öffentliche Rüge wegen eines Artikels über die medikamentöse Therapie bei vorzeitigem Samenerguss aus. Die Redaktion hatte darin umfangreich Material einer für den Medikamentenhersteller tätigen PR-Agentur wörtlich übernommen und nicht entsprechend gekennzeichnet. Außerdem wurden Preis und Handelsname des Medikaments genannt. Der Ausschuss sah darin einen Verstoß gegen das Verbot der Schleichwerbung und die und die Sorgfaltspflichten im Umgang mit PR-Material (Richtlinie 7.2 des Pressekodex).
Die Sanktionen: 5 öffentliche Rügen, 1 nicht-öffentliche, 18 Missbilligungen, 21 Hinweise. 42 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet. In 4 Fällen wurden die Beschwerden als begründet angesehen, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet.